Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.05.2011, Az. IX ZR 176/10

9. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6999

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Aufhebung eines vorläufig vollstreckbaren Berufungsurteils: Örtliche Zuständigkeit für Erstattungsanspruch; Leistung unter Vollstreckungsdruck als Anspruchsvoraussetzung


Leitsatz

1. Der Erstattungsanspruch aus § 717 Abs. 3 ZPO kann im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) geltend gemacht werden .

2. Der Erstattungsanspruch aus § 717 Abs. 3 ZPO setzt nicht voraus, dass vor der Zahlung oder Leistung die Zwangsvollstreckung angedroht worden war .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 14. September 2010 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.], Zivilkammer 24, vom 3. April 2009 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte, der seinen Wohnsitz in [X.] hat, nahm die Klägerin, deren Sitz in [X.] ist, im [X.] auf Zahlung einer Lizenzgebühr von 60.000 € und vorgerichtlicher Mahnkosten von 1.253,69 €, jeweils nebst Zinsen, in Anspruch. Die Klägerin wurde in zwei Instanzen zur Zahlung der Lizenzgebühr verurteilt. Nach Abschluss der Berufungsinstanz ließ die Klägerin den Beklagten fragen, ob sofort gezahlt oder der Ausgang des Revisionsverfahrens abgewartet werden solle. Der Beklagte ließ antworten, dass er umgehend Zahlung zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten wünsche. Daraufhin zahlte die Klägerin. Mit Urteil vom 5. Juni 2008 ([X.], [X.], 1124) hob der [X.] das Berufungsurteil auf, soweit zum Nachteil der Klägerin erkannt worden war, und wies die Klage ab. Der Beklagte weigerte sich, die Lizenzgebühr zurückzuzahlen, weil er Verfassungsbeschwerde gegen das genannte Urteil einlegen wollte.

2

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin zunächst Rückzahlung der Lizenzgebühr sowie vorgerichtlicher Mahnkosten nebst Zinsen verlangt und beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 61.253,69 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Januar 2004 zu zahlen. Das [X.] hat den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 60.000 € nebst Zinsen seit dem 14. Oktober 2008 verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts und zur Zurückweisung der Berufung des [X.]n.

I.

4

Das Berufungsgericht hat seine internationale Zuständigkeit verneint. Die Voraussetzungen des § 32 ZPO seien nicht erfüllt, weil der geltend gemachte Anspruch aus § 717 Abs. 3 ZPO nicht deliktischer, sondern bereicherungsrechtlicher Natur sei. Überdies habe die Klägerin nicht unter dem Druck einer drohenden Zwangsvollstreckung, sondern aus eigener Veranlassung gezahlt.

II.

5

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Klage ist zulässig. Die - auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende ([X.], Beschluss vom 14. Juni 1965 - [X.], [X.]Z 44, 46; Urteil vom 28. November 2002 - [X.], [X.]Z 153, 82, 84 ff; vom 28. Juni 2007 - [X.], [X.]Z 173, 57 Rn. 21 ff; vom 2. März 2010 - [X.], [X.]Z 184, 313 Rn. 7; vom 29. Juni 2010 - [X.], [X.], 1752 Rn. 10; vom 1. März 2011 - [X.], [X.], 745 Rn. 9, z.V. in [X.]Z bestimmt) - internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte folgt aus § 32 ZPO.

6

1. Gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) bestimmt sich die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedsstaates der [X.] nach dessen eigenen Gesetzen, [X.]n der [X.] keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der [X.] seinen Wohnsitz in [X.] hat. Das Fürstentum [X.] ist nicht Mitglied der [X.].

7

2. Die Vorschriften der ([X.]) Zivilprozessordnung über die örtliche Zuständigkeit (§§ 12 ff ZPO) regeln mittelbar auch die Abgrenzung zwischen der Zuständigkeit [X.] und ausländischer Gerichte ([X.], Urteil vom 2. März 2010 - [X.], [X.]Z 184, 313 Rn. 7). Soweit nach diesen Vorschriften ein [X.] Gericht örtlich zuständig ist, ist es im Verhältnis zu den ausländischen Gerichten auch international zuständig ([X.], Beschluss vom 14. Juni 1965 - [X.], [X.]Z 44, 46 f; Urteil vom 28. Februar 1996 - [X.], [X.]Z 132, 105, 107; vom 21. November 1996 - [X.], [X.]Z 134, 116, 117; vom 17. Dezember 1998 - [X.], [X.], 226, 227; vom 2. März 2010 - [X.], aaO).

8

3. Der mit der Klage verfolgte Anspruch aus § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist ein solcher aus unerlaubter Handlung im Sinne von § 32 ZPO.

9

a) Die Vorschrift des § 32 ZPO gilt für unerlaubte Handlungen im Sinne der §§ 823 ff BGB (unerlaubte Handlungen im engeren Sinne), für rechtswidrige Eingriffe in eine fremde Rechtssphäre ([X.], Urteil vom 20. März 1956 - [X.], NJW 1956, 911; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 32 Rn. 18; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3. Aufl., § 32 Rn. 4) und für Ansprüche aus (verschuldensunabhängiger) Gefährdungshaftung ([X.], Urteil vom 8. Januar 1981 - [X.], [X.]Z 80, 1, 3; [X.], 300, 302 f; [X.], aaO; [X.]/Schütze/[X.], aaO; [X.]/[X.], ZPO 3. Aufl. § 32 Rn. 7; [X.]/Vollkommer, ZPO 28. Aufl. § 32 Rn. 7; Prütting/[X.]/Wern, ZPO, 3. Aufl., § 32 Rn. 6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 69. Aufl., § 32 Rn. 9; [X.], ZPO 4. Aufl. Rn. 6; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 32 Rn. 2). Der An[X.]dungsbereich des § 32 ZPO ist schon dem Wortlaut nach nicht auf Schadensersatzansprüche begrenzt. Er steht daher für verschiedenste andere Ansprüche offen, die ganz unterschiedliche Rechtsfolgen haben (vgl. u.a. [X.], Urteil vom 20. März 1956 - [X.], NJW 1956, 911, 912; [X.]/Schütze/[X.], aaO § 32 Rn. 5, 25; [X.]/Vollkommer, aaO § 32 Rn. 14; Musielak/[X.], ZPO 8. Aufl. § 32 Rn. 14; Prütting/[X.]/Wern, aaO § 32 Rn. 3, 12).

b) Nach einhelliger Ansicht in der Kommentarliteratur unterfällt der (verschuldensunabhängige) [X.] aus § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO ebenfalls § 32 ZPO ([X.], aaO § 717 Rn. 46; [X.]/Schütze/[X.], aaO § 717 Rn. 33; [X.]/[X.], aaO § 717 Rn. 22; [X.]/[X.], aaO § 717 Rn. 13; Musielak/[X.], aaO § 717 Rn. 14; Prütting/[X.]/[X.], aaO § 717 Rn. 17; [X.], aaO § 717 Rn. 13; [X.], aaO § 717 Rn. 10; [X.] in [X.]Gaul/[X.]/[X.], Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., § 15 Rn. 23; [X.] in [X.]/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., Rn. 21; [X.] in Kindl/[X.], Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, § 717 Rn. 14). Nach § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Kläger zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, welcher dem [X.]n durch die Vollstreckung eines Urteils oder durch eine zur Ab[X.]dung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist, [X.]n ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil aufgehoben oder abgeändert wird. Die Regelung beruht auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass die Vollstreckung aus einem noch nicht rechtskräftigen Urteil auf Gefahr des Gläubigers erfolgt. Hat der [X.] aufgrund gerichtlicher Anordnung einen Eingriff in seinen Handlungs- und Vermögensbereich dulden müssen, der sich nach weiterer Überprüfung als unbegründet herausstellt, entspricht es gebotener Risikoverteilung, dass den Schaden aus solcher erlaubter, aber gefahrbeladener Ausübung derjenige trägt, der seine Interessen auf Kosten des anderen verfolgt. Es handelt sich um einen Fall der Gefährdungshaftung, weil die Rechtsfolge an ein ausdrücklich von dem Gesetz erlaubtes Verhalten anknüpft ([X.]/[X.], aaO § 717 Rn. 7). Ob der Kläger mit einem endgültigen Bestand seines Titels gerechnet hat und rechnen konnte oder nicht, ist unerheblich ([X.], Urteil vom 26. Mai 1970 - [X.], [X.]Z 54, 76, 80 f; vom 4. Dezember 1973 - [X.], [X.]Z 62, 7, 9; vom 25. Oktober 1977 - [X.], [X.]Z 69, 373, 378; vom 5. Oktober 1982 - [X.], [X.]Z 85, 110, 113; vom 23. Mai 1985 - [X.], [X.]Z 95, 10, 14 f; vom 3. Juli 1997 - [X.], [X.]Z 136, 199, 205; vom 26. Oktober 2006 - [X.], [X.]Z 169, 308, 314; vom 20. November 2008 - [X.], [X.], 273 Rn. 6).

c) Für § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO kann nichts anderes gelten.

aa) Nach § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist der Kläger auf Antrag des [X.]n zur Erstattung des aufgrund eines aufgehobenen oder abgeänderten Berufungsurteils [X.] oder Geleisteten zu verurteilen. Bei diesem Anspruch handelt sich nicht um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung im Sinne der §§ 823 ff BGB oder aus der widerrechtlichen Verletzung eines fremden Rechts. Der Kläger, der von einem gemäß § 708 Nr. 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärten Berufungsurteil Gebrauch macht, handelt in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung, auch dann, [X.]n dieses Urteil im weiteren Verfahren keinen Bestand hat.

bb) Auf der anderen Seite stellt der Anspruch aus § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO aber auch keinen Bereicherungsanspruch dar, für den der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nicht eröffnet ist (so aber [X.], Lehrbuch des [X.] Zivilprozessrechts, 9. Aufl., § 174 VI. 2. d, S. 908; im Ergebnis ebenso [X.] in [X.]Gaul/[X.]/[X.], aaO § 15 Rn. 40; [X.], aaO § 717 Rn. 56; [X.], aaO § 32 Rn. 15; wohl auch [X.] 2005, 446, 448). Gemäß § 717 Abs. 3 Satz 3 ZPO bestimmt sich die Erstattungspflicht zwar nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Rechtsfolgenverweisung. Das folgt nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, sondern auch aus ihrem [X.]. Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs sind in § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO abschließend geregelt. Der folgende Satz drei betrifft die Frage, wie weit die einmal entstandene Erstattungspflicht reicht ([X.], 17, 21 f; [X.], 202, 206; 12, 158, 167; [X.] in [X.]Gaul/[X.]/[X.], aaO § 15 Rn. 34; [X.]/Stürner/[X.], Zwangsvollstreckungsrecht, 13. Aufl., Rn. 15.37). Das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff BGB) betrifft die Rückgewähr von Vorteilen, die dem [X.] nach dem Gesamturteil der Rechtsordnung nicht gebührt ([X.]/[X.], Lehrbuch des Schuldrechts, Zweiter Band, 2. Halbband, 13. Aufl. § 67 I. 1.; [X.]/[X.], Schuldrecht, [X.], Teilband 2, 8. Aufl. § 47 S. 27, 34). Für den Erstattungsanspruch aus § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO spielt hingegen keine Rolle, ob der im später aufgehobenen Berufungsurteil titulierte Anspruch bestand oder nicht ([X.], 352, 353). Er entsteht ebenso wie derjenige aus § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO allein infolge der Aufhebung oder Abänderung des bislang vorläufig vollstreckbaren Urteils der Vorinstanz. Aus welchem Grund das Rechtsmittel erfolgreich war, ist unerheblich ([X.], Urteil vom 28. Oktober 1958 - [X.], [X.], 1507; [X.], 278, 281; [X.] 1926, 816, 817; [X.], 158, 166 f; [X.]/Schütze/[X.], aaO § 717 Rn. 15; [X.]/[X.], aaO § 717 Rn. 16; Musielak/[X.], aaO § 717 Rn. 8). Beide Erstattungsansprüche werden auch dann ausgelöst, [X.]n das vorläufig vollstreckbare Urteil nur aus [X.] aufgehoben wird. Auf das bessere materielle Recht kommt es nicht an.

cc) Der Erstattungsanspruch aus § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO lässt sich vielmehr ebenso wie derjenige aus § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO auf den Grundsatz zurückführen, dass der Gläubiger, der von einem noch nicht endgültig rechtsbeständigen Vollstreckungstitel Gebrauch macht, dies auf eigene Gefahr unternimmt und die Folgen zu tragen hat, falls der Titel letztlich keinen Bestand hat ([X.], Urteil vom 25. Oktober 1977 - [X.], [X.]Z 69, 373, 378; vom 3. Juli 1997 - [X.], [X.]Z 136, 199, 205; [X.], 202, 206; [X.], 158, 167 f). Es handelt sich um einen nach den Grundsätzen der Gefährdungshaftung begründeten, bereicherungsrechtlich ausgestalteten Erstattungsanspruch ([X.]/[X.], aaO § 717 Rn. 28). Der Senat hat die Vorschrift des § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO insoweit, als die Leistung zur Ab[X.]dung der Zwangsvollstreckung zu ersetzen ist, als Instrument innerprozessualer Waffengleichheit angesehen ([X.], Urteil vom 3. Juli 1997 - [X.], [X.]Z 136, 199, 207). Gleiches gilt für § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Erlaubt die Rechtsordnung der in zweiter Instanz obsiegenden [X.], die Zwangsvollstreckung zu betreiben, bevor ihr Recht endgültig festgestellt ist, fordert das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG), die zunächst unterlegene [X.] ihrerseits nicht auf eine endgültige Entscheidung über den [X.] warten zu lassen, sondern im Falle einer teilweisen oder vollständigen Aufhebung der zweitinstanzlichen Verurteilung durch das Revisionsgericht die auf jenes Urteil erbrachte Leistung umgehend zurück fordern zu dürfen.

dd) Die [X.] spricht ebenfalls für eine verfahrensrechtliche Gleichbehandlung der auf Erstattung geleisteter Zahlung gerichteten Ansprüche aus § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO und aus § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Nach § 655 Abs. 2 der Civilprozessordnung vom 30. Januar 1877 ([X.], 201) war der Kläger nach Aufhebung oder Abänderung eines für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils auf Antrag des [X.]n zur Erstattung des von diesem aufgrund des Urteils [X.] oder Geleisteten verpflichtet. Diese Vorschrift entsprach dem heutigen § 717 Abs. 3 ZPO, galt aber unabhängig davon, ob die Aufhebung oder Abänderung des Urteils in zweiter oder dritter Instanz erfolgte. Sie sollte gewährleisten, dass derjenige, der aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils in Anspruch genommen worden war, seine zur Abwehr der Vollstreckung erbrachte Leistung alsbald zurück erhielt. Der jetzt in § 717 Abs. 2 ZPO geregelte verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch wurde im Jahre 1898 eingefügt ([X.] I 369, 546). Er ersetzte zunächst den Erstattungsanspruch aus § 655 Abs. 2 [X.]. Dieser wurde jedoch - beschränkt auf vorläufig vollstreckbare Urteile der [X.]e - bereits im Jahre 1910 wieder eingeführt ([X.] I 767, 770). Dabei ging es mittelbar um eine Entlastung des [X.]. Um Revisionen zu vermeiden, die nur der Verfahrensverzögerung dienten, sollten die vor dem [X.] erfolgreichen Kläger die Zwangsvollstreckung betreiben dürfen, ohne Schadensersatzansprüche der [X.]n befürchten zu müssen. Der Gesetzgeber beabsichtigte insoweit ausdrücklich eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustand ([X.]. [X.], [X.], 12. Legislatur-Periode, II. Session 1909/1910). Wie der Senat zur Frage der Aufrechnung gegen den Schadensersatzanspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO bereits ausgeführt hat ([X.], Urteil vom 3. Juli 1997 - [X.], [X.]Z 136, 199 ff), regeln § 717 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO jeweils einen prozessualen Erstattungsanspruch, der Zahlungen oder andere Leistungen aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils betrifft und sogleich nach Aufhebung dieses Urteils durchgesetzt werden kann. § 717 Abs. 2 ZPO gewährt zusätzlich einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch. Sämtliche Ansprüche finden ihren Grund in der Risikozuweisung an den Gläubiger, insoweit unabhängig von der materiellen Rechtslage. Liegt der Rechtsgrund auch des Rückerstattungsanspruchs aus § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO in der Verteilung des aus der vorläufigen Vollstreckbarkeit eines Urteils folgenden Risikos, kann er ebenso wie die Risikohaftung gemäß § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO und jede andere gesetzliche Gefährdungshaftung im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung geltend gemacht werden ([X.]/Schütze/[X.], aaO § 717 Rn. 33 [X.]. 155; [X.]/[X.], aaO § 717 Rn. 31, 22; Musielak/[X.], aaO § 717 Rn. 16, 14; Prütting/[X.]/[X.], aaO § 717 Rn. 21, 17; [X.]/Stürner, aaO Rn. 15.45; [X.] in Kindl/[X.], aaO § 717 Rn. 19, 14).

4. Zur Begründung der Zuständigkeit genügt es, dass der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich eine im Gerichtsbezirk - oder dann, [X.] es, wie hier, um die internationale Zuständigkeit geht, im Inland - begangene unerlaubte Handlung ergibt ([X.], Urteil vom 25. November 1993 - [X.], [X.]Z 124, 237, 240 f; vom 2. März 2010 - [X.], [X.]Z 184, 313 Rn. 8). Diese Voraussetzung ist hier ebenfalls erfüllt.

a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Klägerin einen Anspruch aus § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO schlüssig dargelegt. Insbesondere hat sie die streitgegenständlichen Zahlungen aufgrund des später aufgehobenen Urteils des [X.]s vom 15. Mai 2007 erbracht. § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO setzt nicht voraus, dass der Gläubiger vor der Zahlung oder Leistung bereits das förmliche Zwangsvollstreckungsverfahren eingeleitet und der Schuldner unter [X.] geleistet hat ([X.] in [X.]/Walker, aaO § 717 Rn. 21; vgl. auch [X.] 2003, 567, 568).

aa) Ihrem Wortlaut nach verlangt die Vorschrift des § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO keine Zahlung unter [X.]. Die Zahlung oder Leistung muss lediglich "auf Grund" eines Berufungsurteils (§ 708 Nr. 10 ZPO) erfolgt sein. § 717 Abs. 3 Satz 1 ZPO erklärt die Vorschrift des Absatzes 2, der eine (verschuldensunabhängige) Verpflichtung des Gläubigers zum Ersatz des durch die Vollstreckung des Urteils oder eine Zahlung zur Ab[X.]dung der Vollstreckung entstandenen Schadens normiert, für unan[X.]dbar. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung lässt sich aus der [X.] nicht ableiten, dass die Vorschriften des § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO und des § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO sich nur in den Rechtsfolgen, nicht aber in den Voraussetzungen unterscheiden. Wie gezeigt, gab es zunächst nur den Erstattungsanspruch aus § 655 Abs. 2 [X.], der dem heutigen § 717 Abs. 3 ZPO entsprach, also die Zahlung oder Leistung "aufgrund des [X.]" genügen ließ, aber nicht auf [X.] beschränkt war. Die Vorschrift des (heutigen) § 717 Abs. 2 ZPO ist nachträglich eingefügt worden. Der Kommissionsbericht über die Novelle zur [X.] (Hahn/[X.], Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Band 8, [X.] = Nachdruck 1983 S. 391 f) lässt erkennen, dass nicht nur die unterschiedlichen Rechtsfolgen (Schadensersatz statt Rückerstattung), sondern auch die Anspruchsvoraussetzungen (Zahlung oder Leistung zur Ab[X.]dung der Zwangsvollstreckung statt Zahlung auf Grund des Urteils) erörtert wurden. Mit der - zunächst nur für Urteile der [X.]e geltenden - Vorschrift des § 717 Abs. 3 ZPO beabsichtigte der historische Gesetzgeber die Wiederherstellung des Rechtszustands vor Inkrafttreten des Schadensersatzanspruchs für [X.] nach § 717 Abs. 2 ZPO (damals § 655 Abs. 2 [X.]; [X.]. [X.], [X.], 12. Legislatur-Periode, II. Session 1909/10). Auch [X.]n hier die jeweils angeordnete Rechtsfolge der Norm (Erstattung oder Ersatz eines darüber hinausgehenden Schadens) im Vordergrund gestanden haben mag, folgt daraus nicht, dass der Erstattungsanspruch alten Rechts, der in Bezug auf [X.] der [X.]e wieder eingeführt werden sollte, ebenso wie der Schadensersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO von dem Beginn der Zwangsvollstreckung oder einer Zahlung zur Ab[X.]dung der Zwangsvollstreckung abhängig gemacht werden sollte. § 655 Abs. 2 [X.] ließ wie § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Zahlung aufgrund eines Urteils genügen.

bb) Die eingangs erläuterte Übereinstimmung des [X.] der Haftung nach § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO einerseits und aus § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO andererseits zwingt nicht dazu, gleiche Anspruchsvoraussetzungen anzunehmen (so aber - durchweg ohne Begründung - [X.]/Schütze/[X.], aaO § 717 Rn. 27; [X.], aaO § 717 Rn. 52; [X.]/[X.], aaO § 717 Rn. 29; [X.]/[X.], aaO § 717 Rn. 16; Musielak/[X.], aaO § 717 Rn. 16; Prütting/[X.]/[X.], aaO § 717 Rn. 20; [X.], aaO § 717 Rn. 11; [X.]/[X.]/[X.], aaO § 717 Rn. 19). Näher liegt es, die weit reichenden Haftungsfolgen des § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO auch von strengeren Anspruchsvoraussetzungen abhängig zu machen. Der Schadensersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO umfasst alle Schäden, die dem [X.]n durch die vorzeitige Leistung entstanden sind und die im Einzelfall den Wert des [X.] weit übersteigen können. Entsprechend den Grundsätzen der Gefährdungshaftung (vgl. [X.], Urteil vom 6. Juli 1976 - [X.], [X.]Z 67, 129, 130) wird diese Ausweitung des [X.] dem Kläger nur auferlegt, weil er die - rechtskonforme - Gefahr eines solchen Schadens durch seine Entscheidung geschaffen hatte, den [X.]n zur vorzeitigen Erfüllung des [X.]s zu zwingen. Das von dem Erstattungsanspruch gemäß § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO ausgehende Haftungsrisiko ist demgegenüber deutlich geringer. Der Gläubiger braucht hier nicht zu befürchten, für unvorhersehbare Folgen einstehen und Schadensersatz leisten zu müssen, der den Wert des [X.] erheblich überschreitet.

cc) Ob eine dem Titelgläubiger gegen oder ohne sein Wissen aufgedrängte Zahlung oder Leistung nach § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO zurückgefordert werden kann, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Der [X.] hat auf die Frage der Klägerin, ob der Ausgang des Revisionsverfahrens abgewartet werden könne, erklärt, er wünsche die sofortige Zahlung der Urteilssumme. Dann kann er sich jetzt nicht darauf berufen, die Zahlung sei ihm aufgedrängt worden.

b) Der Tatort einer unerlaubten Handlung im Sinne von § 32 ZPO liegt überall, wo auch nur eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale verwirklicht worden ist, bis hin zu dem Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen worden ist ([X.], Urteil vom 25. November 1993 - [X.], [X.]Z 124, 237, 245; vom 29. März 2011 - [X.], Rn. 7, [X.]). Jedenfalls der Ort des [X.] liegt im Inland. Die Klägerin, die aufgrund des später aufgehobenen Urteils des [X.]s [X.] vom 15. Mai 2007 eine Zahlung an den [X.]n geleistet hat, ist in [X.] ansässig.

III.

Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Der Sachverhalt, den die Klägerin zur Begründung des Anspruchs aus § 717 Abs. 3 ZPO vorgetragen hat, ist unstreitig. Die Klage ist damit nicht nur zulässig, sondern auch begründet.

IV.

Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen einer Rechtsverletzung bei An[X.]dung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage hat Erfolg.

Kayser                                      [X.]                                            Vill

                    Lohmann                                          Fischer

Meta

IX ZR 176/10

05.05.2011

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 14. September 2010, Az: 7 U 54/09, Urteil

§ 32 ZPO, § 717 Abs 2 ZPO, § 717 Abs 3 ZPO, Art 4 Abs 1 EGV 44/2001

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.05.2011, Az. IX ZR 176/10 (REWIS RS 2011, 6999)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6999

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 176/10 (Bundesgerichtshof)


V ZB 212/17 (Bundesgerichtshof)

Vollstreckbare Urkunde gegen den jeweiligen Grundstückseigentümer: Entbehrlichkeit einer Rechtsnachfolgeklausel


V ZB 212/17 (Bundesgerichtshof)


10 AZB 43/15 (Bundesarbeitsgericht)

Kostenfestsetzung - zweckentsprechende Rechtsverfolgung


IX ZR 147/04 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.