1. Senat | REWIS RS 2012, 7493
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Beratung des Dualen Systems durch Gemeinde als Betrieb gewerblicher Art
1. NV: Eine Gebietskörperschaft begründet einen BgA, wenn sie das Duale System entgeltlich berät oder diesem Kosten für die Beratung der Endverbraucher oder für die Reinigung der Container-Stellflächen in Rechnung stellt.
2. NV: Die Frage, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit als BgA oder als hoheitliche Tätigkeit zu werten ist, hängt nicht davon ab, ob sich die juristische Person des öffentlichen Rechts bei ihrem Handeln des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts bedient. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob sie eine wirtschaftliche Leistung erbringt, die in gleicher Weise auch von privaten Anbietern erbracht wird oder werden könnte.
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), eine Gebietskörperschaft, führte im Streitjahr 2004 eine entgeltliche Abfallberatung durch. Dieser Tätigkeit liegt eine "Vereinbarung zur Änderung der Vereinbarung über die Kostenbeteiligung an Abfallberatung und Stellflächen von [[X.].] etc." vom … Dezember 2003/… Januar 2004 zwischen dem Kläger und (einem Unternehmen, das im Rahmen des [[X.].] tätig ist) zugrunde. Grundlage der Vereinbarung soll § 6 Abs. 3 Satz 10 der Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung) vom 21. August 1998 ([[X.].], 2379) in der für das Streitjahr gültigen Fassung ([[X.].]) sein. Die Beratungsleistungen des [[X.].] bestehen nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([[X.].]) in der Beratung des [X.] hinsichtlich Standortfragen von Behältern, wie Umstellung, Optimierung und Leerungsintervallen, hinsichtlich der Sauberhaltung von [X.] auf öffentlichem Straßenland, hinsichtlich der Systemspezifikationen, insbesondere z.B. dazu, welche Abfälle [X.] sammeln darf und welche nicht, sowie hinsichtlich der Auslegung von Gesetzen und Gesetzesänderungen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) beurteilte diese gegen Entgelt ausgeübte Tätigkeit als einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) i.S. des § 4 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung ([X.] 2002) und unterwarf den dadurch erzielten Gewinn von [X.] der Besteuerung. Der gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2004 erhobenen Klage des [[X.].] gab das [[X.].] Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 16. Februar 2011 12 K 8281/06 B, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[[X.].]) 2011, 1356, statt. Es war der Auffassung, die Abfallberatung sei eine hoheitliche Tätigkeit.
Mit seiner Revision rügt das [X.] eine Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das Urteil des [[X.].] aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des [[X.].] und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --F[[X.].]O--). Der Kläger hat mit der entgeltlichen Abfallberatung einen BgA i.S. des § 4 Abs. 1 [[X.].] 2002 unterhalten.
1. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind mit ihren BgA unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 [[X.].] 2002). BgA sind alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen und die sich innerhalb der [[X.].]esamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben (§ 4 Abs. 1 [[X.].] 2002).
Zu den BgA gehören nicht hoheitliche Tätigkeiten und auch nicht Betriebe, die überwiegend der Ausübung öffentlicher [[X.].]ewalt dienen, sofern sich die hoheitliche und die wirtschaftliche Tätigkeit nicht trennen lässt ("Hoheitsbetriebe", § 4 Abs. 5 Satz 1 [[X.].] 2002). Unter Ausübung öffentlicher [[X.].]ewalt sind Tätigkeiten zu verstehen, die der juristischen Person des öffentlichen Rechts eigentümlich und vorbehalten sind. Kennzeichnend dafür ist die Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind, staatlichen Zwecken dienen und zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Urteile vom 7. November 2007 [[X.].], [[X.].], 563, [[X.].], 248; vom 25. Januar 2005 [[X.].]/03, [[X.].], 195, [[X.].], 501, m.w.N.; vom 29. Oktober 2008 [[X.].], [[X.].], 232, [[X.].], 1022).
Eine Ausübung öffentlicher [[X.].]ewalt ist allerdings insoweit ausgeschlossen, als sich die Körperschaft durch ihre Einrichtungen in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr einschaltet und eine Tätigkeit ausübt, die sich ihrem Inhalt nach von der Tätigkeit eines privaten gewerblichen Unternehmens nicht wesentlich unterscheidet. Dann bewegt sich auch die juristische Person des öffentlichen Rechts in Bereichen der unternehmerischen Berufs- und [[X.].]ewerbeausübung, in denen private Unternehmen durch den Wettbewerb mit (grundsätzlich nicht steuerpflichtigen) Körperschaften des öffentlichen Rechts ihrerseits nicht benachteiligt werden dürfen (Senatsurteil in [[X.].], 195, [[X.].], 501, m.w.N.).
2. [[X.].]emäß § 15 Abs. 1 des [[X.].] der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen vom 27. September 1994 ([[X.].] 1994, 2705) sind die [[X.].]ebietskörperschaften verpflichtet, die in ihrem [[X.].]ebiet anfallenden Abfälle aus privaten Haushaltungen zu beseitigen. Die Erfüllung dieser Pflicht durch juristische Personen des öffentlichen Rechts kann daher möglicherweise als Hoheitsbetrieb gewertet werden (Senatsurteil vom 23. Oktober 1996 [[X.].]-2/94, [[X.].], 322, [[X.].] 1997, 139; zur Kritik hieran [[X.].]/[[X.].], Betriebs-Berater 2010, 2022; [[X.].], [[X.].] 2009, 321; zweifelnd [[X.].]osch [[X.].], 2. Aufl., § 4 Rz 115). Durch die [[X.].] ist diese Pflicht jedoch zum Teil auf die private Wirtschaft übergegangen. Die Hersteller und Vertreiber von Verpackungen sind verpflichtet, außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung Verpackungen zurückzunehmen und zu verwerten. Diese Verpflichtung entfällt, soweit sie sich an einem System beteiligen, das eine regelmäßige Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen beim privaten Endverbraucher oder in dessen Nähe sicherstellt (§ 6 Abs. 1 [X.]). Erbringen bei der Müllentsorgung im Rahmen des sogenannten dualen Systems nach § 6 Abs. 3 [X.] juristische Personen des öffentlichen Rechts Leistungen gegen Entgelt gegenüber den entsorgungspflichtigen Unternehmen, begründen sie hierdurch einen BgA und keinen Hoheitsbetrieb i.S. des § 4 Abs. 5 [[X.].] 2002 (Senatsurteil vom 6. November 2007 [[X.].], [[X.].], 545, [[X.].], 246; [[X.].] und 7 der [[X.].] 2004; Urteil des [[X.].] vom 16. März 2001 9 K 7607/98 K,[[X.].], EF[[X.].] 2001, 849; [[X.].], Der Betrieb 1999, 1088; [[X.].] in [[X.].], [[X.].], § 4 Rz 200, 220; [[X.].] in [[X.].]/[[X.].]/[[X.].], Kommentar zum [[X.].] und ESt[[X.].], § 4 [[X.].] Rz 109 "Duales System"; Mai in [[X.].]/[[X.].], [[X.].]/[[X.].]ewSt[[X.].]/UmwSt[[X.].], [[X.].] 2011, § 4 Rz 23 "Duales System").
3. Der Kläger hat durch die Abfallberatung nachhaltig eine wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausgeübt und damit einen BgA begründet. Entgegen der Auffassung des F[[X.].] war er insoweit nicht hoheitlich tätig, denn die Abfallberatung ist keine den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern durch [[X.].]esetz ausschließlich zugewiesene Aufgabe, die von privaten Unternehmen nicht erfüllt werden darf. Dies ist jedoch für die Annahme hoheitlichen Handelns zwingend erforderlich, wenn auch allein nicht ausreichend (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 2 [[X.].] 2002). Weder § 6 Abs. 3 Satz 10 [X.] noch einer anderen Vorschrift lässt sich entnehmen, dass die Systembetreiber verpflichtet sind, sich hinsichtlich ihres Systems durch die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger beraten zu lassen. [X.] hätte vielmehr auch einen entsprechenden Beratungsvertrag mit einem privaten Unternehmen schließen können.
a) Nach § 6 Abs. 3 Satz 10 [X.] sind Systembetreiber verpflichtet, sich an den Kosten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu beteiligen, die durch Abfallberatung für ihr jeweiliges System und durch die Errichtung, Bereitstellung, Unterhaltung sowie Sauberhaltung von Flächen für die Aufstellung von [X.] entstehen. Dieser Vorschrift liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, dass sämtliche Kosten, die durch das Sammeln und Verwerten von Verpackungen entstehen, den Herstellern und Vertreibern von Verpackungen bzw. dem System, dem sie sich gemäß § 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 [X.] angeschlossen haben, aufzubürden sind, weil die Rücknahme- und Verwertungspflicht von [X.] den Herstellern und Vertreibern von Verpackungen bzw. den dualen Systemen obliegt. Erwachsen einer [[X.].]emeinde durch die Abfallberatung für das System des [X.], sollen diese nicht von der Allgemeinheit, sondern nach Auffassung des [[X.].]esetzgebers über die vereinnahmten [[X.].]eldmittel für das duale System abgedeckt werden (Beschluss des [X.] vom 29. Mai 1998, BTDrucks 13/10943, S. 34).
§ 6 Abs. 3 Satz 10 [X.] ordnet weder an, dass die Abfallberatung nur von öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu leisten noch von den dualen Systemen zwingend --z.B. unabhängig von einem tatsächlichen [X.] in Anspruch zu nehmen ist (vgl. hierzu [[X.].]/[X.], Kommentar zur [[X.].], 2. Aufl., § 6 Rz 101; [X.], Die [[X.].], § 6 Rz 65). Die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 10 [X.] trägt vielmehr dem tatsächlichen Befund Rechnung, dass die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger durch die in § 6 Abs. 3 [X.] niedergelegte Pflicht, die jeweiligen Systeme mit den vorhandenen Sammelsystemen der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger abzustimmen, häufig die Endverbraucher auch über die ordnungsgemäße Entsorgung von [X.] beraten. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass z.B. eine etwa erforderlich werdende Beratung des Endverbrauchers auch vom Systembetreiber selbst oder durch einen von diesem beauftragten Dritten erfolgen kann. Das ordnungsgemäße Sammeln und Verwerten der Verpackungsabfälle gehört in den Verantwortungsbereich der Hersteller und Vertreiber von Verpackungen bzw. der Systeme, die demnach auch selbst dafür sorgen müssen, dass die Endverbraucher und sie selbst über das notwendige Know-how verfügen, damit diese Aufgabe in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen wahrgenommen wird.
b) An dieser Einschätzung ändert auch nichts, dass das Verhältnis zwischen [X.] und öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern abfallrechtlich und damit öffentlich-rechtlich geprägt ist (vgl. Oberverwaltungsgericht für das [X.], Urteil vom 14. Juli 2011 20 A 2467/08, [X.] 2011, 1425). Für die Feststellung eines Systems ist eine Abstimmungsvereinbarung zwischen dem System und dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in Form eines zweiseitigen öffentlich-rechtlichen [X.] ff. des Verwaltungsverfahrensgesetzes erforderlich (§ 6 Abs. 3 [X.]). Die Vereinbarung einer Kostenbeteiligung für die Abfallberatung wird daher häufig entweder im Rahmen der Abstimmungsvereinbarung selbst oder aufgrund eines gesondert geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrags getroffen werden. Die Frage, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit als BgA oder als hoheitliche Tätigkeit zu werten ist, hängt aber nicht davon ab, ob sich die juristische Person des öffentlichen Rechts bei ihrem Handeln des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts bedient (z.B. Senatsurteil in [[X.].], 322, [[X.].] 1997, 139, m.w.N.). Maßgeblich ist vielmehr allein, ob sie eine wirtschaftliche Leistung erbringt, die in gleicher Weise auch von privaten Anbietern erbracht wird oder werden könnte. Dies ist sowohl bei der Beratung von [X.], erst recht aber bei einer Beratung des [X.] selbst der Fall.
4. Das F[[X.].] ist von anderen [[X.].]rundsätzen ausgegangen. Sein Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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03.04.2012
Urteil
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 16. Februar 2011, Az: 12 K 8281/06 B, Urteil
§ 15 Abs 1 KrW-/AbfG, § 1 Abs 1 Nr 6 KStG 2002, § 4 Abs 1 KStG 2002, § 4 Abs 5 S 1 KStG 2002, § 4 Abs 5 S 2 KStG 2002, § 6 Abs 1 VerpackV, § 6 Abs 3 VerpackV, § 6 Abs 3 S 10 VerpackV, § 54 VwVfG
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.04.2012, Az. I R 22/11 (REWIS RS 2012, 7493)
Papierfundstellen: REWIS RS 2012, 7493
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Absicherung von Mitbenutzungs- und Nebenentgelten
III ZR 53/17 (Bundesgerichtshof)
Geschäftsführung ohne Auftrag: Auskunftsanspruch des privaten Betreibers eines dualen Systems gegen einen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger über …
III ZR 53/17 (Bundesgerichtshof)
24 U 4/06 (Oberlandesgericht Köln)
Festsetzung von abfallrechtlicher Sicherheitsleistung
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