Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.07.2013, Az. B 1 KR 123/12 B

1. Senat | REWIS RS 2013, 4159

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Berufung auf Verfassungswidrigkeit der höchstrichterlichen Auslegung einer Vorschrift (hier Art 2 Abs 2 GG) - Darlegung der Gründe - Krankenversicherung - Voraussetzungen für grundrechtsorientierte Leistungserweiterung)


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 10. September 2012 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren, die Kosten für das von ihr in der [X.] von Dezember 2007 bis Februar 2009 selbst beschaffte Arzneimittel [X.] in Höhe von 6700 Euro erstattet zu bekommen, bei der [X.] und in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das [X.] hat zur Begründung ua ausgeführt, ein Sachleistungsanspruch sei nicht gegeben. Die Voraussetzungen einer zulassungsüberschreitenden Anwendung des - zwischenzeitlich nicht mehr produzierten - Arzneimittels [X.] bei Multipler Sklerose ([X.]) seien ebenso wenig gegeben wie die einer grundrechtsorientierten Leistungserweiterung. Für das im betroffenen [X.]raum privatärztlich verordnete [X.] lasse sich ein Kostenerstattungsanspruch auch nicht aus dem Umstand früherer Kostenübernahmen auf der Grundlage von Kassenrezepten ableiten (Beschluss vom 10.9.2012).

2

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.].

3

II. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 S[X.] iVm § 169 [X.] S[X.] zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 [X.] S[X.] abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten [X.] nach § 160 Abs 2 [X.] S[X.].

4

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] S[X.]) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB [X.]-1500 § 160a Nr 21 [X.]8; [X.]-4100 § 111 [X.] S 2 f; s auch [X.]-2500 § 240 [X.] f mwN; [X.] Beschluss vom 19.9.2007 - [X.] KR 52/07 B - Juris Rd[X.] ). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

5

Die Klägerin formuliert als Rechtsfrage:

        

"Hat ein Versicherter Anspruch auf Leistungen außerhalb des Leistungskataloges der [X.], wenn diese der Vermeidung einer notstandsähnlichen Situation und/oder gravierenden Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit dienen?"

6

Der erkennende Senat lässt es offen, ob die Klägerin damit eine Rechtsfrage klar formuliert. Sie zeigt jedenfalls den Klärungsbedarf nicht hinreichend auf. Wer sich auf die Verfassungswidrigkeit (hier: Verstoß gegen den Schutz der Gesundheit durch Art 2 Abs 2 [X.]) der höchstrichterlichen Auslegung einer Vorschrift beruft, wie es hier die Klägerin im [X.] macht, darf sich nicht auf die Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des [X.] und des [X.] darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des [X.] dargelegt werden (vgl [X.] vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - [X.]E 40, 158 = [X.] 1500 § 160a [X.]1 und [X.] vom 20.7.2010 - [X.] KR 10/10 B - Juris RdNr 6; [X.] Beschluss vom 5.12.2012 - [X.] KR 14/12 B - NZS 2013, 318, Juris Rd[X.] mwN). Die Klägerin zeigt schon den Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen nicht auf und erörtert nicht die Sachgründe ihrer Ausgestaltung. Sie setzt sich auch nicht näher mit der Rechtsprechung des [X.] auseinander. Nicht nur das [X.] beantwortet die aufgeworfene Rechtsfrage im [X.] an die Rechtsprechung des [X.] ([X.]E 115, 25 = [X.] 4-2500 § 27 [X.]) in ständiger Rechtsprechung dahingehend, dass für die grundrechtsorientierte Leistungserweiterung eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegen muss (vgl [X.]E 96, 153 = [X.] 4-2500 § 27 [X.], RdNr 31-32 - D-Ribose; [X.]E 96, 170 = [X.] 4-2500 § 31 [X.], RdNr 23 - Tomudex; [X.] [X.] 4-2500 § 31 [X.] Rd[X.]6 mwN - Mnesis/[X.]; [X.]E 100, 103 = [X.] 4-2500 § 31 [X.], RdNr 32 - "[X.] Öl"; [X.] [X.] 4-2500 § 31 [X.]5 Rd[X.]5 f mwN - ADHS/Methylphenidat; [X.]E 109, 212 = [X.] 4-2500 § 31 [X.]9 RdNr 23 - [X.]/A; zur zulassungsüberschreitenden Anwendung des Immunglobulins [X.] bei [X.] insbesondere [X.] [X.] 4-2500 § 13 [X.]6 RdNr 29 ff). Diese Rechtsprechung zur Versorgung mit Arzneimitteln hat das [X.] vielmehr bestätigt (vgl zB [X.] [X.] 4-2500 § 31 [X.]7, zur Versorgung mit Immunglobulinen bei [X.]). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann zwar dennoch klärungsbedürftig sein, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB [X.] [X.] 1500 § 160a [X.]3 S 19 mwN; [X.] Beschluss vom [X.] KR 47/11 B - Juris Rd[X.]; [X.] Beschluss vom 5.2.2013 - [X.] KR 72/12 B - Rd[X.]), was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zB [X.] Beschluss vom 22.12.2010 - [X.] KR 100/10 B - Juris Rd[X.]; [X.] Beschluss vom 19.7.2012 - [X.] KR 65/11 B - Juris Rd[X.], zur [X.] vorgesehen in [X.]). Daran fehlt es aber hier im erforderlichen Umfang. Denn die Beschwerdebegründung verweist lediglich auf eine Eilentscheidung des [X.] Niedersachsen-Bremen vom 7.3.2011 - L 4 KR 48/11 B ER -, ohne sich näher mit den einschlägigen einfachgesetzlichen Normen und der Rechtsprechung des [X.] zu beschäftigen.

7

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 S[X.].

Meta

B 1 KR 123/12 B

12.07.2013

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG München, 3. Februar 2011, Az: S 2 KR 452/08, Urteil

Art 2 Abs 2 S 1 GG, § 27 Abs 1 SGB 5, § 31 Abs 1 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.07.2013, Az. B 1 KR 123/12 B (REWIS RS 2013, 4159)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4159

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