Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.08.2013, Az. VII R 15/12

7. Senat | REWIS RS 2013, 3648

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Gegenstand

Berufliche Niederlassung des Geschäftsführers einer Steuerberatungsgesellschaft als Anerkennungsvoraussetzung


Leitsatz

Eine Steuerberatungsgesellschaft kann auch dann anerkannt werden, wenn die erforderliche berufliche Niederlassung ihres Geschäftsführers am Ort der Gesellschaft oder in dessen Nahbereich im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anerkennungsantrag noch nicht unterhalten wird, sofern es nicht erkennbar an der ernstlichen Absicht fehlt, eine solche Niederlassung alsbald zu begründen und zu unterhalten.

Die Anerkennung der Gesellschaft darf unter die aufschiebende Bedingung gestellt werden, dass sie ihre werbende Tätigkeit erst entfalten darf, wenn der Geschäftsführer eine solche Niederlassung tatsächlich begründet hat.

Tatbestand

1

I. Die [[X.].]lägerin und Revisionsklägerin ([[X.].]lägerin) streitet um ihre Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft durch die Beklagte und Revisionsbeklagte (die Steuerberaterkammer). Sie ist 2007 von dem Steuerberater [[X.].] zusammen mit der während des Streitverfahrens verstorbenen Frau [[X.].] gegründet worden und will ihre Tätigkeit in [[X.].] aufnehmen. Beide waren damals Mitglieder einer anderen Steuerberaterkammer [X.] und gaben sich im [[X.].] als in [[X.].] tätige Steuerberater aus.

2

Die Steuerberaterkammer, die im Übrigen gegen den ihr vorgelegten Satzungsentwurf für die [[X.].]lägerin keine Bedenken hat, zögerte mit der Anerkennung, weil sie, wie sie der [[X.].]lägerin mitgeteilt hat, nicht die Anerkennungsvoraussetzung gegeben sah, dass der Geschäftsführer der [[X.].] --nämlich die damals dafür offenbar vorgesehene Frau [[X.].] eine berufliche Niederlassung am Sitz der [[X.].] oder im Nahbereich derselben habe. Aufgrund vielfacher Erörterung dieser Frage und zahlreicher von der Steuerberaterkammer angestellter Ermittlungen lehnte diese schließlich mit Bescheid vom 4. Februar 2010 den Antrag auf Anerkennung der [[X.].]lägerin als Steuerberatungsgesellschaft ab. Die hiergegen erhobene [[X.].]lage ist ohne Erfolg geblieben.

3

Das Finanzgericht ([X.]) urteilte, die Steuerberaterkammer habe die Anerkennung ohne Rechtsverstoß versagt; "gleichermaßen" seien zum [[X.].]eitpunkt der mündlichen Verhandlung die [[X.].] nicht erfüllt. Das Steuerberatungsgesetz (StBerG) verlange nämlich, dass mindestens einer der Geschäftsführer seine Niederlassung am Sitz der [[X.].] oder in dessen Nahbereich unterhalte. Dies sei in dem [[X.].]eitpunkt, als die Steuerberaterkammer den Ablehnungsbescheid erließ, nicht der Fall gewesen und selbst unter Berücksichtigung des Vortrags in der mündlichen Verhandlung nach wie vor nicht gegeben. Frau [[X.].] habe zu keinem [[X.].]eitpunkt eine berufliche Niederlassung in [[X.].] gehabt. Auch [[X.].] verfüge dort derzeit über keine berufliche Niederlassung. Er sei Mitglied der Steuerberaterkammer [X.] und habe in [[X.].] seinen Wohnsitz. Er habe nicht substantiiert dargelegt, dass er zusätzlich in [[X.].] steuerberatende Aktivitäten in einer Weise und in einem Umfang entfalte, dass er auch in [[X.].] über eine berufliche Niederlassung verfüge. "Im Rahmen des Anerkennungsverfahrens" müssten die [[X.].] im [[X.].]eitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung erfüllt sein. Es genüge hiernach nicht, dass [[X.].] im [[X.].] an die Anerkennung der [[X.].]lägerin --selbst wenn dies unverzüglich geschehe-- seine berufliche Niederlassung in [[X.].] begründe. Die Rechtsprechung verlange, dass "im Grundsatz vorrangig" auf die Verhältnisse im [[X.].]eitpunkt der Entscheidung über den [[X.].] abzustellen ist.

4

Gegen dieses in der [[X.].]eitschrift Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 879 veröffentlichte Urteil richtet sich die Revision der [[X.].]lägerin, die im Wesentlichen wie folgt begründet wird:

5

Es sei im Termin zur mündlichen Verhandlung dezidiert dargelegt worden, dass in der Person des [[X.].] die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG erfüllt seien, dieser nämlich seine berufliche Niederlassung in [[X.].] habe. Er habe dazu das Schreiben überreicht, mit dem er am Vortag den Steuerberaterkammern [[X.].] und [X.] mitgeteilt habe, dass seine berufliche Niederlassung in [[X.].] liege. Er habe darüber hinaus mitgeteilt, dass er seit Jahren Büroräume in der [X.] habe und von dort aus mehrere Steuerverfahren beim [X.] geführt habe und dass er auch eine Wohnung in [[X.].] besitze. Ferner habe er dem Gericht die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung vorgelegt. Diesen am Ende der mündlichen Verhandlung gegebenen Tatsachenstand habe das [X.] seinem Urteil nicht zu Grunde gelegt, sondern diesen --im Tatbestand des [X.] unter Missachtung vorgenannter Ausführungen und Unterlagen dahin zusammengefasst, dass [[X.].] "seine anwaltlichen Aktivitäten ... in [[X.].] substanziell ausgeweitet" habe. Das [X.] sei also offensichtlich schlicht von der [X.] ausgegangen, die im [[X.].]eitpunkt der letzten Entscheidung der Steuerberaterkammer bestanden habe. Es habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und es habe in diesem [[X.].]usammenhang ferner den Anspruch der [[X.].]lägerin auf rechtliches Gehör verletzt, indem es den Sachvortrag des [[X.].] in der mündlichen Verhandlung unberücksichtigt gelassen habe; zwischen der Version, die das [X.] seinem Urteil zu Grunde gelegt habe und dem tatsächlichen Vorgang der Verlegung der beruflichen Niederlassung des [[X.].] nach [[X.].] bestehe ein Unterschied.

6

Die [[X.].]lägerin rügt ferner die Verletzung des § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG und meint, selbst wenn [[X.].] zum [[X.].]eitpunkt der mündlichen Verhandlung eine berufliche Niederlassung in [[X.].] noch nicht gehabt hätte, habe das [X.] die Steuerberaterkammer verpflichten müssen, sie, ggf. unter der aufschiebenden Bedingung, dass eine solche Niederlassung rechtzeitig begründet wird, als Steuerberatungsgesellschaft anzuerkennen. Denn sie habe mehrfach ihre Absicht erklärt, dass einer ihrer [[X.].]er vor Aufnahme einer werbenden Tätigkeit der neuen [[X.].] seine berufliche Niederlassung in [[X.].] begründen werde, sofern die [[X.].] anerkannt werde. Dies genüge als Voraussetzung für die Anerkennung. Das Beharren darauf, dass jene Anerkennungsvoraussetzung im [[X.].]eitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorliegen müsse, führe zu einem nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Berufsfreiheit.

7

Die Steuerberaterkammer meint, aus den Ausführungen des [X.] ergebe sich, dass dieses auf den Sachstand zum [[X.].]eitpunkt der mündlichen Verhandlung abgestellt und die Überzeugung gewonnen habe, dass [[X.].] damals keine berufliche Niederlassung in [[X.].] gehabt habe. Die [[X.].]lägerin setze insoweit nur ihre eigene Würdigung der des [X.] entgegen. Die hierzu erhobene Rüge mangelnder Sachaufklärung sei unschlüssig, weil nicht dargelegt sei, dass eine weitergehende Sachaufklärung beantragt worden sei.

8

In materiell-rechtlicher Hinsicht ist die Steuerberaterkammer der Ansicht, der Geschäftsführer müsse bereits im [[X.].]eitpunkt der Anerkennung seine berufliche Niederlassung am Sitz der [[X.].] begründet haben. Aus § 34 Abs. 1 StBerG, auf den § 72 Abs. 1 StBerG für Steuerberatungsgesellschaften verweise, könne nichts anderes hergeleitet werden. Die Vorschrift bestimme zwar, dass Steuerberater unmittelbar nach ihrer Bestellung eine berufliche Niederlassung begründen müssten, anderenfalls ihre Bestellung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG zu widerrufen sei. Eine entsprechende Vorschrift für Steuerberatungsgesellschaften bestehe jedoch nicht. Das sei auch nicht erforderlich, weil deren Sitz durch die Eintragung im Handelsregister bestimmt werde. Im Übrigen könnte die Anerkennung einer Steuerberatungsgesellschaft, wenn der geschäftsführende Steuerberater seine berufliche Niederlassung von deren Sitz [X.], nicht widerrufen werden, wenn man nicht die vorherige Begründung eines solchen Sitzes als Anerkennungsvoraussetzung ansehe. Eine Anerkennung unter der Bedingung einer solchen Sitzbegründung sehe das StBerG nicht vor; sie sei auch nach § 120 der Abgabenordnung ([[X.].]) nicht möglich.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet und hat mit dem Ergebnis der Aufhebung des Urteils des [X.] und [X.]urückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung Erfolg (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das Urteil des [X.] verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 [X.]O) und ist auch nicht im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4 [X.]O).

1. Die [X.]lage ist darauf gerichtet, die [X.]lägerin nach Maßgabe des § 49 Abs. 1 StBerG als Steuerberatungsgesellschaft anzuerkennen. Sie ist also eine Verpflichtungsklage. Über sie hatte das [X.] --wie es bei [X.]lagen und allemal bei [X.] grundsätzlich der Fall [X.] auf der Grundlage der im [X.]eitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Sachlage zu entscheiden. Denn soweit die Ablehnung eines Verwaltungsaktes, wie der Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft, rechtswidrig und der [X.]läger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hat das Gericht nach § 101 Satz 1 [X.]O die Verpflichtung der Finanzbehörde auszusprechen, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, sofern die Sache spruchreif ist. Es kommt also nicht darauf an, ob die Entscheidung der Behörde, den begehrten Verwaltungsakt nicht zu erlassen, seinerzeit rechtmäßig oder rechtswidrig war, sondern ob es im [X.]eitpunkt der Entscheidung des Gerichts rechtswidrig ist, dem [X.]läger den begehrten Verwaltungsakt vorzuenthalten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Gesetz für eine Entscheidung auf einen bestimmten --vor der Entscheidung des Gerichts liegenden-- [X.]eitpunkt abstellt (vgl. nur [X.]/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 19. Aufl., § 113 Rz 221 f.), wofür in dem hier gegebenen [X.]usammenhang nichts erkennbar ist. Auch aus dem vom [X.] angeführten Urteil des erkennenden Senats vom 26. September 1989 VII R 54/89 ([X.] 1990, 328) ergibt sich dafür nichts. Ob der künftige Geschäftsführer einer neu gegründeten Steuerberatungsgesellschaft bereits im [X.]eitpunkt der Anerkennung derselben eine berufliche Niederlassung an deren Sitz begründet haben muss, hat auch nichts mit der Frage zu tun, ob er eine solche Niederlassung ggf. erst im Laufe eines Streitverfahrens wegen der Anerkennung begründen kann.

Dem Urteil des [X.] ist nicht in hinreichender [X.]larheit zu entnehmen, dass das [X.] dies beachtet hat. Indes wird schon in den die materiell-rechtliche Prüfung gleichsam einleitenden Sätzen ([X.] Blatt 9 erster Absatz) nicht darauf abgestellt, ob die [X.]lägerin --jetzt-- ein subjektiv-öffentliches Recht auf Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft hat, sondern ob die Steuerberaterkammer die Anerkennung ohne Rechtsverstoß versagt hat; dass damit nicht auf die Rechtswidrigkeit der Versagung einer solchen Anerkennung nach der gegenwärtigen, im [X.]eitpunkt der Entscheidung des [X.] eingetretenen Sachlage, sondern offenbar auf diejenige im [X.]eitpunkt der Entscheidung der Steuerberaterkammer abgestellt werden soll, wird zumindest durch den folgenden Satz nahegelegt ("Gleichermaßen ... "), der dem für das [X.] offenbar maßgeblichen [X.], dass die Steuerberaterkammer rechtmäßig entschieden habe, anscheinend nur ergänzend zur Seite gestellt werden und zum Ausdruck bringen soll, dass die Steuerberaterkammer auch jetzt --im [X.]eitpunkt der mündlichen Verhandlung des [X.] nicht anders entscheiden müsste.

Die schon hierdurch ausgelöste Unklarheit in den rechtlichen Grundlagen der Entscheidung des [X.] wird u.a. dadurch verstärkt, dass das [X.] ausdrücklich darauf abstellt, ob die Anerkennungsvoraussetzungen "im [X.]eitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung seitens der zuständigen Steuerberaterkammer" erfüllt waren ([X.] Blatt 10 Abs. 2, Blatt 11 Abs. 3), und dass es meint, dies sei "im Grundsatz vorrangig" maßgeblich. Auch die umfangreichen Urteilsausführungen über die berufliche Niederlassung der Frau [X.] wären anderenfalls in der Tat unverständlich.

2. Selbst wenn man aber mit der Steuerberaterkammer davon ausginge, dass sich das [X.] bewusst war, dass es (nicht nur im Ausnahmefall und nicht nur nachrangig, sondern) ausschließlich auf die Sachlage im [X.]eitpunkt seiner Entscheidung ankam, wäre für den erkennenden Senat nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, worauf die dem Urteil des [X.] zu entnehmende Ansicht beruht, [X.] habe im [X.]eitpunkt der Entscheidung des [X.] keine berufliche Niederlassung in [X.] gehabt.

Die eingehenden Ausführungen in dem Urteil zu der beruflichen Betätigung der Frau [X.], die im [X.]eitpunkt der mündlichen Verhandlung des [X.] bereits verstorben war und deshalb für die Entscheidung des Gerichts keine Rolle spielen konnte, besagen über das Bestehen einer beruflichen Niederlassung des [X.] nichts. Die in Blatt 9 Abs. 5 des [X.]s getroffene Feststellung, [X.] sei Mitglied der Steuerberaterkammer X, und der im weiteren Verlauf dieses Absatzes enthaltene Hinweis, er sei in dem von der Steuerberaterkammer geführten [X.] nicht geführt, trägt die Schlussfolgerung des [X.] nicht, weil [X.] in der mündlichen Verhandlung gerade vorgetragen hatte, er habe erst am Vortag den [X.]ammern die Verlegung seiner beruflichen Niederlassung mitgeteilt. Dass dies unzutreffend ist, hat das [X.] nicht angenommen. Hierfür hatte es auch nicht ohne Weiteres Anlass. Dass der [X.]läger über die erforderlichen sächlichen Voraussetzungen verfügte, um von [X.] aus einer beruflichen Tätigkeit als Steuerberater nachgehen zu können, hatte er im Wesentlichen unwidersprochen vorgetragen.

Da es deshalb schon zweifelhaft erscheint, ob die Ansicht des [X.], [X.] habe selbst im [X.]eitpunkt der mündlichen Verhandlung noch keine berufliche Niederlassung in [X.] gehabt, trotz dieser Bedenken gegen ihre Nachvollziehbarkeit als eine den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 [X.]O bindende tatsächliche Feststellung angesehen werden kann, mag dahinstehen, ob die von der Revision in diesem [X.]usammenhang erhobenen [X.] der Verletzung formellen Rechts (unzureichende Sachaufklärung, Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) durchgreifen könnten. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass zu einer schlüssigen Rüge u.a. die Darlegung gehörte, mit welchen Beweismitteln das [X.] (konkrete) Tatsachen hätte aufklären sollen, und dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass ein rechtstaatliches Gericht von ihm [X.] Vorbringen bei seiner Entscheidung würdigt.

3. All dies kann aber letztlich dahinstehen, weil das Urteil des [X.] noch aus einem anderen Grund Bundesrecht verletzt und deshalb keinen Bestand haben kann.

Voraussetzung für die Anerkennung einer Steuerberatungsgesellschaft ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 StBerG u.a., dass die Geschäftsführer Steuerberater sind; mindestens ein Steuerberater, der Geschäftsführer ist, muss seine berufliche Niederlassung am Sitz der [X.] oder in dessen Nahbereich haben, wie § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG dem hinzufügt. Diese Vorschrift ist [X.] als die Steuerberaterkammer meint-- nicht gleichsam handlungsbezogen auf den ([X.] der Anerkennung einer Steuerberatungsgesellschaft zu beziehen, sondern bringt --gleichsam zustandsbezogen-- zum Ausdruck, dass mindestens einer der Geschäftsführer einer anerkannten Steuerberatungsgesellschaft seine berufliche Niederlassung am Sitz der [X.] unterhalten muss. Diese muss vor Aufnahme einer werbenden Tätigkeit der [X.] begründet werden. Die Anerkennung der [X.] kann jedoch erfolgen, ohne dass eine solche Niederlassung bereits im [X.]eitpunkt der Entscheidung über den [X.] unterhalten wird, sofern es nicht erkennbar an der ernstlichen Absicht fehlt, eine solche Niederlassung alsbald zu begründen und zu unterhalten, mithin eine prognostische Einschätzung (dazu schon Senatsurteil in [X.] 1990, 328) ergibt, dass die Anerkennung keinen Bestand haben könnte.

Ein anderes Verständnis der Vorschrift zwänge, wie die Revision mit Recht geltend macht, eine von einem bisher an einem anderen Ort tätigen Steuerberater gegründete neue Steuerberatungsgesellschaft dazu, ihren künftigen Geschäftsführer zu veranlassen, seine berufliche Niederlassung am Sitz der künftigen [X.] zu begründen, obwohl diese noch nicht werbend tätig werden kann und möglicherweise nicht einmal sicher ist, ob sie überhaupt anerkannt wird. Ein solches Erschwernis der Gründung von Steuerberatungsgesellschaften dem Gesetz zu entnehmen, entspricht nach Auffassung des erkennenden Senats weder einem zutreffenden Verständnis von der Reichweite des Grundrechts der Berufsfreiheit und der Vereinigungsfreiheit noch ist es durch die Belange eines Schutzes der Steuerrechtspflege geboten, zumal das Gesetz Steuerberatern die Begründung einer beruflichen Niederlassung ebenfalls erst unmittelbar nach ihrer Bestellung abverlangt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 StBerG) und sich für den Fall, dass der Steuerberater dem nicht nachkommt, mit der Möglichkeit eines Widerrufs seiner Bestellung begnügt (§ 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG). Überdies kann die Steuerberaterkammer in der Regel ausreichend sicherstellen, dass die künftige Steuerberatungsgesellschaft den Anforderungen des § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG genügen wird, indem sie die Ernsthaftigkeit der Absicht des als künftigen Geschäftsführer vorgesehenen Steuerberaters, seine berufliche Niederlassung am Sitz der [X.] zu begründen und dafür ggf. von anderswoher zu verlegen, anhand der dafür einschlägigen Indizien prüft. Wenn sie insofern letzte [X.]weifel nicht auszuräumen vermag, kann sie die Anerkennung der [X.] von vornherein unter die aufschiebende Bedingung stellen, dass sie ihre werbende Tätigkeit erst entfalten darf, wenn der Geschäftsführer seine berufliche Niederlassung am Sitz der [X.] tatsächlich begründet hat. Einen Verwaltungsakt unter eine solche Bedingung zu stellen, lässt § 120 Abs. [X.] auch dann zu, wenn es sich --wie hier-- nicht um eine Ermessensentscheidung handelt, sofern --was bei einer solchen Bedingung der Fall wäre-- die Bedingung lediglich sicherstellen soll, dass die Voraussetzungen für den Erlass des betreffenden Verwaltungsaktes tatsächlich vorliegen, bevor von diesem Gebrauch gemacht wird. Die offenbar von der Steuerberaterkammer gehegte Befürchtung, eine Anerkennung erteilen und alsbald feststellen zu müssen, dass die vorgebliche Absicht der Begründung einer beruflichen Niederlassung des Geschäftsführers nicht verwirklicht wird, rechtfertigt eine andere Beurteilung umso weniger, als ein in diesem Falle notwendiges Widerrufsverfahren sich nicht wesentlich sicherer durch das Beharren auf einer vorherigen Begründung der Niederlassung vermeiden lässt, welche im Allgemeinen ohne Weiteres sofort wieder aufgelöst werden könnte, wenn sie nur zum Schein begründet worden ist.

Ob im Streitfall davon ausgegangen werden kann, dass eine hinreichende Gewähr dafür besteht, dass [X.] bei Anerkennung der [X.] unverzüglich alles das unternimmt, was über die vorgenannte Mitteilung an die Steuerberaterkammer, die Verfügbarkeit einer Wohnung für den Geschäftsführer am Ort der [X.] sowie den Abschluss einer Versicherung hinaus zur Begründung einer beruflichen Niederlassung i.S. des § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG erforderlich ist, hat das [X.] bei seiner Entscheidung nicht geprüft. Es wird dies im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. Dabei wird es sich darüber [X.]larheit verschaffen müssen, welche über Vorgenanntes hinausgehenden Anforderungen an die Begründung einer beruflichen Niederlassung gemäß vorgenannter Vorschrift im Einzelnen zu stellen sind.

Der erkennende Senat kann einstweilen davon absehen, dazu in rechtlicher Hinsicht näher Stellung zu nehmen. Er weist jedoch darauf hin, dass der Annahme, ein Steuerberater habe seine berufliche Niederlassung in [X.], schwerlich abträglich sein dürfte, dass er auch in [X.] eine Wohnung besitzt. Ferner mag nicht unerwähnt bleiben, dass es im Rahmen der dem [X.] zustehenden Freiheit der Beweiswürdigung als ein wichtiges Indiz für die mangelnde Absicht, eine berufliche Niederlassung zu schaffen, angesehen werden könnte, wenn der künftige Geschäftsführer dafür erforderliche Maßnahmen nicht oder allenfalls gleichsam in letzter Minute ergreift, obwohl keinerlei ernsthafter Anlass dafür bestanden hat, daran zu zweifeln, dass bei Begründung der erforderlichen Niederlassung die Anerkennung der [X.] von der [X.]ammer sofort ausgesprochen würde. Den Streitfall unter diesem Gesichtspunkt zu würdigen, muss indes dem [X.] als Tatsachengericht überlassen werden. Es wird ggf. der Steuerberaterkammer gemäß § 101 Satz 2 [X.]O Gelegenheit zu geben haben, über die Beifügung vorgenannter Bedingung nach ihrem Ermessen zu entscheiden.

Meta

VII R 15/12

06.08.2013

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 14. September 2011, Az: 12 K 12052/10, Urteil

§ 49 Abs 1 StBerG, § 50 Abs 1 S 2 StBerG, § 120 Abs 1 AO, § 101 S 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.08.2013, Az. VII R 15/12 (REWIS RS 2013, 3648)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3648

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