Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.09.2009, Az. 2 StR 280/09

2. Strafsenat | REWIS RS 2009, 1402

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[X.] vom 30. September 2009 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 30. September 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. Januar 2009 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit er verurteilt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an ei-ne andere als [X.] zuständige Jugendkammer des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen "sexueller Nötigung - Vergewaltigung -" zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten mit Bewährung verurteilt; von dem Vorwurf einer weiteren Vergewaltigung hat es ihn freigesprochen. 1 Hiergegen wendet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der Ver-fahrensrüge Erfolg; auf die Sachrüge kommt es daher nicht an. 2 - 3 - Mit Recht beanstandet der Beschwerdeführer das durchgeführte Selbst-leseverfahren (§§ 261, 249 Abs. 2 StPO). 3 Der Vorsitzende der [X.] hat am ersten [X.] die Durchführung des [X.] nach § 249 Abs. 2 StPO für eine Vielzahl von zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten ausge-tauschten SMS-Nachrichten angeordnet und den [X.] diese Kurznachrich-ten in Kopie zur Verfügung gestellt. Am zweiten Hauptverhandlungstag hat der Vorsitzende lediglich festgestellt, dass die SMS-Nachrichten den [X.] im Wege des [X.] zur Kenntnis gelangt sind. Bis zum Abschluss der Hauptverhandlung findet sich dagegen kein Eintrag im Protokoll, dass auch die Berufsrichter vom Wortlaut der Nachrichten Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. 4 Macht das Tatgericht von der Möglichkeit des [X.] nach § 249 Abs. 2 StPO Gebrauch, müssen sowohl die Berufsrichter als auch die [X.] vom Wortlaut der Urkunden Kenntnis nehmen, diese also tatsächlich gelesen haben. Eine Differenzierung hinsichtlich der Vorgehensweise zwischen Berufsrichtern und [X.] ist unzulässig ([X.], 161; 2005, 160; vgl. insoweit auch KK-Diemer, [X.]. § 249 Rdn. 36, 39). Die übrigen Beteiligten müssen Gelegenheit zur Kenntnisnahme vom Wortlaut gehabt ha-ben. Der Vorsitzende muss gemäß § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO die Feststellung über die Kenntnisnahme sowie die Gelegenheit hierzu in das Protokoll aufneh-men. Dabei handelt es sich um eine wesentliche Förmlichkeit im Sinne des § 273 StPO (vgl. [X.], 47; 2001, 161; 2005, 160; [X.], 603, 604). Der Nachweis hierüber kann somit nur durch das Protokoll geführt werden (§ 274 StPO). 5 - 4 - Wurde die Feststellung der Kenntnisnahme durch die [X.] sowie der Gelegenheit hierzu für die übrigen Verfahrensbeteiligten nicht protokolliert, ist somit aufgrund der negativen Beweiskraft des Protokolls davon auszugehen, dass das Beweismittel nicht zur Kenntnis gelangt ist bzw. die Gelegenheit hier-zu nicht eingeräumt worden ist (vgl. [X.], 160; NJW 2009, 2836). Dem Revisionsgericht ist damit verwehrt, hierzu freibeweisliche Ermittlungen anzustellen. Die Beweiskraft des - hier auch nach Erhebung der Verfahrensrüge nicht berichtigten (vgl. dazu auch [X.], 2836) - Protokolls kann nur bei offenkundiger Fehler- oder [X.] entfallen; solches ist hier nicht ersichtlich. Eine [X.] ergibt sich nicht etwa schon daraus, dass die Anordnung des [X.], nicht aber die nach § 249 Abs. 2 StPO notwendige Feststellung über dessen erfolgreiche Durchführung vermerkt ist. Denn die Anordnung des [X.] lässt keinen Schluss auf die wei-tere Beachtung des Verfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO zu (vgl. [X.], 47 m.w.N.). 6 Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Verurteilung des Angeklag-ten auf dem aufgezeigten [X.] beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Das [X.] hat sich sowohl bei der Überführung des die Tat bestreitenden An-geklagten als auch bei der Frage, ob es sich um eine Jugendverfehlung [X.], auf die den gewechselten [X.] entnommene Ankündigung des Angeklagten gestützt, mit dem Opfer auch gegen dessen Willen geschlechtlich 7 - 5 - zu verkehren. Der Inhalt der im Urteil auf 12 Seiten wiedergegebenen SMS-Nachrichten konnte nicht im Wege des [X.] in die Hauptverhandlung einge-führt werden (vgl. [X.], 161; BGHR StPO § 249 Abs. 1 Verlesung, unterbliebene 1). [X.]

Meta

2 StR 280/09

30.09.2009

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.09.2009, Az. 2 StR 280/09 (REWIS RS 2009, 1402)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 1402

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