Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2011, Az. 3 StR 144/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 5008

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
3 StR
144/11
vom
7. Juli 2011
in der Strafsache
gegen

wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 7. Juli 2011,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender [X.] am [X.]
Becker,

die [X.] am [X.]
Pfister,
von [X.],
[X.],
[X.]in am [X.]
Dr. Menges

als beisitzende [X.],

[X.] beim [X.]

-

in der Verhandung
-
,
Oberstaatsanwalt beim [X.]

-
bei der Verkündung -

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt

,
Rechtsanwalt

als Verteidiger
des Angeklagten,

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 13. September 2010 mit den zu-gehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entschei-dung über die Anordnung des Verfalls und des erweiterten Ver-falls unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.].

Von Rechts wegen

Gründe:
I.

Das [X.] hat den Angeklagten -
unter Freispruch im Übrigen -
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen, davon in acht Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäu-bungsmitteln in nicht geringer Menge und in einem Fall mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und die Einziehung verschiedener Gegenstände ange-ordnet. Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die [X.]
-
4
-
anwaltschaft Revision eingelegt. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat der [X.] mit Beschluss vom 7. Juli 2011 gemäß § 349 Abs. 2
StPO verworfen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die [X.] des erweiterten Verfalls beschränkten und vom [X.] vertretenen Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel ist begründet.

II.

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft steht das Urteil nicht nur zur Überprüfung des Senats, soweit das [X.] von einer Entscheidung über die Anordnung des erweiterten Verfalls abgesehen hat, sondern auch, soweit eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls unterblieben ist. Die Be-schränkung der Revision auf das Unterbleiben einer Entscheidung (nur) über den erweiterten Verfall ist unwirksam.

Trifft der Tatrichter keine Entscheidung über den Verfall und den erwei-terten Verfall, so kommt die isolierte Anfechtung allein der [X.] des erweiterten Verfalls nicht in Betracht, wenn nach den Feststellungen offen bleibt, in welchem Umfang vom Angeklagten erzielte Erlöse aus den angeklag-ten und abgeurteilten ([X.], Beschluss vom 28. März 1979 -
2
StR
700/78, [X.]St 28, 369) oder aus anderen rechtwidrigen Taten stammen (andere Aus-gangslage bei [X.], Urteil vom 3.
September 2009 -
5
StR
207/09, [X.], 384; Urteil vom 4.
August 2010 -
5
StR
184/10, [X.], 385). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich -
wie hier -
der Revisionsbegründung ent-nehmen lässt, dass das Unterbleiben einer Verfallsanordnung auch bezogen auf die abgeurteilten Taten angegriffen werden soll.

2
3
-
5
-
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat in der Sache Erfolg. Nach den Feststellungen des [X.]s bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte aus dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowohl in den abge-urteilten als auch in anderen Fällen -
im Spätsommer / [X.] 2007 und im [X.] -
erhebliche Einnahmen erzielte. Das [X.] hätte sich deshalb sowohl mit den Voraussetzungen des Verfalls nach § 73 StGB als auch mit de-nen des erweiterten Verfalls nach §
73d StGB, § 30 Abs. 1 Nr. 4, § 33 Abs. 1 Nr.
2 BtMG -
gegebenenfalls in Verbindung mit §
73a StGB -
auseinanderset-zen müssen. Dass die anderen rechtswidrigen Taten vor den abgeurteilten Ta-ten begangen wurden, steht einer Anordnung nach §
73d StGB nicht entgegen (vgl. [X.], Urteil vom 4. August 2010 -
5
StR
184/10, [X.], 385). Der [X.] führt zur Aufhebung des Urteils im tenorierten Umfang.

3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

Gemäß § 73d StGB können Gegenstände eines an der rechtswidrigen Tat Beteiligten bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung der Vor-schrift für verfallen erklärt werden, wenn das Tatgericht nach Beweiserhebung und Beweiswürdigung davon überzeugt ist, dass die von der Verfallsanordnung erfassten Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen unmittelbar [X.] worden sind, ohne dass diese im Einzelnen festgestellt werden müssen (vgl. [X.], Beschluss vom 22. November 1994 -
4
StR
516/94, [X.]St 40, 371, 373; Urteil vom 9. Mai 2001 -
3
StR
541/00, [X.], 531; Urteil vom [X.] -
5
StR
184/10, [X.], 385).

Der in der Rechtsprechung des [X.] geprägte Satz, die Frage des erweiterten Verfalls werde erst relevant, wenn unter Ausschöpfung aller prozessual zulässigen Mittel ausgeschlossen sei, dass die Voraussetzun-4
5
6
7
-
6
-
gen der §§ 73, 73a StGB erfüllt seien ([X.], Beschluss vom 2. Oktober 2002 -
2
StR
294/02, [X.], 75, 76; Beschluss vom 7.
Januar 2003 -
3
StR 421/02, [X.], 422, 423; [X.], StGB, 58. Aufl., § 73d Rn. 9 mwN), steht der Anordnung des erweiterten Verfalls (von Wertersatz) nicht (mehr) entge-gen, wenn nach Ausschöpfung aller Beweismittel zwar zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Angeklagte Erlöse aus rechtswidrigen Taten erzielt hat, jedoch nicht geklärt werden kann, ob sie aus den abgeurteilten oder ande-ren Taten stammen. Er findet seinen Grund in der Rechtslage aus der [X.] vor der Änderung des §
73d Abs. 1 Satz 3 StGB durch das am 1. Januar 2007 in [X.] getretene Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermö-gensabschöpfung bei Straftaten vom 24. Oktober 2006 ([X.] I S.
2350), mit dem die entsprechende Anwendung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB auf den er-weiterten Verfall gemäß einer Vorgabe des [X.] ([X.], Beschluss vom 14. Januar 2004 -
2
BvR
564/95, [X.]E 110, 1, 30 f.; vgl. dazu BT-Drucks. 16/700, S.
20) angeordnet wurde. Vor dieser Änderung trug er dem Anliegen Rechnung, aus der Unanwendbarkeit des § 73 Abs. 1 Satz
2 StGB im Anwendungsbereich des § 73d StGB resultierende Wertungs-widersprüche auszuräumen ([X.], Beschluss vom 2. Oktober 2002 -2
StR
294/02, [X.], 75, 76; [X.] in [X.]/Kühl, StGB, 24.
Aufl., §
73d Rn. 11; außerdem [X.], Vermögensabschöpfung in der Praxis, 2003, Rn. 578 a.E.).

Da seit dem 1. Januar 2007 sowohl § 73d Abs. 1 Satz 3 StGB als auch §
73 Abs. 1 Satz 2 StGB die Möglichkeit einer Beeinträchtigung von [X.] berücksichtigen, muss vor der Anwendung des § 73d StGB nicht mehr ausgeschlossen werden, dass der Gegenstand aus der [X.] stammt (vgl. [X.]/Horn in [X.], § 73d Rn. 5b [Stand: [X.] 2007]). Vielmehr erfasst § 73d StGB -
wenn auch gegenüber § 73 StGB 8
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7
-
subsidiär -
zugleich aus der oder für die abgeurteilte Tat erlangte Gegenstände. Die Wendung, nur solche Gegenstände unterlägen
dem erweiterten Verfall, die für oder aus "anderen"
(als den abgeurteilten) rechtswidrigen Taten erlangt worden seien ([X.], Urteil vom 11.
Dezember 2008 -
4 StR
386/08, [X.]R StGB §
73a Anwendungsbereich
2 Rn. 5; Beschluss vom 20. April 2010 -4
StR
119/10,
[X.], 255), erschöpft den Gehalt des § 73d StGB [X.] nicht.

Sollte sich das [X.] nach Ausschöpfung sämtlicher prozessual zulässigen Mittel von der deliktischen Herkunft erlangter Vermögenswerte überzeugen, sich zugleich aber außerstande sehen, das [X.] eindeutig den abgeurteilten oder anderen rechtswidrigen Taten zuzurechnen, ist demgemäß der erweiterte Verfall -
gegebenenfalls von Wertersatz -
anzuordnen. Denn das in der Rechtsprechung entwickelte Rangverhältnis der §§ 73, 73d StGB
dient nicht dem Zweck, dem an einer rechtswidrigen Tat Beteiligten das aus der Tat [X.] nur deshalb zu erhalten, weil eine endgültige Zuordnung zu einer be-stimmten (anderen) rechtswidrigen Tat misslingt. Es liefe dem Gesetzeszweck der §§ 73, 73d StGB,
das heißt einer Verhinderung gewinnorientierter Strafta-ten ([X.], Urteil vom 16. Mai 2006 -
1
StR
46/06, [X.]St 51, 65 Rn.
12; vgl. schon BT-Drucks. 11/6623, S.
4; [X.], Beschluss vom 14.
Januar 2004 -2
BvR
564/95, [X.]E 110, 1, 19), zuwider, wenn der an einer rechtwidrigen ([X.] Beteiligte das [X.] nur deshalb behalten dürfte, weil zwar die Herkunft aus einer rechtswidrigen Tat sicher festgestellt, die Herkunft aus der abgeurteilten Tat aber nicht mit Sicherheit verneint werden kann.

Von der Anordnung ausgenommen sind lediglich Gegenstände, die nicht ausschließbar aus Taten stammen, die von der Anklage umfasst waren, de-rentwegen der Angeklagte indessen rechtskräftig freigesprochen wurde (vgl. 9
10
-
8
-
[X.], Beschluss vom 7. Januar 2003 -
3
StR
421/02, NStZ
2003, 422, 423). Denn insoweit ist die Verhängung von Rechtsfolgen im subjektiven Verfahren ohne Wiederaufnahme nicht mehr möglich.

[X.] von [X.]

[X.] Menges

Meta

3 StR 144/11

07.07.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2011, Az. 3 StR 144/11 (REWIS RS 2011, 5008)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5008

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