Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2009, Az. 3 StR 132/09

3. Strafsenat | REWIS RS 2009, 2650

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[X.] vom 7. Juli 2009 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zur Zuhälterei u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] - zu 3. auf dessen Antrag - am 7. Juli 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 30. Oktober 2008 a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zur Zuhälterei in sechs tateinheitlichen Fällen sowie der Beihilfe zum Einschleusen von Ausländern in zwei Fäl-len, davon in einem Fall in zwei tateinheitlich zusammentref-fenden Fällen schuldig ist, b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen [X.]. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum schweren Menschenhandel in Tateinheit mit Beihilfe zur Zuhälterei in sechs Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Menschenhandel, und wegen [X.] zum Einschleusen von Ausländern in sechs Fällen zu einer [X.] - 3 - strafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision bean-standet der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbe-gründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen (tateinheitlich begangener) Beihilfe zum schweren Menschenhandel und zum Menschenhandel nach den im Tatzeitraum geltenden §§ 181 Abs. 1 Nr. 3, 180 b Abs. 2 StGB aF hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Den Feststellungen lassen sich keine ent-sprechenden Haupttaten des gesondert Verfolgten [X.]entnehmen, die der Angeklagte durch seine Tatbeiträge unterstützt haben soll. Damit fehlt es insoweit bereits an der erforderlichen Grundlage für eine Verurteilung des [X.] wegen Beihilfe. 2 a) Schwerer Menschenhandel 3 aa) Nach § 181 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF, der weitgehend der seit dem 19. Februar 2005 geltenden, nunmehr allerdings als [X.] ausgestalte-ten Regelung des § 232 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Nr. 3 StGB entspricht, wird bestraft, wer gewerbsmäßig eine andere Person anwirbt, um sie in [X.] ihrer ausländerspezifischen Hilflosigkeit zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution zu bestimmen. Im Urteil sind weder das Anwerben noch die Absicht des [X.], die von ihm in [X.] angesprochenen Frauen zur Aufnahme bzw. - soweit diese bereits zuvor der Prostitution nachgingen - zur Fortsetzung ihrer Tätigkeit zu bestimmen, hinreichend belegt. 4 Das Tatbestandsmerkmal "Anwerben" im Sinne dieser Vorschrift ist ein-engend auszulegen und setzt voraus, dass der Täter massiv und nachdrücklich auf die Willensbildung des [X.] einwirkt (vgl. [X.], 434; [X.], 233). Zur Art und Weise des Einwirkens des [X.] auf die 5 - 4 - sechs [X.] Frauen im Zeitpunkt der Kontaktaufnahme in [X.], verhält sich das Urteil nicht. Eine Erörterung war jedoch mit Blick auf die sonsti-gen Feststellungen unerlässlich. Denn gegen ein massives Vorgehen des [X.]könnte sprechen, dass die Geschädigten aus freien Stücken und in Kenntnis einengender Arbeits- und Lebensbedingungen (Abgabe der weit überwiegenden Einkünfte an [X.], Eingehung einer Scheinehe) [X.]zum Zwecke der Aufnahme bzw. Fortsetzung der Prostitution in ein für sie fremdes Land folgten. Insbesondere lässt aber die Feststellung, [X.]sei bei früheren [X.]besuchen von Frauen angesprochen und von diesen ge-beten worden, sie zur Prostitutionsausübung mit nach [X.] zu nehmen, es nicht als fern liegend erscheinen, dass die sechs [X.] Frauen be-reits vor der Einflussnahme des Angeklagten entschlossen waren, die Prostitu-tionsausübung im Ausland aufzunehmen oder dort fortzusetzen. In diesem Fall läge auch die nach der früheren Gesetzesfassung erforderliche Absicht des [X.] fern, durch sein Werben die Frauen in Kenntnis ihrer erwarteten Hilflosigkeit zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution "zu bestimmen", in ihnen also einen entsprechenden Entschluss erst hervorzurufen (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.], StGB 26. Aufl. § 181 Rdn. 14, § 180 b Rdn. 9). Hinzu kommt, dass eine Bestrafung nach dem Tatzeitrecht mit Blick auf § 2 Abs. 3 StGB nur dann in Betracht gekommen wäre, wenn der Angeklagte nicht nur in einer entsprechenden Absicht gehandelt hätte, sondern die Frauen darüber hinaus bereits durch die Anwerbung gemäß § 232 Abs.1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3 StGB zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution gebracht hätte. Dies kann den Feststellungen ebenfalls nicht entnommen werden. Das [X.] "Dazu-Bringen" setzt voraus, dass der Erfolg der Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution auf die Einflussnahme des [X.] zurückzu-führen ist, er also den bislang nicht vorhandenen Entschluss der Frauen, der 6 - 5 - Prostitution nachzugehen, erst hervorruft, oder die Geschädigten von dem von ihnen gefassten Entschluss, die Prostitution aufzugeben oder in geringerem Maße auszuüben, a[X.]ringt ([X.], 233). Dazu, ob die vier Frauen, die in [X.] schon als Prostituierte tätig [X.], im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Kontaktaufnahme mit dem Angeklag-ten die Absicht hatten, diese aufzugeben oder jedenfalls nicht mehr in dem bis-herigen Umfang auszuüben, teilt das Urteil nichts mit. Aber auch hinsichtlich der beiden Frauen, die nach den Feststellungen die Prostitution in [X.] erst aufnahmen, ist aus den oben dargelegten Gründen nicht zu erkennen, ob dies auf die Einflussnahme des Angeklagten zurückzuführen war, oder ob sie bereits zuvor entschlossen waren, diese Tätigkeit aufzunehmen. 7 [X.]) Schließlich hat die [X.], die der Zumessung der Strafen für die Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung jeweils den nach §§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 181 Abs. 1 StGB aF zugrunde gelegt hat, nicht bedacht, dass der [X.] des § 181 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF (vgl. BGHSt 42, 179, 183) auf den Gehilfen nur anwendbar ist, wenn dieser selbst gewerbsmäßig gehandelt hat. Denn die Gewerbsmäßigkeit ist, da in dieser Vorschrift das Gewinnstreben des [X.] im Vordergrund steht, ein strafschärfendes besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB (vgl. zu § 181 StGB aF [X.]/[X.] aaO § 181 Rdn. 17; zu § 232 StGB Eisele in [X.]/[X.], StGB 27. Aufl. § 232 Rdn. 27; [X.] in [X.]., § 232 Rdn. 38). Nicht gewerbsmäßig handelnde Beteiligte an einer gewerbsmäßig begangenen Tat unterfallen danach dem Strafrahmen des Grundtatbestands (hier: § 180 b Abs. 2 Nr. 1 StGB aF). 8 Ausreichende Feststellungen dazu, dass der Angeklagte die Vorausset-zungen gewerbsmäßigen Handelns erfüllt hat (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. vor 9 - 6 - § 52 Rdn. 62), sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Die Ausführungen des [X.]s machen insbesondere nicht deutlich, ob der Angeklagte nur [X.] oder mehrfach von [X.]für die von ihm geleisteten Dienste entlohnt wurde. b) Menschenhandel 10 Auch die Voraussetzungen des Menschenhandels sind im Urteil nicht ausreichend dargelegt. Die zur Tatzeit geltende Regelung des § 180 b Abs. 2 StGB aF wurde durch die Neufassung in § 232 Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB eben-falls modifiziert. Nach der alten Gesetzeslage machte sich wegen Menschen-handels strafbar, wer entweder (unter Ausnutzung der ausländerspezifischen Hilflosigkeit oder in Kenntnis, dass es sich um eine unter 21-jährige Frau [X.]) auf das Tatopfer einwirkte, um es zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution zu bestimmen, oder wer das Tatopfer dazu brachte, diese aufzu-nehmen oder fortzusetzen. In die Neufassung des § 232 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 StGB hat nur noch die zweite Tatalternative des "Dazu-Bringens" Ein-gang gefunden. Eine Bestrafung wegen Menschenhandels nach Tatzeitrecht ist mit Blick auf § 2 Abs. 3 StGB deshalb ebenfalls nur dann möglich, wenn die Einflussnahme des [X.] den Erfolg der Aufnahme oder Fortsetzung der Pros-titutionsausübung herbeigeführt hat. Dies ergibt das Urteil nicht. Es kommt [X.] nicht darauf an, dass auch ein "Einwirken" im Sinne der ersten Tatvariante des § 180 Abs. 2 StGB nicht belegt ist (vgl. dazu BGHSt 45, 158, 161). 11 Zum Tatbestandsmerkmal des "Dazu-Bringens" wird auf die Ausführun-gen beim schweren Menschenhandel verwiesen. Die Urteilsfeststellungen las-sen darüber hinaus aber auch nicht erkennen, dass die [X.] Frauen nach Aufnahme der Prostitution in [X.] diese (wieder) aufgeben oder 12 - 7 - jedenfalls nicht mehr in dem bisherigen Ausmaß fortführen, diese also nicht mehr fortsetzen wollten. Allerdings kam es während des Aufenthalts der Frauen in [X.] zu Gewaltanwendungen des [X.] zumindest gegenüber einigen der [X.]. Dies geschah in einem Fall auch in Gegenwart des Angeklagten. [X.]nahm darüber hinaus auch die Pässe der Geschädigten an sich. Ab-gesehen davon, dass der Angeklagte von dem zuletzt genannten Umstand [X.] Kenntnis hatte, fehlt es an der Feststellung, dass die Gewaltanwendung da-zu diente, die Frauen zur Fortführung der Prostitution zu zwingen. 13 2. Die Feststellungen zur Beihilfe des Angeklagten zur Zuhälterei gemäß § 181 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB sind hingegen rechtsfehlerfrei getroffen. 14 Jedoch stehen diese zum Nachteil der sechs [X.] Frauen [X.] Taten im Verhältnis der Tateinheit, da sich die Ausführungshandlun-gen des [X.] zeitgleich gegen mehrere Frauen richteten (vgl. BGHSt 48, 314, 322). 15 3. Die Verurteilung wegen Beihilfe zu den ausländerrechtlichen Delikten des [X.]hat wiederum nur teilweise Bestand. Die Urteilsgründe ergeben nicht, dass der Angeklagte in sechs tatmehrheitlichen Fällen Beihilfe zum Ein-schleusen von Ausländern geleistet hat. 16 Nach den insoweit getroffenen Feststellungen vermittelte der Angeklagte im März 2004 dem [X.] die Namen zweier Männer, die bereit waren, mit zwei der [X.] Frauen eine Scheinehe einzugehen. Einen weiteren potentiellen Scheinehemann benannte der Angeklagte dem [X.]zwischen Juli 2004 und Anfang 2005. Jeweils angestiftet durch [X.]schlossen zwei der [X.] Frauen im Mai 2004 und eine weitere Anfang 2005 mit den 17 - 8 - vom Angeklagten vermittelten Männern zum Schein die Ehe und erwirkten [X.] nach der Eheschließung unter Vorlage der entsprechenden Urkunden Auf-enthaltserlaubnisse nach dem [X.] bzw. nach dem [X.]. Diesen Feststellungen sind lediglich zwei Beihilfehandlungen des Ange-klagten zu insgesamt drei Taten des [X.] [X.]nach §§ 92 Abs. 2 Nr. 2, 92 a Abs. 1 Nr. 2 AuslG bzw. §§ 95 Abs. 2 Nr. 2, 96 Abs. 1 Nr. 2 Auf-enthaltsG - in [X.] seit 1. Januar 2005 - zu entnehmen. Fördert der Gehilfe, wie es hier bei der ersten Vermittlungstätigkeit geschehen ist, durch denselben [X.] zeitgleich mehrere Einzeldelikte, so werden ihm die Taten des [X.] als tateinheitlich zugerechnet (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], 265). Dies hat das [X.] verkannt. Der Angeklagte hat sich deshalb nach den Feststellungen nur der Beihilfe zum Einschleusen von Ausländern in zwei Fällen, davon in einem Fall in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht. 18 Weitere Beihilfehandlungen zu den ausländerrechtlichen Verstößen des [X.]im Zusammenhang mit der Erlangung von Aufenthaltserlaubnissen für die übrigen drei Frauen, hat das [X.] nicht festgestellt. Die dem [X.]gewährten Darlehen des Angeklagten dienten nach den Ausführun-gen des [X.]s nur zur Deckung der angefallenen Reise- und Unterhalts-kosten ([X.]), nicht hingegen, wovon das [X.] im Rahmen der Ausführungen zur Strafzumessung auszugehen scheint, der Finanzierung der Kosten für die Scheinehen ([X.]). 19 4. Der Senat hat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch dahin abgeändert, dass er von den bisherigen Feststellungen getragen wird, und nur den Strafausspruch aufgehoben. Es ist mit Blick auf die lange zurückliegenden [X.] und den Umstand, dass die Zeuginnen [X.] - 9 - lich nicht mehr ohne weiteres erreichbar sind, auszuschließen, dass in einer weiteren Hauptverhandlung noch zuverlässige Feststellungen zu einer Beteili-gung des Angeklagten am (schweren) Menschenhandel getroffen werden [X.]. Die nicht unwesentliche Änderung des Schuldspruchs erfordert jedoch ei-ne neue Strafzumessung. Zur Bemessung der Einzelstrafen unter Berücksichti-gung des Verschlechterungsverbots verweist der Senat auf BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12. 5. Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, den Maßstab für die vom Angeklagten in [X.] erlittene Auslieferungshaft zu bestimmen (§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB). 21 [X.] Pfister Sost-Scheible RiBGH Dr. Schäfer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. [X.] Mayer

Meta

3 StR 132/09

07.07.2009

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2009, Az. 3 StR 132/09 (REWIS RS 2009, 2650)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2650

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