Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.06.2011, Az. 7 B 79/10

7. Senat | REWIS RS 2011, 5644

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Gegenstand

Vereinbarkeit nationaler Präklusionsregelungen mit dem europäischen Unionsrecht; Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur bei Einwendung per E-Mail


Gründe

I.

1

Der Kläger ist ein in [X.] anerkannter Umwelt- und Naturschutzverein. Er wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss vom 22. Februar 2008 für den Neubau einer 380-kV-Hochspannungsfreileitung vom geplanten [X.] bis zum Punkt [X.] Heide.

2

Nach Einleitung des Planfeststellungsverfahrens übersandte die [X.]eklagte dem Kläger mit Schreiben vom 21. Februar 2007 über das [X.] die Antragsunterlagen und wies zugleich darauf hin, dass die [X.]eteiligung der Naturschutzverbände nach dem [X.] ([X.]) künftig nur noch durch ortsübliche [X.]ekanntmachung der Auslegung der Planunterlagen erfolgen werde. Einwendungen könnten bis spätestens 23. Mai 2007 erhoben werden, nach Ablauf dieser Frist seien Einwendungen gemäß § 43a Nr. 7 [X.] ausgeschlossen.

3

Die Planunterlagen lagen nach vorheriger öffentlicher [X.]ekanntmachung in den Amtsblättern der Städte [X.], [X.] und [X.], die einen Hinweis auf § 43a Nr. 7 [X.] enthielt, in der [X.] vom 26. März 2007 bis zum 25. April 2007 zur Einsichtnahme aus.

4

Am 23. Mai 2007 wurde einem Mitarbeiter der [X.]eklagten von der E-Mail-Adresse "Dr. [X.]" ... aus um 10.18 Uhr eine E-Mail mit folgendem Inhalt übersandt: "Anbei finden Sie die Stellungnahme der Naturschutzverbände, die Ihnen auch parallel per Fax zugeht". Die E-Mail war nicht mit einer eingescannten Unterschrift versehen. Der E-Mail war im Anhang eine [X.] beigefügt, bei der es sich um ein nicht unterzeichnetes Schreiben vom 23. Mai 2007 mit dem Absendervermerk "Dr. [X.]" zu dem [X.]etreff "Stellungnahme der [X.] zum Planfeststellungsverfahren Neubau einer 380-kV-Leitung vom Standort des geplanten Kraftwerks in [X.] bis zum Pkt. [X.] Heide" handelte. Darin wurden u.a. eine fehlerhafte Variantenprüfung, Eingriffe in [X.], die Trassenführung, unzureichender Artenschutz und nicht kompensierte Eingriffe in die Landschaft gerügt.

5

Zudem wurde ausweislich eines Telefax-Sendeberichts am 23. Mai 2007 um 9.36 Uhr vom Faxgerät der "[X.]" aus, deren Geschäftsführer [X.] ist, versucht, das Einwendungsschreiben vom gleichen Tag an das Faxgerät des vormals zuständigen Dezernats 56 (Fax-Nr. 0251/411-81439) der [X.]eklagten zu übersenden. Unter der Rubrik "[X.]" ist in dem Sendebericht "KEINE [X.]" verzeichnet.

6

Die [X.]eklagte stellte den Plan mit [X.]eschluss vom 22. Februar 2008 fest und wies die Einwendungen des [X.] als unbegründet zurück.

7

Die gegen den Planfeststellungsbeschluss erhobene Klage hat das Oberverwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen. Der Kläger sei mit seinen Einwendungen im Klageverfahren nach § 43a Nr. 7 Satz 2 [X.] materiell präkludiert, weil er diese im Planfeststellungsverfahren nicht fristgerecht erhoben habe. Eine fristwahrende Übersendung der Stellungnahme vom 23. Mai 2007 sei weder durch E-Mail noch per Telefax erfolgt. Der Einwendungsausschluss sei auch bei [X.] nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) nach § 2 Abs. 3 UmwRG beachtlich. § 2 Abs. 3 UmwRG stehe nach der Rechtsprechung des [X.] in Einklang mit [X.] Unionsrecht, eine Vorlage an den [X.] scheide daher aus.

8

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die [X.]eschwerde des [X.].

[X.]

9

Die [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Revision ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

1. Die von der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage,

ob die so genannten "[X.]" des § 2 Abs. 3 UmwRG bzw. des § 43a Nr. 7 Satz 2 [X.], wonach (hier) Umweltvereinigungen im Rechtsbehelfsverfahren gegen eine angefochtene Genehmigungsentscheidung zu einem [X.]. §§ 3 bis 3e UVPG [X.]. Anlage 1 zu § 3 UVPG umweltverträglichkeitsprüfungspflichtigen Vorhaben mit allen Einwendungen ausgeschlossen sind, die nicht bereits im Genehmigungsverfahren vorgebracht worden sind, mit [X.] Unionsrecht, namentlich Art. 10a der [X.] [X.]. dem Effektivitätsprinzip in Einklang stehen,

rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Sie ist in der Rechtsprechung des [X.] bereits im Sinne des vom Oberverwaltungsgericht eingenommenen Rechtsstandpunktes geklärt. Der [X.] hat sich mit - den [X.]eteiligten bekanntem - [X.]eschluss vom 14. September 2010 - [X.]VerwG 7 [X.] 15.10 - ([X.] 2011, 53) der Rechtsauffassung des 4. [X.]s ([X.]eschluss vom 11. November 2009 - [X.]VerwG 4 [X.] 57.09 - [X.]uchholz 406.254 URG Nr. 1 Rn. 2 bis 8) sowie des 9. [X.]s (Urteil vom 14. April 2010 - [X.]VerwG 9 A 5.08 - [X.]VerwGE 136, 291 = [X.]uchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 45 Rn. 107 f.) angeschlossen, wonach die [X.] im [X.] Recht (vgl. § 2 Abs. 3 UmwRG, § 61 Abs. 3 [X.]NatSchG 2002, § 10 Abs. 3 [X.]ImSchG) grundsätzlich in Einklang mit Art. 10a Abs. 1 [X.] sowie dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot stehen, weil durch die in Art. 10a Abs. 1 [X.] enthaltene Einschränkung "im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften" klargestellt sei, dass die Ausgestaltung des Verfahrens Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, und die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Rechtsbehelfen dem unionsrechtlichen [X.] grundsätzlich genüge, weil sie ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit sei. Wegen der Einzelheiten kann insoweit auf die Ausführungen unter Rn. 7 bis 15 des [X.]eschlusses vom 14. September 2010 verwiesen werden, in denen der [X.] sich u.a. mit dem Urteil des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) vom 15. Oktober 2009 - [X.]. [X.]/08, [X.] - ZUR 2010, 28) auseinandergesetzt und eine Zulassung der Revision zwecks Vorlage der o.g. Rechtsfrage an den [X.] mangels vernünftiger Zweifel an der [X.] als nicht erforderlich erachtet hat. Diese Erwägungen können uneingeschränkt auf die hier streitgegenständliche Vorschrift des § 43a Nr. 7 [X.] übertragen werden.

Das [X.]eschwerdevorbringen gibt dem [X.] keine Veranlassung, die im [X.]eschluss vom 14. September 2010 vertretene Rechtsauffassung zur Vereinbarkeit nationaler [X.] mit dem [X.] Unionsrecht einer Überprüfung in einem Revisionsverfahren zu unterziehen bzw. die Revision mit dem Ziel einer Vorlage an den [X.] zuzulassen.

Soweit der Kläger die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache damit zu begründen versucht, dass er ohne Zulassung der Revision in seinem Prozessrecht auf Vorlage an [X.] aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt würde (S. 4 f. und 36 bis 41 der [X.]eschwerdebegründung), kann dieses Vorbringen seiner Nichtzulassungsbeschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil es der Rechtssache keine grundsätzliche [X.]edeutung verleiht.

Im Übrigen greift die [X.]eschwerde die Rechtsprechung des [X.], namentlich den [X.]eschluss des [X.]s vom 14. September 2010, zur Unionsrechtkonformität der o.g. [X.] mit der [X.]egründung als fehlerhaft und überprüfungsbedürftig an, dass der [X.] die inhaltliche Tragweite der Entscheidungsgründe des Urteils des [X.] vom 15. Oktober 2009 in der Rechtssache [X.]/08 (S. 9 bis 13 der [X.]eschwerdebegründung) sowie der Schlussanträge der Generalanwältin [X.] in dieser Rechtssache vom 2. Juli 2009 (S. 13 bis 21 der [X.]eschwerdebegründung) verkannt, sich nicht ausreichend mit dem Unionsrecht, insbesondere dem unionsrechtlichen [X.] in der Rechtsprechung des [X.] und im Schrifttum befasst (S. 23 bis 36 der [X.]eschwerdebegründung) und seine Vorlagepflicht deshalb zu Unrecht verneint habe.

Die Ausführungen der [X.]eschwerde zum Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2009 überzeugen nicht. Die [X.]eschwerde entnimmt diesem Urteil (Rn. 38 f.) einen Rechtssatz des Inhalts, dass die gerichtliche Anfechtbarkeit einer Genehmigungsentscheidung unabhängig von der [X.]eteiligung im Verwaltungsverfahren sein müsse ("...gleichviel, welche Rolle...") und dies im Umkehrschluss bedeute, dass der betroffenen Öffentlichkeit selbst dann ein Gerichtszugang zu gewähren sei, wenn sie sich im Verwaltungsverfahren überhaupt nicht beteiligt habe (S. 11 der [X.]eschwerdebegründung). Damit gibt die [X.]eschwerde den Inhalt der Rn. 39 bzw. des 2. Leitsatzes des Urteils vom 15. Oktober 2009 nicht nur verkürzt (und unzutreffend) wieder, sondern zieht daraus auch zu weitreichende Schlussfolgerungen. Tatsächlich lautet die Formulierung des [X.], dass es der betroffenen Öffentlichkeit möglich sein müsse, eine Genehmigung anzufechten, "gleichviel, welche Rolle sie in dem Verfahren über den Genehmigungsantrag vor dieser Stelle durch ihre [X.]eteiligung an und ihre Äußerung in diesem Verfahren spielen konnte". Mit [X.]lick auf den dem [X.]-Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt und der vom [X.] unter Rn. 32 formulierten Fragestellung ist damit erkennbar nur gemeint, dass die Möglichkeit einer gerichtlichen Anfechtung von Genehmigungsentscheidungen durch die betroffene Öffentlichkeit nicht allein deshalb ausgeschlossen sein darf, weil sie sich schon im Genehmigungsverfahren beteiligen konnte bzw. beteiligt hat. Zu anders gelagerten Fallkonstellationen verhält sich das Urteil dagegen nicht.

Der [X.] kann dem Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2009 entgegen der Auffassung der [X.]eschwerde auch keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass nationale Präklusionsvorschriften im Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/35/[X.] dem unionsrechtlichen Grundsatz des "effet utile" zuwiderlaufen (S. 12 der [X.]eschwerdebegründung). Soweit die [X.]eschwerde hierzu auf Rn. 45 des Urteils verweist, wonach die nationalen Vorschriften "einen weiten Zugang zu Gerichten" sicherstellen müssen, übersieht sie schon, dass diese Ausführungen die dritte Vorlagefrage nach der Zulässigkeit von [X.]eschränkungen des Zugangs zu Gerichten für kleine, lokale Umweltschutzvereinigungen betreffen, und sich darauf beziehen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 10a Abs. 3 Satz 1 [X.] in Einklang mit dem Ziel der Richtlinie, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, bestimmen, was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt. [X.]ei [X.] geht es dagegen - jedenfalls in erster Linie - nicht um die allgemeine Reichweite des gerichtlichen Rechtsschutzes, sondern um eine Mitwirkung der Naturschutzverbände im vorgelagerten Verwaltungsverfahren.

Ob, wie die [X.]eschwerde meint, die Ausführungen der Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vom 2. Juli 2009 (Rn. 32 f., 40 bis 44, 52) so zu verstehen sind, dass das Unionsrecht eine [X.]eteiligung im Verwaltungsverfahren nicht als Voraussetzung für eine Rechtskontrolle durch die Gerichte ansieht (vgl. S. 14 f. der [X.]eschwerdebegründung) oder diese Schlussfolgerung schon angesichts des zutreffenden Hinweises der Generalanwältin unter Rn. 45 der Schlussanträge auf den Wortlaut von Art. 10a Abs. 1 [X.], wonach der Zugang zu den Gerichten von den Mitgliedstaaten "im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften" sicherzustellen ist, zu kurz greift, kann dahinstehen. Die Erwägungen der Generalanwältin haben jedenfalls im Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2009 keinen Niederschlag gefunden. Dies gilt auch für die Ausführungen der Generalanwältin unter Rn. 57, 64, 69 bis 74 der Schlussanträge, die sich im Übrigen - wie auch die [X.]eschwerde nicht verkennt - nur zur Definition der "betroffenen Öffentlichkeit" verhalten.

Soweit die [X.]eschwerde meint, die in Rn. 14 des [X.]eschlusses vom 14. September 2010 zitierten Entscheidungen des [X.] vom 16. Mai 2000 in der Rechtssache [X.]/98 und vom 9. Februar 1999 in der Rechtssache [X.] trügen die Auffassung des [X.]s zur unionsrechtlichen Zulässigkeit der [X.] nicht, missversteht sie den Kontext, in dem der [X.] diese Entscheidungen zitiert hat. Richtig ist, dass diese Entscheidungen die Frage der Vereinbarkeit von Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Rechtsbehelfen mit dem [X.] zum Gegenstand hatten. Ihnen kann aber jedenfalls entnommen werden, dass Ausschlussfristen dem unionsrechtlichen [X.] grundsätzlich genügen, weil sie u.a. der Rechtssicherheit dienen. Dies trifft auch auf [X.] zu, die ebenso wie etwa Klagefristen auf einen Ausschluss verfahrensrelevanten Vorbringens zielen und so zur Rechtssicherheit beitragen (vgl. [X.]eschluss vom 11. November 2009 - [X.]VerwG 4 [X.] 57.09 - a.a.[X.] Rn. 6 m.w.N.).

Zweifel daran, dass [X.] unionsrechtlich grundsätzlich zulässig sind, folgen auch nicht aus dem von der [X.]eschwerde erörterten Urteil des [X.] vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache [X.]/93, [X.] (Slg. 1995, [X.]). Abgesehen davon, dass es dort um den Ausschluss ergänzenden Vorbringens zur Rechtslage ging, kommt dieser Entscheidung nicht die grundsätzliche [X.]edeutung zu, die die [X.]eschwerde ihr beimessen will. Der [X.] hat auch in der [X.]-Entscheidung den Grundsatz betont, dass die Ausgestaltung der Rechtsschutzverfahren mangels unionsrechtlicher Regelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten sei. Überdies hat er darauf hingewiesen, dass bei der Prüfung, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen seien, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z.[X.]. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (vgl. [X.] und 2, Rn. 14). Hieran hat der [X.] in seinem Urteil vom 21. November 2002 in der Rechtssache [X.]/00, [X.] (Slg. 2002 [X.]) ausdrücklich festgehalten (Rn. 37). Zudem hat der [X.] in der Rechtssache [X.] nicht die Ausschlussfrist als solche beanstandet, sondern die [X.]esonderheiten des fraglichen Verfahrens hervorgehoben (a.a.[X.] Rn. 16).

Vor diesem Hintergrund begründen auch die weiteren Ausführungen der [X.]eschwerde, namentlich der Hinweis auf die Dissertation von [X.] ("Das Rechtsinstitut der materiellen Präklusion in den Zulassungsverfahren des Umwelt- und [X.]aurechts", 2001) und die Regelungsgegenstände des [X.] sowie der [X.] und 2008/1/[X.] keine durchgreifenden Zweifel an der Unionskonformität der streitgegenständlichen Präklusionsvorschriften.

Die Präklusionsvorschriften sind Teil eines dem gerichtlichen Verfahren vorgelagerten Einwendungsverfahrens. Dieses vorgelagerte Einwendungsverfahren trägt dem Anliegen der Richtlinie 2003/35/[X.], die Öffentlichkeit frühzeitig in den Entscheidungsprozess einzubeziehen (vgl. Erwägungsgründe Nr. 3 und 6 sowie Art. 2 Abs. 2 [X.]uchst. b und c), in besonderem Maße Rechnung. Nach der Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts ([X.]eschluss vom 8. Juli 1982 - 2 [X.]vR 1187/80 - [X.]VerfGE 61, 82 Rn. 88 bis 91) ermöglicht gerade die vorgezogene Rechtsschutzgewährung in den Einwendungsverfahren - neben der insbesondere in Massenverfahren unerlässlichen Verfahrenskonzentration und -zügigkeit - eine umfassende Ermittlung und Erörterung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte und damit einen frühzeitigen Interessenausgleich, der durch die Amtsermittlungspflicht nicht gleich wirksam gewährleistet werden kann. Dem Einwender wird zwar eine Mitwirkungslast auferlegt, weil er seine Einwendungen form- und fristgerecht vorbringen muss. Diese Verfahrensausgestaltung dient aber einer Verstärkung des Rechtsschutzes, weil das Einwendungsverfahren es ermöglicht, Rechtsschutz schon vor Eintritt vollendeter Tatsachen wirksam werden zu lassen. Überdies verschafft der Ausschluss nicht fristgemäß erhobener Einwendungen den [X.]eteiligten Rechtssicherheit und sichert die Funktionsfähigkeit von Verwaltungsbehörden und Gerichten. Der Einwendungsausschluss fungiert damit als notwendiges Korrelat zur Öffentlichkeitsbeteiligung (von [X.], UPR 1996, 323, <324>).

Dem kann entgegen der Auffassung von [X.] (a.a.[X.] S. 64 bis 66) nicht entgegengehalten werden, die materielle Präklusion im Einwendungsverfahren verstoße gegen Unionsrecht, weil es sich dabei nicht um ein auch von den meisten anderen Mitgliedstaaten bzw. der [X.] anerkanntes Rechtsinstitut handele. Die durch die - später erlassene - Richtlinie 2003/35/[X.] in Art. 10a [X.] und Art. 15a [X.] eingefügten Regelungen zum Zugang zu Gerichten verweisen in Absatz 1 jeweils allgemein auf die innerstaatlichen Rechtsvorschriften und lassen zudem das Erfordernis einer Ausschöpfung der verwaltungsbehördlichen Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht (Art. 10a Abs. 4 [X.], Art. 15a Abs. 4 [X.]). Damit ist den Mitgliedstaaten ungeachtet dessen, ob das Einwendungsverfahren unter Absatz 1 oder Absatz 4 zu fassen wäre, ein Ausgestaltungsfreiraum eröffnet, den der [X.] Gesetzgeber nicht überschritten hat (vgl. [X.], in: [X.]erkemann/[X.], Handbuch zum Recht der [X.]au- und Umweltrichtlinien der [X.], 1. Aufl. 2008, S. 766 f. Rn. 327).

2. Auch die weiter als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfenen Fragen,

ob eine rechtsverbindliche Erklärung (hier: Einwendung gegenüber einer projektierten Planfeststellung) in dem Sinne "schriftlich" zum Ablauf der Einwendungsfrist vorliegen muss, dass ein mit einer Unterschrift versehenes Exemplar des Einwendungstextes bei der zur Entgegennahme der Einwendung zuständigen Stelle zumindest als Faxkopie eingegangen sein muss oder ob es insofern ausreichend ist, wenn der Inhalt der Einwendungen bei der zur Entgegennahme der Einwendung zuständigen Stelle per E-Mail eingegangen ist, auch wenn diese E-Mail nicht mit einer elektronischen Signatur [X.]. § 3a [X.] versehen war, sofern kein Zweifel an der Identität und dem Übertragungswillen der die Einwendungen übermittelnden Person bestehen,

bzw.

ob eine E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur unter keinen Umständen ein "elektronisches Dokument" [X.]. § 3a Abs. 1, 2 [X.] darstellt, mit welchem ein Schriftformerfordernis nach § 43a Nr. 3 Satz 1 [X.] [X.]. § 73 Abs. 4 Satz 1 [X.] erfüllt werden kann, selbst wenn aufgrund von sonstigen Umständen des Einzelfalls die Authentizität der Erklärung insbesondere im Hinblick auf deren Verfasser zweifelsfrei festgestellt werden kann,

die sich der Sache nach nicht unterscheiden, rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Der [X.] hat bereits mit dem o.g. [X.]eschluss vom 14. September 2010 - [X.]VerwG 7 [X.] 15.10 - (a.a.[X.]) zu § 3a Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] [X.], der mit der entsprechenden Regelung im Verwaltungsverfahrensgesetz des [X.]undes übereinstimmt, entschieden, dass nur eine mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehene E-Mail geeignet ist, die gesetzliche Frist für die Erhebung von Einwendungen zu wahren (a.a.[X.] Rn. 23 bis 25).

Die [X.]eschwerde trägt auch dazu nichts vor, was den [X.] veranlassen könnte, seine Rechtsauffassung in einem Revisionsverfahren zu überprüfen. Nach Auffassung des [X.] verstößt die Rechtsprechung des [X.]s gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und das Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG, weil der [X.] den Fall der Übersendung einer Einwendung per E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur nicht genauso behandelt habe wie die Übersendung einer Einwendung auf Papier ohne eigenhändige Unterschrift, für die in der Rechtsprechung Ausnahmen vom [X.] anerkannt würden, sofern sich aus anderen Umständen eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den [X.] ergebe.

Dem ist nicht zu folgen. Die Annahme der [X.]eschwerde, das Fehlen einer qualifizierten elektronischen Signatur bei der Übersendung einer E-Mail sei genauso zu behandeln wie das Fehlen einer eigenhändigen Unterschrift unter einem Schriftstück, ist unzutreffend. Zwar stellt die elektronische Signierung das Substitut für die eigenhändige Unterschrift dar ([X.]TDrucks 14/4987 S. 12). Die [X.]eschwerde übersieht aber, dass elektronische Daten auf ihrem Weg durch offene Netze für den Empfänger unerkennbar verändert werden können und es daher eines sicheren Rahmens zur elektronischen Authentifizierung des Kommunikationspartners und Überprüfung der Integrität der übermittelten Daten bedarf ([X.]TDrucks 14/9000 S. 26, unter [X.] Ziff. 3). Vor diesem Hintergrund hat sich der Gesetzgeber in § 3a Abs. 2 Satz 2 [X.] für die qualifizierte elektronische Signatur und damit für eine besonders hohe Sicherheitsstufe elektronischer Signaturen entschieden. Es geht nicht an, diese gesetzlichen Sicherheitsanforderungen dadurch zu unterlaufen, dass Ausnahmen von den sich aus § 3a [X.] ergebenden Formerfordernissen zugelassen werden, die im Ergebnis niedrigeren Sicherheitsstufen entsprechen (so zu § 130a ZPO [X.]GH, [X.]eschluss vom 14. Januar 2010 - VII Z[X.] 112/08 - [X.]GHZ 184, 75 ).

3. Schließlich rechtfertigt auch die weiter als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage,

ob einen [X.]evollmächtigten, der die Aufgabe übernommen hat, bei einer [X.]ehörde für einen Dritten fristwahrend eine rechtserhebliche Erklärung einzureichen, im Rahmen der Delegation der Tätigkeit der rechtzeitigen Absendung der Erklärung auf eine Hilfsperson eine derart erhöhte Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Gewährleistung des rechtzeitigen Versandes der Erklärung trifft, welcher nicht dadurch genügt wird, die betreffende, in der Vergangenheit zuverlässige und im Rahmen ihrer Tätigkeit für den [X.]evollmächtigten mit den Übermittlungsmodalitäten vertrauten Hilfsperson auf die Wichtigkeit der Erledigung der Übermittlung der Erklärung per Telefax noch am selben Tag hinzuweisen, sondern welche es dem [X.]evollmächtigten abverlangt, sich nicht auf die ordnungsgemäße Durchführung der [X.] durch die Hilfsperson verlassen zu dürfen und sich stattdessen selbst von der erfolgreichen Übermittlung der Erklärung überzeugen zu müssen,

die Zulassung der Revision nicht. Das [X.]eschwerdevorbringen wird insoweit den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht gerecht. Die [X.]eschwerde formuliert schon keine abstrakte Rechtsfrage, die sich in verallgemeinerungsfähiger Weise beantworten ließe und deren [X.]edeutung über den vorliegenden Fall hinausreicht, sondern kleidet lediglich einen konkreten - vom Oberverwaltungsgericht im Übrigen so nicht festgestellten - Sachverhalt in das Gewand einer Grundsatzfrage. Im Übrigen erschöpft sich das [X.]eschwerdevorbringen darin, die vom Oberverwaltungsgericht im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal "ohne Verschulden" in § 32 Abs. 1 [X.] vorgenommene Würdigung der Einzelfallumstände als fehlerhaft anzugreifen. Das reicht zur Darlegung der grundsätzlichen [X.]edeutung nicht aus.

Die vom Kläger mit [X.] vom 7. Dezember 2010 beantragte Aussetzung des Verfahrens nach § 94 VwGO kommt nicht in [X.]etracht. Die Entscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts über die vom Kläger gegen den [X.]eschluss des [X.]s vom 14. September 2010 in der Sache [X.]VerwG 7 [X.] 15.10 eingelegte Verfassungsbeschwerde (1 [X.]vR 2782/10) ist für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht vorgreiflich im Sinne des § 94 VwGO. Von einer analogen Anwendung der Vorschrift (vgl. hierzu [X.]AG, [X.]eschluss vom 5. Mai 2010 - 6 [X.] - NJW 2011, 1836; [X.]GH, [X.]eschluss vom 25. März 1998 - [X.] - NJW 1998, 1957) macht der [X.] im Rahmen seines Ermessens keinen Gebrauch.

Meta

7 B 79/10

17.06.2011

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 19. August 2010, Az: 11 D 26/08.AK, Urteil

§ 43a Nr 7 EnWiG, EGRL 35/2003, Art 10a EWGRL 337/85, § 2 Abs 3 UmwRG, § 10 Abs 3 BImSchG, § 61 Abs 3 BNatSchG 2002, § 3a Abs 2 VwVfG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.06.2011, Az. 7 B 79/10 (REWIS RS 2011, 5644)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5644

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZB 112/08

6 AZR 481/09

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