Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.01.2021, Az. XI ZB 35/18

11. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 9443

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Gegenstand

Spezialgesetzliche Prospekthaftung: Ausschluss einer Haftung der Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung


Leitsatz

Die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß den § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung schließt in ihrem Anwendungsbereich eine Haftung der Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB aus (Fortführung von Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2018 - XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 55).

Tenor

Der Beitritt der [X.] zu 2 auf Seiten der [X.] wird als unzulässig zurückgewiesen.

Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Musterentscheid des [X.] in [X.] vom 17. Januar 2018 in der Fassung des Beschlusses vom 2. März 2018 aufgehoben, soweit das [X.] die Anträge zu den [X.] 9 und 10 aus [X.] zurückgewiesen hat. Die Anträge zu den [X.] 9 und 10 werden als im Musterverfahren unstatthaft zurückgewiesen

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde des [X.] gegen den vorbezeichneten Musterentscheid mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Vorlagebeschluss des Landgerichts [X.] vom 11. Juni 2015 hinsichtlich des Feststellungsziels 1 (2) und die Erweiterungsbeschlüsse des [X.] in [X.] vom 13. Oktober 2017 hinsichtlich der [X.] 1 (2) und 11 und vom 9. November 2017 hinsichtlich des Feststellungsziels 11 gegenstandslos sind.

Die Gerichtskosten des [X.] und die außergerichtlichen Kosten der [X.] zu 1 tragen der [X.] und die Beigetretenen zu 1 bis 24 wie folgt:

Musterkläger

3,37%

Beigetretener zu 1

4,81%

Beigetretene zu 2

4,81%

Beigetretener zu 3

4,01%

Beigetretener zu 4

1,68%

Beigetretener zu 5

4,21%

Beigetretener zu 6

1,68%

Beigetretener zu 7

3,20%

Beigetretene zu 8

5,89%

Beigetretener zu 9

4,21%

Beigetretener zu 10

4,21%

Beigetretener zu 11

4,21%

Beigetretener zu 12

4,21%

Beigetretener zu 13

3,04%

Beigetretener zu 14

1,68%

Beigetretener zu 15

3,37%

Beigetretene zu 16

16,82%

Beigetretener zu 17

0,84%

Beigetretene zu 18

0,84%

Beigetretene zu 19

1,68%

Beigetretener zu 20

1,91%

Beigetretener zu 21

1,65%

Beigetretene zu 22

11,18%

Beigetretene zu 23

4,21%

Beigetretener zu 24                         

2,28%

Ihre außergerichtlichen Kosten im Rechtsbeschwerdeverfahren tragen der [X.], die Beigetretenen zu 1 bis 24 und die [X.] zu 2 selbst.

Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird hinsichtlich der Gerichtskosten auf bis 1,55 Mio. € festgesetzt.

Der Gegenstandswert für die außergerichtlichen Kosten des [X.] wird für den Prozessbevollmächtigten des [X.] und der Beigetretenen zu 1 bis 24 auf 624.000 € und für den Prozessbevollmächtigten der [X.] auf bis 1,55 Mio. € festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die [X.]en streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem [X.] in der [X.] noch über die Unrichtigkeit des Verkaufsprospekts der [X.] (künftig: [X.]) und eine daraus resultierende Haftung der [X.]n.

2

Die [X.] zu 1 (damals noch [X.]) und die [X.] zu 2 (damals noch [X.]) sind (Rechtsnachfolger der) Gründungsgesellschafter der [X.]. Die [X.] zu 1 fungierte zugleich als Treuhänderin für mittelbar an der [X.] beteiligte Anleger. Gegenstand des Unternehmens der [X.] war der Betrieb des [X.]      , das die [X.] von der [X.] gemäß Kaufvertrag vom 25. Mai 2007 erworben hatte. Komplementärin dieser Gesellschaft war die [X.]     GmbH. Deren Geschäftsführer waren zugleich Geschäftsführer der [X.] als Komplementärin der [X.]. [X.] vermittelte Anteile an der [X.] wurden auf der Grundlage eines am 5. Juli 2007 aufgestellten Verkaufsprospekts vertrieben, für dessen Inhalt die [X.] die Prospektverantwortung übernahm. Die Geschäfte der [X.] entwickelten sich ungünstig. [X.] wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet.

3

Seit dem [X.] haben zahlreiche Anleger Klagen gegen die [X.]n anhängig gemacht. Das [X.] hat daraufhin mit Beschluss vom 11. Juni 2015 dem [X.] zum Zwecke des [X.] vorgelegt. Das [X.] hat auf Antrag des [X.]s das Musterverfahren durch Beschlüsse vom 13. Oktober 2017 und 9. November 2017 erweitert.

4

Mit [X.] vom 17. Januar 2018 hat das [X.] nach Beweisaufnahme festgestellt, dass zwischen den [X.] der [X.] und den [X.]n ein vorvertragliches Schuldverhältnis zustande gekommen sei ([X.] 2), dass eine Verletzung von Pflichten aus diesem vorvertraglichen Schuldverhältnis den § 311 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB "und/oder § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB" unterfalle ([X.] 3), dass Ansprüche wegen einer Pflichtverletzung im Rahmen dieses Schuldverhältnisses "in [X.] zu einer etwa gegebenen spezialgesetzlichen Prospekthaftung" stünden ([X.] 4), dass für etwaige Pflichtverletzungen aus diesem Schuldverhältnis die Regelverjährung gelte "und diese nicht durch eine spezialgesetzlich geregelte Verjährung einer etwa gegebenen Prospekthaftung im engeren Sinne verdrängt" werde ([X.] 5), dass § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB auch für Pflichtverletzungen im Rahmen dieses Schuldverhältnisses gelte ([X.] 7) und dass die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens auch auf Pflichtverletzungen im Rahmen dieses Schuldverhältnisses anwendbar sei ([X.] 8). Im Übrigen hat es die Anträge zurückgewiesen.

5

Dagegen hat der [X.] Rechtsbeschwerde eingelegt, dem im Rechtsbeschwerdeverfahren 24 Beigeladene beigetreten sind. Der [X.] und die [X.] begehren die Abänderung des [X.] insoweit, als das [X.] die [X.]e betreffend die Fehlerhaftigkeit der Prospektangaben gemäß den [X.]en 1 (2) und 11 nicht getroffen hat. Außerdem greifen sie die Zurückweisung der Anträge zu den [X.]en 6 (Bestehen einer Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung des Prospekts), 9 (unterlassene Richtigstellung fehlerhafter Prospektangaben) und 10 (Verpflichtung zur Erteilung weiterer Informationen "vor und/oder nach Vertragsschluss") an.

6

Der Prozessbevollmächtigte der [X.]n zu 2 hat innerhalb der [X.] die Vertretung der [X.]n zu 2 angezeigt und beantragt, die Rechtsbeschwerde des [X.]s zurückzuweisen. Eine [X.] hat er innerhalb der [X.] nicht eingereicht. Mit Beschluss vom 4. November 2019 ist die [X.] zu 1 zur [X.]in bestimmt worden. Die [X.] zu 2, der dieser Beschluss am 22. November 2019 zugestellt worden ist, hat daraufhin mit Schriftsatz vom 26. November 2019 erklärt, "ihre Vertretungsanzeige" sei "als Beitrittserklärung zu verstehen", sie erkläre vorsorglich erneut den Beitritt und verweise zur Begründung ihres rechtlichen Interesses an diesem Beitritt auf die Rechtsbeschwerdeerwiderung vom 25. Juni 2018.

B.

7

Der Beitritt der [X.]n zu 2, der nicht in eine Anschlussrechtsbeschwerde umgedeutet werden kann, ist unzulässig, was der Senat zugleich mit der instanzbeendenden Entscheidung aussprechen kann. Die [X.] zu 2, die innerhalb der Frist lediglich beantragt hat, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen, hat ihren Beitritt auf Seiten der [X.]n zu 1 nicht innerhalb der Frist des § 20 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 [X.] begründet.

8

§ 20 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 [X.] gilt, was der Senat in seinem Beschluss vom 1. Dezember 2020 ([X.], juris Rn. 2 ff.) unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung nochmals im Einzelnen ausgeführt und begründet hat, auch für den [X.]n, der nicht zum [X.] bestimmt wird. Die Vorschrift unterscheidet bei der Frage, ob der Beitritt zu begründen ist, nicht zwischen [X.] auf Seiten des [X.] und [X.] auf Seiten des [X.]s. Deshalb muss, obwohl im [X.] der [X.] sonst nicht gehalten ist, innerhalb bestimmter Fristen die angegriffene Entscheidung zu verteidigen, auch der auf Seiten des [X.]s beitretende Beteiligte des [X.] - hier nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] - seinen Beitritt innerhalb der gesetzlichen Frist begründen (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Mai 2018 - [X.], juris Rn. 2, vom 13. November 2018 - [X.], juris Rn. 2 und vom 26. Mai 2020 - [X.], juris Rn. 2). Der vorsorglich auf Seiten des Rechtsbeschwerdegegners beitretende [X.] kann ggf. nach § 20 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 [X.], § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 ZPO die Verlängerung der Frist für die Begründung seines Beitritts beantragen. Wird er später als [X.] ausgewählt, erledigt sich sein Beitritt ([X.], Beschluss vom 4. November 2019 - [X.], n.v.).

9

Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung des Beitritts ist, was der Senat für das bis zum 31. Oktober 2012 geltende Recht bereits entschieden hat (Senatsbeschluss vom 19. August 2014 - [X.], [X.], 1764 Rn. 5), für das ab dem 1. November 2012 geltende Recht freilich entsprechend gilt, nicht statthaft.

Der unzulässige Beitritt ist nicht in eine Anschlussrechtsbeschwerde umzudeuten (vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 21. Oktober 2014 - [X.], [X.]Z 203, 1 Rn. 52 und vom 19. August 2014 - [X.], [X.], 1764 Rn. 6 ff.). Die Rechtsbeschwerdeerwiderung (auch) der [X.]n zu 2 ging nach Ablauf der Frist der § 21 Abs. 1 Satz 3 [X.], § 574 Abs. 4 Satz 1 ZPO und damit nicht fristgerecht ein. Eine Umdeutung einer unzulässigen prozessualen Handlung in eine andere unzulässige prozessuale Handlung kommt nicht in Betracht. Davon abgesehen enthält die Rechtsbeschwerdeerwiderung keinen eigenen Angriff gegen den [X.], sondern beschränkt sich auf Ausführungen dazu, warum der [X.] - soweit vom [X.] angegriffen - Bestand haben solle.

Der Senat kann die Entscheidung über die Zulässigkeit des Beitritts der [X.]n zugleich mit der Endentscheidung über die Rechtsbeschwerde treffen, ohne dass es vorab einer Zwischenentscheidung bedürfte. § 71 ZPO findet keine entsprechende Anwendung (KK-[X.]/Rimmelspacher, 2. Aufl., § 20 Rn. 73).

C.

Die zulässige Rechtsbeschwerde des [X.]s hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.

I.

Die Rechtsbeschwerde ist insgesamt zulässig. Sie ist rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO). Gleiches gilt für die Beitritte der noch am Rechtsbeschwerdeverfahren Beteiligten, die der Rechtsbeschwerde des [X.]s zur Unterstützung beigetreten sind (§ 20 Abs. 3 Satz 1 und 2 [X.]).

Zwar setzt ein ordnungsgemäßer [X.] im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO grundsätzlich die genaue Benennung der angegriffenen Teile des [X.] voraus, die aufgehoben oder abgeändert werden sollen. Dementsprechend müssen die [X.]e, hinsichtlich derer eine Abänderung des [X.] im Wege der Rechtsbeschwerde begehrt wird, im [X.] im Einzelnen bezeichnet werden. Zugleich müssen die Feststellungen, die durch das Rechtsbeschwerdegericht getroffen werden sollen, im Antrag wiedergegeben werden. Es genügt allerdings, wenn aus der Rechtsbeschwerdebegründung ersichtlich ist, welche einzelnen [X.]e des [X.] angegriffen sind (Senatsbeschlüsse vom 21. Oktober 2014 - [X.], [X.]Z 203, 1 Rn. 55 ff. und vom 23. Oktober 2018 - [X.], [X.]Z 220, 100 Rn. 35 f.). Das ist hier der Fall. Aus dem [X.] in Verbindung mit der Rechtsbeschwerdebegründung ergibt sich, dass der [X.] insgesamt zur Überprüfung gestellt ist, soweit das [X.] den Anträgen des [X.]s nicht entsprochen hat.

II.

Die Rechtsbeschwerde des [X.]s hat nur in geringem Umfang Erfolg. Das [X.] ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass eine Feststellung gemäß dem [X.] 6 nicht zu treffen ist. Die Rechtsbeschwerde führt nur insoweit zur Aufhebung des [X.], als das [X.] Feststellungen getroffen hat, auf die es nicht mehr ankommt, und in der Sache zu im Musterverfahren unstatthaften [X.]en entschieden hat.

1. Das [X.] hat zur Begründung des [X.] - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

Der Prospekt enthalte keine Fehler ([X.]e 1 [2] und 11). Weil die Feststellungsanträge zu den behaupteten inhaltlichen Mängeln des Prospekts sämtlich keinen Erfolg hätten, sei nicht festzustellen, dass eine Verwendung des Prospekts "Verletzungen von Pflichten" durch die [X.]n gegenüber den [X.] darstellten ([X.] 6). Aus diesem Grund ebenfalls nicht festzustellen sei, der unterbliebene Hinweis der [X.]n nach Abschluss der Beteiligung der Treugeber an der [X.] auf die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts stelle eine Pflichtverletzung aus einem zwischen den [X.] und den [X.]n zustande gekommenen vorvertraglichen Schuldverhältnis dar ([X.] 9). Gleiches gelte für die Feststellung, die [X.]n hätten "vor und/oder nach Vertragsschluss" bestimmte Informationen erteilen müssen ([X.] 10). Dagegen seien Feststellungen gemäß den [X.]en 2 bis 5 und 7 bis 8, die allgemeine Grundsätze der Prospekthaftung im weiteren Sinne beträfen, zu treffen.

2. Soweit die Entscheidung des [X.]s Gegenstand des [X.] ist ([X.]e 1 [2], 6 und 9 bis 11), führt sie - wie oben ausgeführt - nur zu einem geringen Teilerfolg.

a) Das [X.] hat allerdings, was auf die Rechtsbeschwerde zu korrigieren ist, verkannt, dass die [X.]e 9 und 10 nicht die Verwendung einer öffentlichen Kapitalmarktinformation im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.] betreffen und daher im Musterverfahren unstatthaft sind. [X.], die ohne Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation begangen worden sein sollen, können auch nach der Novelle des [X.]es im Jahr 2012 nicht - auch nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.] - Gegenstand eines [X.] sein (Senatsbeschluss vom 30. April 2019 - [X.], [X.]Z 222, 15 Rn. 16). Die [X.]e 9 und 10 beziehen sich nicht auf die Verwendung einer öffentlichen Kapitalmarktinformation, sondern allgemein auf vorvertragliche und gesellschaftsvertragliche Aufklärungspflichten, deren Erfüllung durch die Verwendung einer öffentlichen Kapitalmarktinformation sie nicht voraussetzen.

b) Dagegen ist die Annahme des [X.]s, der Antrag zum [X.] 6 sei als unbegründet zurückzuweisen, im Ergebnis zutreffend.

aa) Das Ziel festzustellen, die Verwendung des Prospekts stelle Verletzungen von Pflichten durch die [X.]n als (Rechtsnachfolger der) Gründungsgesellschafter gegenüber den [X.] der [X.] dar, soll die Frage allein für einen möglichen Anspruch der Anleger gegen die [X.]n beantworten, der sich daraus ergeben kann, dass die [X.]n die ihnen als künftiger Vertragspartner des Gesellschaftsvertrags gemäß § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB obliegenden vorvertraglichen Pflichten durch Verwenden eines unrichtigen oder unvollständigen Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung verletzt haben (so für den parallelen Fall der vorvertraglichen Haftung - dort [X.] 10 - einer Kapitalanlagegesellschaft Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2018 - [X.], [X.]Z 220, 100 Rn. 15 und 59). Dies lässt sich dem Antrag im Wege der Auslegung entnehmen. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kann das Revisionsgericht die Würdigung prozessualer Erklärungen einer [X.] uneingeschränkt nachprüfen und Erklärungen selbst auslegen (vgl. Senatsurteile vom 27. Mai 2008 - [X.], [X.], 1260 Rn. 45 und vom 16. Mai 2017 - [X.], [X.], 1258 Rn. 11). Das gilt auch für ein zur Entscheidung gestelltes und in den Vorlagebeschluss aufgenommenes [X.]. Das Auslegungsergebnis folgt dem Grundsatz, dass [X.] so auszulegen sind, dass ein prozessual zulässiges Ergebnis erreicht wird. Feststellungen zu einem Schadensersatzanspruch, der nicht an eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung (Senatsbeschluss vom 30. April 2019 - [X.], [X.]Z 222, 15 Rn. 17) anknüpft, wären im Kapitalanleger-Musterverfahren unstatthaft (Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2018, aaO, Rn. 59).

bb) Die mit dem Antrag begehrte Feststellung ist nicht zu treffen, weil eine Haftung der [X.]n als (Rechtsnachfolger der) Gründungsgesellschafter aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden kann. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird vielmehr durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt.

(1) Auf den am 5. Juli 2007 veröffentlichten Prospekt findet die Regelung des § 8g [X.] in der vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (künftig: aF) in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (künftig: aF) eröffnet.

(2) Nach § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] aF haften neben denjenigen, die für den Prospekt im Sinne des § 8g [X.] aF die Verantwortung übernommen haben, im Falle von dort enthaltenen unrichtigen oder unvollständigen wesentlichen Angaben auch diejenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht, § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF. Damit sollen die Personen und Unternehmen getroffen werden, von denen die wirtschaftliche Initiative ausgeht und die hinter dem Prospekt stehen und seine eigentlichen Urheber sind (vgl. Senatsurteil vom 18. September 2012 - [X.], [X.]Z 195, 1 Rn. 35 ff.; [X.], Urteile vom 6. Oktober 1980 - [X.], [X.]Z 79, 337, 340 ff., vom 22. März 1982 - [X.], [X.]Z 83, 222, 223 f., vom 5. Juli 1993 - [X.], [X.]Z 123, 106, 109 f. und vom 2. Juni 2008 - [X.], [X.]Z 177, 25 Rn. 12). [X.] ist, wer hinter dem Emittenten steht und neben der Geschäftsleitung besonderen Einfluss ausübt. Durch die Regelung soll eine Lücke bei den Haftungsverpflichteten geschlossen werden; insbesondere sollen auch [X.] in die Haftung einbezogen werden (Senatsurteil vom 18. September 2012, aaO, Rn. 36). Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF ist von einer Prospektverantwortlichkeit eines [X.] unter anderem dann auszugehen, wenn dieser auf die Konzeption des konkreten, mit dem Prospekt beworbenen und vertriebenen Modells maßgeblich Einfluss genommen hat und damit letztendlich auch für die Herausgabe des Prospektes verantwortlich ist. Dabei können die gesellschaftsrechtliche Funktion des [X.] sowie ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse für eine Einflussnahme auf die Konzeption des Modells sprechen. Nicht entscheidend ist, ob eine Mitwirkung unmittelbar bei der Gestaltung des Prospektes gegeben ist; ausschlaggebend dagegen ist, ob der Prospekt mit Kenntnis des Verantwortlichen in den Verkehr gebracht worden ist (Senatsurteil vom 18. September 2012, aaO, Rn. 37).

Nach diesen Grundsätzen sind die [X.]n [X.] im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF. Sie sind Gründungsgesellschafter der [X.]. Beide [X.] waren bei Aufstellung des Prospekts zu jeweils 50% Gesellschafter der Komplementärin der [X.]. Die [X.] zu 1 war außerdem die Schwestergesellschaft der [X.]n nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] aF und fungierte als Treuhandkommanditistin. Die [X.] zu 2 übernahm von den ursprünglich auf 275.000 € bezifferten Pflichteinlagen eine Pflichteinlage von 200.000 €. Beide [X.]n hafteten mithin als [X.] für unrichtige oder unvollständige wesentliche Angaben nach den Grundsätzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung.

(3) Neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] aF ist eine Haftung der [X.]n unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung des unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung ausgeschlossen (vgl. zu § 127 [X.] in der bis zum 30. Juni 2011 geltenden Fassung [künftig: aF] Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2018 - [X.], [X.]Z 220, 100 Rn. 55). Die [X.]haftung nach § 13 [X.], § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF erfasst den Gründungsgesellschafter als [X.] und als künftigen Vertragspartner des Gesellschaftsvertrags der [X.]. Die Haftung nach § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] aF verwirklicht in der Person des [X.] stets auch die Voraussetzungen des Verschuldens bei Vertragsschluss mittels Verwendens eines fehlerhaften Verkaufsprospekts (§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB). Wollte man diese allgemeinen Haftungsgrundsätze neben § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] aF ohne jede Einschränkung zur Anwendung bringen, liefe die gesetzgeberische Entscheidung, dem Gründungsgesellschafter als [X.] im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF die Möglichkeit zu eröffnen, sich mit dem Nachweis einfach fahrlässiger Unkenntnis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts zu entlasten (§ 45 Abs. 1 [X.] aF), und eine Sonderverjährungsfrist (§ 46 [X.] aF) anzuordnen, vollständig leer. Eine Haftung des [X.] nach § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB kommt daher nur bei Sachverhaltskonstellationen in Betracht, die von der Regelung der § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] aF nicht erfasst sind.

(4) Die Übertragung dieser vom Senat zuerst für die nach § 127 [X.] aF haftende Kapitalanlagegesellschaft entwickelten Grundsätze (Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2018 - [X.], [X.]Z 220, 100 Rn. 55) auf den nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF haftenden Gründungsgesellschafter steht § 47 Abs. 2 [X.] aF nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift bleiben weitergehende Ansprüche, die nach den Regeln des bürgerlichen Rechts auf Grund von Verträgen oder vorsätzlichen unerlaubten Handlungen erhoben werden können, unberührt. Eine Aussage zu vorvertraglichen Ansprüchen unter denselben Haftungsvoraussetzungen lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift nicht entnehmen. Der Wille des Gesetzgebers spricht für einen Ausschluss von Ansprüchen aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB neben solchen nach § 13 [X.] aF. Der Gesetzgeber des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes vom 28. Oktober 2004 ([X.] I 2630) hielt im Zusammenhang mit der Anfügung einer neuen Nummer 3 in § 13 Abs. 1 [X.] aF ausdrücklich fest, Ansprüche aus zivilrechtlicher Prospekthaftung im weiteren Sinne gegen von § 13 [X.], § 44 [X.] aF "nicht erfasste am Vertrieb der Vermögensanlagen im Sinne des § 8f Abs. 1 [[X.] aF] Beteiligte, z.B. Vermittler", würden nicht berührt (BT-Drucks. 15/3174, [X.]). Dem lässt sich im Gegenschluss der gesetzgeberische Wille entnehmen, vorvertragliche Ansprüche gegen Adressaten der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nicht zur Anwendung zu bringen.

cc) Der Bestätigung der Zurückweisung des Antrags zum [X.] 6 steht nicht entgegen, dass das [X.] - von den [X.]n weder mit einer Rechtsbeschwerde noch mit einer Anschlussrechtsbeschwerde angegriffen - in Ziffer 3 der Entscheidungsformel des [X.] entsprechend dem [X.] 4 festgestellt hat, Ansprüche wegen Pflichtverletzung im Rahmen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses zwischen den [X.] der [X.] und den [X.]n stünden "in [X.] zu einer etwa gegebenen spezialgesetzlichen Prospekthaftung". Das [X.], das das Vorhandensein von [X.]n verneint hat, hat - wenn auch unter Verkennung der gegenständlichen Grenzen des [X.] - sämtliche Feststellungen zu einer Haftung der [X.]n aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis auf Pflichtverletzungen bezogen, die nicht an eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung anknüpfen. Schon aus diesem Grund ergeben sich für die Prozessgerichte in den Ausgangsverfahren keine widersprüchlichen rechtlichen Vorgaben.

c) Weil der Antrag zu dem [X.] 6 in der Sache unbegründet ist, ist der Vorlagebeschluss hinsichtlich des [X.]s 1 (2) und sind die [X.] vom 13. Oktober 2017 und 9. November 2017 hinsichtlich der [X.]e 1 (2) (Ergänzung) und 11 gegenstandslos.

Gegenstandslos wird der dem Musterverfahren zugrundeliegende Vorlagebeschluss und ein Erweiterungsbeschluss hinsichtlich eines [X.]s, wenn die Entscheidungserheblichkeit dieses [X.]s aufgrund der vorausgegangenen Prüfung im Musterverfahren entfallen ist (Senatsbeschlüsse vom 22. November 2016 - [X.], [X.]Z 213, 65 Rn. 106, vom 19. September 2017 - [X.], [X.]Z 216, 37 Rn. 49, vom 23. Oktober 2018 - [X.], [X.]Z 220, 100 Rn. 61 und vom 6. Oktober 2020 - [X.], [X.], 2411 Rn. 54).

Das ist hier für die von der Rechtsbeschwerde weiterverfolgten [X.]e 1 (2) und 11, die sämtlich vom [X.] behauptete Fehler des Prospekts zum Gegenstand haben, der Fall. Sowohl der Vorlagebeschluss als auch die [X.] sind dahin auszulegen, dass [X.] ausschließlich als anspruchsbegründende Voraussetzung einer Haftung der [X.]n unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung festgestellt werden sollen (Senatsbeschluss vom 19. September 2017 - [X.], [X.]Z 216, 37 Rn. 54). Da eine solche Haftung - wie unter b) ausgeführt - aus Rechtsgründen nicht gegeben ist, kommt es auf Feststellungen zu [X.]n nicht mehr an.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des [X.] folgt aus § 26 Abs. 1 und 3 [X.] i.V.m. §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entsprechend. Danach haben der [X.] und die auf seiner Seite [X.] die gesamten Kosten des [X.] mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der [X.]n zu 2, deren Beitritt unzulässig ist, nach dem Grad ihrer Beteiligung zu tragen.

Soweit der Senat auf die (teilweise) Gegenstandslosigkeit des [X.] und der [X.] erkennt, ist damit eine der Rechtsbeschwerde günstige Entscheidung in der Sache, die eine Belastung der [X.]n zu 1 mit Kosten des [X.] rechtfertigte, nicht verbunden (Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2018 - [X.], [X.]Z 220, 100 Rn. 76). Auch hinsichtlich der [X.]e 9 und 10, die im Musterverfahren unstatthaft sind, hat der Senat eine eigene Sachentscheidung nicht getroffen.

IV.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtskosten folgt aus § 51a Abs. 2 GKG.

Gemäß § 51a Abs. 2 GKG ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem [X.] bei der Bestimmung des Streitwerts von der Summe der in sämtlichen Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche auszugehen, soweit diese von den [X.]en des [X.] betroffen sind. Infolgedessen sind bei der Streitwertbemessung auch die in den Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche der Beigeladenen zu berücksichtigen, die zwar dem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beigetreten sind, ihre Klage aber nicht innerhalb der Monatsfrist des § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 24 Abs. 2 [X.] zurückgenommen haben (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. November 2016 - [X.], [X.]Z 213, 65 Rn. 117 und vom 23. Oktober 2018 - [X.], [X.]Z 220, 100 Rn. 80). Der Gesamtwert der in sämtlichen ausgesetzten Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche beträgt vorliegend 1.525.200 €.

Die Festsetzung des [X.] für die außergerichtlichen Kosten der Prozessbevollmächtigten des [X.] beruht auf § 22 Abs. 1, § 23b [X.].

Ellenberger    

        

Grüneberg    

        

[X.]

        

Derstadt    

        

Ettl    

        

Meta

XI ZB 35/18

19.01.2021

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 17. Januar 2018, Az: 13 Kap 2/15

§ 280 Abs 1 BGB, § 311 Abs 2 BGB, § 13 VerkaufsprospektG vom 22.12.2006, § 44 BörsG vom 16.07.2007, §§ 44ff BörsG vom 16.07.2007

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.01.2021, Az. XI ZB 35/18 (REWIS RS 2021, 9443)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 681-682 WM2021,726 REWIS RS 2021, 9443 WM 2022, 1169 REWIS RS 2021, 9443

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