Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2011, Az. 4 StR 40/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 8622

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Gegenstand

Amtsanmaßung und Abzeichenmissbrauch: Strafbarkeit der Vortäuschung einer Zugehörigkeit zu den Feldjägern sowie des unbefugten Tragens von inländischen Uniformen und Amtsabzeichen


Leitsatz

Zur Strafbarkeit wegen Amtsanmaßung und wegen unbefugten Tragens von inländischen Uniformen und Amtsabzeichen, wenn der nicht der Bundeswehr angehörende Täter unter Vortäuschung seiner Zugehörigkeit zu den Feldjägern der Bundeswehr hoheitliche Befugnisse gegenüber Zivilpersonen in Anspruch nimmt .

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2010 mit den Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Amtsanmaßung, Urkundenfälschung, Missbrauch von Amtsabzeichen und Verstoß gegen das Waffengesetz verurteilt worden ist,

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Höhe des Tagessatzes der wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung verhängten Geldstrafe auf 1 Euro festgesetzt wird.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Amtsanmaßung, Urkundenfälschung, Missbrauch von [X.] und einem "Verstoß gegen das Waffengesetz“ sowie wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem Strafbefehl des [X.] nach Auflösung der dortigen Gesamtgeldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

2

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen teilweisen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3

Das [X.] hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:

4

Nachdem die Zeugin S. in Gegenwart des Angeklagten Ende Mai/Anfang Juni 2009 davon berichtet hatte, der Geschädigte habe sie während einer mit ihr geführten kurzen Beziehung sexuell missbraucht, fasste der Angeklagte, der ebenso wie seine anwesenden Freunde dieser Schilderung Glauben schenkte, den Plan, den Geschädigten gemeinsam mit einer zweiten Person zum Zwecke der Bestrafung aufzusuchen und ihn zu verprügeln. Zur Vorbereitung der Tat entwarf der Angeklagte am Computer einen "Durchsuchungsbeschluss", in dem – sinngemäß und in quasiamtlicher Diktion – die Durchsuchung der Wohnung des Geschädigten wegen des Verdachts verschiedener Straftaten, u.a. wegen "sexueller Belästigung“, "angeordnet" wird. Das Schriftstück war mit einem aus dem [X.] herunter geladenen [X.]kreuz versehen und mit dem vom Angeklagten herrührenden handschriftlichen Namenszug "Hauptmann M." versehen. Es enthielt am Ende ein wiederum aus dem [X.] herunter geladenes [X.]-Kreuz, den Schriftzug "[X.]", einen Bundesadler sowie einen schwarz-rot-goldenen Farbstreifen mit den Worten "[X.]". Der Angeklagte fertigte zusätzlich ein weiteres Schriftstück, in dem die "Vollstreckung des [X.]" erteilt und gegebenenfalls die "sofortige Festnahme" des Geschädigten "gestattet" wird. Dieses Schreiben endet mit dem handschriftlichen Namenszug "Oberst Sch." und enthält ähnliche militärische und nationale Hoheitszeichen wie der "Durchsuchungsbeschluss".

5

Am Abend des 13. Juni 2009 begaben sich der Angeklagte und sein Mittäter, der frühere Mitangeklagte [X.], in Begleitung mehrerer Freunde mit dem Pkw der [X.], der Lebensgefährtin des Angeklagten, und einem weiteren Fahrzeug in die Nähe der Wohnung des Geschädigten. Entsprechend dem im Wesentlichen vom Angeklagten ausgearbeiteten Plan legten er und [X.], obwohl beide der [X.] nicht angehörten, "Feldjägeruniformen“ aus dem Besitz des Angeklagten an. Der Angeklagte streifte zusätzlich eine [X.] mit den Buchstaben "[X.]“ ([X.]) über einen Oberarm. Mit dem Pkw der [X.], den sie zuvor mit von einem Schrottfahrzeug abmontierten Kennzeichen versehen hatten, rollten beide das letzte Wegstück im Leerlauf zum Wohnhaus des Geschädigten; ihre Begleiter blieben zurück. Ausgerüstet waren [X.] und der Angeklagte mit zwei vom Angeklagten beschafften [X.], die sie in [X.] mit sich führten. Die Pistole des Angeklagten war nicht geladen. Nachdem sich der Angeklagte und [X.] Zutritt zur Wohnung verschafft und festgestellt hatten, dass sich entgegen ihrer Erwartung nicht nur der Geschädigte, sondern drei weitere Personen in der Wohnung aufhielten, gaben sie ihren Plan auf, den Geschädigten zu verprügeln. Der Angeklagte überreichte dem Geschädigten die beiden von ihm angefertigten Schriftstücke, [X.] nahm die Waffe aus seinem Halfter und richtete sie auf den Geschädigten sowie zwei der Anwesenden. Er ([X.]) lud die Pistole durch, wobei eine Patrone heraus fiel, die er vom Boden aufhob und einsteckte, woraufhin er sich in die Küche begab, die Tür hinter sich schloss und den Raum lautstark durchsuchte. Der inzwischen verängstigte Geschädigte las die ihm überreichten Schreiben. Er hielt den Angeklagten und [X.] tatsächlich für Feldjäger der [X.] und vermutete einen Zusammenhang zwischen deren Erscheinen und den auch ihm bekannten Vorwürfen der Zeugin S. Der Angeklagte ließ den Geschädigten das zweite Schreiben unterzeichnen, notierte die Personalien der weiteren Anwesenden und fragte den Geschädigten, ob dieser Waffen oder Betäubungsmittel in Besitz habe. Daraufhin nahm er aus einer vom Geschädigten geöffneten Schublade ein Messer im Wert von etwa 10 Euro mit dem Bemerken an sich, er müsse dieses "konfiszieren". Außerdem steckte er eine Tüte mit Marihuana ein, die einem der [X.] gehörte. Nach etwa 30 Minuten verließen er und [X.] die Wohnung. Beide bestiegen den Pkw der [X.], den der Angeklagte, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, die Straße [X.], wo die [X.] zustieg und das Steuer übernahm. Auf Bitten der [X.] gab der Angeklagte das Marihuana an diese weiter; das "konfiszierte" Messer, das [X.] nicht haben wollte, warf der Angeklagte etwa drei bis vier Wochen nach der Tat weg.

II.

6

1. Soweit das Tatgeschehen bis zum Verlassen der Wohnung des Geschädigten betroffen ist, begegnet zunächst der Schuldspruch wegen „schweren Raubes“ durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

7

a) Zwar wird das Tatbestandsmerkmal der Wegnahme nach der Rechtsprechung des [X.] nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Täter - wie im vorliegenden Fall der Angeklagte - durch die falsche Behauptung einer amtlichen Beschlagnahme die Herausgabe einer fremden beweglichen Sache fordert und sie erreicht, selbst wenn das Opfer die Wegnahme nicht nur duldet, sondern die Sache dem Täter auf dessen Verlangen aushändigt. In einem solchen Fall ist für einen eigenen, freien Willensentschluss des Opfers, das sich dem Zwang fügt, kein Raum (vgl. dazu [X.], Urteil vom 16. Januar 1963 - 2 StR 591/62, [X.]St 18, 221, 223 m.w.[X.]).

8

b) Im Ergebnis zu Recht rügt die Revision jedoch die unzureichende Darlegung der für den Tatbestand des Raubes im Sinne des § 249 StGB auch erforderlichen finalen Verknüpfung zwischen dem eingesetzten [X.] und der Wegnahme (vgl. dazu [X.]surteil vom 16. Januar 2003 - 4 [X.], [X.], 431 m.w.[X.]). Die Anwendung von Gewalt oder Drohung darf nicht nur gelegentlich der Entwendung einer fremden Sache erfolgen, sondern sie muss darauf gerichtet sein, den [X.] durch Ausschaltung eines erwarteten oder geleisteten Widerstandes zu ermöglichen oder wenigstens zu erleichtern ([X.], Beschluss vom 17. Juli 2002 - 2 [X.], [X.], 304; [X.]/[X.] § 249 Rn. 24).

9

Zwar trug der Angeklagte die von ihm mitgeführte Waffe nicht nur offen in einem Holster am Oberschenkel, sondern hatte während der weiteren Tatausführung "fast ständig" seine Hand auf die Waffe gelegt, woraus sich eine zumindest konkludente Drohung ergeben könnte, die Waffe nötigenfalls auch einzusetzen. Zu dem insoweit allein maßgeblichen Willen und der Vorstellung des Angeklagten zum Zeitpunkt der Tatausführung (vgl. dazu [X.]surteil vom 19. April 1963 - 4 [X.], [X.]St 18, 329, 331; [X.] aaO) verhalten sich die Urteilsgründe jedoch nicht.

c) [X.] hat ferner die Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 StGB, dessen Strafrahmen sie ihrer Entscheidung – ohne nähere Bezeichnung der [X.], die sich auch aus der rechtlichen Würdigung und der Liste der angewendeten Vorschriften nicht erschließt – zu Grunde gelegt hat, nicht ausreichend dargetan.

Waffen im Sinne des hier in Betracht kommenden § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB sind (einsatzbereite) Gas- und Schreckschusswaffen nur dann, wenn nach deren Bauart der [X.] beim Abfeuern der Munition nach vorne durch den Lauf austritt (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Februar 2003 – [X.], [X.]St 48, 197, 201; Beschluss vom 15. Februar 2011 – 3 StR 8/11; [X.]/[X.] § 244 Rn. 7 m.w.[X.]). Hierzu hat der Tatrichter regelmäßig genaue Feststellungen zu treffen, denn der Austritt des [X.]s nach vorne mag zwar üblich sein, kann aber nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden ([X.], Beschluss vom 9. Februar 2010 – 3 StR 17/10, [X.], 390; Beschluss vom 15. Februar 2011 – 3 StR 8/11). Die dazu im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen erweisen sich als nicht ausreichend. Zwar steht der Umstand, dass der Angeklagte selbst nur eine ungeladene Gaspistole verwendete, einer mittäterschaftlichen Zurechnung (§ 25 Abs. 2 StGB) hinsichtlich der von [X.] eingesetzten, "geladenen“ Gaspistole nicht entgegen, zumal der Angeklagte beide beschafft und den [X.] im Wesentlichen selbst ausgearbeitet hatte. Zum konkreten Ladezustand und zur Funktionsfähigkeit der Pistole des [X.] ist aber nichts weiter festgestellt.

2. Die – in Tateinheit mit schwerem Raub erfolgte – Verurteilung wegen Missbrauchs von [X.] ist ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Zum einen wird die revisionsgerichtliche Überprüfung durch eine nicht eindeutige rechtliche Zuordnung des vom [X.] festgestellten Lebenssachverhalts zu dem als erfüllt angesehenen Straftatbestand erschwert. Der Angeklagte trug während der Tat unbefugt eine "Feldjägeruniform", weshalb der Straftatbestand des Missbrauchs von (inländischen) Uniformen im Sinne des § 132a Abs. 1 Nr. 4 1. Variante StGB erfüllt sein kann. In Betracht kommt ferner die – ebenfalls unbefugte – Verwendung der [X.] mit der Aufschrift "[X.]“ als Missbrauch von [X.] im Sinne des § 132a Abs. 1 Nr. 4 4. Variante StGB.

b) Zum anderen ist der Tatbestand des § 132a StGB in beiden [X.]n nur erfüllt, wenn es sich bei der jeweiligen Uniform bzw. dem [X.] um solche handelt, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen eingeführt sind (vgl. dazu eingehend LK-StGB/[X.], 12. Aufl. § 132a Rn. 50 ff. m.w.[X.]). [X.] werden zudem nur dann von der Strafvorschrift erfasst, wenn sie, ohne Bestandteil der Amtskleidung zu sein, an vorschriftsmäßigen Uniformen angebracht sind und den Träger als Inhaber eines bestimmten Amtes kennzeichnen ([X.], Beschluss vom 23. April 1992 – 1 StR 58/92, [X.], 490; [X.] aaO Rn. 52; [X.]/[X.] § 132a Rn. 16, jeweils m.w.[X.]). Dazu, ob die vom Angeklagten und seinem Mittäter getragenen Uniformen und die vom Angeklagten zusätzlich verwendete [X.] mit der Aufschrift "[X.]“ tatsächlich zu den durch öffentlich-rechtliche Vorschriften eingeführten Uniformen bzw. Abzeichen gehören oder solchen zum Verwechseln ähnlich sind (§ 132a Abs. 2 StGB), enthalten die Urteilsgründe keine näheren Feststellungen (vgl. dazu Art. 2 der gemäß § 4 Abs. 3 SG erlassene Anordnung des Bundespräsidenten über die Dienstgradbezeichnungen und die Uniform der Soldaten ([X.]) vom 14. Juli 1978 ([X.] I S. 1067; i.d.F. vom 31. Mai 1996, [X.]. 1996 S. 260).

3. Da das [X.] insoweit zu Recht von Tateinheit ausgegangen ist, kann auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen Urkundenfälschung durch Anfertigung der beiden Schreiben durch den Angeklagten nicht aufrecht erhalten bleiben (vgl. [X.] 53. Aufl. § 353 Rn. 7a).

4. Aus demselben Grund erstreckt sich die Aufhebung auch auf die tateinheitliche Verurteilung wegen eines Vergehens gemäß § 132 StGB. Zudem hält der Schuldspruch wegen Amtsanmaßung lediglich im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Die Tatmodalitäten des § 132 StGB setzen voraus, dass der Täter entweder als Inhaber eines öffentlichen Amtes auftritt und eine Handlung vornimmt, die den Anschein hoheitlichen Handelns erweckt (§ 132 1. Alternative StGB) oder dass er eine Handlung vornimmt, welche [X.] eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf (§ 132 2. Alternative StGB; vgl. [X.]surteil vom 9. Dezember 1993 – 4 [X.], [X.]St 40, 8, 11 f.). Dabei ist das Tatbestandsmerkmal "öffentliches Amt“ nach den Kriterien des Staats- und Verwaltungsrechts zu bestimmen und sowohl im statusrechtlichen als auch im funktionellen Sinne zu verstehen (zur Amtsträgereigenschaft [X.]surteil vom 10. März 1983 – 4 [X.], [X.]St 31, 264, 267 f.; [X.]/[X.] § 11 Rn. 16 f.; [X.] aaO, § 132 Rn. 7). Die Ausübung militärischer Hoheitsbefugnisse und die Wahrnehmung militärischer Aufgaben sind deshalb regelmäßig nicht dem Begriff des öffentlichen Amtes im Sinne des § 132 StGB zuzuordnen; Soldaten sind keine Amtsträger im strafrechtlichen Sinne (vgl. [X.]/[X.] § 11 Rn. 18; [X.] 58. Aufl. § 11 Rn. 16). Dies ergibt sich – im Umkehrschluss – auch aus § 48 [X.], durch den Soldaten der [X.] lediglich für einen abschließenden Katalog von ([X.] den Amtsträgern im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB gleich gestellt werden. Bei der Anmaßung militärischer Befugnisse handelt es sich daher, soweit die [X.] betroffen ist (anders im Fall der Anmaßung solcher Befugnisse von in [X.] stationierten NATO-Truppen; vgl. dazu [X.] aaO Rn. 9), grundsätzlich auch nicht um die Anmaßung eines öffentlichen Amtes im Sinne dieser Strafvorschrift (LK-StGB/[X.], 12. Aufl. § 132 Rn. 12; [X.] 132 Rn. 5). Während für Soldaten und für die bei der [X.] beschäftigten Zivilpersonen im Sinne von § 1 Abs. 2 [X.] in solchen Fällen ausschließlich eine Strafbarkeit nach § 38 [X.] in Betracht kommt, ist die Anmaßung militärischer Befugnisse durch sonstige Zivilpersonen regelmäßig weder von § 132 StGB noch von § 38 [X.] erfasst ([X.], [X.] und [X.], jeweils aaO; ebenso [X.]/[X.] § 132 Rn. 5). Danach hätte sich der Angeklagte im vorliegenden Fall nach keiner der beiden Vorschriften strafbar gemacht.

b) Handelt der Täter aber nicht nur unter Vortäuschung seiner Zugehörigkeit zu den Soldaten oder dem zivilen Personal der [X.], sondern beansprucht er zusätzlich "[X.]“ als Feldjäger, kommt hingegen eine Strafbarkeit gemäß § 132 2. Alternative StGB in Betracht.

aa) Gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der [X.] und verbündeter [X.] sowie zivile Wachpersonen ([X.]) vom 12. August 1965 ([X.] I 1965 S. 796, zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 21. Dezember 2007, [X.] I 3198) sind Soldaten der [X.], denen militärische Wach- oder Sicherheitsaufgaben übertragen sind, befugt, in Erfüllung dieser Aufgaben Personen anzuhalten, zu überprüfen, vorläufig festzunehmen und zu durchsuchen sowie Sachen sicherzustellen und zu beschlagnahmen und unmittelbaren Zwang gegen Personen und Sachen anzuwenden. Den Soldaten mit Sicherheitsaufgaben im Sinne dieses Gesetzes, zu denen nach Kapitel 1 Nr. I. 2 (1. Spiegelstrich) der Zentralen Dienstvorschrift 14/9 ([X.]) des [X.] auch die im Feldjägerdienst stehenden Soldaten der [X.] gehören, werden damit allgemeine polizeiliche Befugnisse auch gegenüber Privatpersonen verliehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Januar 1990 – 7 [X.], [X.], 247, [X.]. 14 ff. zur Einrichtung eines militärischen Sicherheitsbereichs im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 2 [X.] durch Sperrung eines nichtmilitärischen Ortes; i.E. ebenso [X.] aaO; vgl. dazu auch [X.], Rechtsgrundlagen Feldjägerdienst, 9. Aufl. 2010, [X.] ff.).

bb) Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen liegen auch die übrigen Voraussetzungen von § 132 2. Alternative StGB vor.

Wie in § 132 1. Alternative StGB wird dafür zunächst vorausgesetzt, dass sich das Handeln des [X.] nach außen als Wahrnehmung öffentlicher Funktionen darstellt und objektiv mit einer hoheitlichen Maßnahme verwechselt werden könnte ([X.]surteil vom 9. Dezember 1993 aaO; [X.] aaO Rn. 9). Im Unterschied zu der ersten Tatmodalität wird der Anschein hoheitlichen Handelns in der zweiten Alternative aber durch die Handlung selbst begründet, nicht durch das Auftreten des [X.] als Amtsträger. In Betracht kommen hier insbesondere Eingriffe in die Rechte Einzelner, etwa eine Verhaftung, Durchsuchung oder Beschlagnahme (RG, Urteil vom 25. Juni 1925 – [X.], [X.], 291, 298; [X.] aaO Rn. 18). Im Hinblick auf den Zweck der Strafvorschrift, die das Vertrauen der Allgemeinheit in die Autorität staatlichen Handelns schützen soll, erfüllt eine solche oder eine ähnliche Handlung nur dann nicht den Tatbestand des § 132 2. Alternative StGB, wenn sich das Verhalten des [X.] so weit von den rechtlichen Vorgaben einer Amtshandlung entfernt, dass eine Verwechslung ausgeschlossen ist (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 25. April 2006 – 4 Ws 98/06, [X.], 527; [X.] aaO Rn. 10): Dabei ist auf die Sicht eines unbefangenen Beobachters abzustellen (vgl. [X.]surteil vom 9. Dezember 1993 aaO, [X.]; [X.] aaO Rn. 30).

Danach ist die Verurteilung wegen Amtsanmaßung hier im Ergebnis zu Recht erfolgt. Der Angeklagte hat mit seinem Mittäter Handlungen vorgenommen, die nur in Ausübung hoheitlicher Funktionen vorgenommen werden durften. Er hat unter Vorlage zweier gefälschter Schriftstücke mit quasiamtlichem Inhalt bei dem Geschädigten, der das Geschehen für authentisch hielt und beiden Tätern die [X.] glaubte, eine "Durchsuchung“ sowie eine "Beschlagnahme“ durchgeführt und ist dabei in vorgetäuschter amtlicher Funktion als Feldjäger aufgetreten, also als vermeintlicher Angehöriger der Polizei der [X.]. Ungeachtet formaler Mängel der von ihm gefertigten Schriftstücke entfernte sich sein Vorgehen unter Berücksichtigung seine Uniformierung und seines einen amtlichen Anschein erweckenden Gesamtverhaltens nicht so weit von den rechtlichen Vorgaben einer Amtshandlung, dass eine Verwechslung vom Standpunkt eines unbefangenen Betrachters ausgeschlossen war.

III.

Soweit das [X.] den Angeklagten darüber hinaus wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer (weiteren) Einzelgeldstrafe verurteilt hat, holt der [X.] die unterbliebene Bestimmung der [X.] nach und legt sie entsprechend dem Antrag des [X.] auf einen Euro fest. Dass die Geldstrafe in eine zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe einzubeziehen war, lässt die Notwendigkeit einer solchen Festsetzung nicht entfallen ([X.]sbeschluss vom 14. Mai 1981 – 4 StR 599/80, [X.]St 30, 93, und vom 29. August 2006 – 4 StR 231/06).

IV.

Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der [X.] ergänzend auf Folgendes hin:

Sollte die neue Hauptverhandlung zu Feststellungen führen, die die Annahme einer finalen Verknüpfung zwischen dem eingesetzten [X.] und der Wegnahme rechtfertigen, wird das Vorliegen von [X.] eingehend geprüft werden müssen. Für den Fall, dass die Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 StGB erfüllt sein sollten, wäre der Angeklagte insoweit wegen "besonders schweren Raubes“ zu verurteilen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 3. September 2009 - 3 [X.], [X.], 101; [X.], Beschluss vom 2. Februar 2011 - 2 StR 622/10). Bei erneuter Verurteilung des Angeklagten wegen eines Verstoßes gegen das [X.] werden die Anforderungen an die rechtliche Bezeichnung der Tat (§ 260 Abs. 4 Satz 1 StPO) in solchen Fällen zu berücksichtigen sein. Die Formulierung "wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz“ genügt regelmäßig nicht (vgl. [X.]sbeschluss vom 16. Januar 2007 – 4 StR 574/06, [X.], 352).

Ernemann     

        

Rin[X.] Solin-Stojanović
befindet sich im Ruhestand
und ist daher gehindert zu
unterschreiben.

        

Roggenbuck

                 

Ernemann

                 
        

Franke     

        

     Bender     

        

Meta

4 StR 40/11

15.03.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 15. Oktober 2010, Az: 26 KLs 42/10 - 27 Js 556/09, Urteil

§ 132 StGB, § 132a Abs 1 Nr 4 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2011, Az. 4 StR 40/11 (REWIS RS 2011, 8622)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8622

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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