Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.02.2020, Az. X ZB 11/18

10. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1644

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Gegenstand

Versäumung der Berufungsfrist: Email-Übermittlung eines im Original eigenhändig unterzeichneten Berufungsschriftsatzes per pdf-Datei


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 19. Zivilsenats des [X.] vom 18. Juli 2018 wird auf Kosten des [X.] als unzulässig verworfen.

Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

1

A. Der Kläger verlangt als Miterbe nach seiner Mutter vom Beklagten die Herausgabe von Wertpapieren.

2

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 23. September 2017 zugestellt worden.

3

Am 21. Oktober 2017 übersandte der Kläger, der sich bereits in erster Instanz selbst vertreten hatte, dem Berufungsgericht eine E-Mail, der jeweils als pdf-Datei eine Ablichtung des erstinstanzlichen Urteils und die Ablichtung eines vom Kläger unterschriebenen [X.]es beigefügt war.

4

Am 23. Oktober 2017 teilte die Poststelle des Berufungsgerichts dem Kläger per E-Mail mit, aus technischen und rechtlichen Gründen sei es derzeit nicht möglich, Rechtsmittel per E-Mail einzulegen; die Nachricht des [X.] werde deshalb nicht weitergeleitet.

5

Mit E-Mail vom 24. Oktober 2017 machte der Kläger geltend, die Übermittlung bestimmender Schriftsätze als pdf-Datei sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zulässig; deshalb bitte er um Weiterleitung. In der Folgezeit wurde die pdf-Datei mit dem [X.] im Gericht ausgedruckt und an die Geschäftsstelle weitergeleitet.

6

Das Berufungsgericht hat den Antrag des [X.] auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.].

7

B. Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 und § 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Sie wirft keine Fragen auf, die einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen.

8

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren relevant, im Wesentlichen wie folgt begründet:

9

Die Berufung sei nicht rechtzeitig eingelegt worden, weil die übersandte pdf-Datei am 23. Oktober 2017 noch nicht in ausgedruckter Form vorgelegen habe.

Das Gericht habe auch keine E-Mail-Adresse für die Übermittlung von bestimmenden Schriftsätzen zur Verfügung gestellt. Dies stehe im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach Gerichte nicht verpflichtet seien, elektronische Dokumente entgegenzunehmen, solange dies nicht durch eine Rechtsverordnung zugelassen sei.

Die Übersendung eines bestimmenden Schriftsatzes per E-Mail sei nicht mit einer Übersendung per Telefax vergleichbar, für die es ausreiche, dass die elektronisch gesendeten Signale vor Ablauf der Frist vom Empfangsgerät des Gerichts vollständig empfangen und gespeichert worden seien.

II. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordern diese Ausführungen eine Entscheidung des [X.] weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch zur Fortbildung des Rechts.

1. Zutreffend und insoweit unbeanstandet ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass das vom Kläger per E-Mail übermittelte Dokument nicht den Anforderungen des § 130a ZPO in der für den Streitfall maßgeblichen, bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung entsprach.

Nach § 130a Abs. 2 ZPO aF oblag es den Landesregierungen, durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt zu bestimmen, von dem an elektronische Dokumente bei den Gerichten eingereicht werden können. Die Verordnung des [X.] über den elektronischen Rechtsverkehr in [X.] vom 11. Dezember 2006 (GBl. 393) in der hier maßgeblichen, ab 23. September 2017 geltenden Fassung (GBl. 675) sah eine solche Möglichkeit für das [X.] nicht vor.

2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die übersandte pdf-Datei auch nicht gemäß § 130 ZPO als formgerecht angesehen werden kann, weil sie nicht vor Ablauf der Berufungsfrist im Gericht ausgedruckt worden ist, steht in Einklang mit der Rechtsprechung des [X.].

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] ist die nach § 130 ZPO erforderliche Schriftform gewahrt, wenn ein im Original eigenhändig unterzeichneter Schriftsatz in eine pdf-Datei eingescannt und diese nach vorheriger Rücksprache mit der Geschäftsstelle per E-Mail an das Gericht übersandt und dort ausgedruckt wird ([X.], Beschluss vom 4. Dezember 2008 - [X.], NJW-RR 2009, 357 Rn. 6 f.; Beschluss vom 18. März 2015 - [X.], NJW 2015, 1527 Rn. 11).

Diese Voraussetzungen sind, wie auch die Rechtsbeschwerde im Ansatz nicht verkennt, im Streitfall nicht erfüllt. Die vom Kläger übersandte pdf-Datei ist erst nach Ablauf der Berufungsfrist ausgedruckt worden.

b) Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob die für die Übermittlung von Schriftsätzen per Telefax geltenden Grundsätze, wonach nicht der Zeitpunkt des Ausdrucks, sondern der Zeitpunkt der Speicherung auf dem Empfangsgerät maßgeblich ist, für die Übermittlung von pdf-Dateien per E-Mail entsprechend heranzuziehen sind, ist in der Rechtsprechung des [X.] jedenfalls inzwischen ebenfalls geklärt.

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.] können die für [X.] geltenden Grundsätze nicht auf die Übermittlung per E-Mail übertragen werden, weil diese beiden Übermittlungswege schon im Ansatz unterschiedlichen Regelungen unterfallen.

Dokumente, die per Telefax übermittelt werden, unterliegen den Regeln über schriftliche Dokumente im Sinne von § 130 ZPO. Für Dokumente, die per E-Mail übersandt werden, sind hingegen grundsätzlich die besonderen Regelungen in § 130a ZPO maßgeblich. Eine Anwendung der für [X.] entwickelten Grundsätze auf E-Mail-Sendungen scheidet deshalb aus ([X.], Beschluss vom 8. Mai 2019 - [X.] 8/19, NJW 2019, 2096 Rn. 14 ff.).

Diese Differenzierung ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht willkürlich. Sie trägt vielmehr dem Umstand Rechnung, dass die Übermittlung von Dokumenten per Telefax gemäß § 130 ZPO grundsätzlich zulässig ist, während die Übersendung von pdf-Dateien per E-Mail den Anforderungen dieser Vorschrift nur ausnahmsweise genügt. Dass die Zulässigkeit einer Berufung danach von einem rechtzeitigen Ausdruck des Dokuments im Gericht abhängt, ist schon deshalb folgerichtig, weil dieser besondere Übermittlungsweg ohnehin nur in Betracht kommt, wenn das Gericht ihn im Einzelfall ausnahmsweise eröffnet hat.

bb) Selbst wenn damit die betreffende Rechtsfrage erst nach Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde geklärt worden sein sollte, steht dies der Verwerfung des Rechtsmittels nicht entgegen.

Eine Rechtsbeschwerde bleibt zwar trotz nachträglicher Klärung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage zulässig, wenn die angefochtene Entscheidung der höchstrichterlichen Rechtsprechung widerspricht ([X.], Beschluss vom 2. Dezember 2004 - [X.], [X.] 2005, 99 Rn. 2; Beschluss vom 23. März 2006 - [X.], NJW-RR 2007, 400 Rn. 4). Im Streitfall steht die angefochtene Entscheidung aber in Einklang mit der Rechtsprechung des [X.].

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

        

Grabinski     

        

Hoffmann

        

Kober-Dehm     

        

Rensen     

        

Meta

X ZB 11/18

04.02.2020

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Stuttgart, 18. Juli 2018, Az: 19 U 149/17

§ 85 Abs 2 ZPO, § 130 ZPO, § 130a ZPO vom 18.07.2017, § 233 ZPO, § 234 ZPO, § 511 ZPO, §§ 511ff ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.02.2020, Az. X ZB 11/18 (REWIS RS 2020, 1644)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1644

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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