Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.06.2010, Az. 4 StR 260/10

4. Strafsenat | REWIS RS 2010, 5501

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 260/10 vom 24. Juni 2010 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 24. Juni 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 3. Februar 2010 mit den Feststellungen aufgehoben, a) soweit der Angeklagte wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verur-teilt worden ist (Fall [X.] 1 der Urteilsgründe), b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe, c) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unter-blieben ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tatein-heit mit gefährlicher Körperverletzung, Raubes in Tateinheit mit (vorsätzlicher) Körperverletzung, (vorsätzlicher) Körperverletzung und Bedrohung zu einer [X.] - 3 - samtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der An-geklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus dem [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegrün-det im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1. Nach den Feststellungen zum Fall [X.] 1 der Urteilsgründe kehrte der Angeklagte "an einem nicht mehr bestimmbaren Tag im Jahre 2004" in betrun-kenem Zustand in die gemeinsam mit seiner Freundin, der Zeugin N. B.

, bewohnte Wohnung zurück. Der Angeklagte wollte mit der Zeugin ge-schlechtlich verkehren, legte sich zu ihr ins Bett und begann sie zu streicheln. Die Zeugin erklärte dem Angeklagten mehrfach, dass er sie in Ruhe lassen [X.] und sie dies nicht wolle. [X.] geworden beschimpfte er die Zeugin und ergriff sodann einen schweren Kerzenständer aus Metall, den er in ihre Rich-tung warf, wobei ihm bewusst war, dass er die Zeugin treffen könnte. So ge-schah es auch; der Kerzenständer traf [X.]an der linken Schulter, was ihr Schmerzen bereitete. Der Angeklagte nahm dies wahr, es war ihm jedoch gleichgültig. Er begab sich in die Küche, hörte dort Musik und rauchte eine Zi-garette. Nach einer nicht mehr genau bestimmbaren Zeitspanne von höchstens 30 Minuten ([X.]) kehrte er in das Schlafzimmer zurück. "Unter dem Eindruck des zuvor erfolgten Wurfs mit dem Kerzenständer und aus Angst vor weiterer Gewalt widersetzte sich die Zeugin N.

[X.] dem Angeklagten nicht mehr. Der Angeklagte, dem bewusst war, dass die Zeugin B. nach wie vor innerlich nicht gewillt war, mit ihm geschlechtlich zu verkehren, aber aus Angst vor weiterer Gewalt den Geschlechtsverkehr zuließ, drang mit seinem Penis in die Scheide der Zeugin [X.]ein und vollzog mit ihr den Beischlaf bis zum Samenerguss". 2 - 4 - 2. Die Würdigung des [X.]s, der Angeklagte habe sich hierdurch (neben einer tateinheitlich begangenen gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) der Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB schuldig gemacht, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die den getroffenen Feststellungen zu Grunde liegende Beweiswürdigung ist lückenhaft und daher sachlich-rechtlich fehlerhaft. 3 a) Im Ansatz zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass frühere Gewalteinwirkungen als (konkludente) Drohung gegenüber dem Opfer zu beurteilen sein können, den körperlich wirkenden Zwang erneut anzuwen-den, falls das weitere Vorgehen des [X.] auf Widerstand stoßen sollte. So kann vorangegangene Gewalt in diesem Sinne fortwirken, wenn das Opfer an-gesichts der früheren Gewaltanwendung und der gegebenen Kräfteverhältnisse aus Furcht vor weiteren Gewalttätigkeiten von einer Gegenwehr absieht, sofern der Täter zumindest erkennt und billigt, dass das Opfer sein Verhalten als [X.] mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben empfindet (vgl. [X.], Urteil vom 10. Oktober 2002 - 2 [X.], [X.], 42, 43 m.w.N.). Zu den zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen lässt das Urteil jedoch Be-weisgründe und Beweiswürdigung vermissen; dieser Mangel ist auf Sachrüge zu beachten ([X.], Beschluss vom 7. Mai 1998 - 4 StR 88/98, [X.], 45; vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 29. Juni 1999 - 4 StR 271/99, [X.], 88 und vom 21. September 2005 - 2 [X.], [X.], 538). 4 Das [X.] hat in der rechtlichen Würdigung ausgeführt, der [X.] habe billigend in Kauf genommen, dass seine erneute Annäherung von der [X.]als eine konkludente Drohung empfunden werde. Die [X.], die den Tatrichter zu dieser Würdigung geführt haben, teilt er jedoch im angefochtenen Urteil nicht mit. Mit seiner umfangreichen [X.] - 5 - digung zum Fall [X.] 1 der Urteilsgründe belegt das [X.] lediglich, dass die Zeugin auf Grund der von ihr empfundenen Angst weiteren Widerstand nicht zu leisten in der Lage war und den Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen er-duldete ([X.], 30). Nicht belegt hat es in der Beweiswürdigung jedoch, aus welchen Gründen es zu der Überzeugung gelangt ist, der Angeklagte habe billi-gend in Kauf genommen, dass die Zeugin die erneute Annäherung als eine konkludente Drohung empfand und infolge der Anwendung dieses Nötigungs-mittels die Durchführung des Geschlechtsverkehrs duldete (vgl. zur finalen [X.] [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2004 - 3 StR 256/04, [X.], 268, 269 m.w.N.); dies ist insbesondere bei erheblicher Alkoholisierung kritisch zu prüfen (vgl. Fischer, StGB 57. Auflage § 177 Rdn. 52 m.w.N.). Nach den Umständen des Falles liegt auch nicht auf der Hand, dass der Vorsatz des Angeklagten hier die finale Verknüpfung von [X.] und [X.] umfasst hat. Zwar hatte die Zeugin sich auch früher schon ge-weigert, mit dem Angeklagten geschlechtlich zu verkehren, wenn dieser abends betrunken nach [X.] kam. Hier besteht aber die Besonderheit, dass der An-geklagte, nachdem er die Zeugin mit dem Kerzenständer an der Schulter getrof-fen hatte, sich bis zu 30 Minuten in der Küche aufhielt. Es versteht sich nicht von selbst, dass der Angeklagte, als er sodann in das Schlafzimmer zurück-kehrte, in sein Bewusstsein aufgenommen hatte, [X.] werde sein Er-scheinen nunmehr als eine konkludente Drohung mit erneuter Gewaltanwen-dung empfinden und nur deshalb den zuvor abgelehnten Geschlechtsverkehr über sich ergehen lassen. 6 In diesem Zusammenhang erweist sich die Beweiswürdigung auch inso-weit als lückenhaft, als das [X.] zwar wiederholt ausführt, die Zeugin habe es auch bei früherer Gelegenheit abgelehnt, mit dem Angeklagten ge-7 - 6 - schlechtlich zu verkehren, wenn er Alkohol zu sich genommen habe ([X.], 18). Die [X.] teilt aber nicht mit, welche Folgen diese Ablehnungen jeweils hatten. Das weitere Verhalten der Zeugin und des Angeklagten kann durchaus Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite für das hier zu beurteilende Geschehen zulassen. Der aufgezeigte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit der Angeklagte im Fall [X.] 1 der Urteilsgründe wegen Vergewalti-gung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist. Dies zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. 8 3. Als durchgreifend rechtsfehlerhaft erweist sich auch, dass das [X.] nicht geprüft hat, ob der Angeklagte nach § 64 StGB in einer Entzie-hungsanstalt unterzubringen ist, obwohl seine Feststellungen zu einer solchen Prüfung drängten. 9 Der [X.] hat sich hierzu in seiner Antragsschrift vom 31. Mai 2010 wie folgt verhalten: 10 "Der wegen Körperverletzungsdelikten und - wenn auch nicht gravierend - wegen Eigentumsdelikten einschlägig vorbestraf-te ([X.] f.) Angeklagte konsumierte seit seinem siebzehn-ten Lebensjahr zunächst Cannabis, später Heroin und Kokain. Nach zwei ambulanten Drogentherapien und der Teilnahme am [X.], jeweils einhergehend mit Rückfäl-len, erfolgte im Jahr 2004 eine Suchtverlagerung auf Alkohol. Hierbei konsumierte der Angeklagte anlässlich sich [X.] etwa zehn bis fünfzehn halbe Liter eines Biermischgetränks sowie Wein und Schnaps, wobei sich das Konsumverhalten ab dem [X.] noch steigerte ([X.] f.). - 7 - Bei den Taten [X.] 1. und 4. war der Angeklagte alkoholisiert ([X.], 13 f.). Auch zuvor war es bereits regelmäßig zu tät-lichen Auseinandersetzungen zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten gekommen, wenn dieser Alkohol zu sich genommen hatte ([X.]). Die Tat [X.] 2. beging der [X.], um sich Geldmittel zur Finanzierung seines [X.] zu verschaffen ([X.]). Hierfür hatte er sich trotz ihrer bedrängten finanziellen Verhältnisse bereits des Öfteren eigenmächtig Gelder der Geschädigten angeeignet oder diese zur Herausgabe aufgefordert ([X.], 9). Ein solches [X.] des Angeklagten war auch Anlass für die der Tat [X.] 3. vorausgegangene Auseinandersetzung ([X.] f.). Die getroffenen Feststellungen legen demnach nahe, dass zumindest die verfahrensgegenständlichen Taten [X.] 1., 2. und 4. auf einen Hang des Angeklagten zurückgehen, berau-schende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Eine "Gefährlichkeit" im Sinne des § 64 StGB würde auch nicht daran scheitern, dass es sich bei den [X.] um [X.] zum Nachteil der Geschädigten [X.] handelt und möglicherweise auch nur solche zukünftig zu erwarten sind ([X.]7). Denn der Täter braucht für eine Unterbringung nach § 64 StGB nicht für die Allgemeinheit ge-fährlich zu sein ([X.], Beschluss vom 14. April 2010 - 2 [X.]). Da der Angeklagte grundsätzlich therapiebereit ist ([X.]3) - auch wenn sich das Urteil zur Art der beabsichtigten [X.] nicht verhält -, bestehen zumindest Anhaltspunkte für eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Maßregel (§ 64 Satz 2 StGB). Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht einer etwaigen Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht entgegen ([X.]St 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nicht-anwendung des § 64 StGB nicht von seinem Rechtsmittel ausgenommen". - 8 - Dem tritt der Senat bei; er kann ausschließen, dass die Ein-zelstrafen für die Fälle [X.] 2, 3 und 4 der Urteilsgründe milder ausgefallen wären, wenn das Tatgericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet hätte. [X.] Ri[X.] [X.] befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Ernemann Mutzbauer Bender

Meta

4 StR 260/10

24.06.2010

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.06.2010, Az. 4 StR 260/10 (REWIS RS 2010, 5501)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5501

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4 StR 260/10

2 StR 112/10

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