Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.05.2022, Az. XII ZB 543/20

12. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 2656

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Gegenstand

Anwendbares Recht für nachehelichen Unterhalt: Engere Verbindung der Ehe deutscher Staatsangehöriger zum Recht eines anderen Staates; befristete Aufenthalte der Ehegatten in verschiedenen Ländern


Leitsatz

1. Ob für eine engere Verbindung der Ehe zum Recht eines anderen Staates nach Art. 5 HUP Anhaltspunkte von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten als in der Regel maßgeblicher Anknüpfungspunkt zurücktritt, ist eine Frage der bei der vorzunehmenden wertenden Gesamtbetrachtung zu berücksichtigenden Einzelfallumstände.

2. Zur engeren Verbindung der Ehe zum Recht eines anderen Staates nach Art. 5 HUP bei aufgrund beruflicher Verhältnisse eines Ehegatten („Expatriate“) jeweils befristeten Aufenthalten in verschiedenen Ländern.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 2. Zivilsenats - [X.] - des [X.] vom 26. November 2020 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) begehrt vom Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) nachehelichen Unterhalt.

2

Die Beteiligten, die beide [X.] Staatsangehörige sind, lebten mit ihrer 1992 geborenen Tochter seit dem [X.] gemeinsam in [X.], wo der Ehemann eine Doktorandenstelle innehatte. [X.] ging der Ehemann ein Arbeitsverhältnis mit einem weltweit tätigen Mineralölunternehmen ein, wonach er als so genannter Expatriate für eine jeweils befristete Zeit von in der Regel vier Jahren an einem internationalen Standort des Unternehmens tätig sein sollte. Daraus ergab sich - unter zwischenzeitlicher Verlängerung - zunächst ein Aufenthalt der Familie in [X.] von 1999 bis 2008, wo die Beteiligten im Jahr 2006 einen Partnerschaftsvertrag nach niederländischem Recht schlossen und im Juli 2008 heirateten. Anschließend lebten sie im Zuge einer befristeten Tätigkeit des Ehemanns im Sultanat [X.]. Seit Juni 2012 hielt sich die Familie im US-Bundesstaat [X.] auf, wo der Ehemann für das Unternehmen im Rahmen eines zunächst auf längstens fünf Jahre befristeten Einsatzes zu den Bedingungen eines „[X.]“ arbeitete.

3

Im [X.] an die Trennung der Beteiligten im Februar 2015 wurde ihre Ehe auf ihren beiderseitigen Antrag durch Urteil des Bezirksgerichts des 505. Gerichtsbezirks, [X.], [X.], vom 8. Dezember 2017 rechtskräftig geschieden. Im Rahmen einer Mediation hatten sie am 6. Oktober 2017 eine - durch das Urteil bestätigte - Scheidungsfolgenvereinbarung getroffen, die im Wesentlichen Regelungen zur Vermögensauseinandersetzung einschließlich der vom Ehemann erworbenen Anrechte auf Altersvorsorge enthielt. Seit der Scheidung hält sich die Ehefrau bei ihren Eltern in [X.] auf, während der Ehemann weiterhin in [X.] lebt.

4

Das Amtsgericht hat den Antrag der Ehefrau, den Ehemann zur Zahlung eines rückständigen nachehelichen [X.] für den Zeitraum von April 2018 bis Juni 2018 in Höhe von insgesamt 15.546,09 € und eines laufenden Unterhalts ab Juli 2018 in Höhe von monatlich insgesamt 5.182,03 € zu verpflichten, auf der Grundlage des nach seiner Auffassung anwendbaren texanischen Unterhaltsrechts zurückgewiesen. Die Beschwerde der Ehefrau hatte vor dem [X.] keinen Erfolg. Hiergegen wendet sie sich mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie weiterhin ihren Antrag auf nachehelichen Unterhalt nach [X.]m Recht verfolgt.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

6

1. Das [X.] hat zur Begründung seiner in [X.], 1030 veröffentlichten Entscheidung Folgendes ausgeführt:

7

Entgegen der Auffassung der Ehefrau beurteile sich der von ihr geltend gemachte Anspruch in Anwendung des [X.] vom 23. November 2007 ([X.]) nach texanischem Unterhaltsrecht. Da die Beteiligten im Zuge des Scheidungsverfahrens keine Rechtswahl im Sinne des Art. 8 [X.] getroffen hätten, komme es nach Art. 3 Abs. 1 [X.] zwar grundsätzlich auf den gewöhnlichen Aufenthalt der berechtigten Person an. Anstelle des danach einschlägigen [X.]n Rechts sei hier jedoch gemäß Art. 5 [X.] texanisches Recht maßgeblich, weil sich der Ehemann gegen die Anwendung [X.]n Rechts wende und vorliegend das Recht des Bundesstaats [X.] eine engere Verbindung zur Ehe der Beteiligten aufweise. Im Rahmen der hierbei gebotenen Beurteilung komme es auf alle Verbindungen der Ehe zu den verschiedenen betroffenen Ländern an. Außer Betracht blieben hingegen Umstände, die vor der Eheschließung oder nach der Ehescheidung eingetreten seien.

8

Im vorliegenden Fall spreche für eine engere Verbindung zum texanischen Recht, dass die Beteiligten bezogen auf die gesamte Ehezeit am längsten in [X.] gelebt hätten. Dass es sich hierbei auch um den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Beteiligten handele, indiziere eine enge Verbindung zu der dortigen Rechtsordnung. Der Umstand, dass für die Beteiligten die Dauerhaftigkeit ihres Aufenthalts in [X.] nicht festgestanden habe, stehe einer engeren Verbindung deshalb nicht entgegen, weil diese durch weitere Umstände untermauert werde. Die Beteiligten hätten sich bewusst zur Durchführung ihrer Scheidung in [X.] entschlossen und sich damit für die dortige Rechtsordnung entschieden, auch wenn diese Ortswahl letztlich aus Gründen der Praktikabilität erfolgt sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Ehemann dort weiterhin seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe und dieser im Hinblick auf seinen Antrag zur Erteilung einer „Green [X.]ard“ nun auf Dauer angelegt sei.

9

Die Verbindung der Beteiligten zu [X.] bestehe demgegenüber im Wesentlichen in ihrer gemeinsamen [X.]n Staatsangehörigkeit. Dieses Kriterium sei jedoch im Rahmen des Art. 5 [X.] grundsätzlich zurückhaltend zu bewerten. Darüber hinaus seien die Beteiligten nur durch gelegentliche Besuche mit [X.] verbunden gewesen; eine Rückkehr dorthin habe während der Ehezeit nicht in Frage gestanden. Auch der Umstand, dass die Beteiligten in [X.] einen Partnerschaftsvertrag abgeschlossen und geheiratet hätten, verdeutliche, dass sie [X.] gerade nicht als gemeinsame Basis angesehen hätten. Es bestehe allerdings auch keine engere Verbindung der Ehe zu [X.], da der Ort der Eheschließung in der Regel keine engere Verbindung als der Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts begründen könne und die Beteiligten nach der Heirat nicht mehr in [X.] gelebt hätten.

Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt bestehe nach dem hier maßgeblichen § 8.051 Abs. 2 des texanischen [X.] nur, wenn die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert habe und zudem weitere Voraussetzungen der Bedürftigkeit des Berechtigten erfüllt seien. Im vorliegenden Fall scheitere ein Anspruch bereits an der nicht gegebenen Mindestdauer. Deshalb könne auch dahinstehen, ob die Geltendmachung von Unterhalt schon aufgrund eines auch insoweit abschließenden [X.]harakters des Scheidungsurteils ausgeschlossen sei.

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

a) Zutreffend hat das [X.] allerdings die internationale Zuständigkeit der [X.]n Gerichte bejaht, die unbeschadet des Wortlauts des § 72 Abs. 2 FamFG auch in den Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der [X.] von Amts wegen zu prüfen ist (Senatsbeschluss vom 31. März 2021 - [X.] 516/20 - [X.], 1050 Rn. 9 mwN). Sie ergibt sich im vorliegenden Fall aus Art. 1 Abs. 1, Art. 3 lit. b der Verordnung ([X.]) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in [X.] (EuUntVO), weil die Ehefrau ihren gewöhnlichen Aufenthalt in [X.] hat.

b) Ohne Erfolg macht der Ehemann geltend, dem [X.] der Ehefrau stehe entgegen, dass über diesen Streitgegenstand eine rechtskräftige Entscheidung in dem in [X.] durchgeführten Scheidungsverfahren ergangen sei. Soweit er sich insoweit auf ein Verfahrenshindernis beruft, ist dessen Vorliegen allerdings in jedem Rechtszug von Amts wegen zu prüfen (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2014 - [X.] 662/13 - FamRZ 2015, 479 Rn. 16 mwN) und kann - anders als vom [X.] angenommen - wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Zulässigkeitsprüfung (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 2012 - [X.]/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 44 mwN) nicht im Hinblick auf eine etwaige Unbegründetheit des Antrags dahinstehen. Ausreichend tragfähige Anhaltspunkte, wonach in dem Scheidungsverfahren eine Sachentscheidung über die Frage des nachehelichen Unterhalts getroffen wurde, sind jedoch weder dem Scheidungsurteil vom 8. Dezember 2017 noch der ihm zugrundeliegenden, auf solche Ansprüche ebenfalls nicht Bezug nehmenden Mediationsvereinbarung vom 6. Oktober 2017 zu entnehmen; sie sind auch nicht anderweitig vorgetragen oder ersichtlich.

c) Indes ist es rechtsfehlerhaft, dass das [X.] texanisches Unterhaltsrecht angewendet und auf dieser Grundlage einen Unterhaltsanspruch der Ehefrau verneint hat.

aa) Wie das [X.] im Ausgangspunkt zutreffend annimmt, bestimmt sich das auf den hier geltend gemachten Unterhaltsanspruch anwendbare Recht gemäß Art. 15 EuUntVO nach dem [X.] Protokoll vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (ABl. [X.] Nr. L 331 vom 16. Dezember 2009 S. 19; [X.] Unterhaltsprotokoll - [X.]). Wegen der in Art. 2 [X.] angeordneten Allseitigkeit kommt es aus [X.]r Sicht nicht darauf an, dass die [X.] kein Vertragsstaat sind (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Februar 2020 - [X.] 358/19 - FamRZ 2020, 918 Rn. 12 mwN).

bb) [X.] ist auch die Auffassung des [X.]s, dass die Beteiligten im Zuge ihres Scheidungsverfahrens keine Rechtswahl bezüglich des anwendbaren Unterhaltsrechts getroffen haben. Nimmt man an, dass eine Rechtswahl im Sinne des Art. 8 Abs. 1 [X.] nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent getroffen werden kann ([X.]/[X.] BGB 81. Aufl. Art. 8 [X.] Rn. 31 mwN), bedarf es hierfür jedenfalls eines anhand der Gesamtumstände festzustellenden Rechtswahlwillens der Beteiligten ([X.]/[X.] [X.]/[X.] 4. Aufl. Art. 8 [X.] Rn. 6; vgl. auch Senatsurteil BGHZ 119, 392 = FamRZ 1993, 289, 291 f.). Einen solchen, hier auf die Frage des nachehelichen Unterhalts bezogenen Willen musste das [X.] nicht aus den gegebenen Umständen folgern, zumal sich aus der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 6. Oktober 2017 kein erkennbarer Bezug zu dieser Frage ergibt.

cc) Die Rechtsbeschwerde rügt jedoch erfolgreich die Anwendung des Art. 5 [X.] durch das [X.].

(1) Nach der Grundregel des Art. 3 Abs. 1 [X.] ist für Unterhaltspflichten das Recht des Staates maßgebend, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Allerdings findet diese Anknüpfung in Fällen des [X.] gemäß Art. 5 [X.] keine Anwendung, wenn eine der Parteien sich dagegen wendet und das Recht eines anderen Staates, insbesondere des Staates des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten, zu der betreffenden Ehe eine engere Verbindung aufweist. Hintergrund der als Einrede zu qualifizierenden Regelung ist das Vertrauen eines Ehegatten in diejenige Rechtsordnung, der sich beide Eheleute während des Bestehens der Ehe unterstellt haben (Senatsurteil vom 26. Juni 2013 - [X.]/11 - FamRZ 2013, 1366 Rn. 44 mwN). Ein Ehegatte soll nicht die Möglichkeit haben, das Bestehen und den Inhalt der Unterhaltspflicht durch einen einseitigen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltsorts auf unfaire Weise zu beeinflussen ([X.] Bericht zum [X.] Rn. 78, veröffentlicht bei www.hcch.net).

Art. 5 [X.] stellt die Ausnahme zu der in Art. 3 [X.] niedergelegten Grundanknüpfung dar. Lässt sich daher keine andere Rechtsordnung feststellen, zu der die Ehe der Beteiligten eine engere Verbindung aufweist, bleibt es nach - soweit ersichtlich - allgemeiner Meinung aufgrund dieses [X.] bei der allgemeinen Regel des Art. 3 [X.] für das anzuwendende Recht (vgl. [X.] BGB/[X.] [Stand: 1. Februar 2022] [X.] 2007 Art. 5 Rn. 5; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.] Impulse im [X.] Familienkollisionsrecht [X.], 181; [X.]/[X.] 8. Aufl. Art. 5 [X.] Rn. 21; [X.]/[X.] [X.]/[X.] 4. Aufl. Art. 5 [X.] Rn. 18; [X.]/[X.] BGB [2021] Art. 5 [X.] Rn. 41; vgl. auch [X.] 2015, 226; zur Beweislast: [X.]/[X.] [Stand: 1. Dezember 2020] Art. 5 [X.] Rn. 25; [X.] Internationales und Europäisches Familienrecht 2. Aufl. [X.] Rn. 616; [X.]/[X.] 8. Aufl. Art. 5 [X.] Rn. 9; [X.] FF 2014, 185, 190; [X.] 2015, 226; hierzu wohl aA [X.]/[X.] [X.]/[X.] 4. Aufl. Art. 5 [X.] Rn. 13b).

(2) Art. 5 [X.] verlangt eine wertende Gesamtbetrachtung. Ob für eine engere Verbindung zum Recht eines anderen Staates Anhaltspunkte von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten als in der Regel maßgeblicher Anknüpfungspunkt zurücktritt, ist eine Frage der Einzelfallumstände (vgl. [X.] Bericht zum [X.] Rn. 82, 85; [X.] Internationales und Europäisches Familienrecht 2. Aufl. [X.] Rn. 617; [X.]/Bach 3. Aufl. Art. 5 [X.] Rn. 15; [X.]/[X.] [Stand: 1. März 2020] Art. 5 [X.] Rn. 15; vgl. auch [X.] 2020, 289). Als solche kommen neben dem vom Normgeber in Art. 5 [X.] ausdrücklich genannten und mit „insbesondere“ besonders hervorgehobenen letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten weitere Gesichtspunkte in Betracht, etwa ein früherer gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten während der Ehe, ihre Staatsangehörigkeit, der Ort der Eheschließung sowie der Ort der Trennung oder Scheidung (vgl. [X.] Bericht zum [X.] Rn. 85; [X.] 2020, 289; vgl. auch Senatsurteil vom 26. Juni 2013 - [X.]/11 - FamRZ 2013, 1366 Rn. 45).

Die Abwägung der für die Beurteilung einer engeren Verbindung im Sinne des Art. 5 [X.] in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie ist vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juni 2019 - [X.] 299/18 - FamRZ 2019, 1535 Rn. 30 mwN).

(3) Auch bei Anlegung dieses eingeschränkten [X.] hält die Annahme einer engeren Verbindung der Ehe der Beteiligten zum Recht des Bundesstaates [X.] durch das [X.] den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand. Dessen Würdigung, wonach der - im Wesentlichen durch den nicht auf Dauer angelegten gemeinsamen Aufenthalt in [X.] vermittelte - Bezug zum Recht des Bundesstaates [X.] ein höheres Gewicht als die zur Anwendung [X.]n Unterhaltsrechts führende Grundanknüpfung des gewöhnlichen Aufenthalts der Ehefrau (Art. 3 Abs. 1 [X.]) hat, ist von Rechtsfehler beeinflusst. Mit Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, dass das [X.] auf der Grundlage seiner Feststellungen zu den Lebensumständen der Beteiligten, insbesondere zu den Umständen ihres Aufenthalts in [X.], dem Gesichtspunkt des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts im hier zu beurteilenden Einzelfall einen unvertretbar hohen Stellenwert eingeräumt hat.

(a) Allerdings erwähnt Art. 5 [X.] als einzigen Staat ausdrücklich denjenigen des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten als einen in Betracht kommenden anderen Staat, zu dem die Ehe eine engere Verbindung als zum Aufenthaltsstaat des Unterhaltsberechtigten (Art. 3 Abs. 1 [X.]) haben kann. Damit wird das Gewicht des letzten gemeinsamen Aufenthalts insoweit fraglos betont. Gleichwohl wird diesem Kriterium, wie bereits aus dem [X.] mit der durch die „insbesondere“-Einleitung ersichtlich nur beispielhaft erfolgten Nennung ohne weiteres folgt, kein absoluter [X.]harakter beigegeben. Vielmehr handelt es sich um einen bedeutsamen, jedoch nicht notwendig um den ausschlaggebenden Umstand, weil es stets einer Gesamtabwägung bedarf (vgl. [X.] Bericht zum [X.] Rn. 81, 86; [X.] FamRZ 2018, 342, 345; [X.]/[X.] [X.]/[X.] 4. Aufl. Art. 5 [X.] Rn. 17 f. mwN).

(b) Für die hier zu beurteilende Fallgestaltung ist die Bedeutung des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten jedoch entwertet. Der gemeinsame Aufenthalt in [X.] ab dem [X.] war nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen nicht auf Dauer angelegt, sondern reihte sich in eine - durch die beruflichen Verhältnisse des Ehemanns bedingte - regelmäßige Abfolge jeweils befristeter Aufenthalte in verschiedenen Ländern ein. Die entsprechenden Ortswechsel waren demnach wesentlich durch die betrieblichen Erfordernisse des Arbeitgebers, nicht aber durch eine Bindung der Beteiligten zum jeweiligen Einsatzort begründet. Für die auf längstens fünf Jahre begrenzte Tätigkeit des Ehemannes in [X.] gilt nichts anderes, auch wenn er in diesem Zusammenhang vom Arbeitgeber nicht als „Expatriate“, sondern zu den Bedingungen eines „[X.]“ beschäftigt wurde.

Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend hervorhebt, kann bei solcherart regelmäßig wechselnden gewöhnlichen Aufenthalten aus dem jeweiligen, von vornherein lediglich vorübergehend angelegten Aufenthaltsort nicht ohne weiteres auf einen Bezug der Ehe zu dessen Rechtsordnung geschlossen werden, der eine Anwendung von Art. 5 [X.] rechtfertigen könnte. Vielmehr hätte es zufälligen [X.]harakter, welches Recht in Anknüpfung an den jeweils letzten gemeinsamen Aufenthalt anstelle des sonst berufenen Rechts zur Anwendung gelangt.

(c) Anders kann es nur dann liegen, wenn die im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallabwägung zu berücksichtigenden weiteren Tatsachen für eine im Verhältnis zu Art. 3 Abs. 1 [X.] engere Verbindung gerade zum Ort des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten sprechen. Das ist hier jedoch nicht der Fall.

Das [X.] sieht insoweit vor allem als wesentlich an, dass die Beteiligten sich bewusst für die Durchführung der Ehescheidung in [X.] entschieden haben. Dies wird aber durch die ebenfalls getroffene Feststellung relativiert, dass diese Entscheidung seitens der Ehefrau vor allem auf [X.] beruhte und damit nicht Ausdruck einer Bindung der Ehe an die texanische Rechtsordnung ist. Der vom [X.] weiter angeführte Umstand, dass der Aufenthalt des Ehemanns in [X.] nunmehr - entgegen den Verhältnissen während bestehender Ehe - auf Dauer angelegt ist, hat für die Frage einer engeren Verbindung der Ehe im Sinne von Art. 5 Satz 1 [X.] unabhängig von der umstrittenen Rechtsfrage, ob insoweit generell nur Umstände während des Bestands der Ehe Berücksichtigung finden können (so etwa [X.] FamRZ 2018, 342, 345 und ZfRV 2020, 289; [X.]/[X.] [X.]/[X.] 4. Aufl. Art. 5 [X.] Rn. 15 mwN; [X.]/[X.] 8. Aufl. Art. 5 [X.] Rn. 17 mwN; aA [X.]/[X.] [Stand: 1. März 2020] Art. 5 [X.] Rn. 16; anders auch [X.] Bericht zum [X.] Rn. 86), keine Aussagekraft. Denn er besagt allein etwas über die Wahl des Aufenthaltsorts eines Ehegatten, die dieser gerade in Anbetracht des Scheiterns der Ehe getroffen hat, nicht aber über die Verbindung der Ehe selbst zu der betreffenden Rechtsordnung.

(d) Mangels Einzelfallaspekten, die eine engere Verbindung der von den Beteiligten geführten Ehe zur texanischen Rechtsordnung begründen, bedarf es keines weiteren [X.] darauf, welche Rolle die Rückkehr der Ehefrau nach dem Scheitern der Ehe in ihr Heimatland [X.] und die mit diesem Aufenthaltsort übereinstimmende Staatsangehörigkeit der Beteiligten im Rahmen der Gesamtabwägung spielen können.

d) Es bedarf keiner Vorlage der Sache an den [X.] gemäß Art. 267 AEUV (vgl. dazu Senatsurteil vom 26. Juni 2013 - [X.]/11 - FamRZ 2013, 1366 Rn. 37). Die Grundsätze für die sich im vorliegenden Fall stellenden Auslegungsfragen im Zusammenhang mit dem [X.] Unterhaltsprotokoll sind derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt und mithin für eine Verfahrensweise nach Art. 267 Abs. 3 AEUV kein Anlass besteht ("acte clair", vgl. Senatsbeschluss vom 27. November 2019 - [X.] 311/19 - FamRZ 2020, 272 Rn. 11 mwN; vgl. zu den Voraussetzungen der Vorlagepflicht [X.], 1038 Rn. 110 - Kommission/[X.] mwN). Das gilt sowohl dafür, dass Art. 5 [X.] eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände erfordert, als auch für die Möglichkeit, dass der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten im Rahmen dieser Gesamtwürdigung abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls nicht notwendigerweise ausschlaggebende Bedeutung erlangt. Die sich demnach allein stellende Frage, zu welchem Ergebnis die Gesamtwürdigung im konkret zu entscheidenden Fall führt, kann hingegen nicht zum Gegenstand eines Vorlageverfahrens gemacht werden.

3. Die angefochtene Entscheidung kann aus den genannten Gründen keinen Bestand haben und ist daher gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Zwar sind zur Frage des nach dem [X.] Unterhaltsprotokoll anwendbaren Unterhaltsrechts keine weiteren Feststellungen mehr zu treffen, weshalb der Senat selbst befinden kann, dass vorliegend eine Anwendung von Art. 5 [X.] ausscheidet und es daher grundsätzlich bei der Grundregel des Art. 3 Abs. 1 [X.] verbleibt. Denn dem Kriterium des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten kommt vorliegend wegen der von vorneherein auf einen beständigen Wechsel des Aufenthaltsorts angelegten ehelichen Lebensverhältnisse keine besondere Bedeutung zu, und es fehlt auch an anderweitigen Umständen, die die Annahme einer engeren Verbindung der Ehe der Beteiligten zur texanischen Rechtsordnung begründen können.

Die Sache ist gleichwohl nicht zur Endentscheidung reif und daher an das [X.] zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG). Dieses wird sich nun mit der von ihm bislang - aus seiner Sicht folgerichtig - offen gelassenen Frage zu befassen haben, ob die Ehefrau mit der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 6. Oktober 2017 auf nachehelichen Unterhalt verzichtet hat. Sollte dies nicht der Fall sein, wird das [X.] zudem über Dauer und Höhe des von der Ehefrau geltend gemachten Unterhaltsanspruchs zu entscheiden haben.

Dose    

        

Schilling    

        

Günter

        

Nedden-Boeger    

        

Guhling    

        

Meta

XII ZB 543/20

11.05.2022

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Karlsruhe, 26. November 2020, Az: 2 UF 3/20, Beschluss

Art 15 EGV 4/2009, Art 3 Abs 1 UhPflProt Haag, Art 5 UhPflProt Haag, Art 8 UhPflProt Haag

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.05.2022, Az. XII ZB 543/20 (REWIS RS 2022, 2656)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2656 NJW 2022, 2403 REWIS RS 2022, 2656 MDR 2022, 1164-1165 REWIS RS 2022, 2656

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