Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.09.2014, Az. XII ZB 220/14

12. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2852

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Gegenstand

Betreuungsanordnung: Auslegung des Antrags eines Betroffenen gegen die Betreuerauswahl innerhalb der Beschwerdefrist


Leitsatz

Wendet sich der Betroffene nach der Anordnung der Betreuung noch innerhalb der Beschwerdefrist allein gegen die Betreuerauswahl, so ist dieses Anliegen als Beschwerde gegen den Ausgangsbeschluss auszulegen und nicht als Antrag nach § 1908b Abs. 3 BGB zu behandeln.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 18. März 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

[X.]: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die Betroffene wendet sich gegen die Anordnung ihrer Betreuung und gegen die Auswahl des Betreuers.

2

Die Betroffene leidet nach den Feststellungen des Amtsgerichts an einer wahnhaften Störung im Sinne einer Paraphrenie. Das Amtsgericht hat die Betreuung mit Beschluss vom 14. Januar 2014 mit dem Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge einschließlich hiermit verbundener Aufenthaltsbestimmung angeordnet und eine [X.] bestellt. Der Beschluss ist der Betroffenen am 16. Januar 2014 zugestellt worden. Am 31. Januar 2014 hat der [X.] der Betroffenen eine Stellungnahme ihres Hausarztes mit der Erklärung zur Akte gereicht, dass dieser bereit sei, für die angeordneten [X.] die Betreuung zu übernehmen. Hierauf hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 17. Februar 2014 den "angeregten [X.]" abgelehnt. Gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 14. Januar 2014 hat die Betroffene am 17. Februar 2014 (einem Montag) durch ihre [X.] Beschwerde mit der Begründung eingelegt, dass sie keinerlei Betreuung bedürfe.

3

Das [X.] hat die Beschwerde der Betroffenen gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 14. Januar 2014 "als unzulässig zurückgewiesen". Soweit die Beschwerde der Betroffenen als Rechtsmittel gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 17. Februar 2014 anzusehen sei, hat das [X.] diese als unbegründet zurückgewiesen. Gegen den landgerichtlichen Beschluss wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 1 FamFG auch insoweit statthaft, als das [X.] die Beschwerde als unzulässig verworfen hat.

6

Nach § 70 Abs. 3 Nr. 1 FamFG ist die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des [X.] in [X.] zur Bestellung eines Betreuers ohne Zulassung statthaft. Bereits aus dem klaren Wortlaut der Norm ergibt sich, dass die [X.] der Rechtsbeschwerde nicht davon abhängig ist, ob das Beschwerdegericht in der Sache entschieden hat oder die Beschwerde - wie hier - als unzulässig verworfen hat. Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig.

7

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

8

a) Das [X.] hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

9

Die Beschwerde der Betroffenen vom 17. Februar 2014 sei als unzulässig zu verwerfen, weil die Beschwerdefrist bei Einlegung der Beschwerde bereits abgelaufen gewesen sei.

Soweit diese Beschwerde den Beschluss vom 17. Februar 2014 umfasse, sei sie unbegründet. Ein [X.] käme nur gemäß §§ 1908 b, 1908 c [X.] in Betracht. Eine Entlassung der [X.] wäre nur möglich gewesen, wenn ein wichtiger Grund für die Entlassung vorgelegen hätte. Gemäß § 1908 b Abs. 1 Satz 3 [X.] könne ein Berufsbetreuer entlassen werden, wenn der Betreute durch eine Person außerhalb einer Berufsausübung betreut werden könnte. Der hier vorgeschlagene Betreuer sei zugleich Hausarzt der Betroffenen. Das Landratsamt habe zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Interessenkollision entstehen könnte.

b) Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das [X.] hätte die Beschwerde der Betroffenen vom 17. Februar 2014 nicht als unzulässig verwerfen dürfen, weil sie fristgerecht beim Amtsgericht eingegangen war. Schon aus diesem Grunde war es ihm verwehrt, isoliert über die [X.] zu befinden. Vielmehr hätte es die [X.] insgesamt überprüfen müssen.

aa) Die Betroffene hat gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 14. Januar 2014 rechtzeitig Beschwerde eingelegt.

(1) Gemäß § 63 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde binnen einer Frist von einem Monat einzulegen. Nach § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG beginnt die Frist jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten.

Ist - wie hier - für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so endet die Frist, die nach Monaten bestimmt ist, mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, § 16 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 1. Alt. [X.]. Fällt das Ende einer Frist - wie hier - auf einen Sonntag, so endet die Frist gemäß § 16 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO mit Ablauf des nächsten Werktages.

(2) Demgemäß war die am 17. Februar 2014 beim Amtsgericht eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss vom 14. Januar 2014 rechtzeitig erfolgt.

Die Bekanntgabe des Beschlusses ist durch Zustellung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG am 16. Januar 2014 bewirkt worden. Der 16. Februar 2014 war ein Sonntag, so dass die Frist erst am folgenden Montag, den 17. Februar 2014 abgelaufen ist. An diesem Tag ist die Beschwerde der Betroffenen beim gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG zuständigen Amtsgericht eingegangen.

bb) Damit ist die vom Amtsgericht vorgenommene Bestellung eines Betreuers nach den §§ 1896 ff. [X.] als Einheitsentscheidung (vgl. dazu etwa Senatsbeschluss vom 9. Februar 2011 - [X.] 364/10 - FamRZ 2011, 632 Rn. 8) insgesamt zu überprüfen. Die vom [X.] in der Sache isoliert zum [X.] getroffene Entscheidung ist gegenstandslos.

Im Übrigen hat das [X.] bei der Überprüfung der [X.] - aus seiner Sicht allerdings folgerichtig - einen unzutreffenden Maßstab angelegt.

(1) Schlägt der zu Betreuende im Rahmen der Anordnung der Betreuung eine Person vor, die zum Betreuer bestellt werden kann, so ist diesem Vorschlag zu entsprechen, wenn es dem Wohl des Volljährigen nicht zuwiderläuft. § 1908 b [X.] regelt zwar die Voraussetzungen, unter denen die Entlassung eines Betreuers erfolgen kann. Die Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf diejenigen Fälle, in denen bei fortbestehender Betreuung eine isolierte Entscheidung über die Beendigung des Amtes des bisherigen Betreuers getroffen werden soll. Ist dagegen im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Verlängerung einer bereits bestehenden Betreuung - bzw. wie hier - im Rahmen der Erstentscheidung über die Anordnung einer Betreuung über einen [X.] zu befinden, richtet sich die Auswahl der Person des Betreuers nach der für die Neubestellung eines Betreuers maßgeblichen Vorschrift des § 1897 [X.] (vgl. Senatsbeschluss vom 15. September 2010 - [X.] 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 17).

Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, welche Norm dem [X.] zugrunde gelegt wird. Nach § 1908 b Abs. 3 [X.] steht es grundsätzlich im Ermessen des Gerichts, ob ein Betreuer während eines laufenden Betreuungsverfahrens entlassen wird, weil der Betreute eine gleich geeignete Person, die zur Übernahme bereit ist, als neuen Betreuer vorschlägt. § 1897 Abs. 4 Satz 1 [X.] räumt dagegen dem Tatrichter bei der Auswahl des Betreuers kein Ermessen ein. Es ist die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betreute wünscht. Der Wille des Betreuten kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person dem Wohl des Betreuten zuwiderläuft. Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will, etwa weil die vorgeschlagene Person die Übernahme der Betreuung ablehnt oder durch die Übernahme des Amtes in die konkrete Gefahr eines schwerwiegenden Interessenkonflikts gerät (Senatsbeschluss vom 15. September 2010 - [X.] 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 20).

(2) Dem wird die Entscheidung des [X.]s nicht gerecht.

Obgleich es vorliegend um die Bestellung eines Betreuers ging, hat sich das Beschwerdegericht nicht an den Maßstäben des § 1897 Abs. 4 Satz 1 [X.] orientiert, sondern ist [X.] von der Anwendbarkeit der §§ 1908 b f. [X.] und damit von falschen Voraussetzungen ausgegangen.

Wendet sich der Betroffene nach der Anordnung der Betreuung noch innerhalb der Beschwerdefrist allein gegen die [X.], so ist dieses Anliegen indes als Beschwerde gegen den [X.] auszulegen und nicht als Antrag nach § 1908 b Abs. 3 [X.] zu behandeln. Andernfalls würde die Regelung des § 1897 Abs. 4 [X.] umgangen und dem Betroffenen damit sein entsprechendes Vorschlagsrecht genommen.

3. Gemäß § 74 Abs. 5 FamFG ist der Beschluss des [X.]s aufzuheben.

Der Senat ist an einer abschließenden Entscheidung in der Sache selbst gehindert, weil das Beschwerdegericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Anordnung der Betreuung gerechtfertigt ist. Deshalb hat der Senat die Sache gemäß § 70 Abs. 6 Satz 2 FamFG zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Sollte dieses nach einer Prüfung in der Sache die Anordnung einer Betreuung für gerechtfertigt halten, wird es Gelegenheit haben, den Betreuerwunsch der Betroffenen anhand des Maßstabes des § 1897 Abs. 4 Satz 1 [X.] zu überprüfen.

Dose                               Schilling                       Günter

           Nedden-Boeger                         Botur

Meta

XII ZB 220/14

17.09.2014

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Regensburg, 18. März 2014, Az: 5 T 61/14

§ 1897 Abs 4 S 1 BGB, § 1908b Abs 3 BGB, § 16 Abs 2 FamFG, § 63 FamFG, § 222 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.09.2014, Az. XII ZB 220/14 (REWIS RS 2014, 2852)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2852

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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