Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.03.2017, Az. 8 AZR 91/15

8. Senat | REWIS RS 2017, 13505

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Gegenstand

Übergang iSd. Richtlinie 2001/23/EG - Übergang iSv. § 613a BGB


Leitsatz

Der bloße Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft und die Ausübung von Herrschaftsmacht über diese Gesellschaft durch eine andere Gesellschaft genügen weder für die Annahme eines Übergangs von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen iSd. Richtlinie 2001/23/EG noch für die Annahme eines Betriebsübergangs iSv. § 613a BGB.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 27. November 2014 - 15 [X.] - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin rückständiges Entgelt für die [X.]onate Januar bis Dezember 2013 sowie eine rückständige Jahressonderzahlung für das [X.] schuldet.

2

Die Beklagte, eine GmbH & Co. KG, betreibt eine große Rehabilitationsklinik. Ausweislich der aktuellen Handelsregisterauszüge ist persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) der [X.] die [X.] Kommanditistin der [X.] ist die [X.]. Deren Komplementärin ist die [X.] Kommanditistin der [X.] ist die [X.]. Nach den [X.]eststellungen des [X.] wurde die [X.] mit Wirkung zum 1. Januar 2002 Gesellschafterin der [X.].

3

Die Klägerin ist seit dem 1. November 1994 bei der [X.] als Krankenpflegehelferin im Schicht- und Wechseldienst beschäftigt. Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 27. September 1994 heißt es auszugsweise:

        

„§ 2   

        

Tarifvertrag

        

[X.]ür das Arbeitsverhältnis gelten entsprechend die Vorschriften des [X.] ([X.]) vom 23. [X.]ebruar 1961 (einschließlich der Anlagen 1a und 1b zum [X.]), die diesen Tarifvertrag ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen [X.]assung und die für die [X.] erlassenen Betriebsvereinbarungen, Dienstanweisungen und Richtlinien …“

4

Unter dem 9. April 2008 schlossen die Beklagte und ihr Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung“ (im [X.]olgenden [X.]) ab. Diese hat ua. den folgenden Inhalt:

        

Präambel

        

Zur wirtschaftlichen Rettung der [X.] unter Zusicherung der Arbeitsplätze sind unter anderem Reduzierungen der Personalkosten unausweichlich, um einen weiteren Personalabbau zu verhindern und den Bestand der Klinik und der Arbeitsplätze langfristig zu sichern. Geschäftsführung und Betriebsrat sind sich hierbei bewusst, dass dieses für alle Betroffenen erhebliche persönliche Härten bedeutet. In diesem Bewusstsein wird die folgende Betriebsvereinbarung abgeschlossen.

                 
        

I. Geltungsbereich

        

Die Betriebsvereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer der [X.] [X.] GmbH & Co. KG, die den in der Anlage zu dieser Betriebsvereinbarung befindlichen Änderungsvertrag unterzeichnet haben. Hierbei handelt es sich um Arbeitnehmer, die vor dem 1.1.2005 eingestellt worden sind und die entsprechenden Altverträge vereinbart haben.

                 
        

II. Rechtswirkungen

        

Es besteht Einvernehmen zwischen den Betriebspartnern, dass die Rechte aus der Betriebsvereinbarung unmittelbar zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber bestehen. Diese Betriebsvereinbarung wird in den Änderungsvereinbarungen in Bezug genommen und damit auch individualrechtlicher Bestandteil der Arbeitsverträge.

        

[X.]itarbeiter, die den in der Anlage zu dieser Betriebsvereinbarung befindlichen Änderungsvertrag nicht unterzeichnet haben, haben keinen Anspruch auf Rechte, Garantien, auch der [X.] Geschäftsführungs-GmbH, und Schutznormen dieser Betriebsvereinbarung. Es gelten auch bei deren möglicher Kündigung nur die allgemeinen Bestimmungen. Diese sind auch bei Höchstkündigungszahlen nicht mitzurechnen.

                 
        

III. Erklärungen des Betriebsrates

        

Der Betriebsrat wird den Beschäftigten die Annahme der Änderungsvereinbarungen empfehlen.

                 
        

…       

                 
        

VII. Änderungen der Individualverträge

        

Den Arbeitnehmern mit [X.]-Verträgen werden Änderungsvereinbarungen zu ihrem Arbeitsvertrag vorgelegt. Die Änderungsvereinbarungen beinhalten im wesentlichen die folgenden Regelungen:

        

1.    

Die Arbeitnehmer verzichten für die Laufzeit auf die tarifliche Sonderzahlung, die Nachzahlung von Sonderzahlungen für die Vergangenheit und das Urlaubsgeld.

        

2.    

Sie erhalten eine Sonderzahlung von 300 € jährlich. In 2008 im [X.]ai, ab 2009 jeweils im November eines Jahres.

        

3.    

Der [X.] gilt statisch mit dem Stand vom 31.01.2003 (vor Überleitung zum TVÖD).

        

4.    

Die Eingruppierung und Entgelthöhe gilt entsprechend der Abrechnung für Oktober 2007. (Bewährungsaufstiege und [X.] wegen Betriebszugehörigkeit werden weiter vorgenommen).

        

5.    

Entgelterhöhungen erfolgen für das [X.] entsprechend der durchschnittlichen Entgeltveränderung aller Kliniken im Konzern ([X.]).

        

6.    

Ab dem [X.] gilt für Entgelterhöhungen die Ziffer 5, mindestens aber die Hälfte der Tarifsteigerungen des TVÖD.

        

…       

        
        

9.    

Die vorliegende Betriebsvereinbarung wird durch Unterzeichnung der Änderungsvereinbarung durch den Arbeitnehmer Bestandteil des Änderungsvertrages.“

5

Die Klägerin unterzeichnete den ihr angebotenen Änderungsvertrag nicht.

6

In einem von mehreren zwischen den Parteien über die Höhe der Vergütung der Klägerin geführten Verfahren erließ das [X.] am 12. [X.]ebruar 2010 unter dem Aktenzeichen - 7 Ca 3925/09 - ein Zweites Teilversäumnisurteil mit ua. folgendem Tenor:

        

„Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Entgelt nach Entgeltstufe 7a) der [X.] (Anlage 6 zum TVÜ-[X.] Stufe 6) zu zahlen (derzeit 2.737,64 € brutto).“

7

Die Beklagte zahlte an die Klägerin in den [X.]onaten Januar bis [X.]ärz 2013 eine Vergütung iHv. monatlich 2.654,00 Euro brutto sowie ab April 2013 eine monatliche Vergütung iHv. 2.684,00 Euro brutto.

8

Die Klägerin hat mit der Klage die Differenz zwischen der ihr für die [X.]onate Januar bis Dezember 2013 gezahlten Vergütung und der sich für diesen Zeitraum aus der [X.] 7a Stufe 6 der [X.] zum [X.] ergebenden Vergütung sowie rückständige Jahressonderzahlung für das [X.] geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, auf das Arbeitsverhältnis fänden der [X.] sowie der [X.] in ihrer jeweils geltenden [X.]assung Anwendung. Aufgrund der Entscheidung des [X.] vom 12. [X.]ebruar 2010 (- 7 Ca 3925/09 -) stehe zudem rechtskräftig fest, dass die Beklagte ihr ein Entgelt nach der [X.] 7a Stufe 6 der Anlage 4 zum [X.] schulde.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.034,37 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2014 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde nicht der [X.]/[X.] zeitdynamisch, sondern der [X.] statisch Anwendung. Sie sei aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] in der Rechtssache [X.] ua. ([X.] 18. Juli 2013 - [X.]/11 -) nicht an die dynamische Verweisung in § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 27. September 1994 gebunden. Die [X.] habe zum 1. Januar 2002 sämtliche Gesellschaftsanteile an ihr, der [X.], übernommen ([X.]) und übe seitdem die Kontrolle über sie aus. Hierin liege ein Unternehmensübergang iSd. Richtlinie 2001/23/[X.]. Da sie zudem als privatrechtlich organisiertes Unternehmen weder auf das Tarifwerk für den öffentlichen Dienst Einfluss nehmen könne, noch die [X.]öglichkeit habe, dem tarifschließenden Arbeitgeberverband beizutreten, sei eine dynamische Bindung an den [X.] und den [X.] mit Art. 3 der Richtlinie 2001/23/[X.] und Art. 16 der Charta der Grundrechte der [X.] (im [X.]olgenden GRC) unvereinbar. Aus dem rechtskräftigen Urteil des [X.] vom 12. [X.]ebruar 2010 (- 7 Ca 3925/09 -) ergebe sich nichts anderes. Durch das Urteil des Gerichtshofs der [X.] in Sachen [X.] ua. ([X.] 18. Juli 2013 - [X.]/11 -) werde dessen Rechtskraft durchbrochen. Jedenfalls könne die Klägerin Leistungen allenfalls nach [X.]aßgabe der [X.] beanspruchen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. [X.]it der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zu Recht zurückgewiesen. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Zahlungsansprüche zu.

[X.] Die Klägerin hat für die Monate Januar bis Dezember 2013 einen Anspruch auf rückständiges Entgelt iHv. insgesamt 3.363,96 Euro brutto. Aufgrund des [X.] des [X.] vom 12. Februar 2010 (- 7 Ca 3925/09 -) steht rechtskräftig fest, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Entgelt nach der [X.] 7a Stufe 6 der Anlage 4 zum [X.] ([X.] - Geltungsbereich § 40 BT-K bzw. § 40 BT-B) zu zahlen. Danach ist die Beklagte verpflichtet, an die Klägerin rückständiges Entgelt für die Monate Januar bis Dezember 2013 iHv. insgesamt 3.363,96 Euro brutto zu zahlen.

1. Aufgrund des [X.] des [X.] vom 12. Februar 2010 (- 7 Ca 3925/09 -) steht rechtskräftig fest, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Entgelt nach der [X.] 7a Stufe 6 der Anlage 4 zum [X.] ([X.] - Geltungsbereich § 40 BT-K bzw. § 40 BT-B) zu zahlen. An diese Feststellung ist der Senat nach § 322 Abs. 1 ZPO gebunden (zur Rechtskraft von [X.] vgl. etwa [X.] 21. Oktober 2015 - 4 [X.] - Rn. 14; 16. April 1997 - 4 [X.] - zu [X.] 4 der Gründe). Die Rechtskraft bewirkt, dass (unter den Parteien) über das Bestehen oder Nichtbestehen der aus dem vorgetragenen Sachverhalt im Urteil hergeleiteten Rechtsfolge eine nochmalige Verhandlung und Entscheidung unzulässig ist, die erkannte Rechtsfolge also unangreifbar i[X.] Dies gilt nicht nur dann, wenn in einem nachfolgenden Prozess über den gleichen prozessualen Anspruch gestritten wird, sondern auch dann, wenn es sich - wie hier - zwar um einen anderen Anspruch handelt, für diesen aber - wie hier - die bereits rechtskräftig festgestellte Rechtsfolge vorgreiflich i[X.] Hat das Gericht im Zweitprozess den Streitgegenstand des rechtskräftig entschiedenen [X.] als Vorfrage erneut zu prüfen, hat es den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung seinem Urteil zugrunde zu legen. Das Wiederholungsverbot („ne bis in idem“) zwingt das Gericht, die präjudizielle Wirkung der Vorentscheidung ohne erneute sachliche Prüfung zu beachten (vgl. etwa [X.] 20. November 2003 - 8 [X.] - zu [X.] der Gründe mwN; 11. Mai 2000 - 2 [X.] - zu [X.] b bb der Gründe, [X.]E 94, 313; [X.] 6. März 1985 - [X.] - zu 1 der Gründe).

a) Zwar heißt es im Tenor des [X.] des [X.] vom 12. Februar 2010 (- 7 Ca 3925/09 -), dass festgestellt wird, „dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Entgelt nach Entgeltstufe 7a) der [X.] (Anlage 6 zum [X.] Stufe 6) zu zahlen (derzeit 2.737,64 € brutto)“. Dieser Tenor ist jedoch dahin zu verstehen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin ein Entgelt nach der [X.] 7a Stufe 6 der maßgeblichen [X.] in ihrer jeweils geltenden Fassung zu zahlen. Dies war im [X.], für das die Klägerin Ansprüche geltend macht, die Anlage 4 zum [X.] ([X.] - Geltungsbereich § 40 BT-K bzw. § 40 BT-B). Die im [X.] angeführte Anlage 6 zum [X.] ([X.] - Tarifgebiet West - Geltungsbereich § 40 BT-B) ist in der Anlage 4 zum [X.] aufgegangen. Mit dem Zusatz „(derzeit 2.737,64 € brutto)“ ist zudem klargestellt, dass die [X.] in ihrer jeweils geltenden Fassung zur Anwendung kommt.

b) Aus der [X.] vom 9. April 2008 folgt - entgegen der Rechtsansicht der [X.] - bereits deshalb nichts Abweichendes, weil das [X.] des [X.] in dem Verfahren - 7 Ca 3925/09 - erst am 12. Februar 2010 und somit nach Schaffung der [X.] ergangen i[X.] Damit haben sich die entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht nach Erlass des [X.] des [X.] geändert, was für eine Begrenzung seiner Rechtskraft allerdings erforderlich gewesen wäre (vgl. [X.] 15. Januar 2013 - 3 [X.] - Rn. 24, [X.]E 144, 160).

c) Entgegen der Rechtsauffassung der [X.] kann vorliegend dahinstehen, ob die Rechtskraft des [X.] des [X.] vom 12. Februar 2010 (- 7 Ca 3925/09 -) durch eine Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] überhaupt durchbrochen werden kann und ob das Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 18. Juli 2013 (- [X.]/11 - [[X.] ua.]) überhaupt den Inhalt hat, den die Beklagte dieser Entscheidung entnimmt. Selbst wenn beides der Fall sein sollte, würde das Urteil des Gerichtshofs der [X.] in der Rechtssache [X.] ua. ([X.] 18. Juli 2013 - [X.]/11 -) nicht zu einer Durchbrechung der Rechtskraft des [X.] des [X.] vom 12. Februar 2010 (- 7 Ca 3925/09 -) führen. Weder der von der [X.] angeführte Umstand, dass die [X.] sämtliche Gesellschaftsanteile an ihr, der [X.], übernommen hat, noch der von der [X.] vorgetragene Umstand, dass die [X.] seitdem die tatsächliche Kontrolle, dh. die tatsächliche Herrschaftsmacht über sie ausübt, führen dazu, dass der vorliegende Sachverhalt in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/23/[X.] und von Art. 16 GRC fällt. Der bloße Erwerb von Anteilen an einem Unternehmen und die Ausübung von Herrschaftsmacht über dieses Unternehmen durch ein anderes Unternehmen genügen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] nicht für die Annahme eines Übergangs von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen iSd. Richtlinie 2001/23/[X.].

aa) Zwar trifft es zu, dass im Anwendungsbereich des Unionsrechts die Verpflichtung zur Einhaltung der in der Unionsrechtsordnung garantierten Grundrechte, darunter Art. 16 GRC, besteht (vgl. dazu - neben Art. 51 Abs. 1 GRC - die [X.] Rspr. des [X.], ua. 21. Dezember 2016 - [X.]/15 - [[X.]] Rn. 62 mwN). Außerhalb unionsrechtlich geregelter Fallgestaltungen finden diese Grundrechte allerdings keine Anwendung ([X.] Rspr., ua. [X.] 21. Dezember 2016 - [X.]/15 - [Biuro podróży Partner] Rn. 24 mwN). Demnach wären Art. 16 GRC und das Urteil in der Rechtssache [X.] ua. ([X.] 18. Juli 2013 - [X.]/11 -) hier nur zu beachten, wenn eine unionsrechtlich geregelte Fallgestaltung iSd. Richtlinie 2001/23/[X.] vorläge.

bb) Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Der vorliegende Sachverhalt fällt nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Insbesondere handelt es sich nicht um einen - auch bei der Auslegung und Anwendung von § 613a BGB maßgebend zu berücksichtigenden - Übergang iSd. Richtlinie 2001/23/[X.]. Dies ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.]. Deshalb kommt es hier - anders als die Beklagte meint - weder auf das Urteil in der Rechtssache [X.] ua., noch auf Art. 16 GRC oder das in diesem Zusammenhang ergangene Vorabentscheidungsersuchen des [X.] des [X.] vom 17. Juni 2015 in den Sachen - 4 [X.] (A) - ([X.]E 152, 12) sowie - 4 [X.] (A) - an.

(1) Die Richtlinie 2001/23/[X.] betrifft die „Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen“.

Die Richtlinie 2001/23/[X.] soll nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] die Kontinuität der im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit bestehenden Arbeitsverhältnisse unabhängig von einem Inhaberwechsel gewährleisten. Für die Anwendbarkeit der Richtlinie 2001/23/[X.] ist nach ihrem Art. 1 Abs. 1 Buch[X.] b deshalb entscheidend, dass der Übergang eine ihre Identität bewahrende (auf Dauer) angelegte wirtschaftliche Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit betrifft (vgl. etwa [X.] 26. November 2015 - [X.]/14 - [[X.] ua.] Rn. 31; 9. September 2015 - [X.]/14 - [[X.] da [X.] ua.] Rn. 25; 6. März 2014 - [X.]/12 - [[X.] ua.] Rn. 30 mwN). Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck ([X.] 6. März 2014 - [X.]/12 - [[X.] ua.] Rn. 31 f. mwN; 6. September 2011 - [X.]/10 - [[X.]] Rn. 42 mwN, Slg. 2011, [X.] zur [X.]/[X.]; 29. Juli 2010 - [X.]/09 - [[X.]] Rn. 26, Slg. 2010, [X.]; 13. September 2007 - [X.]/05 - [[X.] ua.] Rn. 31, Slg. 2007, [X.]; 26. September 2000 - [X.]/99 - [Mayeur] Rn. 32, Slg. 2000, [X.] zur [X.]/[X.]). Darauf, ob es sich dabei um ein Unternehmen, einen Betrieb oder einen Unternehmens- oder Betriebsteil - auch iSd. jeweiligen nationalen Rechts - handelt, kommt es nicht an (vgl. [X.] 9. September 2015 - [X.]/14 - [[X.] da [X.] ua.] Rn. 25; 20. Januar 2011 - [X.]/09 - [[X.]] Rn. 30, Slg. 2011, [X.]).

Im Übrigen ist die Richtlinie 2001/23/[X.] nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] nur in den Fällen anwendbar, in denen die für den Betrieb der wirtschaftlichen Einheit verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die [X.] gegenüber den Beschäftigten eingeht, (im Rahmen vertraglicher Beziehungen) wechselt (ua. [X.] 26. November 2015 - [X.]/14 - [[X.] ua.] Rn. 28; 9. September 2015 - [X.]/14 - [[X.] da [X.] ua.] Rn. 24 mwN; 6. März 2014 - [X.]/12 - [[X.] ua.] Rn. 29 mwN). Ein „Übergang“ iSd. Richtlinie 2001/23/[X.] erfordert eine Übernahme durch einen „neuen“ Arbeitgeber ([X.] Rspr., ua. [X.] 6. März 2014 - [X.]/12 - [[X.] ua.] Rn. 30 mwN; 6. September 2011 - [X.]/10 - [[X.]] Rn. 60 mwN, Slg. 2011, [X.]). Diese Rechtsprechung ist auch für das Verständnis der anzuwendenden Bestimmungen des nationalen Rechts, hier: § 613a BGB, maßgebend.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 1 Abs. 1 Buch[X.] c der Richtlinie 2001/23/[X.]. Diese Bestimmung stellt entgegen der Rechtsauffassung der [X.] keine „Ausnahme“ dar. Sie stellt vielmehr (nur) klar, dass die Richtlinie für öffentliche Unternehmen gilt, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht ([X.] 26. November 2015 - [X.]/14 - [[X.] ua.] Rn. 24; 20. Januar 2011 - [X.]/09 - [[X.]] Rn. 25, Slg. 2011, [X.]). Ausgenommen sind nur die strukturelle Neuordnung der öffentlichen Verwaltung oder die Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer öffentlichen Verwaltung auf eine andere ([X.] 26. September 2000 - [X.]/99 - [Mayeur] Rn. 33, Slg. 2000, [X.]; 15. Oktober 1996 - [X.]/94 - [[X.]] Rn. 14 f., Slg. 1996, I-4989).

(2) Vorliegend ist keine Übernahme iSd. Richtlinie 2001/23/[X.] erfolgt, denn es fehlt an einem Wechsel in der natürlichen oder juristischen Person, die die [X.] gegenüber den Beschäftigten eingeht; es fehlt an einer Übernahme durch einen „neuen“ Arbeitgeber. Weder der von der [X.] angeführte Umstand, dass die [X.] sämtliche Gesellschaftsanteile an der [X.] übernommen hat, noch der von ihr vorgetragene Umstand, dass die [X.] seitdem die tatsächliche Kontrolle, dh. die tatsächliche Herrschaftsmacht über sie ausübt, ändern etwas daran, dass nach wie vor die Beklagte Arbeitgeberin i[X.] Beide Umstände betreffen lediglich das ([X.] der [X.] zur [X.]. Der Fortbestand und die Identität der [X.] werden durch die Übernahme der Gesellschaftsanteile und die Ausübung von Herrschaftsmacht durch die [X.] nicht berührt (vgl. etwa [X.] 3. November 2015 - II ZR 446/13 - Rn. 27; 8. November 1965 - II [X.] - zu [X.] a der Gründe, [X.]Z 44, 229; [X.] 12. Juli 1990 - 2 [X.] - zu [X.] 1 a der Gründe).

Damit liegt der vorliegende Sachverhalt auch außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 16 GRC.

(3) Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlas[X.] Die vorliegend maßgeblichen unionsrechtlichen Fragen sind insbesondere durch die unter Rn. 21 bis 23 angeführten Entscheidungen des Gerichtshofs der [X.] ausreichend geklärt.

2. Der Höhe nach beläuft sich der Anspruch der Klägerin auf rückständiges Entgelt für die Monate Januar bis Dezember 2013 auf insgesamt 3.363,96 Euro brutto. Das Tabellenentgelt nach der [X.] 7a Stufe 6 der Anlage 4 zum [X.] ([X.] - Geltungsbereich § 40 BT-K bzw. § 40 BT-B) betrug in der [X.] von Januar bis Juli 2013 monatlich 2.939,68 Euro brutto und in der [X.] von August bis Dezember 2013 monatlich 2.980,84 Euro brutto. Dies führt unter Abzug der von der [X.] an die Klägerin gezahlten Bruttovergütung zu der eingeklagten Entgeltdifferenz iHv. insgesamt 3.363,96 Euro brutto. Im Übrigen ist die Beklagte der Berechnung der Klägerin nicht entgegengetreten.

[X.] Die Beklagte ist zudem verpflichtet, an die Klägerin eine rückständige Jahressonderzahlung für das [X.] iHv. 2.670,41 Euro brutto zu zahlen. Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 2 des Arbeitsvertrags vom 27. September 1994 iVm. § 20 [X.].

1. Nach § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 27. September 1994, bei dem es sich um einen Formulararbeitsvertrag handelt und der demzufolge vom Senat selbst ausgelegt werden kann (vgl. etwa [X.] 15. Dezember 2016 - 6 [X.] - Rn. 32 mwN), gelten für das Arbeitsverhältnis entsprechend die Vorschriften des [X.]angestelltentarifvertrags ([X.]) vom 23. Februar 1961 (einschließlich der Anlagen 1a und 1b zum [X.]) und die diesen Tarifvertrag ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung. Diese arbeitsvertragliche Verweisung erfasst nach der Tarifsukzession auch den [X.] in seiner jeweils geltenden Fassung. Bei dem [X.] handelt es sich um einen den [X.] ersetzenden Tarifvertrag iSd. [X.] (vgl. [X.] 15. Juni 2016 - 4 [X.] - Rn. 32; ausführlich [X.] 22. April 2009 - 4 [X.] - Rn. 21 ff., [X.]E 130, 286). Dass dabei der Tarifvertrag für den Bereich der [X.] ([X.]) und nicht der für den Bereich des [X.] oder der [X.] ([X.]) einschlägig ist, steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Danach verweist § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 27. September 1994 auch auf § 20 [X.] in der im [X.] geltenden Fassung, wonach Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, Anspruch auf eine Jahressonderzahlung haben.

2. Entgegen der Rechtsauffassung der [X.] ist die in § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 27. September 1994 enthaltene Verweisung auch nicht vor dem Hintergrund der Richtlinie 2001/23/[X.] und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (insb. [X.] 18. Juli 2013 - [X.]/11 - [[X.] ua.]) - die auch bei der Auslegung und Anwendung von § 613a BGB zu berücksichtigen wäre - und wegen der in Art. 16 GRC getroffenen Regelung als statische Verweisung auf den [X.] zu verstehen. Dies folgt bereits daraus, dass der vorliegende Sachverhalt - wie unter Rn. 19 ff. ausgeführt - weder in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/23/[X.] noch in den von Art. 16 GRC fällt.

3. Anders als die Beklagte meint, ergibt sich auch aus den Bestimmungen der [X.] nichts Abweichendes. Zwar bestimmt § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 27. September 1994, dass für das Arbeitsverhältnis auch die für die Beklagte erlassenen Betriebsvereinbarungen gelten. Allerdings finden die Bestimmungen der [X.] auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Nach [X.] der [X.] besteht Einvernehmen zwischen den Betriebspartnern, dass die Rechte aus der Betriebsvereinbarung unmittelbar zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber bestehen. Nach der von den Betriebspartnern unter [X.] zum Geltungsbereich der [X.] getroffenen Abrede gilt diese nur für Arbeitnehmer, die den in der Anlage befindlichen Änderungsvertrag unterzeichnet haben. Eine solche Änderungsvereinbarung hat die Klägerin jedoch nicht unterzeichnet, weshalb dahinstehen kann, ob es sich bei der [X.] überhaupt um eine Betriebsvereinbarung im Rechtssinne handelt.

4. Da kein Unternehmensübergang iSd. Richtlinie 2001/23/[X.] vorliegt, kann vorliegend auch dahinstehen, ob vor dem Hintergrund des Urteils des Gerichtshofs der [X.] in der Rechtssache [X.] ua. ([X.] 18. Juli 2013 - [X.]/11 -) an das Vorliegen einer sog. Gleichstellungsabrede geringere Anforderungen zu stellen sind, als bislang vom [X.] des [X.] angenommen wurde (vgl. dazu zuletzt [X.] 26. August 2015 - 4 [X.] 719/13 - Rn. 21; 13. Mai 2015 - 4 [X.] 244/14 - Rn. 20 mwN).

5. Der Anspruch der Klägerin auf rückständige Jahressonderzahlung nach § 20 Abs. 1 [X.]/[X.] beläuft sich nach § 20 Abs. 2 [X.]/[X.] der Höhe nach auf 2.670,41 Euro brutto.

Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 [X.]/[X.] beträgt die Jahressonderzahlung bei Beschäftigten, für die - wie für die Klägerin - die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden, in den [X.]n 1 bis 8, und damit auch in der [X.] 7a [X.] des der/dem Beschäftigten in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlten monatlichen Entgelts. Das durchschnittliche monatliche Entgelt der Klägerin in ihrer [X.] belief sich in den Monaten Juli bis September 2013 auf 2.967,12 Euro brutto. [X.] davon sind 2.670,41 Euro brutto. Die Beklagte ist der Berechnung der Klägerin auch insoweit nicht entgegengetreten.

I[X.] [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Schlewing    

        

    Vogelsang    

        

    Roloff    

        

        

        

    Bloesinger    

        

    Soost    

                 

Meta

8 AZR 91/15

23.03.2017

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Essen, 13. März 2014, Az: 1 Ca 81/14, Urteil

§ 322 ZPO, § 613a Abs 1 BGB, EGRL 23/2001

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.03.2017, Az. 8 AZR 91/15 (REWIS RS 2017, 13505)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 3550 REWIS RS 2017, 13505


Verfahrensgang

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Az. 8 AZR 91/15

Bundesarbeitsgericht, 8 AZR 91/15, 23.03.2017.


Az. 1 Ca 81/14

Arbeitsgericht Essen, 1 Ca 81/14, 13.03.2014.


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Referenzen
Wird zitiert von

9 Ca 6868/17

7 Ca 6864/17

9 Ta 117/20

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