Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.10.2016, Az. I ZR 154/15

I. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 4384

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:061016UIZR154.15.0

BUN[X.]SGERI[X.]HTSHOF
IM
NAMEN
[X.]S
VOLKES
URTEIL
I [X.]
Verkündet am:
6. Oktober 2016
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Afterlife
[X.] Art. 7, Art. 17 Abs. 2; GG Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
A; [X.] §§ 94, 97 Abs. 2 Satz 1
a)
Bei der Bestimmung der Reichweite der dem Inhaber eines [X.]anschlusses im Falle einer über seinen [X.] begangenen Urheberrechtsverletzung ob-liegenden sekundären Darlegungslast zur Nutzung des [X.]es durch [X.] Personen sind auf Seiten des Urheberrechtsinhabers die Eigentumsgrund-rechte gemäß Art. 17 Abs. 2 [X.] und Art. 14 Abs. 1 GG zu be-rücksichtigen. Handelt es sich bei den Personen, die den [X.] mitgenutzt haben, um den Ehegatten oder Familienangehörige, so wirkt zugunsten des [X.] der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie (Art. 7 [X.], Art. 6 Abs. 1 GG).
b)
Dem Inhaber eines privaten [X.]anschlusses ist es regelmäßig nicht zumut-bar, die [X.]nutzung seines Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu [X.]. Ebenfalls unzumutbar ist es regelmäßig, dem [X.]inhaber die Unter-suchung des [X.]omputers seines Ehegatten im Hinblick auf die Existenz von [X.] abzuverlangen.
[X.], Urteil vom 6. Oktober 2016 -
I [X.] -
LG [X.]

[X.]
-
2
-
Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 6. Oktober
2016 durch [X.]
Dr.
Büscher, [X.]
Dr.
Koch, Dr.
Löffler, die Richterin Dr.
[X.] und den Rich-ter Feddersen

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des [X.] vom 1. Juli 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin macht geltend, Inhaberin
der ausschließlichen Nutzungs-
und Verwertungsrechte für den Film "[X.]: [X.]"
zu sein. Die von der Klägerin beauftragte i.

GmbH ermittelte, dass dieser Film insge-
samt vierzehnmal
im Zeitraum vom 26. bis 28.
September 2010 über die Tauschbörse "b.

"
im [X.] anderen Nutzern zur Verfügung gestellt
wurde. Die hierbei dokumentierten IP-Adressen wurden dem [X.]anschluss des [X.]n zugeordnet. Der [X.] hat auf die Abmahnung der Klägerin eine Unterlassungserklärung abgegeben.
Die Klägerin hat behauptet, der [X.] habe die Rechtsverletzungen begangen.
Sie hat geltend gemacht, der [X.] sei zur Erstattung von Ab-1
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in Höhe von 506

sowie zur Zahlung von Schadensersatz nach der Lizenzanalogie in Höhe

Der [X.] hat seine Täterschaft in Abrede gestellt und darauf [X.], seine Ehefrau nutze den [X.]anschluss selbständig mit. Er hat ferner geltend gemacht, der von ihm eingesetzte Router habe eine massive Sicherheitslücke aufgewiesen, so dass sich Dritte unbefugt Zugang zu
seinem WLAN-[X.]
hätten verschaffen können.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen ([X.], [X.], 758). Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen ([X.] [X.], [X.], 522).
Mit der vom [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der [X.]
beantragt, verfolgt die Klägerin ihre [X.] weiter.

Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin geltend gemachten An-sprüche
für unbegründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:
Der [X.] hafte nicht als Täter für die behauptete Rechtsverletzung. Der Klägerin sei der ihr nach allgemeinen Grundsätzen obliegende Nachweis der Täterschaft des [X.]n nicht gelungen. Die tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des [X.]inhabers greife nur ein, wenn es sich bei dem [X.]inhaber um den einzigen Nutzer des [X.]es handele. Dem [X.] obliege zwar hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen der tat-sächlichen Vermutung vorliegen, eine sekundäre Darlegungslast, so dass er vortragen müsse, ob er den [X.] allein nutze oder welche Familienange-3
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hörige, Bekannte oder Dritte ebenfalls zur Nutzung des [X.]es
in der [X.] waren. Dieser Darlegungslast sei der [X.] nachgekommen, indem er seine Ehefrau als Mitnutzerin benannt und konkret zum eingesetzten Router und der bei diesem bestehenden Sicherheitslücke vorgetragen habe.
Im Rah-men der sekundären Darlegungslast sei der [X.] nicht verpflichtet, den [X.] der Rechtsverletzung zu ermitteln und namentlich zu benennen.
Ferner müsse er weder den
[X.]omputer untersuchen noch konkreten
Vortrag zu seinen Abwesenheitszeiten und denjenigen der Mitbenutzer halten.
Der Beweis der Täterschaft des [X.]n sei der Klägerin nicht gelun-gen. Zwar habe die Ehefrau als Zeugin bekundet, selbst keine [X.] benutzt zu haben und den streitgegenständlichen Film nicht [X.] und anderen Nutzern zum Download zur Verfügung gestellt zu haben. Die Kammer sei jedoch von der Wahrheit dieser Angaben nicht überzeugt. Es bestehe kein Anlass, den Angaben der Ehefrau mehr Glauben zu schenken als den Angaben des [X.]n.
Der [X.] hafte ferner auch nicht als [X.] oder Störer.
I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat keinen Erfolg.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass als An-spruchsgrundlage des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzan-spruchs § 97 Abs. 2 Satz 1 [X.] heranzuziehen ist. Danach ist, wer das Urhe-berrecht oder ein anderes nach
dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich sowie vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Die Klägerin hat ihre Klage auf eine Verletzung ihrer
ausschließlichen Verwertungsrechte gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 [X.] und damit auf ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht gestützt. Nach dieser Bestim-mung hat der Filmhersteller das ausschließliche Recht, den Bildträger oder Bild-
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und Tonträger, auf den das Filmwerk aufgenommen ist, zu vervielfältigen, zu verbreiten und zur öffentlichen Vorführung, Funksendung oder öffentlichen Zu-gänglichmachung zu benutzen. Das Anbieten von Filmwerken mittels eines
Filesharing-Programms in sogenannten "Peer-to-Peer"-Netzwerken im [X.] verletzt das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung des [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 19. April 2012 [X.], [X.] 2012, 587 Rn. 32 f.; Urteil vom 12. Mai 2016 -
I [X.], [X.], 1275
Rn. 22 = [X.], 1525
-
Tannöd;
[X.] in Dreier/[X.], [X.], 5. Aufl., § 94 Rn. 40).
2. Die Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin sei als Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte gemäß § 94 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] aktivlegitimiert, nimmt die Revision als für sie günstig hin,
so dass hiervon für das Revisionsverfahren auszugehen ist.
3. Das Berufungsgericht hat keine tatsächlichen Feststellungen darüber getroffen, ob der Film "[X.]: [X.]"
-
wie von der Klägerin be-hauptet -
insgesamt vierzehnmal
zu den von der Klägerin vorgetragenen Zeit-punkten über den [X.]anschluss des [X.]n im [X.] öffentlich zu-gänglich gemacht worden ist.
Für das Revisionsverfahren ist von diesem Vor-trag der Klägerin auszugehen.
4. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen
die Beurteilung des [X.], der [X.] hafte nicht als
Täter
für die behaupteten Urheber-rechtsverletzungen.
a) Die Klägerin trägt
nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruch-stellerin
die Darlegungs-
und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz erfüllt sind. Sie hat [X.] und im [X.] nachzuweisen, dass der [X.] für die von ihr be-hauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (vgl. [X.], Urteil vom 15. November 2012 -
I [X.], [X.], 511 Rn. 32 = [X.], 11
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799 -
Morpheus; Urteil vom 8. Januar 2014 -
I [X.], [X.]Z 200, 76 Rn. 14 -
BearShare; Urteil vom 11. Juni 2015 -
I [X.], [X.], 191 Rn. 37 = [X.], 73 -
Tauschbörse III; Urteil vom 12. Mai 2016

I
ZR
48/15, [X.], 1280 Rn. 32 =
[X.], 79 -
Everytime we touch). Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des [X.]inhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen [X.]-anschluss benutzen konnten ([X.]Z 200, 76 Rn. 15 -
BearShare; [X.], [X.], 191 Rn. 37 -
Tauschbörse III).
Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der [X.]anschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In solchen Fällen trifft den Inhaber des [X.]anschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese
führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungs-last (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des [X.]in-habers, dem Anspruchsteller alle für seinen [X.] benötigten Informati-onen zu verschaffen. Der [X.]inhaber genügt seiner
sekundären Darle-gungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem [X.]anschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kom-men. In diesem Umfang ist der [X.]inhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den [X.]anschluss genügt hierbei
nicht. Entspricht der [X.] seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung des [X.]n als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen ([X.]Z 200, 76 Rn. 15 ff. -
BearShare, mwN; [X.], [X.]
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2016, 191 Rn. 37 und 42 -
Tauschbörse III; [X.], 1280
Rn. 33 -
Every-time we touch). Mit diesen Grundsätzen steht das Berufungsurteil im Einklang.
b) Ohne
Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des [X.], der [X.] habe der ihm obliegenden sekundären Darlegungs-last genügt.
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, für die Erfüllung der
sekun-dären Darlegungslast sei substantiierter Vortrag zu den [X.] Dritter ausreichend; es sei nicht Sache des [X.]n, die gegen ein Eingreifen der tatsächlichen Vermutung für die Haftung des [X.]inhabers sprechenden Umstände zu beweisen. Der [X.] habe seine sekundäre Dar-legungslast erfüllt, indem er seine Ehefrau als Mitnutzerin benannt und konkret zum eingesetzten Router und der bei diesem bestehenden Sicherheitslücke vorgetragen habe. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast sei der [X.] nicht verpflichtet, den Täter der Rechtsverletzung zu ermitteln und namentlich zu benennen, den [X.]omputer zu untersuchen oder konkreten Vortrag zu den Abwesenheitszeiten des [X.]inhabers und der Mitbenutzer zu halten.
bb) Entgegen der Ansicht der Revision ist das Berufungsgericht zutref-fend davon ausgegangen, dass die
Annahme der täterschaftlichen Haftung des [X.]inhabers
erst
in Betracht kommt, wenn der [X.]inhaber der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Nutzung des [X.] durch Dritte nicht genügt.
Hingegen besteht keine generelle Vermu-tung, dass der [X.]inhaber Täter einer Urheberrechtsverletzung ist, die von seinem [X.] aus begangen worden ist und die er widerlegen oder erschüttern
müsste, nur weil er Inhaber des [X.]es ist.
Dies kommt nur in Betracht, wenn für die Täterschaft des [X.]inhabers der Beweis des [X.] Anscheins (Anscheinsbeweis) spricht. Für die Anwendung der Regeln über den Anscheinsbeweis ist im Falle der
Urheberrechtsverletzung durch die Nut-16
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zung eines [X.]anschlusses aber
nicht ohne weiteres aufgrund der Inhaber-schaft am [X.] Raum.

(1) [X.] greift bei typischen Geschehensab-läufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Le-benserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist (st. Rspr; vgl. nur [X.], Urteil vom 29. Januar 1974

VI
ZR
53/71, [X.], 750; Urteil vom 1. Oktober 2013 -
VI [X.], [X.], 155 Rn. 14;
Versäumnisurteil vom 10. April 2014 -
VII ZR 254/13, NJW-RR 2014, 1115 Rn. 9,
jeweils m.w.N.). Im Wege des Anscheinsbeweises kann gegebenenfalls von einem bestimmten eingetretenen Erfolg auf die [X.] geschlossen werden ([X.], Urteil vom 22. Mai 1979 -
VI [X.]/78,
VersR 1979, 822, 823; Urteil vom 5. November 1996 -
VI ZR 343/95,
[X.], 205, 206; Urteil vom 19. Januar 2010 -
VI [X.], NJW 2010, 1072 Rn. 8). Dieser Schluss setzt einen typischen Geschehensablauf voraus. Typizität bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings nur, dass der Kausalverlauf so häufig [X.] muss, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu ha-ben, sehr groß ist ([X.], [X.], 205, 206; [X.], NJW 2010, 1072 Rn. 8; NJW-RR 2014, 1115 Rn. 9).
Der Anscheinsbeweis ist entkräftet (erschüttert), wenn der Gegner die ernsthafte Möglichkeit eines anderweitigen Geschehens-ablaufs beweist ([X.], Urteil vom 13. Februar 2007 -
VI [X.], NJW-RR 2007, 1077 Rn. 10; Urteil vom 7. Februar 2013 -
III ZR 200/11, [X.], 1092 Rn. 28).
(2) Für die Annahme, der Inhaber eines [X.]anschlusses sei ohne das Hinzutreten weiterer Umstände regelmäßig der Täter einer mittels dieses [X.]es begangenen Urheberrechtsverletzung, fehlt es an einer hinrei-chenden Typizität des [X.]. Angesichts der naheliegenden Mög-lichkeit, dass der [X.]inhaber Dritten Zugriff auf seinen [X.] ein-räumt, besteht für die Annahme der Täterschaft des [X.]inhabers keine 19
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hinreichend große Wahrscheinlichkeit.
Da es sich bei der Nutzung des [X.] um Interna des [X.]inhabers handelt, von denen der [X.] im Regelfall keine Kenntnis hat, obliegt dem [X.]inha-ber insoweit allerdings eine sekundäre Darlegungslast (s. Rn.
15).
cc) Die Revision wendet sich
im Ergebnis ohne
Erfolg
gegen die Annah-me des Berufungsgerichts, der [X.] habe der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast genügt, weil
er seine Ehefrau als Mitnutzerin des [X.]es
benannt habe und eine Untersuchung der
genutzten [X.]omputer
auf das [X.] von [X.] nicht erforderlich sei.
(1) Die Bestimmung der Reichweite der dem [X.]inhaber obliegen-den sekundären Darlegungslast hat mit Blick darauf zu erfolgen, dass erst die Kenntnis von den Umständen der [X.]nutzung
durch den [X.]inha-ber dem Verletzten, dessen urheberrechtliche Position unter dem grundrechtli-chen Schutz des Art. 17 Abs. 2 [X.] und des
Art. 14 Abs. 1 GG steht
(vgl. [X.], Urteil vom 27. März 2014 -
[X.]-314/12, [X.], 468 Rn. 47 = [X.], 540 -
UP[X.] Telekabel; [X.] in Sachs, Grundgesetz, 7. Aufl., Art. 14 Rn. 20a, 24 mwN), eine Rechtsverfolgung ermöglicht. Nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/[X.] zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts
und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/[X.] zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, wirksame, verhält-nismäßige und abschreckende Rechtsbehelfe zur Durchsetzung der unions-rechtlich vorgesehenen Positionen des geistigen Eigentums vorzusehen.
Auf Seiten des [X.]inhabers schützen
allerdings
die Grundrechte gemäß Art. 7 [X.] und
Art. 6 Abs. 1 GG das ungestörte [X.] und familiäre Zusammenleben vor staatlichen Beeinträchtigungen.
Diese Grundrechte verpflichten den Staat, Eingriffe in die Familie zu unterlassen, und berechtigt die Familienmitglieder, ihre Gemeinschaft nach innen in familiärer 21
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Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten (vgl. [X.] 66, 84, 94; 80, 81, 92; 81, 1, 6; [X.], [X.], 3. Aufl., Art. 7 Rn.
19
f.; v. [X.] in Sachs aaO Art. 6 Rn. 22). Werden dem [X.]inhaber zur Abwendung seiner täterschaftlichen Haftung im Rahmen der sekundären Darlegungslast
Auskünfte abverlangt, die das Verhalten seines
Ehegatten oder
seiner
Kinder betreffen
und diese dem Risiko einer zivil-
oder strafrechtlichen Inanspruchnahme aussetzen, ist der Schutzbereich dieser Grundrechte berührt.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ob-liegt es, wenn mehrere unionsrechtlich geschützte Grundrechte einander wider-streiten, den Behörden oder Gerichten der Mitgliedstaaten, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesen Rechten sicherzustellen (vgl. [X.], Urteil vom 29. Januar 2008 -
[X.]-275/06, [X.]. 2008, [X.] = [X.], 241 Rn. 68 -
Pro-musicae; [X.], [X.], 468 Rn. 46 -
UP[X.] Telekabel; [X.], Urteil vom 15. September 2016 -
[X.]-484/14, [X.], 1146
Rn. 83 = [X.], 1486

[X.]/McFadden).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs-gerichts ist der Konflikt zwischen grundrechtlich geschützten Positionen ver-schiedener Grundrechtsträger nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz zu lösen, der fordert, dass nicht eine der
widerstreitenden Rechtspositionen bevor-zugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren (vgl. [X.] 28, 243, 260 f.; 41, 29, 50; 52, 223, 247, 251; 93, 1, 21).
(2) Im Streitfall hat das Berufungsgericht die Reichweite der dem [X.] obliegenden sekundären Darlegungslast auch unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechtspositionen
im Ergebnis zutreffend bestimmt.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der [X.] vorge-tragen, seine Ehefrau habe über einen eigenen [X.]omputer Zugang zu seinem [X.]anschluss gehabt, ohne nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der [X.]nutzung durch seine Ehefrau mitzuteilen. Dies war allerdings auch nicht 24
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erforderlich. Weitergehende Nachprüfungen dahingehend, ob die Ehefrau hin-sichtlich der von der Klägerin behaupteten Zugriffszeiten oder wegen der Art der [X.]nutzung als Täterin der geltend gemachten Rechtsverletzung in [X.] kommt, waren dem [X.]n nicht zumutbar. Soweit die Revision darauf verweist, dass im Transportrecht dem Spediteur, der am Tage des Scha-denseintritts vom Schaden Kenntnis erlangt, die Pflicht zur sofortigen Recher-che und Aufklärung des Schadensereignisses obliegt (vgl. [X.], Urteil vom 8.
Mai 2002 -
I [X.], [X.] 2002, 408), verkennt sie, dass Handlungs-pflichten im kaufmännischen Verkehr nicht ohne weiteres auf das Verhalten von Privatleuten übertragbar sind. Es ist schon zweifelhaft, ob es dem Inhaber eines privaten [X.]anschlusses
generell zumutbar ist,
Zeit und Art der [X.]nut-zung rückwirkend aufzuzeichnen und zu dokumentieren, wenn in einer [X.] internetbezogene Urheberrechtsverletzungen behauptet werden. [X.] aber steht im Streitfall auch unter Berücksichtigung des für die Klägerin sprechenden Eigentumsschutzes (Art. 17 Abs. 2 [X.] und des Art. 14 Abs. 1 GG) der zugunsten des [X.]inhabers wirkende grund-rechtliche Schutz von Ehe und Familie (Art. 7 [X.] und Art. 6 Abs. 1 GG) der Annahme weitergehender Nachforschungs-
und Mitteilungs-pflichten entgegen.
Es ist
dem Inhaber eines privaten [X.]anschlusses
nicht zumutbar, die [X.]nutzung seines Ehegatten
einer Dokumentation zu unter-werfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu
können.
Ebenfalls unzumutbar ist es, dem [X.]inhaber die Untersu-chung des [X.]omputers seines Ehegatten im Hinblick auf die Existenz von [X.] abzuverlangen.
Soweit das Berufungsgericht eine Untersuchung des [X.]omputers generell nicht für erforderlich gehalten hat, stellt dies eine zu weitgehende Einschrän-kung der dem [X.]inhaber obliegenden Pflichten dar. Im Rahmen des Vortrags zu
Umständen, die seine eigene [X.]nutzung betreffen, kann der [X.]inhaber vielmehr auch zu der Angabe verpflichtet sein, ob auf dem 27
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-
von ihm genutzten [X.]omputer [X.] vorhanden ist (vgl. [X.], [X.], 191 Rn. 41 f. -
Tauschbörse III). Insoweit erweist sich das Urteil des Berufungsgerichts allerdings
aus anderen Gründen als richtig
(§ 561 ZPO), weil der [X.] nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hierzu vorge-tragen
und angegeben
hat, auf seinem [X.]omputer sei keine entsprechende Software vorhanden gewesen.
c) Ohne Erfolg greift die Revision die Beweiswürdigung des Berufungs-gerichts an.
aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, aufgrund der Bekundungen der als Zeugin vernommenen Ehefrau des [X.]n stehe fest, dass diese im Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzungen den [X.]anschluss des [X.] selbständig mitbenutzt habe. Die Aussage der Zeugin sei ersichtlich aufgrund eigener Erinnerung
erfolgt und insoweit glaubhaft. Der Beweis der Täterschaft des [X.]n sei der Klägerin aber nicht gelungen. Zwar habe die Zeugin angegeben, selbst keine [X.] benutzt und den streitge-genständlichen Film weder heruntergeladen noch anderen Nutzern über eine Tauschbörse zur Verfügung gestellt zu haben. Die Kammer sei jedoch nicht von der Wahrheit dieser Angaben überzeugt. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Ehefrau, wäre sie tatsächlich Täterin gewesen, die Rechtsverletzungen ein-geräumt hätte. Insoweit bestehe kein Anlass, den Angaben der Ehefrau mehr Glauben zu schenken als den Angaben des [X.]n, der seine Täterschaft ebenfalls in Abrede stelle. Der Kammer seien die Bekundungen des [X.]n, mit Filesharing nichts zu tun zu haben, durchaus nachvollziehbar und glaubhaft erschienen, so dass die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht hinreichend von der Täterschaft des [X.]n überzeugt sei.
bb) Ohne Erfolg rügt die Revision, die Beweiswürdigung des Berufungs-gerichts zur Frage, ob die Ehefrau den [X.]anschluss des [X.]n selb-28
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ständig mitbenutzt habe, sei mangels Ausführungen zur Glaubwürdigkeit der Zeugin rechtsfehlerhaft.
(1) Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnah-me nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für unwahr zu erachten ist. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters.
An dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht ge-mäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Dieses kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinanderge-setzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.;
vgl. [X.], Urteil vom 16. April 2013 -
VI [X.], [X.], 1045 Rn. 13; Urteil vom 11. November 2014 -
VI [X.], NJW 2015, 411 Rn. 13 mwN). Solche Fehler sind im Streitfall nicht gegeben.
(2) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht hin-reichend deutlich gemacht, aus welchen Gründen es die Angabe der Zeugin, den [X.]anschluss des [X.]n selbständig mitbenutzt zu haben, zur Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung gemacht hat. Das [X.] hat die Bekundungen der Zeugin zu ihrer [X.]nutzung als de-tailreich, nachvollziehbar und aufgrund eigener Erinnerung
charakterisiert und sie insgesamt als glaubhaft bewertet. Das Berufungsgericht hegte insoweit er-kennbar auch keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin. Diese tatrich-terliche Würdigung ist revisionsrechtlich einwandfrei. Sie ist auch nicht im [X.] darauf widersprüchlich, dass das Berufungsgericht sich von der Wahrheit der weiteren Bekundung der Zeugin, die behaupteten Rechtsverletzungen nicht begangen zu haben, nicht zu überzeugen vermochte. Das Berufungsgericht hat darauf verwiesen, es sei nicht zu erwarten gewesen, dass sich die Zeugin 31
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14
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selbst der Rechtsverletzungen bezichtige, wenn sie sie tatsächlich begangen haben sollte. Das Berufungsgericht hat in die Würdigung ferner die von ihm als nachvollziehbar und glaubhaft beurteilte
Einlassung
des [X.]n einbezogen, kein Filesharing betrieben zu haben, und diese für nicht weniger überzeu-gungskräftig gehalten als die Bekundungen der Zeugin. Das Berufungsgericht hat damit plausibel dargelegt, warum es die Zeugin nur teilweise als glaubwür-dig angesehen hat.
Soweit die Revision darauf verweist, die Zeugin könnte ihre [X.]nutzung wahrheitswidrig zu dem Zweck behauptet haben, um den [X.] vor einer Verurteilung zu schützen, setzt die Revision lediglich in revisi-onsrechtlich unbehelflicher Weise ihre eigene Würdigung an die Stelle der [X.].
Gleiches gilt für den Einwand der Revision, die Zeugin hätte sich vor einer Selbstbezichtigung auch durch die Ausübung ihres Zeug-nisverweigerungsrechts gemäß § 384 Nr. 2
ZPO schützen können.
cc) Die Revision rügt weiter ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als erwiesen erachtet hat, dass die Zeugin im behaupteten Tatzeitpunkt den [X.]anschluss des [X.]n selbständig mitbenutzt hat.
Die Zeugin hat, wie auch die Revision nicht verkennt, bekundet, im [X.] den [X.]omputer benutzt zu haben, um Videospiele zu spielen und ins [X.] zu gehen. Auf dieser Grundlage ist die Überzeugungsbildung des [X.] zum Zeitpunkt der [X.]nutzung durch die Zeugin [X.] einwandfrei.
Die Revision greift weiter erfolglos die Feststellung des Berufungsge-richts an, die Zeugin habe das [X.] selbständig genutzt. Nach der Würdi-gung des Berufungsgerichts hat die Zeugin Babykleidung bestellt, das [X.] Netzwerk "[X.]"
besucht und das Online-Spiel "[X.]"
gespielt. Diese Würdigung unterliegt keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Etwas [X.]s folgt -
entgegen der Auffassung der Revision -
nicht aus dem Umstand, 33
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dass die Zeugin ferner bekundet hat, sie und der [X.] seien "immer zu-sammen"
gewesen, wenn der [X.] zuhause gewesen sei. Diese Bekun-dung steht der Würdigung des Berufungsgerichts nicht entgegen, weil das Be-rufungsgericht erkennbar davon ausgegangen ist, dass die Zeugin das [X.] auch während der Abwesenheit des [X.]n benutzt hat.
Soweit die Revision dies anders sieht, handelt es sich wiederum um eine revisionsrechtlich [X.], abweichende Würdigung der tatrichterlichen Feststellungen.
5. Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der [X.] hafte we-der als Teilnehmer an einer rechtswidrigen Haupttat noch als Störer, wendet sich die Revision nicht.
6. Mangels einer Haftung des [X.]n als Täter, Teilnehmer oder Stö-rer besteht, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgesprochen hat, auch kein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten.
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II[X.] Danach ist die Revision auf Kosten der Klägerin zurückzuweisen.
Büscher
Koch
Löffler

[X.]
Feddersen
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.08.2014 -
117 [X.] 1049/14 -

LG [X.], Entscheidung vom 01.07.2015 -
9 [X.] (59) -

38

Meta

I ZR 154/15

06.10.2016

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.10.2016, Az. I ZR 154/15 (REWIS RS 2016, 4384)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4384

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10 C 102/20 (Amtsgericht Düsseldorf)


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