Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2008, Az. IX ZB 205/06

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 1739

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[X.][X.]/06 vom 25. September 2008 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 301; ZPO §§ 766, 767, 775 Der Einwand des Schuldners, aus einem gegen ihn ergangenen Urteil könne wegen Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr vollstreckt werden, kann nur im Wege der [X.] nach § 767 ZPO verfolgt werden. [X.], [X.]uss vom 25. September 2008 - [X.]/06 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Ganter, [X.] und Prof. Dr. [X.], die Richterin [X.] und [X.] Pape am 25. September 2008 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde des Schuldners gegen den [X.]uss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 4. Oktober 2006 wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 50.816,02 • festgesetzt. Gründe: [X.] Der Schuldner, der seinen Wohnsitz schon seit längeren Jahren in [X.] hat, ist angestellter Rechtsanwalt einer in [X.]ansässigen Kanzlei. Mit Versäumnisurteil vom 5. September 2005 verurteilte ihn das [X.] wegen rückständiger Mietschulden einen Betrag von 46.019,51 • zu-züglich Zinsen an die Gläubigerin zu zahlen. Am 20. September 2005 eröffnete der High Court of Justice in [X.] das Insolvenzverfahren über sein Vermö-gen. Auf Antrag der Gläubigerin erließ das [X.] am 2. März 2006 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem die Gehaltsan-1 - 3 - sprüche des Schuldners gegen die Rechtsanwälte, bei denen er angestellt war, gepfändet wurden. Auf die Erinnerung des Schuldners hat das [X.] am 16. Juni 2006 im Wege der Abhilfe den Pfändungs- und Überweisungsbe-schluss aufgehoben. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das [X.] die Abhilfeentscheidung des [X.] aufgehoben und die Erinnerung des Schuldners zurückgewiesen. Hierge-gen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde des Schuldners, dessen Insolvenzverfahren in [X.] nach einem [X.]uss des High Court of Justice in [X.] vom 2. Oktober 2006 am 20. September 2006 geendet hat. 2 I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und zuläs-sig (§§ 766, 793, 574 Abs. 3 ZPO). Sie hat aber keinen Erfolg. 3 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Vollstreckungserinnerung des Schuldners sei entweder unzulässig oder unbegründet gewesen. Falls die Gehaltsansprüche des Schuldners zur Insolvenzmasse des in [X.] eröffneten Insolvenzverfahrens gehört hätten, sei der Schuldner nicht erinne-rungsbefugt gewesen, weil das Verbot der [X.] während des Insolvenzverfahrens die Gesamtheit der Gläubiger und nicht den Schuldner schütze. Hätten die Ansprüche nicht in die Masse des in [X.] geführ-ten Insolvenzverfahrens gehört, sei die Erinnerung unbegründet, weil der Schuldner lediglich den Einwand erhoben habe, die Eröffnung des [X.] stehe der Pfändung und Überweisung der Ansprüche durch die 4 - 4 - Gläubigerin entgegen. Soweit der Schuldner seinen Rechtsbehelf hilfsweise auf die Sittenwidrigkeit der Zwangsvollstreckung gestützt habe, handele es sich um einen materiell-rechtlichen Einwand, der nur im Rahmen des § 826 BGB, nicht aber im Erinnerungsverfahren nach § 766 ZPO geltend gemacht werden könne.
2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand. Die Erinnerung des Schuldners ist unzulässig. 5 a) Bei der Entscheidung ist zu berücksichtigen, dass das Insolvenzver-fahren über das Vermögen des Schuldners seit dem 20. September 2006 be-endet ist. 6 Zwar ist der [X.]uss des High Court of Justice in [X.] vom 2. Oktober 2006 erst nach Abschluss der Beschwerdeinstanz in das Verfahren eingeführt worden. Der Senat hat die Aufhebung des Insolvenzverfahrens in [X.] aber gleichwohl als neue Tatsache bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Gemäß § 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO gilt im Rechtsbeschwerde-verfahren § 559 ZPO entsprechend. Nach dieser Vorschrift ist neues tatsächli-ches Vorbringen in der Revision zwar grundsätzlich nicht zulässig. Aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit ist § 559 Abs. 1 ZPO aber einschränkend dahin auszulegen, dass neue, für die Prozessführungsbefugnis des Klägers erhebli-che Umstände dann in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen sind, wenn das Revisionsgericht hierdurch nicht mit der Bewertung von Tatsachen belastet wird und wenn schützenswerte Belange der Gegenpartei nicht beeinträchtigt werden ([X.] 28, 13, 15; [X.], Urt. v. 6. Mai 1981 - [X.] ZR 45/80, [X.], 678, 679; v. 10. Juli 1995 - [X.], [X.], 1806, 1807; [X.]. v. 22. Februar 2001 - [X.] ZB 71/99, [X.], 971, 972; jeweils zur Vorgängerregelung des § 561 Abs. 1 ZPO; Hk-ZPO/[X.], 2. Aufl. § 559 Rn. 14; 7 - 5 - Musielak/Ball, ZPO 6. Aufl. § 559 Rn. 8 f; [X.]/[X.], ZPO 26. Aufl. § 559 Rn. 7). Zu den prozessual bedeutsamen Tatsachen, die danach auch dann noch berücksichtigt werden müssen, wenn sie erst nach Schluss der mündli-chen Berufungsverhandlung eingetreten sind, gehören insbesondere auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei ([X.] 157, 213, 214; Hk-ZPO/[X.], aaO Rn. 11) und dessen Einstellung oder Auf-hebung ([X.] 28, 13, 16; [X.], Urt. v. 6. Mai 1981, aaO; Hk-ZPO/[X.], aaO Rn. 14). Diese Grundsätze sind im Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden ([X.], [X.]. v. 20. Februar 2001 - [X.], [X.], 971, 972). b) Der Schuldner kann den Einwand, aufgrund der Entscheidung des High Court of Justice vom 2. Oktober 2006 sei ihm die Restschuldbefreiung er-teilt worden, aus dem Versäumnisurteil des [X.] vom 5. September 2005 könne daher nicht mehr vollstreckt werden, nur im Weg der [X.] nach § 767 ZPO verfolgen. Eine Geltendmachung der Restschuldbefreiung im Wege der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO ist unzulässig. Es handelt sich nicht um eine Einwendung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung. 8 aa) In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, die Voll-streckbarkeit von Titeln gegen den Schuldner werde durch die [X.] unmittelbar beseitigt. Ein Vollstreckungsversuch sei gemäß § 775 Nr. 1 ZPO einzustellen. Der Schuldner könne als Rechtsbehelf gegen die Vollstre-ckung Erinnerung nach § 766 ZPO einlegen (FK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 301 Rn. 12). Nach anderer Ansicht soll die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO aus praktischen Erwägungen vorzugswürdig sein, weil sich zumindest der Verbraucherinsolvenzschuldner in der Lebenswirklichkeit zur Abwehr der 9 - 6 - Zwangsvollstreckung an das Vollstreckungsgericht - und gerade nicht an das Prozessgericht - wende (HmbKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 301 Rn. 10). Ganz überwiegend wird dagegen die Auffassung vertreten, es bedürfe für die Beseiti-gung der Vollstreckbarkeit eines vor Erteilung der Restschuldbefreiung ergan-genen Titels einer gerichtlichen Feststellung. Der Schuldner müsse die Zwangsvollstreckung nach § 767 ZPO für unzulässig erklären lassen, falls ein Gläubiger nach Beendigung des Restschuldbefreiungsverfahrens die Zwangs-vollstreckung betreibe ([X.], [X.] 3. Aufl. § 301 Rn. 5; Graf-Schlicker/[X.], [X.] § 301 Rn. 10;HK-[X.]/[X.], § 301 Rn. 3; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 301 Rn. 20; Nerlich/[X.], [X.] § 301 Rn. 17; [X.]/[X.], [X.] 12. Aufl. § 301 Rn. 34; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der [X.], [X.]; Fre-ge/[X.]/[X.], Insolvenzrecht, 7. Aufl. Rn. 2195 [X.]. 310). [X.]) Der Senat schließt sich der überwiegend vertretenen Auffassung an. Die Erteilung der Restschuldbefreiung ist keine vollstreckbare Entscheidung, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil aufgehoben oder die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist. Ein Fall des § 775 Nr. 1 ZPO liegt nicht vor. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift scheidet aus. Die Aufzählung in § 775 ZPO ist erschöpfend (MünchKomm-[X.]/[X.], aaO; [X.], 2. Aufl. § 775 Rn. 1; Musielak/[X.], ZPO 6. Aufl. § 775 Rn. 1; [X.]/Stöber, ZPO 26. Aufl. § 775 Rn. 3). Für das Vollstreckungsorgan, den Gerichtsvollzieher oder das Vollstreckungsgericht ist in der Regel aus dem vorgelegten Titel zusammen mit dem [X.]uss über die Erteilung der Restschuldbefreiung nicht eindeutig zu entnehmen, ob die titulierte Forderung tatsächlich von der Restschuldbefreiung erfasst wird. Es ist nicht Aufgabe des Vollstreckungsgerichts zu entscheiden, ob die zu vollstreckende Forderung der Restschuldbefreiung unterliegt ([X.] - 7 - Komm-[X.]/[X.], aaO). Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - der Be-schluss eines ausländischen Insolvenzgerichts vorgelegt wird, aus dem sich die Erteilung der Restschuldbefreiung ergeben soll. Damit ist auch für die Anwen-dung des § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO, mit dem nur [X.] gerügt werden können, nicht aber Einwendungen gegen den titulierten Anspruch ([X.], aaO § 766 Rn. 2; Musielak/[X.], aaO § 766 Rn. 2, 4), kein Raum. cc) Die Restschuldbefreiung führt zur Entstehung einer unvollkommenen Verbindlichkeit, die weiterhin erfüllbar, aber nicht erzwingbar ist (Begründung zu § 250 RegE-[X.] BT-Drucks. 12/2445, [X.]; [X.] Z[X.] 2002, 151, 152; [X.], [X.] 3. Aufl. § 301 Rn. 1; Graf-Schlicker/[X.], [X.] § 301 Rn. 18; HK-[X.]/[X.], § 301 Rn. 1; [X.]/[X.], [X.] § 301 Rn. 1; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 301 Rn. 18; [X.]/[X.], aaO § 301 Rn. 10; Mohrbutter/Ringstmeier/Pape, [X.] der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl. § 17 Rn. 191). Diese Umgestaltung der Forderung bewirkt einen materiell-rechtlichen Einwand, der nur mit der [X.] verfolgt werden kann. Die Beurteilung der Frage, ob diese Wirkung eingetreten ist, obliegt im Streitfall nicht dem Vollstreckungsgericht, sondern dem Prozessgericht. Entgegen der Auffassung von [X.] 11 - 8 - (HmbKomm-[X.]/[X.], aaO) kann deshalb keine Zulässigkeit der Vollstre-ckungserinnerung aus pragmatischen Gründen angenommen werden. Ganter Raebel [X.] [X.] Pape Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 16.06.2006 - 1 M 1025/06 - [X.], Entscheidung vom 04.10.2006 - 3 W 1221/06 -

Meta

IX ZB 205/06

25.09.2008

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2008, Az. IX ZB 205/06 (REWIS RS 2008, 1739)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1739

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