Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.01.2022, Az. 4 B 35/21

4. Senat | REWIS RS 2022, 2219

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Faktisches Dorfgebiet (Verkehrslärmbelastung)


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2021 ergangenen Urteil des [X.] wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO gestützte [X.]eschwerde bleibt erfolglos. Sie ist unbegründet.

2

I. 1. Die [X.]eschwerde möchte der Sache nach rechtsgrundsätzlich klären lassen,

ob bei der [X.]eurteilung der näheren Umgebung eines Vorhabens als faktisches Dorfgebiet (§ 34 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 5 [X.]) ein an diese Umgebung grenzender, wesentlich störender Gewerbebetrieb außer [X.] gelassen werden kann, dessen An- und Abfahrtsverkehr mit schwerem LKW durch die nähere Umgebung des Vorhabens abgewickelt wird und diese daher beeinflusst.

3

Diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]E 13, 90 <91> und vom 14. Oktober 2019 - 4 [X.] - [X.] 406.11 § 34 [X.] Nr. 225 Rn. 4).

4

a) Die von der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil ihre Entscheidungserheblichkeit nicht feststeht. Nach der tatrichterlichen Würdigung gehört die westlich der [X.]ahnlinie gelegene [X.]ebauung, insbesondere die Ziegelei, nicht zur näheren Umgebung des klägerischen Vorhabens ([X.] Rn. 30). Der Verwaltungsgerichtshof hat diese [X.]ebauung nicht weiter betrachtet und keine Feststellungen zum An- und Abfahrtsverkehr getroffen. Es liegen auch nicht die Voraussetzungen vor, unter denen die Revision zuzulassen ist, obwohl die Entscheidungserheblichkeit einer als grundsätzlich aufgeworfenen Rechtsfrage nicht feststeht (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 17. März 2000 - 8 [X.] 287.99 - [X.]E 111, 61 <62> und vom 21. Januar 2016 - 4 [X.] 36.15 - juris Rn. 13).

5

b) Unabhängig davon führt die Frage nicht zur Zulassung der Revision. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der [X.]augebiete, die in der [X.] bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 34 Abs. 2 Halbs. 1 [X.] nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem [X.]augebiet allgemein zulässig wäre.

6

aa) Wie der Umgriff der näheren Umgebung zu bestimmen ist, ist rechtsgrundsätzlich geklärt. [X.] ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den [X.] Charakter des [X.]augrundstücks prägt oder doch beeinflusst ([X.], Urteile vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 - [X.]E 55, 369 <380> und vom 6. Juni 2019 - 4 C 10.18 - [X.] 406.11 § 34 [X.] Nr. 224 Rn. 11). Dabei ist die nähere Umgebung für die in § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.] bezeichneten Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen ([X.], [X.]eschluss vom 13. Mai 2014 - 4 [X.] 38.13 - [X.] 406.11 § 34 [X.] Nr. 217 Rn. 7). Die wechselseitige Prägung ergibt sich aus den in § 34 Abs. 1 [X.] genannten städtebaulichen Merkmalen. [X.]ei der Anwendung des § 34 Abs. 2 [X.] ist die nähere Umgebung der Umgriff, der hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.] maßgeblich ist ([X.], [X.]eschluss vom 14. Oktober 2019 - 4 [X.] - [X.] 406.11 § 34 [X.] Nr. 225 Rn. 7 f.). Dass eine bestimmte bauliche Nutzung An- und Abfahrtsverkehr in der - nach städtebaulichen Maßstäben bereits abgegrenzten (vgl. [X.] Rn. 30) - näheren Umgebung auslöst, führt daher nicht dazu, dass der Umgriff der näheren Umgebung sich auf diese Nutzung erstrecken müsste ([X.]/[X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 15. Aufl. 2022, § 34 Rn. 21; vgl. ebenso [X.], [X.]eschluss vom 14. Oktober 2019 - 4 [X.] - ebd. zu den Fernwirkungen eines Lebensmittelmarktes).

7

bb) Die Frage führt auch nicht zur Zulassung der Revision, wenn sie auf die Würdigung der näheren Umgebung als faktisches Dorfgebiet zielte. [X.] für § 34 Abs. 2 [X.] ist die in der in der näheren Umgebung vorhandene Art der baulichen Nutzung. Die [X.] durch die Nutzung einer öffentlichen Straße ist nicht geeignet, die Zuordnung eines Gebiets zu einem faktischen [X.]augebiet entfallen zu lassen, weil sie nicht die Art der baulichen Nutzung betrifft ([X.], Urteil vom 2. November 2016 - 5 S 2291/15 - [X.]auR 2017, 220 <223>; [X.], [X.]eschluss vom 27. Juni 2002 - 1 A 11669/99 - [X.]auR 2003, 368 = juris Rn. 48; [X.], [X.]eschluss vom 5. November 2013 - 2 [X.] 1010/13 - [X.]auR 2014, 834 <836>; [X.], [X.] 2021, 611 <619>; [X.]/[X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 15. Aufl. 2022, § 34 Rn. 60; [X.], in: [X.], [X.], 9. Aufl. 2019, § 34 Rn. 81; für die Abgrenzung des [X.] ebenso [X.], Urteil vom 12. Dezember 1990 - 4 C 40.87 - [X.] 406.11 § 34 [X.] Nr. 138 S. 54 f.).

8

2. Die [X.]eschwerde rügt in diesem Zusammenhang als Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO und damit als Verfahrensfehler nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, dass der Verwaltungsgerichtshof das Ausmaß des Straßenverkehrslärms nicht weiter ermittelt habe. Dies bleibt erfolglos. Denn nach der insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs (stRspr, vgl. [X.], Urteil vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - [X.]E 106, 115 <119> und [X.]eschluss vom 13. Mai 2014 - 4 [X.] 38.13 - NVwZ 2014, 1246 Rn. 27) kam es darauf nicht an.

9

II. Die weiteren von der [X.]eschwerde aufgeworfenen Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung. Insoweit verfehlt die [X.]eschwerde die Anforderungen an die Darlegung aus § 133 Abs. 3 Satz 3 [X.].

Die [X.]eschwerde beschränkt sich im [X.] darauf, ihre Kritik an der Rechtsanwendung im Einzelfall in Frageform zu kleiden. Die Darlegungen zeigen aber nicht auf, warum der vom Verwaltungsgerichtshof angelegte Maßstab einer für ein faktisches Dorfgebiet typischen Durchmischung von Wohnnutzung, gewerblicher sowie landwirtschaftlicher Nutzung ([X.] Rn. 31) grundsätzlichen Klärungsbedarf auslösen könnte. Dieser Maßstab entspricht dem Charakter des Dorfgebiets als ländliches Mischgebiet, das jedenfalls auch Gebäude land- und forstwirtschaftlicher [X.]etriebsstellen umfassen muss ([X.], Urteile vom 23. April 2009 - 4 CN 5.07 - [X.]E 133, 377 Rn. 10 und vom 6. Juni 2019 - 4 C 10.18 - [X.] 406.11 § 34 [X.] Nr. 224 Rn. 21).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

4 B 35/21

04.01.2022

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 27. September 2021, Az: 15 B 20.828, Urteil

§ 34 Abs 2 BauGB, § 5 BauNVO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.01.2022, Az. 4 B 35/21 (REWIS RS 2022, 2219)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2219

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 B 27/19 (Bundesverwaltungsgericht)

Zulässigkeit eines Lebensmittelmarktes in einem faktischen Mischgebiet


4 C 10/18 (Bundesverwaltungsgericht)

Nachbarschutz im faktischen Dorfgebiet


4 C 7/15 (Bundesverwaltungsgericht)

Einfügen in die nähere Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung


4 C 3/21 (Bundesverwaltungsgericht)

Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen im Dorfgebiet


4 B 38/13 (Bundesverwaltungsgericht)

Bestimmung des Begriffs "nähere Umgebung" für die Kriterien in § 34 Abs. 1 Satz 1 …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.