Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.12.2009, Az. Xa ZB 39/08

Xa- Zivilsenat | REWIS RS 2009, 68

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[X.][X.] vom 17. Dezember 2009 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren - 2 - Der [X.] des [X.] hat am 17. Dezember 2009 durch [X.], die Richterin Mühlens und die Richter [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Einsprechenden wird der Be-schluss des 9. [X.]s ([X.]) des [X.] vom 5. August 2008 aufgehoben. Die Sache wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Patentgericht zurückver-wiesen. Der Wert des Gegenstands des [X.] wird auf 50.000,-- [X.] festgesetzt. Gründe: [X.] Der Patentinhaberin wurde am 23. Dezember 2004 das [X.] Pa-tent 100 50 346 mit der Bezeichnung "Dichtungsanordnung für ein [X.]fahr-zeug" erteilt. Hiergegen ging ein mit Gründen versehener Einspruch der anwalt-lichen Vertreter der Einsprechenden ein. Die Patentinhaberin bestritt deren wirksame Bevollmächtigung. Für den Fall, dass das Streitpatent nicht vollstän-1 - 3 - dig widerrufen werde, stellte die Einsprechende Antrag auf mündliche Anhörung ([X.]). Das Patentgericht hat im schriftlichen Verfahren den Einspruch als unzu-lässig verworfen. Hiergegen richtet sich die nicht zugelassene Rechtsbe-schwerde der Einsprechenden, der die Patentinhaberin entgegentritt. 2 I[X.] Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.] und zur Zurückverweisung der Sache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des [X.] zu übertragen ist. 3 1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist statthaft. Gegen die [X.]üsse des Patentgerichts im (erstinstanzlichen) Einspruchsver-fahren findet die Rechtsbeschwerde an den [X.] statt (§ 147 Abs. 3 Satz 5 [X.] in der bis zum [X.] geltenden Fassung; [X.], 47, 50 - [X.]). Die Vollmacht der Vertreter im Rechtsbeschwerdeverfahren ist in entsprechender Anwendung des § 88 Abs. 2 ZPO nicht zu prüfen. 4 Das Patentgericht hat die Rechtsbeschwerde zwar nicht zugelassen; ihre Statthaftigkeit folgt jedoch daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulas-sungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Einsprechende rügt, dass ihr Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt sei. Damit rügt sie einen der in § 100 Abs. 3 [X.] genannten Verfahrensmängel, deren Rüge die zulassungsfreie Rechtsbe-schwerde eröffnet. 5 - 4 - 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Verfahren vor dem Patentgericht verletzt die Anmelderin in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtli-chen Gehörs. 6 a) Das Patentgericht hat in Anwendung der Bestimmung des § 79 Abs. 2 [X.] ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden, weil es den Einspruch als unzulässig angesehen hat. Es sei nämlich nicht dargetan, dass Personen, die zur Vertretung der Einsprechenden berechtigt seien, die anwaltlichen Vertreter zur Einlegung des Einspruchs bevollmächtigt hätten. Damit hat es den Anwendungsbereich dieser Bestimmung verkannt, die nur den Fall der Unzulässigkeit der Beschwerde, und zwar im einseitigen Beschwerde-verfahren wie im Einspruchsbeschwerdeverfahren, nicht aber den Fall der Un-zulässigkeit des Einspruchs betrifft. 7 b) Die Vorschrift des Art. 103 Abs. 1 GG erfordert zwar nicht für alle Ver-fahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Hat nach den maßgeb-lichen Verfahrensvorschriften jedoch eine solche stattzufinden, so begründet der Anspruch auf rechtliches Gehör das Recht einer am Verfahren beteiligten Partei, sich in dieser Verhandlung zu äußern (vgl. [X.] 42, 364, 370; [X.], [X.]. v. 14.10.1999 - [X.], [X.], 512, 513 - [X.] [X.]). Die Nichtdurchführung einer nach dem Gesetz gebotenen, in-soweit jedenfalls in einem gerichtlichen Verfahren der mündlichen Verhandlung gleich zu erachtenden Anhörung begründet damit eine Verletzung des rechtli-chen Gehörs. 8 c) Die Auslegung der Regelung in § 59 Abs. 3 Satz 1 [X.] in der seit dem 1. Juli 2006 geltenden Fassung ergibt, dass das Patentgericht auf den [X.] eine Anhörung durchzuführen hatte. 9 - 5 - (1) § 59 Abs. 3 Satz 1 [X.] bestimmt, dass eine Anhörung schon dann stattfindet, wenn ein Beteiligter diese beantragt. Zwar ist diese Bestimmung erst am 1. Juli 2006 in [X.] getreten. Gleichwohl ist § 59 Abs. 3 Satz 1 [X.] in der seit dem 1. Juli 2006 geltenden Fassung entgegen der Ansicht der Rechtsbe-schwerdeerwiderung auf den vorliegenden Fall anzuwenden, da über den [X.], eine mündliche Anhörung durchzuführen, bis zu diesem Zeitpunkt nicht entschieden war und somit ein abgeschlossener prozessualer Sachverhalt nicht vorlag (vgl. [X.] 39, 156, 167, [X.] 32; [X.] 65, 76, 98 = NJW 1983, 2929, [X.] 59; [X.], [X.]. v. 15.12.1999 - [X.], [X.], 1040 - FRENORM/FRENON, Gründe unter II[X.] 2.; B[X.], Urt. v. 28.10.1992 - 2 Ni 2/91, [X.], 737, 738). Eine abweichende Übergangsregelung sieht das Gesetz nicht vor. Das gilt auch für Einspruchsverfahren, die nach der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Regelung in § 147 Abs. 3 [X.] als erstin-stanzliche Verfahren vor das Patentgericht gelangt sind. 10 (2) Der Gesetzgeber hat die Regelung über die Durchführung der Anhö-rung unabhängig davon getroffen, ob das (erstinstanzliche) Einspruchsverfah-ren vor dem Patentamt oder vor dem Patentgericht durchgeführt wird. Damit hat er zugleich zum Ausdruck gebracht, dass er insoweit für eine unterschiedliche Behandlung keinen Anlass gesehen hat. Abweichend ist allerdings die [X.] vor dem Patentgericht. In diesem gilt § 79 Abs. 2 [X.]. Das Patentgericht kann ohne mündliche Verhandlung über die Zulässigkeit einer Beschwerde entscheiden. Dies findet seine sachliche Rechtfertigung darin, dass eine Erörterung mit den Parteien vielfach nicht erfor-derlich ist, wenn über Fragen der Zulässigkeit eines Rechtsmittels zu entschei-den ist. 11 - 6 - (3) Die Möglichkeit, durch die Erörterung des Sach- und Verfahrensstoffs den Verfahrensgang zu fördern und auf sachgerechte Anträge hinzuwirken [X.] den Verfahrensstoff entsprechend zu konzentrieren, war Anlass für die ver-pflichtende Einführung der Anhörung im Einspruchsverfahren auf Antrag eines Beteiligten (Begründung des [X.] des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes BT-Drucks. 16/735, [X.]). Der Gesetzgeber hat dabei keine Differenzierung nach der Zulässigkeit des Einspruchs vorgesehen, obwohl ihm eine solche Dif-ferenzierungsmöglichkeit schon nach der Regelung für das Beschwerdeverfah-ren vor Augen stehen musste. 12 Bereits dies rechtfertigt es, an das Verfahren vor dem [X.] keine geringeren Anforderungen zu stellen als an das Verfahren vor dem [X.]. Anders als gegen Entscheidungen des [X.]s ist zudem im Einspruchsverfahren, soweit das Patentgericht entscheidet, ein Rechtsmittel - abgesehen von der nur nach Zulassung oder im Hinblick auf bestimmte Verfahrensmängel statthaften Rechtsbeschwerde - nicht eröffnet. Im Gesetzgebungsverfahren ist dies bereits anlässlich der befristeten Übertragung des erstinstanzlichen Einspruchsverfah-rens auf das Patentgericht beanstandet worden und Gegenstand von Erörte-rungen gewesen (Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/7140, [X.] ff.). Zudem wurde, wie § 147 Abs. 3 [X.] in der Fassung des [X.] auf dem Gebiet des geistigen Eigen-tums vom 13. Dezember 2001 ([X.]. 2001 I 3656) belegt, mit der Übertragung des erstinstanzlichen Einspruchsverfahrens auf das Patentgericht lediglich die Zuständigkeit verlagert; es sollte im Übrigen aber grundsätzlich bei den schon zuvor geltenden Regeln über das Einspruchsverfahren vor dem Patentamt verbleiben. Diese sahen bis zum 30. Juni 2006 allerdings nur dann die [X.] - 7 - digkeit einer Anhörung vor, wenn diese sachdienlich war (§ 46 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Dies hat der Gesetzgeber für das (erstinstanzliche) Einspruchsverfahren mit Wirkung vom 1. Juli 2006 grundlegend geändert. Die Anhörung ist nunmehr zwingend vorgeschrieben, wenn ein Beteiligter sie beantragt. Das Erfordernis der Sachdienlichkeit ist lediglich als Alternative hierzu, nicht aber als weiterhin [X.], kumulatives Erfordernis wie zuvor vorgesehen. Es kann damit dahinstehen, ob die vom 19. [X.] (in B[X.]E 46, 134) und vom früheren 34. [X.] des [X.] (in B[X.]E 45, 162 = [X.]. 2002, 417) vertretene Auffassung, im erstinstanzlichen Einspruchsverfah-ren scheide die bloße Anhörung aus, zutreffend ist. Seit dem 1. Juli 2006 ergibt sich aus der Neuregelung in § 59 Abs. 3 Satz 1 [X.] die Notwendigkeit der mündlichen Anhörung oder einer mündlichen Verhandlung. 14 Damit ist die Regelung in § 79 Abs. 2 Satz 2 [X.] im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren nur mehr mit der Maßgabe anwendbar, dass zwar eine förmliche mündliche Verhandlung für die Entscheidung über die Zulässigkeit entbehrlich ist, nicht aber die in § 59 Abs. 3 Satz 1 [X.] zwingend vorgesehene Anhörung. Aus dem Verhältnis der Regelung in § 79 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu der-jenigen in § 78 Nr. 1 [X.] (vgl. hierzu [X.], [X.]. v. 16.11.1962 - [X.], [X.], 279 - Weidepumpe) ergibt sich entgegen der Ansicht der Rechts-beschwerdeerwiderung schon deshalb nichts Abweichendes, weil sich diese Regelungen lediglich auf die mündliche Verhandlung, nicht aber auf die Erfor-derlichkeit einer Anhörung beziehen und weil hier, anders als von § 79 Abs. 2 [X.] vorausgesetzt, hier nicht über die Zulässigkeit einer Beschwerde, sondern über die Zulässigkeit eines Einspruchs zu entscheiden ist. Diese Unterschiede mögen es - was hier keiner Entscheidung bedarf - rechtfertigen, grundsätzlich nicht auf die verfahrensrechtlichen Regelungen über die mündliche [X.] - 8 - lung zurückzugreifen, sondern auf die für die Anhörung. Jedoch folgt das Erfor-dernis der Öffentlichkeit dieser Anhörung aus der für das Verfahren vor den Be-schwerdesenaten des Patentgerichts generell anzuwendenden Bestimmung des § 69 Abs. 1 [X.], die hier die Öffentlichkeit der Verhandlung vorsehen. Diese Anhörung darf aber nicht entgegen einem auf sie gerichteten Antrag [X.] werden. Geschieht dies wie hier dennoch, so kann dies unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht anders behandelt werden als die Nichtdurchführung einer nach dem Verfahrensrecht gebotenen mündlichen Verhandlung. (4) Gegen eine Heranziehung der Regelung in § 79 Abs. 2 Satz 2 [X.] spricht zudem, dass die Entscheidung, mit der die Unzulässigkeit der Be-schwerde ausgesprochen wird, nicht ohne Weiteres mit der Entscheidung über die Unzulässigkeit des Einspruchs vergleichbar ist. Die Zulässigkeit der Be-schwerde ist im Wesentlichen an formale Kriterien geknüpft; insbesondere ist eine Beschwerdebegründung nicht vorgeschrieben. Für die Zulässigkeit des Einspruchs stellt dagegen die Bestimmung des § 59 Abs. 1 Satz 2 - 4 [X.] deutlich strengere Anforderungen. Dies lässt eine sachliche Unterscheidung zwischen der Prüfung der Zulässigkeit des Einspruchs und der Zulässigkeit der Beschwerde auch in der Sache nicht als fern liegend erscheinen. 16 (5) Einen Antrag auf mündliche Anhörung hat die Einsprechende vorlie-gend gestellt. Dass sie dies nur für den Fall getan hat, dass das Streitpatent nicht vollständig widerrufen werde, steht der Wirksamkeit der Antragstellung nicht entgegen. Der Antrag kann nämlich auch unter einer solchen (innerpro-zessualen) Bedingung gestellt werden ([X.], [X.]. [X.] - [X.], [X.], 597, 598 - [X.] m.w.N.). 17 - 9 - d) Da das Patentgericht die beantragte Anhörung nicht durchgeführt hat, hat es der Einsprechenden bei seiner Entscheidung das rechtliche Gehör nicht in dem gebotenen Umfang gewährt. Die Entscheidung des Patentgerichts kann auch auf diesem Verfahrensmangel beruhen. Es kann nämlich jedenfalls nach den getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass die [X.] Gewährung rechtlichen Gehörs durch das Patentgericht zu einer für die Einsprechende günstigeren Entscheidung zur Frage der Zulässigkeit des Einspruchs geführt hätte (vgl. [X.], [X.]. v. 8.9.2009 - [X.]/08, [X.], 1192 - Polyolefinfolie, [X.] 21). 18 - 10 - Damit ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurück-zuverweisen (§ 108 Abs. 1 [X.]). Eine mündliche Verhandlung hat der [X.] nicht als erforderlich angesehen (§ 107 Abs. 1 [X.]). 19 [X.] Mühlens Ber-ger Grabinski Bacher Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 05.08.2008 - 9 W(pat) 349/05 -

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Xa ZB 39/08

17.12.2009

Bundesgerichtshof Xa- Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.12.2009, Az. Xa ZB 39/08 (REWIS RS 2009, 68)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 68

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