Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 12.11.2012, Az. 2 BvR 2412/12

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2012, 1562

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Unzureichende Substantiierung der Rüge einer Verletzung von Art 19 Abs 4 GG bei unterlassener Vorlage der an das Fachgericht gerichteten Antragsschrift - bei Verwerfung eines Antrags gem § 23 EGGVG (juris: GVGEG) wegen unzureichender Begründung kann materielle Rechtsfrage (Justiziabilität von Gnadenentscheidungen) offen bleiben


Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anordnung der sofortigen Vollstreckung in einem Gnadenverfahren.

2

1. Der Beschwerdeführer wurde im [X.] 2011 zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt; das Urteil ist rechtskräftig. Anfang 2012 wurde er zum [X.] geladen. Der Beschwerdeführer stellte am 6. Februar 2012 ein erstes Gnadengesuch mit der Absicht, die dadurch eintretende Vollstreckungshemmung gemäß § 5 Abs. 1 der Allgemeinen Verfügung über das Verfahren in Gnadensachen des [X.] (Gnadenordnung - GnO) zu nutzen, um eine zuvor vom Rentenversicherungsträger bewilligte [X.]zu absolvieren. Mit Schreiben vom 8. Februar 2012 ordnete die [X.] die sofortige Vollstreckung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GnO an. Die Vorschrift erlaubt die Anordnung der sofortigen Vollstreckung, wenn das Gnadengesuch offensichtlich unbegründet ist oder die sofortige Vollstreckung im öffentlichen Interesse liegt. Am 12. Februar 2012 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag nach § 23 [X.] mit dem Ziel der Überprüfung der Anordnung der sofortigen Vollstreckung. Er adressierte den Antrag an das [X.]. Angestoßen durch Erkundigungen des Beschwerdeführers nach dem Verbleib der Antragsschrift erklärte das [X.], ein Faxeingang zu dem genannten Datum sei nicht feststellbar. Später wurde die Antragsschrift im Bereich der [X.] Justizverwaltung aufgefunden. Am 5. Juni 2012 wiederholte der Beschwerdeführer vor dem [X.] den Antrag nach § 23 [X.] und beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

3

Mit angegriffenem Beschluss vom 12. Juni 2012 verwarf das [X.] die Anträge. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei nicht in der Form des § 24 Abs. 1 [X.] ausreichend begründet. Außerdem sei der Rechtsweg nach den §§ 23 ff. [X.] nicht eröffnet. Da diesem Antrag hinreichende Erfolgsaussichten fehlten, sei auch der Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen.

4

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollstreckung seien nicht gegeben und in dem Schreiben der [X.] auch nicht mitgeteilt worden. Es handele sich um eine Willkürentscheidung. Sie verletze ihn in seinen Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1 [X.] und aus Art. 2 Abs. 1 und 2 [X.]. Durch die verzögerte Weiterleitung der Antragsschrift vom 12. Februar 2012 im Verantwortungsbereich der [X.] Justiz sei ihm die Möglichkeit genommen worden, noch "ggf. erforderliche Detailabläufe usw." zu seinem Antrag zu ergänzen. Im Übrigen sei der Antrag auch ordnungsgemäß begründet gewesen. Ferner unterliege die Anordnung der sofortigen Vollstreckung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GnO der gerichtlichen Kontrolle. Die Entscheidung des [X.]s verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 [X.].

5

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung liegen nicht vor (§ 93a Abs. 2 BVerf[X.]). Die Verfassungsbeschwerde wirft keine entscheidungserhebliche Frage von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerf[X.]), die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz und anhand der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung beantworten ließe (vgl. [X.] 90, 22 <24 f.>). Auch ist ihre Annahme nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerf[X.]).

6

1. Die Verfassungsbeschwerde genügt nicht den Substantiierungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerf[X.]. Ob das [X.] die Darlegungsanforderungen im Verfahren nach den §§ 23 ff. [X.] in einer mit Art. 19 Abs. 4 [X.] nicht zu vereinbarenden Weise überspannt hat, kann ohne Vorlage oder Wiedergabe der Antragsschrift des Beschwerdeführers vom 12. Februar 2012 nicht beurteilt werden. Die Ausführungen des Beschwerdeführers zum Inhalt der Antragsschrift sind insoweit nicht ausreichend. Ferner ist nicht ersichtlich, inwieweit sich ein eventuell verzögerter Zugang der Antragsschrift beim [X.] zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgewirkt haben soll. Weder hat das [X.] den Antrag des Beschwerdeführers als verfristet verworfen, noch war dieser daran gehindert, innerhalb der Frist des § 26 Abs. 1 [X.] ergänzende Ausführungen zu machen.

7

2. Nach den Ausführungen des [X.]s vermag die unzureichende Begründung des Antrags nach § 23 [X.] dessen Verwerfung selbständig zu tragen (vgl. [X.] 105, 252 <264>). Somit bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die Nichteröffnung eines Rechtswegs gegen die Anordnung der sofortigen Vollstreckung gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GnO mit Art. 19 Abs. 4 [X.] vereinbar ist, wie es das [X.] für den Fall der ablehnenden Gnadenentscheidung bejaht hat (vgl. [X.] 25, 352 <361 ff.>; 30, 108 <110 f.>; 45, 187 <242 f.>; 66, 337 <363>).

8

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerf[X.] abgesehen.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 2412/12

12.11.2012

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend KG Berlin, 12. Juni 2012, Az: 4 VAs 24/12, Beschluss

Art 19 Abs 4 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, §§ 23ff GVGEG, § 23 GVGEG, § 26 Abs 1 GVGEG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 12.11.2012, Az. 2 BvR 2412/12 (REWIS RS 2012, 1562)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1562

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