Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.01.2021, Az. B 8 SO 64/20 B

8. Senat | REWIS RS 2021, 9108

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Zurückweisung der Berufung als unzulässig - Nichtübersteigung eines Beschwerdewertes in Höhe von 750 Euro - Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt - einmaliger Bedarf - Wohnungserstausstattung


Tenor

Auf die Beschwerde des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 14. März 2019 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Im Streit ist ein Anspruch auf Leistungen der Erstausstattung für eine Wohnungseinrichtung.

2

Der Kläger bezieht laufend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem [X.] Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ([X.]) von dem beklagten Träger der Sozialhilfe. Nach einem Umzug im März 2012 machte er bei der [X.] im April 2015 geltend, die neue Wohnung verfüge nicht über eine ausreichende Einrichtung; es fehlten ein Tisch (ca 80 cm Durchmesser), ein Sessel, ein viertüriger Kleiderschrank, eine Kommode, eine Stehlampe, eine Deckenlampe, eine Spiegelleuchte, zwei Jalousien, ein Abfallbehälter und diverse Kochgegenstände. Antrag und Klage haben keinen Erfolg gehabt (Bescheid vom 14.3.2017; Widerspruchsbescheid vom 19.6.2017; Urteil des Sozialgerichts <[X.]> München vom [X.]). Das [X.] ([X.]) hat die Berufung als unzulässig verworfen (Urteil des Bayerischen [X.] vom 14.3.2019). Der Wert der beantragten Einrichtungsgegenstände betrage unter Berücksichtigung [X.]er Grundsätze nach den Berechnungen des [X.]s maximal 400 Euro. Die beantragte Kommode, die Stehlampe sowie der Abfalleimer gehörten nicht zu der [X.] erforderlichen Wohnungsausstattung; im Übrigen würde auch unter Berücksichtigung dieser Gegenstände der [X.] nicht erreicht.

3

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und macht einen Verfahrensfehler geltend. Die Schätzung des [X.]s durch das [X.] halte einer Überprüfung nicht stand. Er gehe davon aus, dass der Wert der von ihm im Klageverfahren als Erstausstattung geltend gemachten Möbel 800 Euro betrage. Dies hätte er vorgetragen, wenn das [X.] ihn vor Zurückweisung der Berufung hierüber befragt hätte. Indem das [X.] entschieden habe, ohne ihn auf die Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung hinzuweisen, habe es seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Die vom [X.] zugrunde gelegte Aufstellung über eine [X.] erforderliche Wohnungsausstattung der [X.] sei ihm nicht bekannt. Auch die Ablehnung seines Antrags auf Prozesskostenhilfe (PKH) erst mit der Entscheidung sei [X.] erfolgt. Entgegen der Auffassung des [X.] sei die Berufung zulässig gewesen und habe auch in der Sache Aussicht auf Erfolg.

4

II. [X.] ist zulässig. Sie genügt hinsichtlich des geltend gemachten Verfahrensfehlers den Bezeichnungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 [X.] Sozialgerichtsgesetz ([X.]). [X.] ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem [X.], weil das [X.] unter Verkennung der Grundsätze zur Berechnung des Werts des [X.] ein Prozessurteil statt eines [X.] erlassen hat und dem Kläger zudem keine Möglichkeit gegeben hat, hierzu Stellung zu nehmen. Auf diesen Verfahrensfehlern kann das Urteil auch beruhen. Der [X.] macht deshalb von seiner Möglichkeit Gebrauch, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (vgl § 160a Abs 5 [X.]).

5

Die auf eine Geldleistung gerichtete Klage hat den Wert des [X.] von 750 Euro überstiegen (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 [X.]), sodass das [X.] die Berufung mangels Erreichens der [X.] nicht als unzulässig hätte verwerfen dürfen, was der Kläger zumindest sinngemäß gerügt hat. Der Wert des [X.] iS von § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 [X.] richtet sich danach, was das [X.] dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er davon mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt. Bei einer Geldleistung ist daher der Wert des [X.] für das Berufungsverfahren nach dem Geldbetrag zu berechnen, um den unmittelbar gestritten wird (vgl B[X.] vom 27.7.2004 - B 7 [X.] 104/03 R - [X.] 4-1500 § 144 [X.] RdNr 5). Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Werts des [X.] ist auf die Einlegung der Berufung abzustellen (stRspr; vgl B[X.] vom 17.11.2005 - [X.]/11 [X.] 57/04 R - [X.] 4-1500 § 96 [X.] RdNr 14; B[X.] vom 25.7.1985 - 7 [X.] - [X.], 291, 294 = [X.] 1500 § 144 [X.]0 S 51). [X.] ist das [X.] hier davon ausgegangen, es komme bei der Bestimmung des Werts wegen des Anspruchs auf Erstausstattung einer Wohnung darauf an, was die Beklagte - einen Anspruch des [X.] auf Erstausstattung in der Sache unterstellt - nach ihrer Verwaltungspraxis regelmäßig für solche Gegenstände bewillige. Entscheidend ist vielmehr, welcher Wert sich nach dem Begehren des [X.] ergibt. Der von ihm dazu im Beschwerdeverfahren vorgetragene Wert von 800 Euro für die bezeichneten Möbelstücke, die er vor dem [X.] geltend gemacht hat, ist für den [X.] ohne Weiteres nachvollziehbar. Mit seiner Berufung hat sich der Kläger auch uneingeschränkt gegen die Entscheidung des [X.] gewandt und dabei keinen Berufungsantrag beziffert. Verstöße gegen die Soll-Vorschrift des § 151 Abs 3 [X.], wonach die Berufungsschrift einen bestimmten Antrag enthalten soll, sind unschädlich (B[X.] vom 29.10.1955 - 7 [X.] - [X.] [X.] zu § 151 [X.]).

6

Zutreffend trägt der Kläger weiter vor, das [X.] habe auch den Grundsatz auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Gemäß § 62 1. Halbsatz [X.], Art 103 Abs 1 Grundgesetz (GG) ist den Beteiligten vor jeder Entscheidung des Gerichts rechtliches Gehör zu gewähren. Dies ist hier nicht ausreichend geschehen, weil nicht erkennbar ist, dass dem Kläger überhaupt Gelegenheit gegeben worden ist, im Berufungsverfahren zu dem Wert des [X.] und der beabsichtigten Zurückweisung der Berufung als unzulässig Stellung zu nehmen. Der entsprechende Vortrag des [X.] wird vom Vortrag der [X.] gestützt, die im Beschwerdeverfahren mitgeteilt hat, den Vorsitzenden auf seine telefonische Bitte hin am Tag vor der Entscheidung per E-Mail über die Werte informiert zu haben, nach denen sie - die Beklagte - den Wert einer Wohnungseinrichtung bestimme. Weder ist aber eine Kopie der deswegen übersandten Liste zu den Akten des [X.] gelangt, noch ergibt sich aus der Niederschrift zum Termin oder dem Urteil selbst, dass der Vorsitzende entsprechende Hinweise gegeben hat. Schließlich ist durch diese Verletzung des rechtlichen Gehörs der Kläger daran gehindert worden, sowohl zu dem Wert des [X.] vorzutragen als auch nach Klärung der [X.] der Berufung zum Anspruch in der Sache. Ob der Kläger - was nach seinem Vortrag immerhin denkbar erscheint - einen Anspruch auf Leistungen zur Erstausstattung seiner Wohnung hat, kann der [X.] mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des [X.] nicht entscheiden. Ob ein weiterer Verfahrensmangel durch die Versagung von PKH hinreichend dargelegt ist und auch tatsächlich vorliegt, konnte offenbleiben.

7

Das [X.] wird abschließend ggf auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 8 SO 64/20 B

28.01.2021

Bundessozialgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SO

vorgehend SG München, 29. März 2018, Az: S 22 SO 345/17, Urteil

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG, § 31 Abs 1 Nr 1 SGB 12

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.01.2021, Az. B 8 SO 64/20 B (REWIS RS 2021, 9108)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9108

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