Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2020, Az. 5 StR 580/19

5. Strafsenat | REWIS RS 2020, 11838

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:200220B5STR580.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS

5 StR 580/19

vom
20. Februar 2020
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat
auf Antrag des [X.] und nach Anhörung der
Beschwerdeführerin am 20. Februar 2020 ge-mäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:

Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6.
Juni 2019 wird als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwen-digen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte unter anderem wegen mehrfachen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes, in einem Fall in Tateinheit mit
sexuellem Übergriff, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision der Angeklagten ist unbegründet.
Auch die Verurteilung wegen sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB im Fall 13 der Urteilsgründe begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
1. Nach den Feststellungen filmte die Angeklagte zunächst den unbe-kleideten Genitalbereich ihrer schlafenden Tochter. Anschließend führte sie un-ter anderem einen Finger zwischen die Schamlippen des Kindes
und führte ihre 1
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Zunge über deren Klitoris. Ausweislich ihrer Einlassung wusste die Angeklagte, dass die sexuellen Handlungen nicht dem Willen ihrer Tochter entsprachen.
2. Danach hat die Angeklagte den Straftatbestand des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht. Insbesondere hat sie ausgenutzt, dass ihre Tochter nicht in der Lage war, einen den sexuellen Handlungen der Angeklagten entgegenste-henden Willen zu bilden oder zu äußern (vgl. zum Schlaf als einen die [X.] ausschließenden Zustand [X.], Urteil vom 24. September 1991

5 StR 364/91, [X.]St 38, 68, 71, zu § 179 StGB aF; [X.], StGB, 67. Aufl., §
177 Rn. 22; [X.], StGB, 4. Aufl., § 177 Rn. 33).
Im Zentrum des reformierten Sexualstrafrechts steht die sexuelle Selbst-bestimmung. [X.] ist mithin schon die bloße Verletzung des Willens des Opfers (vgl. BT-Drucks. 18/9097, [X.]). § 177 Abs. 1 StGB stellt deshalb allein die Missachtung eines dem sexuellen Ansinnen erkennbar entgegenste-henden Willens des Opfers unter Strafe. Dieser Willensmissachtung stellt § 177 Abs. 2 StGB verschiedene Situationen gleich, in denen es für die von den se-xuellen Handlungen betroffene Person nicht möglich oder zumutbar ist, einen ablehnenden Willen zu bilden oder zu äußern (vgl. [X.]/[X.], KriPoZ 2018, 156). Dies wiederum bildet den Bezugspunkt für das Ausnutzen im Sinne des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB (vgl. auch [X.]/[X.], StGB, 9. Aufl., § 177 Rn. 22). Der Täter nutzt die Unfähigkeit des Opfers zur Willensbildung oder -äußerung deshalb schon dann aus, wenn er diesen Zustand bewusst als Gele-genheit begreift, in der er eine Auseinandersetzung mit einem stets möglichen, seinem sexuellen Ansinnen entgegenstehenden Willen der betroffenen Person in der konkreten Situation vermeiden kann (vgl. auch BT-Drucks. 18/9097, S. 23; [X.]/[X.], aaO; [X.]/Schröder-Eisele, StGB, 30. Aufl., § 177 Rn. 30; [X.], StGB, 3. Aufl., § 177 Rn. 65). Dagegen ist oh-4
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ne Belang, ob der Täter es bei den sexuellen Handlungen für möglich hält, dass
diese ohne das Willensdefizit unterblieben oder zurückgewiesen worden wären oder mit Nötigungsmitteln hätten erzwungen werden müssen (so indes [X.], aaO, Rn. 37). § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB knüpft auch in subjektiver Hin-sicht nicht an einen fiktiven Willen oder eine fiktive Willensäußerung des Opfers an, sondern an das

zustandsbedingte

tatsächliche Fehlen einer entspre-chenden Willensbildung und/oder -äußerung. Etwas anderes kann im Einzelfall daher etwa gelten, wenn das Opfer vor Eintritt des [X.] eine auch für diesen (fort-) geltende defektfreie Einverständniserklärung abgegeben hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. Juni 2008

3 [X.], [X.], 90; vom 8. Januar 2014

3 [X.], [X.], 108, 109, jeweils zu § 179 StGB aF;
siehe auch § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB). Ein solcher Ausnahmefall liegt indes hier nicht vor.
Mutzbauer

Cirener

Köhler

Resch

von Häfen

Vorinstanz:
[X.], [X.], [X.] -
914 Js 67040/18 62 KLs

Meta

5 StR 580/19

20.02.2020

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2020, Az. 5 StR 580/19 (REWIS RS 2020, 11838)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11838

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5 StR 580/19

3 StR 416/13

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