Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2006, Az. IX ZR 157/05

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 411

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 7. Dezember 2006 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 131 Erfüllt der Schuldner nach Zustellung eines [X.]es die titu-lierte Forderung innerhalb der gesetzlichen Dreimonatsfrist, ist die Deckung nicht inkongruent, wenn der Gläubiger die Zwangsvollstreckung zuvor weder eingeleitet noch angedroht hat. [X.], [X.]eil vom 7. Dezember 2006 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2006 durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das [X.]eil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 24. August 2005 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Beklagte lieferte der C.

GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) Waren. Nachdem die Schuldnerin den Kaufpreis nicht bezahlte, beauftragte die Beklagte ein Inkassounternehmen, die Forderungen geltend zu machen. Dieses mahnte die Summe unter Fristsetzung erneut an. In dem sich anschließenden Mahnverfahren erging ein [X.], der der Schuldnerin am 11. Juni 2003 zugestellt wurde. Am 19. Juni 2003 bezahlte die Schuldnerin die offenen Rechnungen, obwohl sie zu diesem [X.]punkt bereits zahlungsunfähig war. Am 29. Juli beantragte sie, über ihr Vermögen das Insol-venzverfahren zu eröffnen, was in der Folgezeit auch geschah. Der Kläger [X.] zum Insolvenzverwalter bestellt. Er verlangt den Kaufpreis unter dem Ge-sichtspunkt der Insolvenzanfechtung erstattet. 1 - 3 -
Das Amtsgericht hat den in den [X.] noch streitigen Teil der Klage abgewiesen, die Berufung des [X.] ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt er sein Begehren weiter. 2 Entscheidungsgründe: Die Revision ist unbegründet. 3 [X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, die Zahlung sei nicht nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] anfechtbar, weil dem Kläger der Beweis nicht gelungen sei, dass die Beklagte von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gewusst habe. Auch eine Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 [X.] scheide aus. Die Zwangsvollstreckung habe nicht unmittelbar bevorgestanden, weil die Beklagte der Schuldnerin die Zwangsvollstreckung nach Zustellung des [X.] nicht angedroht habe. Ohne eine derartige Androhung komme eine Anfechtung nicht in Betracht. 4 I[X.] Die Revision nimmt hin, dass das Berufungsgericht die Anfechtungsmög-lichkeit nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 [X.] aus tatsächlichen Gründen verneint hat. Sie macht erfolglos geltend, dass die Beklagte eine inkongruente Befriedigung erlangt habe. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des [X.] nach § 143 Abs. 1 [X.] zu Recht auch insoweit versagt, als er auf § 131 Abs. 1 Nr. 2 [X.] gestützt worden ist. 5 - 4 -

1. Während der gesetzlichen Dreimonatsfrist gebührt die im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung dem Gläubiger nicht in dieser Art; sie ist inkongruent (vgl. [X.] 136, 309, 311 ff; 157, 350, 353; 162, 143, 149). Das die [X.] beherrschende Prioritäts-prinzip wird durch das System der insolvenzrechtlichen Anfechtungsregeln ein-geschränkt, wenn für die Gesamtheit der Gläubiger nicht mehr die Aussicht [X.], aus dem Vermögen des Schuldners volle Deckung zu erhalten. Dann tritt die Befugnis des Gläubigers, sich mit Hilfe hoheitlicher Zwangsmittel eine rechtsbeständige Sicherung oder Befriedigung der eigenen fälligen Forderun-gen zu verschaffen, hinter den Schutz der Gläubigergesamtheit zurück. Die Vorschrift des § 131 [X.] verdrängt in den letzten drei Monaten vor dem [X.] zugunsten der Gleichbehandlung der Gläubiger ([X.] 157, aaO; 162, aaO; [X.], [X.]. v. 17. Februar 2004 - [X.] ZR 318/01, [X.], 669, 670 unter [X.] 1.; v. 23. März 2006 - [X.] ZR 116/03, [X.], 916 f unter I[X.] 3. a). 6 Die Beklagte hat den Kaufpreis nicht im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt. Diese hatte am Tag der Zahlung [X.] noch nicht begonnen. Die Zustellung des Titels (§ 750 Abs. 1, § 795 Satz 1 ZPO) und die Erteilung der Vollstreckungsklausel (§ 724 ZPO), die hier nicht erforderlich war (§ 796 Abs. 1 ZPO), sind bloße Vorbereitungshandlungen ([X.], [X.]. v. 26. April 1976 - [X.], [X.] 1976, 837, 838; [X.], 410, 412). Die Zwangsvollstre-ckung in bewegliche Sachen beginnt mit der Pfändung durch den Gerichtsvoll-zieher ([X.], [X.]. v. 27. November 2003 - [X.] ZR 310/00, [X.], 583, 584), die in Forderungen mit dem Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbe-schlusses ([X.], 368, 370; [X.], ZPO 22. Aufl. Vor § 704 Rn. 112). 7 - 5 -

2. Für die Beurteilung der Anfechtbarkeit ist es allerdings nicht wesent-lich, ob die Zwangsvollstreckung im [X.]en Sinne schon begonnen hat (einschränkend [X.], Festschrift für [X.] S. 267, 276 f). Eine Befriedigung oder Sicherung ist auch inkongruent, wenn sie unter dem Druck unmittelbar bevorstehender Zwangsvollstreckung gewährt wurde (vgl. [X.] 136, 309, 311; 157, 242, 248; [X.], [X.]. v. 11. April 2002 - [X.] ZR 211/01, [X.], 1193, 1194; v. 15. Mai 2003 - [X.] ZR 194/02, [X.], 1278, 1279). Der Schuldner leistet nach der Rechtsprechung des [X.] unter dem Druck einer unmittelbar drohenden Zwangvollstreckung, wenn der [X.] zum Ausdruck gebracht hat, dass er alsbald die Mittel der Vollstreckung einsetzen werde, sofern der Schuldner die Forderung nicht erfülle ([X.], [X.]. v. 11. April 2002, aaO). Ob der Schuldner aufgrund eines unmittelbaren Vollstre-ckungsdrucks geleistet hat, beurteilt sich aus seiner objektivierten Sicht ([X.], [X.]. v. 15. Mai 2003, aaO). Entgegen dem von der Revision vertretenen [X.]and-punkt kann auf eine entsprechende Beurteilung des Einzelfalls nicht im [X.] vermeintlicher Rechtssicherheit verzichtet werden. Hier fehlt es an dem zur [X.] führenden [X.]. 8 a) Der Schuldner leistet regelmäßig unter dem Druck einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung, wenn er zur [X.] seiner Leistung damit rechnen muss, dass ohne sie der Gläubiger nach dem kurz bevorstehenden Ablauf einer letzten Zahlungsfrist mit der ohne weiteres zulässigen [X.] beginnt ([X.] 157, aaO; [X.], [X.]. v. 15. Mai 2003, aaO). Die [X.] hat der Schuldnerin vor oder nach Zustellung des [X.] nicht angekündigt, dass sie unmittelbar zur Zwangsvollstreckung schreiten werde. 9 - 6 -
b) Der Revision kann nicht darin gefolgt werden, dass der Schuldner be-reits die schlichte Zustellung des [X.]s aus seiner objektiven Sicht als Androhung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung werten durfte. 10 aa) Der [X.] wird dem Schuldner grundsätzlich von Amts wegen durch das Mahngericht zugestellt (§ 699 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Dass die Beklagte den [X.] ausnahmsweise im Parteibetrieb zu-gestellt hätte, hat der hierfür darlegungspflichtige Kläger nicht behauptet. In der Zustellung von Amts wegen liegt keine Willensäußerung des Gläubigers. Ob der Gläubiger in diesem [X.]punkt tatsächlich beabsichtigt, aus dem Vollstre-ckungsbescheid sogleich die Zwangsvollstreckung zu betreiben, kann der Schuldner allein infolge der Zustellung nicht erkennen. 11 Der [X.] enthält auch keine Vollstreckungsandro-hung, letzte Zahlungsfrist oder Zahlungsaufforderung. Hingewiesen wird nach dem amtlichen Vordruck lediglich auf die Einspruchsmöglichkeit und den [X.], dass ein Zahlungsaufschub nur vom Antragsteller bewilligt werden kann. Dies verdeutlicht, dass der Zustellung eines [X.]s keines-wegs immer die Zwangsvollstreckung auf dem Fuße folgt. 12 bb) Nicht entscheidend ist, ob die Beklagte schon durch § 750 Abs. 1 ZPO gehindert gewesen wäre, in kürzester [X.] nach Zustellung des Vollstre-ckungsbescheids mit der Zwangsvollstreckung zu beginnen. Bis die Zustel-lungsurkunde zur Geschäftsstelle des Mahngerichts zurückgelaufen ist und dies auf Antrag die Zustellung bescheinigen kann (§ 169 Abs. 1 ZPO), werden im Regelfall einige Tage vergehen. Diesen Abläufen, in die der Schuldner keinen 13 - 7 - Einblick hat, ist aus seiner Sicht keine Bedeutung beizumessen (vgl. [X.], [X.]. v. 15. Mai 2003, aaO - für den Geschäftsgang innerhalb der Finanzverwaltung). c) Nach Sinn und Zweck der §§ 130, 131 [X.] ist es gleichfalls nicht ge-rechtfertigt, eine Leistung des Schuldners unter dem Druck einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung allein daraus zu folgern, dass ihm über die später erfüllte Forderung ein [X.] zugestellt worden ist. 14 Zahlt der Schuldner innerhalb der gesetzlichen Dreimonatsfrist freiwillig auf eine fällige Forderung, während andere Gläubiger mit ihren ebenfalls fälli-gen Forderungen leer ausgehen, so führt diese Verletzung der Gläubigergleich-behandlung nur unter den Voraussetzungen des § 130 [X.] zur Anfechtbarkeit (vgl. [X.] 136, 309, 313). Der befriedigte Gläubiger muss in diesen Fällen, um zur Rückgewähr verpflichtet zu sein, grundsätzlich die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder den wegen seiner Insolvenz gestellten Eröffnungsantrag ge-kannt haben. Das ist nach § 131 [X.] nicht erforderlich. Die schärfere Haftung nach dieser Vorschrift ist nur gerechtfertigt, wenn der Gläubiger abgesehen von der Erwirkung eines Vollstreckungstitels weiteren Druck auf den Schuldner aus-geübt hat, die fällige Leistung zu erbringen. Erst wenn der Gläubiger deutlich gemacht hat, er werde alsbald die Zwangsvollstreckung einleiten, sofern der titulierte Forderungsbetrag nunmehr nicht beglichen werden sollte, hat er sich eines Mittels bedient, welches mit dem Vorrang der Gläubigergleichbehandlung in dem von den §§ 130 bis 132 [X.] besonders geschützten [X.]raum nicht vereinbar ist. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Fallgruppe der "[X.]" angesichts der im Schrifttum bereits geäußerten [X.] ([X.] EWiR 2003, 831, 832; [X.], aaO [X.]) hinreichend klare Grenzen behält. Nicht die von Amts wegen veranlasste Zustellung des Titels, sondern eine Ankündigung oder Androhung der Zwangsvollstreckung nimmt der 15 - 8 - nachfolgenden Leistung des Schuldners aus objektiver Sicht den Charakter der Freiwilligkeit. Beim klausellosen [X.] lässt die bloße Zustel-lung nicht einmal auf Vollstreckungsabsichten des Gläubigers schließen. Um so mehr schwächt sich das Vollstreckungsrisiko aus objektiver Schuldnersicht ab, wenn der [X.] nicht auf dem Fuße folgt. Wie lange von einem solchen latenten Vollstreckungsrisiko noch ein nennenswerter Druck ausgehen kann, damit der Schuldner gerade aus diesem Grund - und nicht freiwillig - zahlt, lässt sich nicht bestimmen. Damit erweist sich jedenfalls die Zustellung eines [X.]s von Amts wegen innerhalb der Dreimonatsfrist allein als untauglicher Umstand, um die nachfolgende Zahlung des Schuldners als inkongruente Deckung zu werten. [X.] [X.] [X.]
[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 27.04.2005 - 1 C 430/04 - [X.], Entscheidung vom 24.08.2005 - 1 S 19/05 [X.] -

Meta

IX ZR 157/05

07.12.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2006, Az. IX ZR 157/05 (REWIS RS 2006, 411)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 411

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen
Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.