25. Senat | REWIS RS 2016, 5367
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Markenbeschwerdeverfahren – "GRANDIOS AssekuranzKontor" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2011 013 949.0
hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] am 19. September 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], der Richterin [X.] sowie des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 36 des [X.] vom 17. Oktober 2012 und vom 23. April 2014 aufgehoben, soweit die Anmeldung in Bezug auf folgende Dienstleistungen zurückgewiesen worden ist:
Klasse 44:
Dienstleistungen von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; [X.], [X.]; Betrieb von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; Gesundheits- und Schönheitspflege;
Klasse 45:
Dienstleistungen eines Bestattungsunternehmens, nämlich Bestattungen; Trauerberatung, soweit in Klasse 45 enthalten, nämlich Beratung zur Bestattungsvorsorge sowie zu Bestattungen.
I.
Die Bezeichnung
[X.] [X.]Kontor
ist am 8. März 2011 zur Eintragung als Wortmarke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:
Klasse 16:
Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien (soweit in Klasse 16 enthalten); Druckereierzeugnisse, Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff (soweit in Klasse 16 enthalten); Drucklettern; Druckstöcke;
Klasse 35:
Werbung, Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Vermittlung von Verträgen für Dritte, über die Erbringung von Dienstleistungen;
Klasse 36:
Versicherungswesen, Versicherungsberatung, Vermittlung von Versicherungen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen;
Klasse 44:
Dienstleistungen von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; [X.]; [X.]; Betrieb von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; Gesundheits- und Schönheitspflege;
Klasse 45:
Dienstleistungen eines Bestattungsunternehmens, nämlich Bestattungen; Trauerberatung, soweit in Klasse 45 enthalten, nämlich Beratung zur Bestattungsvorsorge sowie zu Bestattungen.
Mit Beschluss vom 17. Oktober 2012, bestätigt mit Erinnerungsbeschluss vom 23. April 2014 hat die Markenstelle für Klasse 36 die Anmeldung teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Waren und Dienstleistungen:
Klasse 16:
Druckereierzeugnisse;
Klasse 35:
Werbung, Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Vermittlung von Verträgen für Dritte, über die Erbringung von Dienstleistungen;
Klasse 36:
Versicherungswesen, Versicherungsberatung, Vermittlung von Versicherungen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen;
Klasse 44:
Dienstleistungen von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; [X.], [X.]; Betrieb von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; Gesundheits- und Schönheitspflege;
Klasse 45:
Dienstleistungen eines Bestattungsunternehmens, nämlich Bestattungen; Trauerberatung, soweit in Klasse 45 enthalten, nämlich Beratung zur Bestattungsvorsorge sowie zu Bestattungen.
Der Eintragung der angemeldeten Wortmarke stehe für die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen. Die angemeldete Bezeichnung setze sich aufgrund der Schreibweise leicht ersichtlich aus den Wortbestandteilen „[X.]“, „[X.]“ und „Kontor“ zusammen. Dabei sei das aus dem [X.] abgeleitete Adjektiv „[X.]“ mit „großartig, überwältigend“ gleichzusetzen. Bei „[X.]“ handele es sich um ein Fremdwort, das eine „Versicherung“ bzw. eine „Versicherungsgesellschaft“ oder die „Versicherungswirtschaft“ bezeichne, der weitere Wortbestandteil „Kontor“ sei eine „Niederlassung eines Handelsunternehmens“ oder eine „Handelszentrale“ und sei auch als Synonym für „Büro“ oder „Geschäftsraum“ gebräuchlich.
Insgesamt würde ein erheblicher Teil der angesprochenen inländischen Verkehrskreise, das allgemeine Publikum wie auch der Fachverkehr, das Zeichen in seiner Gesamtheit als eindeutigen und werbeüblichen Hinweis darauf wahrnehmen, dass die Waren und Dienstleistungen von einem Versicherungsbüro angeboten und erbracht oder vermittelt werden, welches sich einer – in welcher Weise auch immer bestehenden – Großartigkeit rühme. Die Tatsache, dass die Bedeutung der Wortfolge etwas diffus bleibe, verhindere nicht, dass sie im Kontext der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen jedenfalls einen stark beschreibenden Anklang aufweise bzw. sich insofern ein enger beschreibender Bezug ergäbe. Die Wiedergabe mit Großbuchstaben bei „[X.]“ und die Binnengroßschreibung bei „[X.]Kontor“ sei als werbeüblich einzuordnen und vermag dem angemeldeten Zeichen in seiner Gesamtheit nicht das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft zu verleihen. Ebenso wenig führe der Verweis der Anmelderin auf eine angeblich vergleichbare Entscheidung des [X.] vom 16. September 2009 ([X.] W (pat) 24/09) zur Schutzfähigkeit des Zeichens „[X.] Versicherung“ zu einer anderen Bewertung der Markenstelle.
ES [X.]Kontor“ heißen müsse. Diesen klanglich und schriftbildlich deutlichen Unterschied würde der angesprochene Verkehr auch erkennen. Zudem wirke der Bestandteil „[X.]“ schon durch die Ausgestaltung in Großbuchstaben und die konkrete Anordnung neben den übrigen Wortbestandteilen eigenständig und als der Name des Unternehmens oder des Kontors. Die Wortzusammenstellung sei nicht werbeüblich, auch sei das angemeldete Zeichen lexikalisch nicht nachweisbar. Aus Sicht der Anmelderin sei die vorliegende Bezeichnung mit der vom [X.] entschiedenen Schutzfähigkeit des Wortzeichens „[X.] Versicherung“ vergleichbar.
Nach dem rechtlichen Hinweis des Senats vom 24. Mai 2016 zur Schutzfähigkeit der angemeldeten Bezeichnung hat die Anmelderin die Anmeldung mit Schreiben vom 26. Juli 2016 in Bezug auf sämtliche Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 36 zurückgenommen.
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 36 des [X.]s vom 17. Oktober 2012 und vom 23. April 2014 aufzuheben, soweit die Anmeldung in Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 44 „Dienstleistungen von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; [X.], [X.]; Betrieb von Pflegeheimen, Sanatorien und Krankenhäusern; Gesundheits- und Schönheitspflege“ sowie der Klasse 45 „Dienstleistungen eines Bestattungsunternehmens, nämlich Bestattungen; Trauerberatung, soweit in Klasse 45 enthalten, nämlich Beratung zur Bestattungsvorsorge sowie zu Bestattungen“ zurückgewiesen worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat nach dem am 26. Juli 2016 erfolgten Verzicht der Anmelderin auf die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 36 auch in der Sache Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „[X.] [X.]Kontor“ als Marke steht in Bezug auf die zuletzt noch beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 44 und 45 weder das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] noch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen.
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. [X.] GRUR 2004, 428 Rn. 30, 31 – [X.]; [X.], 850 Rn. 17 – [X.]). Das Schutzhindernis beruht auf dem Allgemeininteresse an der Freihaltung von Zeichen, die keine Herkunftsfunktion erfüllen (vgl. [X.], [X.], 608 Rn. 59 – [X.]; [X.], 565 Rn. 17 – smartbook). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] GRUR 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.], 935 Rn. 8 – Die Vision).
Hiervon ausgehend besitzen Bezeichnungen keine Unterscheidungskraft, denen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.], 850 Rn. 19 – [X.]; [X.] GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird ([X.] a. a. O. – [X.]; [X.], 1100 Rn. 23 – TOOOR!).
Nach diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Bezeichnung für die zuletzt noch beanspruchten Dienstleistungen nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
engen Bezug zwischen der Bezeichnung eines Versicherungsbüros und der Erbringung solcher Dienstleistungen, die den Gegenstand eines [X.] darstellen können. Denn ein solcher beschreibender Bezug zwischen den genannten Dienstleistungen und den üblichen Versicherungs- oder Vermittlungsdienstleistungen eines Versicherungsbüros erschließt sich erst nach mehreren gedanklichen Zwischenschritten und liegt nicht ohne weiteres auf der Hand.
Vor diesem Hintergrund ist, anders als die Markenstelle meint, der angemeldeten Bezeichnung die Unterscheidungskraft für die noch verbleibenden Dienstleistungen nicht abzusprechen.
Im Hinblick auf die fehlende Eignung der Wortfolge „[X.] [X.]Kontor“ zur unmittelbaren Beschreibung der noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen unterliegt das Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].
Nach alledem war der angefochtene Beschluss insoweit aufzuheben, als die Anmeldung noch weiterverfolgt wird.
Meta
19.09.2016
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.09.2016, Az. 25 W (pat) 101/14 (REWIS RS 2016, 5367)
Papierfundstellen: REWIS RS 2016, 5367
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