Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.02.2010, Az. IX ZR 101/09

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9228

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/09 Verkündet am: 18. Februar 2010 Kirchgeßner Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja[X.] § 49 Der Inhaber einer öffentlichen Last gemäß § 12 [X.] kann dann, wenn der Insolvenz-verwalter das belastete Grundstück freihändig veräußert hat, keine abgesonderte Be-friedigung aus dem Veräußerungserlös verlangen. [X.], Urteil vom 18. Februar 2010 - [X.]/09 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Februar 2010 durch [X.] [X.], [X.], Prof. Dr. [X.], die Richterin [X.] und [X.] Pape für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel des [X.]n werden das Urteil der 1. Zivil-kammer des [X.] vom 22. April 2009 und das Urteil des [X.] vom 11. April 2008 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der [X.] ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermö-gen der F.

AG (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin war Eigen-tümerin von Grundstücken, die auf dem Gebiet der klagenden Gemeinde lagen. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 3. Mai 2004 war Grundsteuer in [X.] von insgesamt 15.352,34 • nicht bezahlt. In der Folgezeit veräußerte der [X.] die Grundstücke im Wege des freihändigen Verkaufs. 1 Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Feststellung, dass sie wegen der rückständigen Grundsteuerforderungen aus den Jahren 2003 2 - 3 - und 2004 abgesonderte Befriedigung aus dem Veräußerungserlös verlangen kann. Die Vorinstanzen haben antragsgemäß entschieden. Mit seiner vom Be-rufungsgericht zugelassenen Revision will der [X.] die Abweisung der [X.] erreichen. Entscheidungsgründe: Die Revision führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und zur Abweisung der Klage. 3 I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Das [X.] der Kläge-rin folge aus §§ 49 [X.], 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.]. Gemäß § 12 [X.] ruhe die Grundsteuer als öffentliche Last auf dem Steuergegenstand. Dies bedeute eine dingliche Haftung und damit die Entstehung eines Pfandrechts. Nach der [X.] Veräußerung des Grundstücks setze sich das Pfandrecht am [X.] fort, soweit keine Umschuldung stattfinde bzw. das Pfandrecht untergegangen sei. Das Grundstück hafte zwar auch nach einer freihändigen Veräußerung für die vor der Veräußerung angefallene Grundsteuer. [X.] der Erwerber also die vorhandenen Pfandrechte, komme eine Haftung des Erlöses nicht in Betracht, weil sich die Rechtsstellung des [X.] durch die Veräußerung nicht verbessern dürfe. Im Falle einer lastenfreien Über-tragung bleibe es dagegen bei der Haftung des Verkaufserlöses. Der [X.] habe nicht behauptet, dass der (oder die) Käufer Lasten übernommen hätten. Das [X.] der Gemeinde bestehe unabhängig davon, ob der 4 - 4 - Verwalter das Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung oder aber [X.] veräußere. II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. 5 1. Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens war die Klägerin Inhaberin eines [X.]s am Grundstück der Schuldnerin. Nach § 49 [X.] sind Gläubiger, denen ein Recht auf Befriedigung aus einem [X.] oder einem grundstücksgleichen Recht zusteht, im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt. Der Klägerin stand ein Recht auf Be-friedigung aus dem Grundstück zu. Gemäß § 12 [X.] ruht die Grundsteuer als öffentliche Last auf dem Grundstück. Unter dem Begriff der "öffentlichen Last", der gesetzlich nicht definiert ist, wird eine Abgabenverpflichtung verstan-den, welche durch wiederkehrende oder einmalige Geldleistung zu erfüllen ist und nicht nur die persönliche Haftung des Schuldners, sondern auch die [X.] Haftung des Grundstücks voraussetzt ([X.], Urt. v. 22. Mai 1981 - [X.], [X.] 1981, 777, 778; v. 30. Juni 1988 - [X.] ZR 141/87, [X.], 1574). Die Vorschrift des § 49 [X.] nimmt auf das Gesetz über die Zwangsversteige-rung und die Zwangsverwaltung (fortan: Zwangsversteigerungsgesetz oder [X.]) Bezug. In der Zwangsversteigerung berechtigt die öffentliche Last zur bevorrechtigten Befriedigung aus dem Grundstück (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.]). Entgegen der Ansicht des [X.] (NJW-RR 1994, 469 f) bedeutet die [X.] jedoch nicht, dass das [X.] erst und nur dann entsteht, wenn das Grundstück nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwangsver-steigert wird. Die Anordnung der Zwangsversteigerung (oder der [X.] - 5 - waltung) kann nicht die Entstehung eines Rechts zur Folge haben. Die Vor-schrift des § 12 [X.] ist überdies eindeutig anders zu verstehen. Die Grundsteuer ruht unabhängig davon als öffentliche Last auf dem Grundstück, ob ein Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet worden ist oder nicht ([X.], 1622). Auch die übrigen in § 10 Abs. 1 [X.] ge-nannten Rechte werden sogleich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu [X.]en, nicht etwa erst und nur im Rahmen einer [X.].
2. Nach der freihändigen Veräußerung des Grundstücks kann die kla-gende Gemeinde jedoch nicht die Befriedigung ihrer Forderung aus dem bei der Veräußerung erzielten Erlös verlangen. 7 a) Die Verwertung eines zur Insolvenzmasse gehörenden Grundstücks ist in § 165 [X.] geregelt. Der Verwalter kann die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung betreiben, auch wenn an dem Grundstück ein Absonde-rungsrecht besteht. Die Befriedigung des absonderungsberechtigten Gläubigers erfolgt in einem solchen Fall nach den Vorschriften des [X.]. Der Gläubiger hat - wenn er nicht gemäß § 27 [X.] dem Verfahren beitritt - sein Recht gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] anzumelden, so dass es bei der Feststellung des geringsten Gebots berücksichtigt wird (§ 45 Abs. 1 [X.]). Mit dem Zuschlag erlischt das Recht (§ 52 Abs. 1 Satz 2, § 91 Abs. 1 [X.]); an seine Stelle tritt der Anspruch auf Ersatz seines Wertes aus dem [X.] (§ 92 Abs. 1 [X.]). Meldet der Gläubiger sein Recht gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] nicht an, wird es nicht in das geringste Gebot aufgenommen. Nach § 52 Abs. 1 Satz 2 [X.] erlischt das Recht. Die Vorschrift des § 52 [X.] ist allerdings nicht abschließend. Es gibt auch Rechte, die aufgrund ausdrückli-cher gesetzlicher Anordnung auch außerhalb des geringsten Gebots bestehen 8 - 6 - bleiben (BVerwG NJW 1993, 480). § 12 [X.] enthält jedoch keine entspre-chende Regelung. Das Schicksal der öffentlichen Last des § 12 [X.] richtet sich folglich, wenn das betroffene Grundstück zwangsversteigert wird, aus-schließlich nach den Vorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes ([X.], 91 = NJW 1985, 756). Mit dem Zuschlag erwirbt der Berechtigte anstelle des erloschenen Rechtes einen pfandhaft gesicherten Anspruch auf Wertersatz aus dem [X.]. b) Gleiches gilt, wenn der [X.] selbst die Zwangs-versteigerung oder die Zwangsverwaltung betreibt. Hier gelten ebenfalls die Vorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes. Das Verwertungsrecht des Gläubigers besteht nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich fort (vgl. BT-Drucks. 12/2443, [X.]). Der Gläubiger kann dadurch, dass er selbst die Zwangsversteigerung beantragt oder dem vom Verwalter (oder einem anderen [X.]n) beantragten Verfahren beitritt, seine Rech-te wahren. Einschränkungen können sich allerdings aus § 30d Abs. 1 [X.] er-geben, wonach die vom Gläubiger betriebene Zwangsversteigerung unter be-stimmten Voraussetzungen auf Antrag des Verwalters einstweilen einzustellen ist. Kommt es jedoch zur Zwangsversteigerung, gelten die Vorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes mit dem oben beschriebenen Ergebnis. 9 c) Obwohl das Gesetz diese Möglichkeit nicht ausdrücklich vorsieht, kann der Verwalter das belastete Grundstück - wie sich mittelbar aus § 160 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ergibt - auch freihändig veräußern ([X.]/[X.], [X.] § 49 Rn. 33; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 49 Rn. 4; [X.]/ [X.], [X.] 13. Aufl. § 49 Rn. 1c; HK-[X.]/[X.], 5. Aufl. § 165 Rn. 4; vgl auch [X.], [X.]. v. 29. November 2007 - [X.] ZB 12/07, [X.] 2008, 281, 282 Rn. 13). Wie in einem solchen Fall die [X.]e gemäß 10 - 7 - § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] abgegolten werden, ist im Gesetz nicht geregelt und wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Teilweise wird angenommen, die in § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] genannten Rechte ließen sich nur im Zwangsversteigerungsverfahren umsetzen ([X.] NJW-RR 1994, 469 mit krit. [X.]. [X.] [X.] 1995, 67; [X.]/[X.] aaO § 51 Rn. 38; MünchKomm-[X.]/[X.] aaO § 51 Rn. 262; HmbKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 165 Rn. 13). Ebenso wird vertreten, die abgesonderte Befriedigung könne nicht von der Art und Weise der Verwertung des Grundstücks abhängig sein (LG Erfurt [X.] 2009, 17; [X.] [X.] 2005, 175; [X.]/[X.], [X.] § 49 Rn. 33; FK-[X.]/[X.], 5. Aufl. § 49 Rn. 50; [X.] [X.] 1995, 67, 68). Auf diesen Meinungsstreit kommt es hier nicht an. Der hier gegebene Fall einer öffentlichen Last gemäß § 12 [X.] weist die Besonderheit auf, dass die öffentliche Last bei einer freihändigen Veräuße-rung nicht erlischt. Wird das Grundstück nach Festsetzung, Fälligkeit und Voll-streckbarkeit der Steuerforderung veräußert, haftet das Grundstück weiterhin (BVerwGE 77, 38 = NJW 1987, 2098; BVerwG KStZ 1975, 10; Troll/[X.], [X.] 8. Aufl. § 12 Rn. 3). Die Haftung wird durch einen gegen den neuen Ei-gentümer gerichteten [X.] geltend gemacht. Wenn das [X.] nach der freihändigen Veräußerung weiterhin für die Steuerforderung [X.], das [X.] also fortbesteht, kann es sich nicht im Wege der dinglichen [X.] durch ein Pfandrecht am Veräußerungserlös fortsetzen (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], aaO Vor §§ 49-52 Rn. 99a). Eine den [X.] des § 52 Abs. 1 Satz 2 [X.] entsprechende Bestimmung, welche in Verbindung mit § 91 Abs. 1 und § 92 Abs. 1 [X.] das Erlöschen des Rechts am Grundstück und das Entstehen eines Anspruchs auf Wertersatz aus dem [X.] anordnet, gibt es in der [X.] nicht. 11 - 8 - Entgegen der Ansicht des [X.] gilt im vorliegenden Fall nicht deshalb etwas anderes, weil das Grundstück "lastenfrei" verkauft worden ist oder sein soll. Die Vorschrift des § 12 [X.] enthält zwingendes Recht. Die (auf das erworbene Grundstück beschränkte) Haftung des Erwerbers aus § 12 [X.] kann nicht durch eine Vereinbarung der Vertragsparteien abbedungen werden. 12 III. Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist auf-zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechts-verletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis 13 - 9 - erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat das Re-visionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die [X.] wird unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen abgewiesen. [X.] Raebel [X.]

[X.] Pape

Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 11.04.2008 - 2 C 935/07 - [X.], Entscheidung vom [X.] - 1 S 137/08 -

Meta

IX ZR 101/09

18.02.2010

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.02.2010, Az. IX ZR 101/09 (REWIS RS 2010, 9228)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9228

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IX ZR 101/09

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