Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.03.2012, Az. 2 StR 476/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2012, 7699

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Gegenstand

Mord aus niedrigen Beweggründen: Feststellungen zum Zeitpunkt des Tötungsvorsatzes


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. Mai 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Schwurgerichtskammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg, ohne dass es eines [X.] auf die Verfahrensrügen noch bedarf.

2

1. Die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe die Tötung aus niedrigen Beweggründen begangen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die [X.] ist davon ausgegangen, der Angeklagte sei aus Wut und Verärgerung über seine fristlose Kündigung bzw. Nichterklärung dieser Kündigung in das Pflegeheim eingedrungen, um durch Verletzung einer dort untergebrachten Person einen "Störfall" in der Pflegeeinrichtung herbeizuführen. Zur mit bedingtem Vorsatz getragenen Tötungshandlung an dem Tatopfer, einer 87-jährigen, an Demenz erkrankten Bewohnerin, sei es erst gekommen, nachdem der Angeklagte sich aus einem in der Hauptverhandlung nicht näher feststellbaren Grund, etwa weil das Tatopfer Geräusche von sich gegeben habe, veranlasst gesehen habe, dieses nunmehr "ruhig zu stellen". Darin liege ein eklatantes Missverhältnis zwischen Anlass und Tat. Ein auf einer derartigen Motivation beruhendes Handeln stehe insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte willkürlich eine unbeteiligte Person zum Opfer gemacht habe, sittlich auf tiefster Stufe und sei deshalb als besonders verwerflich und verachtenswert anzusehen ([X.] 48).

3

Dies rechtfertigt die Annahme niedriger Beweggründe nicht. Das [X.] hat den konkreten Anlass, der den Angeklagten bewogen hat, das Tatopfer mit bedingtem Tötungsvorsatz zu würgen, in der Hauptverhandlung nicht feststellen können. Ohne Kenntnis dieses Umstands aber lässt sich ein "eklatantes Missverhältnis zwischen Anlass und Tat", wie es in der Rechtsprechung des [X.] zur Annahme niedriger Beweggründe führen kann, nicht belegen. Dass ein Angeklagter aus Verärgerung über seine Kündigung willkürlich eine unbeteiligte (und darüber hinaus wehrlose) Person zum Opfer macht und deshalb tötet, könnte zwar grundsätzlich Grundlage für die Annahme niedriger Beweggründe sein; doch bezieht sich die entsprechende Feststellung des [X.]s zur Motivation und zum Vorgehen des Angeklagten auf einen der Tötung vorangehenden Zeitpunkt, zu dem er noch ohne Tötungsvorsatz handelte. Sie kann deshalb hier zur Begründung des [X.] der niedrigen Beweggründe nicht herangezogen werden. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände, die den Angeklagten nach vorangegangenem, lediglich mit [X.] getragenem ersten Übergriff auf das Tatopfer bewogen haben, sein Handeln nunmehr mit billigender Inkaufnahme des Todes fortzusetzen. Hierzu aber hat das [X.] gerade keine sicheren, tragfähigen Feststellungen treffen können.

4

2. Die fehlerhafte Annahme niedriger Beweggründe zieht - trotz an sich nicht zu beanstandender Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tötung - die Aufhebung der Entscheidung insgesamt nach sich. Der Senat sieht mit Blick auf die besondere Bedeutung des Tathergangs für die Prüfung des [X.] der niedrigen Beweggründe im konkreten Fall auch davon ab, Feststellungen, etwa zum objektiven Tatgeschehen, bestehen zu lassen.

Ernemann                                              Fischer                                               Berger

                                Krehl                                              Eschelbach

Meta

2 StR 476/11

27.03.2012

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Gera, 24. Mai 2011, Az: 110 Js 21942/10 - 1 Ks (9)/28

§ 15 StGB, § 211 Abs 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.03.2012, Az. 2 StR 476/11 (REWIS RS 2012, 7699)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7699

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Wird zitiert von

2 StR 476/11

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