Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.02.2020, Az. AnwZ (Brfg) 71/18

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2020, 1587

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Gegenstand

Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers bei Drittberatungen


Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 4. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofes vom 16. Juli 2018 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Arbeitsvertrag vom 9. August 2006 wurde er bei der [X.] als "D&OSchadenspezialist" eingestellt. Geschäftsgegenstand der [X.] (fortan auch: Arbeitgeberin) ist die Vermittlung und die Betreuung von Erst- und Rückversicherungsverträgen zur Abdeckung von Vermögensschaden Haftpflichtrisiken im Auftrag von Versicherern, die sich zu einer Mitversicherungsgemein-schaft (fortan: [X.]) zusammengeschlossen haben. Die Arbeitgeberin des [X.] erbringt Dienstleistungen für die Mitglieder der [X.]. Sie erarbeitet [X.], verwaltet Verträge, treibt Prämien ein, bearbeitet Schadensfälle, zahlt Schadenssummen aus und führt Prozesse. Die Mitglieder der Versicherungsgemeinschaft sind zugleich Gesellschafter der Arbeitgeberin des [X.].

2

Der Kläger leitet die Abteilung "Schadensmanagement" seiner Arbeitgeberin. Am 25. Februar 2016 schloss er mit seiner Arbeitgeberin einen Ergänzungsvertrag zum Arbeitsvertrag, nach welchem er "anwaltlich für den Arbeitgeber tätig" ist und nach Zulassung durch die zuständige Kammer als "Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)" beschäftigt wird. Unter dem 17. März 2016 beantragte der Kläger die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Mit Bescheid vom 27. Juli 2016 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Klage des [X.] führte zur Aufhebung des ablehnenden Bescheides und zur Verurteilung der Beklagten, dem Kläger die beantragte Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu erteilen. Der [X.] hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zugelassen.

3

Die Beklagte meint weiterhin, eine Zulassung komme nicht in Betracht, weil der Kläger nicht in Rechtsangelegenheiten seiner Arbeitgeberin tätig sei, sondern in Rechtsangelegenheiten Dritter, nämlich der in der [X.] zusammengeschlossenen Versicherer. Zudem fehle es an der anwaltlichen Prägung des Arbeitsverhältnisses. Die Tätigkeiten, die sich aus den vom Kläger vorgelegten "Timesheets" ergäben, seien überwiegend nicht anwaltlicher Art.

4

Die Beklagte beantragt,

5

das Urteil des 4. Senats des Bayerischen [X.]es vom 16. Juli 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,

7

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf das angefochtene Urteil und auf die vom [X.] beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die Berufung ist nach § 112e Satz 1 [X.] statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 5, 6 VwGO). Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 113 VwGO). Der Kläger kann nicht als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden, weil er entgegen § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 [X.] nicht in Rechtsangelegenheiten seiner Arbeitgeberin tätig ist.

I.

Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt ist gemäß § 46a Abs. 1 Satz 1 [X.] auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 [X.] erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 [X.] vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 [X.] entspricht. § 46 Abs. 2 Satz 1 [X.] verlangt für Angestellte nichtanwaltlicher Arbeitgeber eine anwaltliche Tätigkeit gerade für den Arbeitgeber. Gemäß § 46 Abs. 5 Satz 1 [X.] beschränkt sich die Befugnis des [X.] zur Beratung und Vertretung auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Senats für Anwaltssachen handelt es sich bei § 46 Abs. 5 [X.] um ein echtes Tatbestandsmerkmal, nicht nur um eine Beschränkung des zulässigen Tätigkeitsfeldes nach erteilter Zulassung (vgl. [X.], Urteil vom 6. Mai 2019 - [X.] ([X.]) 38/17, NJW-RR 2019, 946 Rn. 12; Beschluss vom 16. August 2019 - [X.] ([X.]) 58/18, NJW 2019, 3453 Rn. 24; Beschluss vom 30. September 2019 - [X.] ([X.]) 38/19, juris Rn. 5).

Die Abteilung "Schadensmanagement" der Arbeitgeberin des [X.] bearbeitet Rechtsangelegenheiten der in der [X.] zusammengeschlossenen Versicherer. Die Arbeitgeberin ist nicht Partei der Versicherungsverträge. Sie ist aus ihnen weder berechtigt noch verpflichtet. Insbesondere trifft sie keine Einstandspflicht. Die Schadensfälle, welche der Arbeitgeberin gemeldet werden, sind solche der Versicherer, nicht solche der Arbeitgeberin. Nichts anderes gilt hinsichtlich der Versicherungsverträge, bei deren Abschluss und Verlängerung der Kläger die zuständige Abteilung seiner Arbeitgeberin berät, und für die Anpassung von Versicherungsbedingungen. Die betreffenden Verträge werden von den Versicherern verwandt, nicht von der Arbeitgeberin des [X.].

Ob und in welcher Form die Arbeitgeberin des [X.] den Versicherern gegenüber zu den genannten Dienstleistungen verpflichtet ist, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Senats für Anwaltssachen wird eine Angelegenheit nicht dadurch zu einer Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers, dass dieser sich schuldrechtlich zur Erbringung einer Dienstleistung verpflichtet hat (vgl. [X.], Beschluss vom 16. August 2019 - [X.] ([X.]) 58/18, aaO Rn. 30 mwN).

Die Tätigkeit des [X.] fällt schließlich auch nicht unter eine der Ausnahmen in § 46 Abs. 5 Satz 2 [X.]. Diese Ausnahmetatbestände sind eng auszulegen und nicht analogiefähig ([X.], Urteil vom 6. Mai 2019 - [X.] ([X.]) 38/17, aaO Rn. 16; Beschluss vom 16. August 2019 - [X.] ([X.]) 58/18, aaO Rn. 41; Beschluss vom 30. September 2019 - [X.] ([X.]) 38/19, aaO Rn. 7). Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke. Weder aus der Bundesrechtsanwaltsordnung noch aus den Gesetzesmaterialien zu den §§ 46 ff. [X.] (BT-Drucks. 18/5201, [X.] f. zu § 46 Abs. 5 [X.]-E) ergibt sich ein Regelungsplan des Gesetzgebers, nach welchem eine Drittberatung auch in anderen als den in § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 [X.] genannten Fällen eine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers darstellen soll. Der Gesetzgeber wollte ausschließlich in den in § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 [X.] genannten besonderen Fällen der Drittberatung eine Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers sehen ([X.], Urteil vom 6. Mai 2019 - [X.] ([X.]) 38/17, aaO).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Kayser     

        

Lohmann     

        

Paul   

        

Wolf     

        

Merk     

        

Meta

AnwZ (Brfg) 71/18

03.02.2020

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend BGH, 5. September 2019, Az: AnwZ (Brfg) 71/18, Beschluss

§ 46 Abs 2 S 1 BRAO, § 46 Abs 5 S 1 BRAO, § 46 Abs 5 S 2 BRAO, § 46a Abs 1 S 1 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.02.2020, Az. AnwZ (Brfg) 71/18 (REWIS RS 2020, 1587)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1587

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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