Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2017, Az. 5 StR 483/16

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 16078

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:070217U5STR483.16.0

Nachschlagewerk: ja

[X.]St : ja

Veröffentlichung : ja

StGB § 226 Abs. 1 Nr. 2

Für die Dauerhaftigkeit des Verlustes der Gebrauchsfähigkeit eines [X.]s kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob das Opfer eine ihm mögliche medizinische Behandlung nicht wahrgenommen hat.

[X.], Urteil vom 7. Februar 2017

5 StR 483/16

LG [X.]

[X.]:[X.]:[X.]:2017:070217U5STR483.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
5 StR 483/16

vom
7. Februar 2017
in der Strafsache
gegen

wegen schwerer Körperverletzung u.a.

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2
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Der 5.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 7. Febru-ar
2017, an der teilgenommen haben:
[X.] Dr. [X.]

als Vorsitzender,

Richterin Dr. [X.],
[X.],
[X.] Dr. König,
[X.] Berger

als [X.],

Oberstaatsanwältin beim [X.]

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt H.

als Verteidiger,

Rechtsanwalt B.

als Vertreter des [X.],

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:

1.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landge-richts [X.] vom 9. Juni 2016 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen [X.] zu tragen.
2.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das [X.] im Strafausspruch mit den zugehörigen [X.] aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine allgemeine Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

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Von Rechts wegen
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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung von [X.] aus amtsgerichtlichen Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei 1
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Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Der Angeklagte revidiert mit der Sachrüge gegen die Verurteilung; seine Revision ist unbegründet. Die zu Lasten des Angeklagten eingelegte, ebenfalls auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom [X.] vertreten wird, ist demgegenüber innerhalb ihrer Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch erfolgreich.
I.
1. Das [X.] hat festgestellt:
Der Angeklagte und der Nebenkläger bewohnten gemeinsam [X.] in einem Asylbewerberheim. Das Verhältnis zwischen ihnen verschlechterte sich, weil der Angeklagte während einer Haftzeit des [X.] dessen am 6. Juni 2013 aus [X.] aus, stellte den Angeklagten jedoch bei [X.] immer wieder in aggressiver Weise zur Rede.
Am 26. Juni 2013 begab sich der Nebenkläger abends mit einem Be-kannten in das Asylbewerberheim zum [X.] des Angeklagten, wo sich die-ser mit seinem neuen Mitbewohner aufhielt. Der Nebenkläger wollte ein ihm gehörendes Antennenkabel mitnehmen, als der Angeklagte gerade fernsah.

schlug er ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. Daraufhin hieb der Angeklagte dem Nebenkläger eine Fernbedienung kräftig auf den Mund. Der Begleiter des [X.] und der Mitbewohner des Angeklagten trennten die Streitenden. Während sich der Nebenkläger auf den Gang vor [X.] begab, ergriff der Angeklagte ein Küchenmesser. Er folgte dem Nebenkläger und schlug mit 2
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dem Messer mehrere Male in Richtung seines Kopfes und Halses. Dieser hob zur Abwehr seine Hände und wurde dort durch das Messer getroffen. Er zog sich während des Angriffs in die Gemeinschaftsküche der Etage zurück. Als er enug, willst du aufhören oder [X.] die Küche verlassen konnte.
Durch den Schlag mit der Fernbedienung erlitt der Nebenkläger einen Bruch des Oberkiefers mit Lockerung mehrerer Zähne sowie Verlust zweier weiterer Zähne im Frontbereich des Unterkiefers. Aufgrund der Messerhiebe kam es unter anderem zu Schnittverletzungen an seiner linken Hand mit Durch-trennungen aller Beugesehnen von vier Fingern einschließlich der Nerven
und zu einer potentiell lebensgefährlichen Schlagaderverletzung. Der Nebenkläger musste sich einer Notoperation unterziehen. Wegen der Verletzungen ist ihm ein Faustschluss der linken Hand unmöglich, ebenso ein vollständiges Strecken der betroffenen Finger. Bei Kälte sowie bei schnellen Greifbewegungen und beim Tragen von schwereren Lasten leidet er unter stromstoßartigen Schmer-zen des linken Arms. Nach den im Urteil wiedergegebenen Ausführungen des medizinischen Sachverständigen, die das [X.] den Feststellungen zu-grunde gelegt hat, ist die linke Hand weitgehend gebrauchsunfähig. Eine we-sentliche Besserung ist nicht mehr zu erwarten. Allerdings sind die Bew[X.] der Finger zu einem Teil darauf zurückzuführen, dass er auf die erforderliche Nachsorge seiner Verletzungen verzichtete. Die neuro-
und handchirurgischen Konsultationen, die nach Auffassung des Erstoperateurs erfolgen sollten, hat er ebenso wenig durchführen lassen wie die angeratene
n-schränkung der Bewegungsmöglichkeit deutlich geringer gewesen ([X.]).
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2. Das [X.] hat eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen schwe-rer Körperverletzung (§ 226 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB) in Tateinheit mit gefährli-cher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) angenommen, da der Nebenkläger die Finger der linken Hand dauernd nicht mehr gebrauchen könne. Bei der Strafzumessung hat es einen minder schweren Fall der schweren Kör-perverletzung gemäß § 226 Abs. 3 StGB bejaht, weil die Tat durch eine Provo-kation vonseiten des [X.] veranlasst worden sei. Aus demselben Grund ist es auch von einem minder schweren Fall der gefährlichen Körperver-letzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Alt. 2 StGB ausgegangen.
Bei der konkreten Strafzumessung hat die [X.] zu-
gewertet, dass die Tat lange zurückliege. Als strafschärfend hat sie gewürdigt, dass der Nebenkläger seinen Beruf als Friseur nicht mehr ausüben könne. Da-konkreten Ausprägung zu einem Teil auf die mangelnde Mitwirkung des [X.] und PhysiotheraS.
21 f.).
II.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
1. Die Feststellungen rechtfertigen die Anwendung des § 226 Abs. 1 Nr.
2 Alt. 2 StGB.
a) Für die Beurteilung, ob ein wichtiges Glied im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht mehr gebraucht werden kann, ist im Wege einer wertenden 6
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Gesamtbetrachtung zu ermitteln, ob die vorsätzliche Körperverletzung den [X.] so vieler Funktionen verursacht hat, dass das [X.] weitgehend [X.] geworden ist und von daher die wesentlichen faktischen Wirkungen denjenigen eines physischen Verlusts entsprechen; ein völliger Funktionsverlust des betroffenen [X.]s ist nicht erforderlich (vgl. [X.], Urteile vom 15.
März 2007

4
StR 522/06, [X.]St 51, 252, 257; vom 6. November 2008

4 [X.] Rn. 9; Beschluss vom 15. Januar 2014

4 StR 509/13, NStZ
2014, 213, jeweils mwN). Nach diesen Maßgaben ist gegen die Auffas-sung des [X.], die weitgehende Unbrauchbarkeit nicht nur der be-troffenen Finger, sondern der gesamten linken Hand des [X.] unter-falle § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB, rechtlich nichts zu erinnern.
b) Unzweifelhaft hat sich, was bei § 226 StGB wie im Rahmen des § 227 StGB erforderlich ist (vgl. [X.]/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 226 Rn. 1), in der schweren Folge die den Schlägen mit dem Messer innewohnende Gefahr ver-wirklicht. Für deren Vorhersehbarkeit ist auf die konkrete Lage sowie die per-sönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des [X.] abzustellen; lag der Erfolg aus dieser Sicht außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit, kann er dem Täter nicht zugerechnet werden (vgl. jeweils zu § 227 StGB, [X.], Urteile vom 16.
März 2006

4 [X.], [X.]St 51, 18, 21; vom 20. Juni 2012

5 StR 536/11, [X.], 2453 mwN).

Daran gemessen konnte der Angeklagte den Eintritt der qualifizierenden Folge absehen. Die Gefahr, dass sich der Nebenkläger gegen die auf Hals und Kopf gerichteten heftigen Messerschläge mit den Händen schützen und hieran schwerwiegende Verletzungen erleiden würde, war für ihn offensichtlich. An der [X.] durch den Verzicht des [X.] auf Nachbehand-11
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lungen nichts zu ändern. Denn ein aus ärztlicher Sicht womöglich unvernünfti-ges Verhalten eines Geschädigten nach gravierender Verletzung liegt

zumal angesichts der dem Angeklagten bekannten [X.] Lebensumstände des [X.]

nicht außerhalb jeder Erfahrung (vgl. zur Körperverletzung mit Todesfolge [X.], Urteil vom 9. März 1994

3 [X.], [X.], 394; [X.] vom 8. März 2000

3 StR 69/00).
c) Nicht geprüft hat das [X.], ob es aus dem vorgenannten Grund etwa am Zurechnungszusammenhang in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal rauchsunfähigkeit fehlen könnte. Darin ist indessen entge-gen der Auffassung des [X.]s kein Rechtsfehler zu erblicken.
aa) Allerdings wird im Schrifttum die Meinung vertreten, dass die [X.] dem Täter nicht zugerech-net werden kann, wenn deren Beseitigung oder Abmilderung dem Opfer mach-bar und zumutbar gewesen wäre (eingehend [X.]/Hardtung, 2. Aufl., §
226 Rn. 42; siehe
auch [X.]/[X.] in [X.]/[X.], StGB, 29.
Aufl., §
226 Rn. 5; LK-StGB/Hirsch, 11. Aufl., § 226 Rn. 17). Als Kriterien der [X.] wertenden Abwägung werden dabei namentlich die Erfolgs-aussicht von (Folge-)[X.]en und die damit verbundenen Risiken genannt; gegen die Zumutbarkeit könne es sprechen, wenn dem Opfer eine Finanzierung der erforderlichen ärztlichen Maßnahmen auch mit materieller Unterstützung Dritter nicht möglich sei (vgl. [X.]/Hardtung, aaO; insoweit kritisch
[X.]/[X.], aaO, § 226 Rn. 1a).
bb) Der Senat vermag dieser Ansicht nicht zu folgen. Er sieht sich dabei in grundsätzlicher Übereinstimmung mit bisheriger Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.], Urteile vom 2. März 1962

4 StR 536/61,
[X.]St 17, 161, 164 f.; vom 8. November 1966

1 [X.], NJW 1967, 297, 13
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298; offen gelassen im Urteil vom 29. Februar 1972

5 StR 400/71, [X.]St 24, 315, 318; siehe aber auch

nicht tragend

[X.], Beschluss vom 8. Juli 2008

3
StR 190/08, [X.], 92, 93 [zu § 227 StGB]).
(1) Die erhöhte Strafdrohung des § 226 StGB ist an das Ausmaß der vom Täter schuldhaft hervorgerufenen Rechtsgutsverletzung geknüpft. Für [X.] Beurteilung ist im Grundsatz der Zeitpunkt des Urteils maßgebend ([X.]/[X.], aaO, § 226 Rn. 5). Die dem Angeklagten vorherseh-bare Dauerhaftigkeit des Funktionsverlusts der linken Hand des [X.] beruht vorliegend auf der Verletzungshandlung des Angeklagten, der ihm mit seinem Messerangriff die Beugesehnen und die Nerven von vier Fingern [X.] hat. Die Körperverletzung muss nicht die ausschließliche Ursache des nicht wiedergutzumachenden Schadens sein (vgl. [X.], 80). Danach ist der Tatbestand des § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB vollständig verwirklicht.
(2) Dass der Verletzte eine medizinische Behandlung zur Beseitigung oder Abmilderung der eingetretenen Beeinträchtigungen unterlässt, kann nicht dazu führen, diese vom Täter herbeigeführte gravierende Folge als Gradmesser seiner Strafwürdigkeit auszugrenzen (vgl. [X.], Urteil vom 2. März 1962

4 StR 536/61, aaO). Das im Anwendungsbereich des § 226 StGB ohnehin stets außerordentlich schwer getroffene Opfer wird

hier nicht gegebene
extrem gelagerte Konstellationen etwa der Böswilligkeit ausgenommen

in aller Regel aus [X.]icht nicht zu hinterfragende Gründe haben, weitere Behand-lungen nicht auf sich zu nehmen, selbst wenn diese nach ärztlicher Beurteilung sinnvoll wären. Zu nennen ist insbesondere die Furcht vor den mit jeder
(Folge-)[X.] verbundenen Risiken und Leiden oder auch nur vor schmerzhaften Nachbehandlungen. Es würde jeglichem Gerechtigkeitsempfin-den widersprechen, über den Gedanken der Zurechnung eine Art Obliegenheit 16
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des Opfers zu konstruieren, sich ungeachtet dessen aus übergeordneter Sicht -)[X.]en und anderen beschwerlichen Heilmaßnah-men zu unterziehen, um dem Täter eine höhere Strafe zu ersparen (vgl. auch [X.], aaO; [X.], 80). Darüber hinaus würde dem irreversibel geschädigten Opfer gegebenenfalls durch Gerichtsurteil bescheinigt, es sei gar nicht auf Dauer beeinträchtigt (vgl. [X.]/[X.], aaO, § 226 Rn. 1a).
(3) Hinzu kommt, dass die durch das Schrifttum angeführten Kriterien für [X.]/Hardtung, aaO). Dementsprechend ist kein überzeugender rechtli-cher Maßstab vorhanden, anhand dessen Risiken und Qualen sowie sonstige n-ten. Es kann in diesem Rahmen auch nicht Aufgabe der Strafjustiz sein, die ihrerseits zumeist durch viele Faktoren bedingten Motive zu bewerten, die ein Opfer von der Durchführung einer weiteren medizinischen Behandlung abgehal-ten haben. Der Senat hatte mehrfach über Fälle zu entscheiden, in denen Schwerstverletzte im Zeitpunkt der Hauptverhandlung bereits eine
Vielzahl von [X.]en über sich hatten ergehen lassen müssen. Es ist nicht ersichtlich, dem hiervon erschöpften Opfer noch eine weitere [X.] aufzugeben gewe-sen wäre, weil
sie dessen Zustand nach sachverständiger Beurteilung so weit verbessert hätte, dass der von § 226 Abs. 1 StGB geforderte Schweregrad ge-rade nicht mehr erreicht wäre. Stellt man im Rahmen der [X.] ferner auf die Finanzierbarkeit der dem
Opfer angesonnenen [X.] eigener Mittel vor (so [X.]/Hardtung, aaO), wäre die Entschei-dung endgültig dem Zufall preisgegeben (vgl. auch [X.], Urteil vom
2. März 1962

4 StR 536/61, aaO). Die im Schrifttum befürwortete Anschauung 18
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ist danach geeignet, die Bestimmtheit der Strafdrohung (Art. 103 Abs. 2 GG, §§
1, 2 StGB) durchgreifend in Frage zu stellen.
2. Die tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung kann bestehen bleiben. Der Angeklagte hat eine schwere Körperverletzung (§
226 Abs. 1 Nr. 2 StGB) sowie eine gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) begangen. Zumindest in dieser Begehungsform steht die gefährliche Körperverletzung zur schweren Körperverletzung in Tateinheit, denn die schwere Folge des § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB wird weder notwendig noch regelmäßig durch eine das Le-ben (abstrakt) gefährdende Handlung bewirkt ([X.], Beschluss vom 21. Okto-ber 2008

3 [X.], [X.]St 53, 23, 24).
3. Die Strafzumessung lässt keinen Rechtsfehler zulasten des [X.] Folge durch den Nebenkläger strafmildernd in die Abwägung einge-stellt.
III.
Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des Straf-ausspruchs. Die von der [X.] vorgenommene Strafzumes-sung weist bereits bei der [X.] einen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
Die [X.] hat die Annahme eines minder schweren Falls der schweren und der gefährlichen Körperverletzung unter Hinweis auf die vom Nebenkläger vor der Tat ausgehende Provokation begründet und sich da-bei der Sache nach zutreffend auf Rechtsprechung des [X.] 19
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gestützt. Danach ist ein minder schwerer Fall der schweren und gefährlichen Körperverletzung regelmäßig anzunehmen, wenn der Angeklagte zu der Tat durch eine grundlose schwerwiegende Provokation veranlasst worden ist, die im
Falle der Annahme eines (versuchten) Totschlags zwingend zu einer Straf-rahmenmilderung nach § 213 Alt. 1 StGB hätte führen müssen ([X.], [X.] vom 10. August 2004

3 [X.], [X.], 654; Urteil vom 17.
März 2011

5 StR 4/11, [X.], 24, jeweils mwN).
Jedoch ergibt sich der für den Tatbestand § 213 Alt. 1 StGB erforderliche [X.] nicht. Danach war der Angeklagte, der vom Nebenkläger immer wieder wegen des Vorfalls a
r-folgte den bereits erheblich verletzten Nebenkläger, der im Zeitpunkt des [X.] schon gewichen war und das [X.] des Angeklagten verlassen hatte. Das legt nahe, dass einem Zorn des Angeklagten über die Beleidigung oder die ihm zugefügte körperliche Misshandlung keine tatauslösende Bedeu-tung mindestens in Bezug auf die Schläge mit dem Messer zugekommen ist (hierzu LK-StGB/Jähnke, aaO, § 213 Rn. 11 mwN). Weil sich das [X.] hiermit nicht erkennbar befasst hat, begegnet die Wahl des Strafrahmens durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Damit ist dem gesamten Straf-ausspruch die Grundlage entzogen.
IV.
1. Die Sache bedarf
daher zum Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung. Da ein Tötungsdelikt gemäß § 74 Abs. 2 [X.] nicht mehr inmit-ten steht, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer zu-rück.
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2. Für die durchzuführende Hauptverhandlung ist auf Folgendes hinzu-weisen:
a) Sollte das neue Tatgericht abermals zur Annahme des § 213 Alt. 1 StGB gelangen, so würde eine nochmalige strafmildernde Berücksichtigung der Provokation des [X.] ausscheiden. Zwar können und müssen die nach Art und Maß unterschiedlichen konkreten Umstände, die zu einer [X.] des Strafrahmens geführt haben, mit ihrem verbleibenden Gewicht bei der Strafhöhenbemessung berücksichtigt werden
(vgl. [X.], Urteil vom 21. Ju-li
1984

1 StR 330/84, [X.], 548; Beschlüsse vom
24. März 1976

2 [X.], [X.]St 26, 311, 312; vom 8. April 1987

2 [X.]; vom 9.
Dezember 1992

2 StR 535/92, [X.]R StGB § 50 Strafhöhenbemessung 2 und 5). Der die Milderung des Strafrahmens bewirkende Grund als solcher scheidet allerdings insoweit aus ([X.], Beschluss vom 27. Juli 1987

3 [X.]; Urteil vom 6. September 1989

2 [X.], [X.]R StGB §
46 Abs. 2 Gesamtbewertung 2 und 5).
b) Den Feststellungen des angefochtenen Urteils lassen sich keine Hin-weise auf ein von der Schwurgerie-t-nehmen.
c) Bei der Bildung der Gesamtstrafe wird auch die vom [X.] im Urteil vom 20. November 2014 verhängte [X.] für die Tat vom 19. November 2012 einzubeziehen sein. Denn die vorliegend zu beur-teilende Tat wurde

was entgegen der Sichtweise des [X.] ([X.]) allein maßgebend ist

vor dem 20. November 2014 begangen. Den früheren Urteilen der Amtsgerichte [X.] und [X.] kommt dabei wegen deren vollständiger Erledigung keine Zäsurwirkung (mehr) zu (vgl. Schä-25
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fer/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1247; [X.] NStZ 2016, 584, 588).

[X.]

[X.] [X.]

König Berger

Meta

5 StR 483/16

07.02.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2017, Az. 5 StR 483/16 (REWIS RS 2017, 16078)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16078

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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