Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.01.2018, Az. V ZR 47/17

V. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 14923

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[X.]:[X.]:BGH:2018:260118UVZR47.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
V ZR
47/17
Verkündet am:

26. Januar 2018

Langendörfer-Kunz

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
[X.] § 917 Abs. 1
Das [X.] kann auch dazu berechtigen, Leitungen durch ein Ge-bäude zu führen; eine Einschränkung ergibt sich nur aus dem Gebot, die für den [X.]en geringstmögliche Belastung zu wählen (Aufgabe von Senat, Urteil vom 10.
Juni 2011 -
V
ZR 233/10, GE
2011, 1365 Rn.
12).
BGH, Urteil vom 26. Januar 2018 -
V [X.] -
OLG [X.]

[X.]

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2018
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterinnen Dr.
Brückner und Weinland und die Richter Dr.
Kazele und Dr.
Hamdorf

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] vom 26. Januar 2017 wird auf Kosten des [X.]n zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter, in [X.] bele-gener
Grundstücke, die durch Teilung eines Grundstücks im Jahr 1977 ent-standen sind. Die beiden Grundstücke der Kläger sind bebaut, verfügen aber -
anders als das angrenzende Grundstück des [X.]n -
über keine direkte Verbindung zu einer öffentlichen Straße. Das Grundstück des [X.]n ist in voller Breite mit einem Wohnhaus bebaut. Die Ver-
und Entsorgungsleitungen zu den Grundstücken der Kläger verlaufen seit der Errichtung der Gebäude in den Jahren 1900 bis 1910 von der öffentlichen Straße durch [X.] dieses Wohnhauses. [X.] abgesicherte Leitungsrechte bestehen insoweit nicht.

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Die Kläger verlangen von dem [X.]n, das auf seinem Grundstück befindliche [X.] ihrer Grundstücke sowie dessen notwendige Un-terhaltung und erforderlichenfalls Neuanlage zu dulden. Das [X.] hat die Klage, mit der eine entsprechende
Duldungspflicht des [X.]n zunächst (nur) festgestellt werden sollte, abgewiesen. Das [X.] hat der nach Antragsumstellung unmittelbar auf Duldung gerichteten Klage mit der Maßgabe stattgegeben, dass ein Betreten der Räume durch Dritte in der Regel nur nach vorheriger Ankündigung und zu näher festgelegten Zeiten möglich ist. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückwei-sung die Kläger beantragen, will der [X.] die Abweisung der Klage errei-chen.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der [X.] analog § 917 Abs. 1 [X.] zur Duldung der Ver-
und Entsorgungsleitungen verpflichtet, weil den Grundstücken der Kläger eine Verbindung zu einem öffentlichen Weg fehlt. [X.] sei wegen der vorangegangenen Grundstücksteilung nach §
918 Abs. 2 [X.] allein der [X.] als Eigentümer des Grundstücksteils, über den die Verbindung
bisher stattgefunden habe. Inhalt des Notleitungs-rechts könne es auch sein, Leitungen durch ein
Gebäude zu legen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn Leitungen nur durch ein Gebäude geführt werden könn-ten. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die jegliche Inanspruchnahme von Wohngebäuden verbiete, finde sich nicht. Es gebe auch keine Gründe, §
917 Abs. 1 [X.] einschränkend auszulegen. Die Belastung, die von durch ein
Gebäude verlaufenden Leitungen ausgehe, sei grundsätzlich gering.
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II.

Das hält rechtlicher Überprüfung stand.

1. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich aus der entsprechenden Anwendung des § 917 [X.] ein Recht ergeben kann, [X.] über ein anderes, fremdes Grundstück zu führen, um diese mit den öffentlichen Versorgungsnetzen zu verbinden. Die diesbezügliche Rechtsprechung des Senats dient zur Lückenfüllung im Wege analoger Rechts-fortbildung, soweit entsprechende landesrechtliche Regelungen fehlen. Unmit-telbar regeln die Vorschriften der §§ 917, 918 [X.] nämlich nur das [X.]-recht, und für ihre analoge Anwendung besteht kein Bedürfnis, wenn das [X.] die Voraussetzungen des [X.]s entsprechend dem [X.] in Art. 124 EG[X.] in eigenständiger Weise regelt (vgl. Senat, Urteil vom 4. Juli 2008 -
V [X.], [X.], 165 Rn. 7, 15 f. mwN). Das hier maß-gebliche Nachbarrecht des Landes [X.] enthält keine Regelung über private [X.]e.

2. Das Berufungsgericht bejaht zu Recht die Voraussetzungen eines [X.] analog § 917 [X.].

a) Die Grundstücke der Kläger haben keine eigene Verbindung zu den öffentlichen Versorgungsnetzen. Eine solche Verbindung ist erforderlich, weil die Grundstücke zu Wohnzwecken sowie gewerblich genutzt werden. Diese Nutzung ist ordnungsgemäß. Hiervon geht das Berufungsgericht aus. Die Revi-sion nimmt dies hin.

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b) Das [X.] kann auch dazu berechtigen,
Leitungen durch ein Gebäude zu führen; eine Einschränkung ergibt sich nur aus dem Gebot, die für den [X.]en geringstmögliche Belastung zu wählen.

aa) Der Wortlaut des § 917 Abs. 1 [X.] nimmt eine Beschränkung auf bestimmte Flächen eines Grundstücks, die in Anspruch genommen werden können, nicht vor. Satz 1 dieser Vorschrift spricht nur allgemein davon, dass der Eigentümer des notleidenden Grundstücks von den Nachbarn verlangen kann, die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung zu dulden. Danach kann das gesamte Grundstück, gleich ob dieses bebaut ist oder nicht, in Anspruch genommen werden. Dies steht in Einklang mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Sie will der Notlage eines vom Zugang zu einem [X.] Weg abgeschnittenen Grundstücks abhelfen. Im Interesse des [X.], dieses in angemessener Weise wirt-schaftlich zu nutzen, hat der Nachbar die Nutzung seines Grundstücks zu dul-den (vgl. [X.]/[X.], [X.] [2016], § 917 Rn. 1; Soergel/[X.],
[X.], 13.

Aufl., § 917 Rn. 1). Dieser Zweck lässt sich nur verwirklichen, wenn die Inan-spruchnahme des Nachbargrundstücks uneingeschränkt möglich ist.

Dementsprechend ist im Rahmen des unmittelbaren [X.] der Vorschrift anerkannt, dass der [X.] nicht nur über den Grund und Boden selbst führen, sondern auch über diesem
(vgl. RG, Recht 1914, Rspr.
[X.]: [X.] im Luftraum des Nachbargrundstücks) oder unter dem Boden hergestellt werden kann ([X.], 305, 309). Daher kann auch eine Untertunnelung, etwa zur Herstellung einer Tiefgaragenausfahrt,
in [X.] kommen ([X.]/[X.], [X.] [2016], § 917 Rn. 34; vgl. auch [X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
917 Rn. 11). Für das [X.] gilt nichts [X.]. Es ermöglicht nicht nur die Mitbenutzung der auf dem belasteten Grund-8
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stück vorhandenen Leitungen (Senat, Urteil vom 4. Juli 2008 -
V [X.], [X.], 165 Rn. 7; Urteil vom 30. Januar 1981 -
V [X.], [X.], 307, 308 f.; vgl. auch Urteil vom 22. Juni 1990 -
V [X.], NJW 1991, 176), son-dern auch die ober-
und unterirdische Herstellung von Leitungen auf dem Nachbargrundstück (Senat, Urteil vom 11. November 1959 -
V [X.], [X.], 159, 161; Urteil vom 4. November 1959 -
V [X.], [X.] 1960, 124). Im Grundsatz können die Leitungen auch durch bestehende Gebäude geführt wer-den, ohne dass es auf die Art der Gebäudenutzung ankommt. Soweit der Senat ausgeführt hat, dass das [X.] analog §
917 [X.] nicht die Befugnis zur Inanspruchnahme von Wohngebäuden umfasst (Urteil vom 10. Juni 2011

[X.], GE
2011, 1365
Rn. 12),
hält er daran nicht fest.

[X.]) Im Rahmen der Ausübung eines [X.]s ist allerdings der Verlauf zu wählen, der für den [X.]en die geringstmögliche Belas-tung darstellt
(MüKo[X.]-Brückner, 7.
Aufl., §
917 Rn.
36). Die inhaltliche Be-schränkung des Eigentumsrechts des Nachbarn kann nämlich nur so weit rei-chen, wie sie zur Behebung der Notlage des gefangenen Grundstücks [X.] ist. Insoweit kann auch auf den
in § 1020 Satz 1 [X.] enthaltenen Rechts-gedanken
zurückgegriffen werden,
das Eigentum am belasteten Grundstück tunlichst zu schonen (vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni 1990 -
V [X.], NJW 1991, 176, 178). Der Rechtsgedanke gilt auch hier, weil § 917 Abs. 1 [X.] eine zulässige Eigentumsschranke im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt. Daher hat das Interesse des Notleitungsberechtigten an dem für ihn effizien-testen Verlauf gegenüber dem Interesse des Duldungsverpflichteten zurückzu-stehen, wobei im Rahmen der Abwägung auf objektive Gesichtspunkte, wie etwa Nutzungsart und Zuschnitt der Grundstücke abzustellen ist (vgl. [X.]/[X.], [X.] [2016], § 917 Rn. 38). Die Inanspruchnahme von Gebäuden zum Zwecke der Verlegung von Versorgungsleitungen wird daher grundsätzlich 11
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nur
dann in Betracht kommen, wenn eine Verbindung zu dem öffentlichen [X.] anders auf dem Nachbargrundstück nicht hergestellt werden kann.

[X.]) Nach diesen Maßstäben ist das Berufungsurteil nicht zu beanstan-den, insbesondere ist das
Gebot der geringstmöglichen Belastung des [X.] gewahrt. Dass die Leitungen in einer das Grundstück des [X.]n schonenderer Weise, insbesondere im Boden, verlegt werden könnten, ist an-gesichts der Bebauung in voller Breite nicht erkennbar und wird von dem [X.] auch nicht geltend gemacht.

c) Der [X.] kann nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass die [X.] über andere Grundstücke verlegt werden könnten.

aa) Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich das [X.] nach §
918 Abs. 2 Satz 1 [X.] allein gegen den
[X.]n richtet.
Wird infolge einer Veräußerung eines Teils des Grundstücks der veräu-ßerte oder der zurückbehaltene Teil von der Verbindung mit dem öffentlichen Weg abgeschnitten, so hat nach dieser Vorschrift der Eigentümer desjenigen Teils, über welchen die Verbindung bisher stattgefunden hat, den [X.] zu dulden. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde durch die Teilung des ursprünglichen Grundstücks und die Veräußerung des
an der Straße gelegenen Grundstücksteils an die Mutter des [X.]n der von den Klägern erworbene Grundstücksteil von dem öffentlichen Versorgungsnetz abgeschnitten. Da der [X.] der klägerischen Grundstücke an das öffentli-che Leitungsnetz bislang über das nunmehr im Eigentum des [X.]n ste-hende Grundstück erfolgte, ist dieser nach §
918 Abs. 2 Satz 1 [X.] zur [X.] der Leitungen verpflichtet.
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[X.]) Soweit der [X.] geltend macht, dass den Klägern ein Wegerecht zu einer anderen öffentlichen Straße über zwei andere Grundstücke zusteht und sie daher das [X.] nach [X.] (§ 242 [X.]) ge-genüber deren Eigentümern durchsetzen müssten, bleibt dies ohne Erfolg. Das Wegerecht berechtigt nur zu der damit eingeräumten Nutzungsmöglichkeit des belasteten Grundstücks, nicht zu der Verlegung von Leitungen. Einer
Inan-spruchnahme der Eigentümer der mit dem Wegerecht belasteten Grundstücke entsprechend §
917 Abs.
1 [X.] stünde, wie dargelegt, §
918 Abs.
2 Satz
1 [X.] entgegen.
-
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III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann Brückner Weinland

Kazele Hamdorf

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.05.2016 -
6 [X.]/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 26.01.2017 -
11 [X.]/16 -

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Meta

V ZR 47/17

26.01.2018

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.01.2018, Az. V ZR 47/17 (REWIS RS 2018, 14923)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14923

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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