Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.06.2015, Az. IV ZR 76/12

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 9223

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
[X.]/12

Verkündet am:

24. Juni 2015

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], die Richter
Felsch,
[X.], die Richterin Dr.
Brockmöller und [X.] Schoppmeyer im schriftlichen Ver-fahren gemäß §
128 Abs.
2 ZPO
mit Schriftsatzfrist
bis zum 5.
Juni 2015

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerseite gegen das Urteil des 8. Zi-vilsenats des [X.] vom 9. Februar 2012 wird zurückgewiesen, soweit der Anspruch nicht auf den gemäß § 5a [X.] erklärten Widerspruch ge-stützt ist.

Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsur-teil auf die Revision aufgehoben und die Sache zur [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf
6.614,01

festgesetzt.

Von Rechts wegen

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Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d.
[X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung.

Diese wurde aufgrund eines Antrags d.
[X.] mit [X.] zum 1. März
2004
nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.]) abgeschlossen. Im Dezember 2008
erklärte
d.
[X.] den Widerspruch ge-mäß
§ 5a [X.] bzw. nach § 8 [X.], die Anfechtung nach § 119 BGB
sowie hilfsweise die Kündigung. Der
Versicherer zahlte daraufhin den Rückkaufswert aus.

Mit der Klage verlangt d.
[X.] Rückzahlung aller auf den Vertrag ge-leisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.], insgesamt 6.614,01

Nach Auffassung d. [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des
gegen Gemein-schaftsrecht verstoßenden

§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] habe der [X.] noch erklärt werden können. Außerdem hätten die auf den Vertragsschluss gerichteten Erklärungen nach §§ 355, 495 [X.] wi-derrufen werden können, weil es sich bei der vereinbarten unterjährigen Prämienzahlung um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub i.S. von § 499 Abs. 1 BGB a.F. handele.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-1
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folgt d.
[X.] das Klagebegehren hinsichtlich des Bereicherungs-
und [X.]s weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus unge-rechtfertigter Bereicherung verneint. D.
[X.] habe die Prämien mit Rechts-grund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekom-men. Die Regelung des [X.] verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung. Jedenfalls sei der Vertrag ge-mäß §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] ein Jahr nach Zahlung der ersten Prä-mie rückwirkend endgültig wirksam geworden.
D. [X.] habe den Versiche-rungsvertrag auch nicht gemäß §§
495 Abs.
1, 355 BGB widerrufen kön-nen.

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung teilweise nicht stand.

1. Hinsichtlich eines [X.]s nach §§ 495, 355 [X.] bleibt die Revision allerdings ohne Erfolg.

Mit Urteil vom 6.
Februar 2013 ([X.], [X.], 150) hat der [X.] entschieden, dass es sich bei der vertraglich vereinbarten un-terjährigen Zahlungsweise der Versicherungsprämien nicht um eine Kre-ditgewährung in Form eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs nach §
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Abs.
2 VerbrKrG, §
499 Abs.
1 [X.] (nunmehr §
506 Abs.
1 BGB) handelt.

Das Berufungsurteil steht in Einklang mit dem vorgenannten Se-natsurteil, dessen Ausführungen hier entsprechend gelten. Gesichts-punkte, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

2. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung kann d. [X.] nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung versagt werden. Er folgt vielmehr nach dem für die Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Sach-verhalt dem Grunde nach aus §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB.

a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist nach dem re-visionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalt infolge des Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war

unge-achtet des Ablaufs der in §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] normierten Jah-resfrist

rechtzeitig.

aa) Das Berufungsgericht hat nicht abschließend festgestellt, ob d. [X.] die nach § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] erforderlichen Unterlagen zu-gegangen sind
und ob er ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist. Maßgeblich hat es
darauf abgestellt, dass das [X.] nach §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erloschen sei. Wenn d.
[X.] -
was für das [X.] zu unterstellen ist
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mit dem Versicherungsschein keine vollstän-digen Unterlagen erhalten hat
und/oder nicht ordnungsgemäß belehrt 11
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worden ist, bestand das Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der [X.] hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.]/11,
BGHZ 201, 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.]

wie hier

nicht ordnungsgemäß über das Recht zum [X.] belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht (vollständig) erhalten hat.

bb) Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits voll-ständiger Leistungserbringung kommt nicht in Betracht (vgl. [X.]surteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
37 m.w.N.).

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen [X.]surteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
42-44).

3. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-15
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lung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem
Risikoanteil Bedeutung zu-kommen ([X.]surteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
45 m.w.N.).

Da es auch hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück
zuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. [X.]surteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
46).

[X.] Felsch [X.]

Dr. Brockmöller Dr.
Schoppmeyer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.07.2011 -
8 [X.]/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 09.02.2012 -
8 [X.] -

19

Meta

IV ZR 76/12

24.06.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.06.2015, Az. IV ZR 76/12 (REWIS RS 2015, 9223)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9223

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IV ZR 230/12

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