Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.08.2017, Az. 2 StR 185/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 7105

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Gegenstand

Vergewaltigung: Absehen von erhöhtem Strafrahmen bei Zusammentreffen eines Regelbeispiels mit Milderungsgründen in einem Altfall


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25. Januar 2017 im Strafausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge, die den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg hat; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revision des Angeklagten hat zum Schuldspruch keinen ihn [X.] Rechtsfehler ergeben.

3

2. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das [X.] hat die wegen der Vergewaltigung der Tochter seiner ehemaligen Lebensgefährtin verhängte Freiheitsstrafe dem Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB a.F. entnommen. Die Wahl dieses Strafrahmens hat das [X.] lediglich damit begründet, dass ein „minder schwerer Fall nach § 177 Abs. 1, 5 StGB“ nicht vorliege.

4

Die Bestimmung des Strafrahmens begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Urteilsgründe ergeben nicht, weshalb eine Strafrahmenverschiebung unterblieben ist. Zwar ist das [X.] zu Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte das [X.] nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB a.F. verwirklicht hat. Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch gleichwohl eine Ausnahme von der Regelwirkung in Betracht kommen, wenn ein [X.] mit gewichtigen Milderungsgründen zusammentrifft. Der Bestrafung kann dann ausnahmsweise der Normalstrafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB a.F. zugrunde gelegt werden. In extremen Ausnahmefällen - ein solcher liegt hier freilich fern - kann sogar eine weiter gehende Milderung des [X.] und die Bemessung der Strafe aus dem Rahmen für den minder schweren Fall (§ 177 Abs. 5 1. Halbs. [X.]) in Betracht zu ziehen sein (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11. April 2000 - 1 StR 78/00, [X.]R StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 13; vom 6. März 2001 - 4 StR 558/00, [X.], 456, 457; vom 13. September 2005 - 4 [X.], [X.], 6, 7; vom 13. April 2011 - 4 StR 100/11, [X.], 325, jeweils mwN).

5

Für die Entscheidung, ob die Regelwirkung des [X.]s für den besonders schweren Fall ausnahmsweise wegen gewichtiger Milderungsgründe entfällt, ist - ähnlich wie bei der Prüfung der Voraussetzungen eines minder schweren Falles - auf das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit abzustellen und zu prüfen, ob sich angesichts deutlich überwiegender Milderungsgründe die Bewertung der Tat als besonders schwerer Fall als unangemessen erweisen würde (vgl. [X.], Beschluss vom 11. April 2000 - 1 StR 78/00, [X.]R StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 13).

6

Ob hier ausnahmsweise der Normalstrafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB a.F. zugrunde zu legen wäre, hätte - auch mit Blick darauf, dass das [X.] bei der Strafzumessung im engeren Sinne gewichtige Umstände anführt, die gegen einen Wegfall der Regelwirkung sprechen können - unter den gegebenen Umständen insbesondere deshalb der Erörterung bedurft, weil der nicht vorbestrafte und [X.] Angeklagte gegenüber der Geschädigten Gewalt an der unteren Grenze und ohne Verletzungsspuren angewandt hat und fortwirkende [X.] nicht festgestellt werden konnten.

7

Der dargestellte [X.] bei der Wahl des Strafrahmens führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, weil nicht auszuschließen ist, dass das [X.] einen besonders schweren Fall im Sinne des § 177 Abs. 2 StGB verneint und gegen den Angeklagten eine niedrigere Freiheitsstrafe verhängt hätte. Die zu Grunde liegenden Feststellungen können jedoch bestehen bleiben, weil sie von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind. Ergänzende Feststellungen sind zulässig.

[X.]     

      

Eschelbach     

      

Zeng   

      

Bartel     

      

Schmidt     

      

Meta

2 StR 185/17

01.08.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Gera, 25. Januar 2017, Az: 451 Js 28096/16 - 2 KLs jug

§ 177 Abs 1 StGB vom 13.11.1998, § 177 Abs 2 StGB vom 13.11.1998, § 177 Abs 5 Halbs 1 StGB vom 13.11.1998

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.08.2017, Az. 2 StR 185/17 (REWIS RS 2017, 7105)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7105

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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