Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.03.2012, Az. IV ZR 277/10

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8494

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 277/10

Verkündet am:

7. März 2012

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

ZPO § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1

1.
Das Berufungsgericht ist zur Nachholung einer unterbliebenen Entscheidung über die Zulassung der Berufung nur befugt, wenn das erstinstanzliche Gericht für eine Zulassungsentscheidung keine Veranlassung gesehen hat, weil es wegen eines auf mehr als 600

unterlegenen Partei ausgegangen ist, während das Berufungsgericht diesen Wert für nicht erreicht hält ([X.] an [X.], Urteil vom 10.
Februar 2011
[X.], NJW 2011, 926).

2.
Aus dem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich keine hinreichen-den Anhaltspunkte dafür, dass das erstinstanzliche Gericht von einer Rechtsmittelfä-higkeit seiner Entscheidung ausgegangen ist, wenn fehlerhaft eine Sicherheitsleis-tung nach § 709 Satz
1 ZPO angeordnet worden ist.

[X.], Urteil vom 7. März 2012 -
IV ZR 277/10 -
LG [X.]

AG [X.]

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Richter
Wendt, Felsch, Dr.
Karczewski,
Lehmann
und die Richterin Dr. Brockmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 7.
März
2012

für Recht erkannt:

Auf die
Revision der Klägerin wird
das Urteil der 7.
Zivil-kammer des [X.] vom 19.
November 2010 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amts-gerichts [X.] vom 31.
März 2010 wird verworfen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, eine Betriebskrankenkasse, begehrt von der [X.], die unter anderem ein Altenzentrum in O.

betreibt, die Be-kanntgabe ihres Betriebshaftpflichtversicherers.

Grund sind Aufwen-dungen der Klägerin für eine stationäre Behandlung einer in dem [X.] wohnenden Versicherten infolge eines Sturzes auf dem Flur des [X.] am 4.
September 2008 und dabei erlittener Verletzungen.

Unter Hinweis auf ein möglicherweise bestehendes Teilungsab-kommen bat die Klägerin um Mitteilung, bei welchem Betriebshaftpflicht-1
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versicherer die Beklagte versichert sei,
und um Angabe der Versiche-rungsnummer. Die Beklagte lehnte dies
ab und teilte insoweit lediglich mit, dass ein Teilungsabkommen im vorliegenden Fall nicht bestehe.

Das Amtsgericht hat der Auskunftsklage stattgegeben und den Streitwert auf 900

709 ZPO gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Das [X.] hat die Klage auf Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den [X.] weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

[X.] Das Berufungsgericht
hat die Berufung ohne nähere Begründung für zulässig erachtet. In der Sache hat es ausgeführt, dass eine gesetzli-che Sondervorschrift für den geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht ersichtlich sei und ein solcher auch nicht gemäß §
242 BGB beste-he.

I[X.] Das
hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Berufung der Beklagten ist unzulässig und deshalb gemäß §
522 Abs.
1 Satz
2 ZPO zu verwerfen.
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1. Die Zulässigkeit der Berufung ist als Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren ohne Bindung an die Feststellungen des Berufungsgerichts auch noch im Revisionsverfahren zu prüfen ([X.], Ur-teil vom 10.
Februar 2011

[X.], NJW 2011, 926 Rn.
7 m.w.N.).

2. Sie ist hier weder nach §
511 Abs.
2 Nr.
1 noch nach §
511 Abs.
2 Nr.
2 ZPO gegeben.

a) Die für eine Zulässigkeit gemäß §
511 Abs.
2 Nr.
1 ZPO not-wendige Beschwer der Beklagten von mehr als 600

ist
nicht erreicht, weil sich die Beschwer bei einer Verurteilung zur Auskunft grundsätzlich nur nach dem für die Erteilung der Auskunft erforderlichen Aufwand rich-tet (grundlegend [X.], Beschluss vom 24.
November 1994

[X.], [X.]Z 128, 85, 87
f.; ferner Beschluss vom 10.
August 2005

[X.], [X.]Z 164, 63, 65
f.; Senatsbeschlüsse vom 10.
März 2010

IV ZR 255/08, [X.], 891 Rn.
6; vom 1.
Oktober 2008

[X.], [X.] 2009, 38 Rn.
4; vom 30.
April 2008

IV ZR 287/07, [X.], 1346 Rn.
5
f.; vom 20.
Februar 2008

IV ZB 14/07, NJW-RR 2008, 889 Rn.
13
f.). Dieser Aufwand ist hier minimal, da nur die Benennung des Betriebshaftpflichtversicherers gefordert wird.

Eine darüber hinausgehende Beschwer der Beklagten
ist mit der von ihr geltend gemachten "Belastung"
ihres Versicherungsvertrages nicht nachvollziehbar dargelegt. Zum einen ist nicht ersichtlich, was den Vertrag wirtschaftlich belasten soll. Zum anderen besteht nach dem ei-genen Vorbringen der Beklagten kein Teilungsabkommen ihres [X.] mit der Klägerin, so dass die Erteilung der Auskunft weder eine Regulierung noch eine Belastung des Vertrages nach sich ziehen kann.
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b) Das Amtsgericht hat die Berufung auch nicht nach §
511 Abs.
2 Nr.
2 ZPO zugelassen. Sind

wie hier

Anträge auf Zulassung der Beru-fung von den Parteien nicht gestellt, so ist eine ausdrückliche Entschei-dung durch das erstinstanzliche Gericht nicht nötig. Schweigen bedeutet dann Nichtzulassung ([X.], Urteil vom 10.
Februar 2011 aaO Rn.
15 m.w.N.).

c) In der Zulassung der Revision ist nicht zugleich die [X.] Zulassung der Berufung durch das Berufungsgericht zu sehen.

Allerdings muss das Berufungsgericht eine vom erstinstanzlichen Gericht nicht getroffene Entscheidung über die Zulassung der Berufung nachholen, wenn dieses für eine Zulassungsentscheidung keine Veran-lassung gesehen hat, da es wegen eines auf mehr als 600

z-ten Streitwerts auch von einer entsprechenden Beschwer der [X.] ausgegangen ist, während das Berufungsgericht diesen Wert für nicht erreicht hält. Daher ist eine stillschweigende Zulassung der [X.] bei Zulassung der Revision in Betracht zu ziehen, weil die gesetz-lichen Gründe für die Zulassung der Revision nach §
543 Abs.
2 ZPO und für die Zulassung der Berufung gemäß §
511 Abs.
4 Satz
1 Nr.
1 ZPO identisch sind
([X.] aaO Rn.
13 m.w.N.).

Indes war das Berufungsgericht hier zur Nachholung der [X.] nicht befugt. Dafür müsste feststehen, dass das [X.] primär zuständige erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gese-hen hat, über die Zulassung zu entscheiden, weil es von einer ausrei-chenden Beschwer nach §
511 Abs.
2 Nr.
1 ZPO ausgegangen ist. Eine solche Feststellung kann nicht getroffen werden.
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Zwar hat das Amtsgericht den Streitwert auf mehr als 600

t-gesetzt. Der Streitwert einer Auskunftsklage und die Beschwer des zur Auskunft verurteilten Beklagten fallen jedoch in aller Regel so erheblich auseinander, dass allein deshalb für die Annahme, [X.] habe aufgrund seiner Streitwertfestsetzung keinen Anlass gese-hen, über die Zulassung der Berufung zu entscheiden, nicht ohne [X.] Raum ist ([X.], Urteil vom 10.
Februar 2011
aaO; Beschluss vom 26.
Oktober 2011

[X.] 465/11, NJW 2011, 3790 Rn.
11).

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass das Amtsgericht von einer Rechtsmittelfähigkeit seiner Entscheidung ausgegangen ist, ergeben sich auch nicht aus der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit. Das Amtsgericht hat eine Sicherheitsleistung nach §
709 Satz
1 ZPO ange-ordnet. Der Fall liegt damit anders als diejenigen Fälle, in denen das Ur-teil nach §
708 ZPO ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt und eine Abwendungsbefugnis gemäß §
711 ZPO ausgesprochen worden ist. In diesen Fällen deutet die Abwendungsbefugnis darauf hin, dass die Anwendbarkeit des §
713 ZPO verneint, mithin die Rechtsmittel-fähigkeit der Entscheidung bejaht
worden ist ([X.], Urteil vom 10.
Fe-bruar 2011 aaO Rn.
18; Beschluss vom 21.
April 2010

[X.] 128/09, NJW-RR 2010, 934 Rn.
20).

Mit der Anwendung des
§
709 ZPO sind dagegen inzident ein Fall des §
708 ZPO und damit auch die Voraussetzungen des §
711 ZPO verneint worden. Dann
ist §
713 ZPO von vornherein nicht anwendbar, ohne dass es hierfür auf die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung [X.]. Aus der fehlerhaften Anordnung einer Sicherheitsleistung und ih-rer Höhe nach §
709 ZPO lassen sich deshalb
hinreichend sichere 15
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Schlüsse zur Beurteilung der Rechtsmittelfähigkeit durch das Amtsge-richt nicht ziehen.

[X.]

Felsch Dr.
Karczewski

Lehmann Dr. Brockmöller

Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 31.03.2010 -
31 C 2985/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 19.11.2010 -
7 [X.]/10 -

Meta

IV ZR 277/10

07.03.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.03.2012, Az. IV ZR 277/10 (REWIS RS 2012, 8494)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8494

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 277/10

III ZR 338/09

IV ZR 255/08

XII ZB 465/11

XII ZB 128/09

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