Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 28.06.2017, Az. 1 BvR 2324/16

1. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2017, 8901

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) VERWALTUNGSRECHT BELEIDIGUNG RECHTSANWÄLTE VERFASSUNGSBESCHWERDE MISSBRAUCHSGEBÜHR

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Gegenstand

Verhängung einer Missbrauchsgebühr unanfechtbar - Antrag auf "Aussetzung der Vollziehung", auszulegen als Antrag auf vorläufige Einstellung der Beitreibung (§ 8 Abs 1 S 3 JBeitrO iVm § 8 Abs 1 S 1 Alt 1 JBeitrO), mit Verwerfung der Erinnerung gegenstandslos


Tenor

Die Erinnerung wird verworfen.

Mit der endgültigen Entscheidung über die Erinnerung wird der Antrag auf Anordnung der vorläufigen Einstellung der Beitreibung der Gerichtskosten gegenstandslos.

Gründe

1

Mit Beschluss vom 2. Januar 2017 wurde eine Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin nicht zur Entscheidung angenommen und dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Kostenschuldner) eine [X.] von 500 € auferlegt. Unter dem 14. Februar 2017 wurde dem Kostenschuldner eine entsprechende Kostenrechnung übersandt. Gegen den [X.] der Kostenrechnung hat er am 17. Februar 2017 Erinnerung eingelegt sowie die "Aussetzung der Vollziehung" beantragt. Die Kostenbeamtin der Geschäftsstelle des [X.] hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

2

1. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 Justizbeitreibungsordnung ([X.]) in Verbindung mit § 66 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz ([X.]) sind Einwendungen, die den [X.] Anspruch selbst, die Haftung für den Anspruch oder die Verpflichtung zur Duldung der Vollstreckung betreffen, vom Schuldner bei Ansprüchen auf "Gerichtskosten" nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.] gerichtlich nach den Vorschriften über Erinnerungen gegen den [X.] geltend zu machen.

3

Zwar gehört die [X.] nach § 34 Abs. 2 [X.] zu den "Gerichtskosten" im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 4 [X.]. Dies ergibt sich schon daraus, dass das [X.] in § 2 Abs. 2 [X.] als möglicher Anspruchsinhaber genannt wird, für den das [X.] als Vollstreckungsbehörde tätig werden soll. Die [X.] entsteht als gerichtliche Gebühr mit ihrer Auferlegung durch die Entscheidung des Senats oder der Kammer. Ihrer Einordnung als gerichtliche Gebühr steht nicht entgegen, dass sie Sanktionscharakter hat (vgl. [X.] 50, 217 <230>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Oktober 2008 - 1 BvR 1356/03 -, juris, Rn. 4; [X.], Beschlüsse der [X.] des Zweiten Senats vom 31. Mai 2012 - 2 BvR 611/12 -, juris, Rn. 4 und vom 28. Oktober 2015 - 2 BvR 740/15 -, juris, Rn. 8; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 27. März 2017 - 2 BvR 871/16 -, juris, Rn. 4). § 34 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] stehen in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zueinander. Absatz 2 regelt, unter welchen Voraussetzungen der Grundsatz der Kostenfreiheit verfassungsrechtlicher Verfahren durchbrochen werden kann. Die auf dieser Grundlage verhängte Gebühr ist eine Gegenleistung für die missbräuchliche Inanspruchnahme des [X.] und mithin eine Gebühr im Rechtssinne ([X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Oktober 2008 - 1 BvR 1356/03 -, juris, Rn. 4; [X.], Beschlüsse der [X.] des Zweiten Senats vom 31. Mai 2012 - 2 BvR 611/12 -, juris, Rn. 4 und vom 28. Oktober 2015 - 2 BvR 740/15 -, juris, Rn. 8; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 27. März 2017 - 2 BvR 871/16 -, juris, Rn. 4). Das [X.] hat demgemäß eine auf den Gesichtspunkt der Verjährung der Gebührenforderung gestützte Erinnerung gegen den [X.] einer [X.] für zulässig gehalten; die Einrede der Verjährung zähle zu den Einwendungen, die gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 [X.] in Verbindung mit § 66 [X.] mit der Erinnerung geltend gemacht werden können ([X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Oktober 2008 - 1 BvR 1356/03 -, juris, Rn. 5).

4

Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um eine solche Einwendung. Der Kostenschuldner wendet sich gegen die Verhängung der [X.] als solche. Diese ist - wie der Beschluss vom 2. Januar 2017 insgesamt - unanfechtbar.

5

2. Der Antrag auf "Aussetzung der Vollziehung" ist im Wege der Auslegung als Antrag auf Anordnung der vorläufigen Einstellung der Beitreibung der Gerichtskosten gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Satz 1 Variante 1 [X.] zu behandeln, der entsprechend der Regelung in § 66 Abs. 7 Satz 2 [X.] über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Erinnerung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] zulässig ist. Eine vorläufige Einstellung der Beitreibung nach § 8 Abs. 1 Satz 3 [X.] kann danach nur angeordnet werden, soweit und solange noch eine Entscheidung über eine Erinnerung begehrt wird und aussteht.

6

Der Antrag des Kostenschuldners hat sich mit der Entscheidung über die Erinnerung gegen den [X.] der Kostenrechnung erledigt und ist unzulässig geworden. Er kann sich nicht mehr auf eine noch zu entscheidende Erinnerung gegen die Beitreibung nach § 8 Abs. 1 Satz 3 [X.] stützen.

7

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 2324/16

28.06.2017

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 1. Kammer

Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BSG, 21. Juni 2016, Az: B 12 KR 18/16 C, Beschluss

§ 34 Abs 1 BVerfGG, § 34 Abs 2 BVerfGG, § 1 Abs 1 Nr 4 JBeitrO, § 2 Abs 2 JBeitrO, § 8 Abs 1 S 1 Alt 1 JBeitrO, § 8 Abs 1 S 3 JBeitrO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 28.06.2017, Az. 1 BvR 2324/16 (REWIS RS 2017, 8901)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8901

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