Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.04.2004, Az. IX ZR 370/00

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 3542

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/00
Verkündet am: 22. April 2004 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

DDR-[X.] § 10 Abs. 1 Satz 1

Zur Absichtsanfechtung einer [X.].

[X.], [X.]eil vom 22. April 2004 - [X.]/00 - OLG [X.]

LG Mühlhausen - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. April 2004 durch [X.] Kreft und [X.] Ganter, [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des [X.] werden das [X.]eil des 2. Zivilse-nats des [X.] in [X.] vom 6. September 2000 und das [X.]eil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 29. November 1999 aufgehoben.

Der [X.] wird verurteilt, an den Kläger 41.159 • (= 80.500 DM) nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 16. April 1998 zu zahlen.

Der [X.] hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem am 11. November 1997 eröffneten [X.] über das Vermögen der M.

GmbH (im folgenden auch: Schuldnerin). Die Schuldnerin war im Baugewerbe tätig. Der [X.] arbeitete bei einer Anzahl von Bauvorhaben als ihr Subunternehmer. - 3 - Am 29. Juli 1997 beliefen sich seine offenen [X.] aus diesen Subunternehmeraufträgen auf 120.313,93 DM.

Am 3. August 1997 verkaufte und übereignete die Schuldnerin dem [X.] einen [X.], den sie anschließend zurückmietete. Der Kaufpreis von 80.500 DM war am 20. August 1997 fällig. Er wurde nicht bezahlt.

Der Aufforderung des [X.], den Kaufpreis für den [X.] zu entrichten, ist der [X.] durch Aufrechnung mit Gegenforderungen entge-gengetreten. Der Kläger hat behauptet, die Schuldnerin sei spätestens im Juli 1997 zahlungsunfähig gewesen. Dies habe der [X.] gewußt. Er habe den Bagger lediglich erworben, um eine Sicherheit für seine Forderungen zu erhal-ten. Seine Aufrechnung sei deshalb nicht statthaft. Die am 15. Januar 1999 erhobene Klage ist in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger den geltend gemachten [X.] weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg; die Klage ist begründet.

[X.]

Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der geltend gemachte [X.] durch Aufrechnung erloschen sei. Nach § 7 Abs. 5 [X.] könne der [X.] seine vor Verfahrenseröffnung entstandenen Ansprüche - 4 - gegen den [X.] der Masse aufrechnen. Dies sei auch nicht durch den Rechtsgedanken des § 96 Abs. 1 Nr. 3 [X.] gehindert. Danach sei zwar die Aufrechnung gegen eine Forderung der Insolvenzmasse unzulässig, wenn der Insolvenzgläubiger die Möglichkeit zur Aufrechnung durch eine an-fechtbare Rechtshandlung erlangt habe. Diese Vorschrift könne aber auf Sach-verhalte vor ihrem Inkrafttreten nicht angewendet werden. Hier gelte der kon-kursrechtliche Grundsatz, daß der Kläger den Kaufvertrag nur im ganzen, nicht aber eine einzelne Wirkung wie die Herstellung der [X.] isoliert anfechten könne ([X.], [X.]. v. 12. November 1998 - [X.] ZR 199/97, NJW 1999, 359). Auf den [X.]punkt der Zahlungseinstellung und die Kenntnis des Beklag-ten hiervon komme es deshalb für die Entscheidung des [X.] nicht an.

I[X.]

Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der vom Kläger geltend gemachte [X.] ist nach dem unstreitigen Sach-verhalt begründet, weil er danach mit Recht die Herstellung der [X.] durch den Kaufvertrag vom 3. August 1997 nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 [X.] angefochten hat.

1. Nach der neueren Rechtsprechung des [X.] kann die gläubigerbenachteiligende Wirkung, die mit der Herstellung einer Aufrech-nungslage eintritt, insolvenzrechtlich selbständig angefochten werden. Wenn sich der Gläubiger durch eine Rechtshandlung zugleich in eine [X.] gegenüber dem Schuldner versetzt und so die Voraussetzungen für eine Aufrechnung begründet, wird die erklärte Aufrechnung durch Anfechtung [X.] 5 - kungslos und die Forderung des Schuldners bleibt durchsetzbar ([X.] 145, 245, 254; 147, 233, 236, 238; [X.], [X.]. v. 4. Oktober 2000 - [X.] ZR 207/00, [X.], 2208, 2209 f zu § 10 Abs. 1 Nr. 4 [X.]; v. 9. Oktober 2003 - [X.] ZR 28/03, [X.], 2370, 2371; anders noch das vom Berufungsgericht angeführ-te [X.]. v. 12. November 1998 [X.]O). Diese - erst nach Verkündung des Beru-fungsurteils ergangenen - Entscheidungen konnten in der Vorinstanz noch nicht berücksichtigt werden. Die [X.] ist unabhängig von der in-solvenzrechtlichen Zulässigkeit der Aufrechnung (§ 7 Abs. 5 [X.]) anfechtbar.

2. Der Kläger hat im Streitfall die Herstellung der [X.] in-nerhalb von zwei Jahren seit Eröffnung der Gesamtvollstreckung und damit nach § 10 Abs. 2 [X.] rechtzeitig angefochten. Die Anfechtung ist rechtzeitig erfolgt, wenn der Gesamtvollstreckungsverwalter innerhalb der Anfechtungsfrist den Anspruch der Masse rechtshängig macht und dabei dem aufgerechneten Gegenanspruch mit einem Sachverhalt entgegentritt, der geeignet sein kann, die Anfechtung der [X.] zu stützen (vgl. ähnlich [X.] 135, 140, 149 ff; [X.], [X.]. v. 26. Oktober 2000 - [X.] ZR 289/99, [X.], 98, 100 unter II[X.] 1. a). Diesen Anforderungen hat der Kläger genügt.

Anders wäre das rechtliche Ergebnis nur dann, wenn die Schuldnerin den Bagger nach dem Willen der Vertragsteile vom 3. August 1997 nur an Er-füllungs Statt auf die [X.] des [X.]n geleistet hätte. Dann wäre eine [X.] nicht entstanden, so daß der Kläger nur die Rück-gewähr der an [X.] Statt geleisteten Sache verlangen könnte. Für die Möglichkeit einer bloßen [X.]abrede statt eines Verkaufs des Baggers am 3. August 1997 gibt jedoch der Parteivortrag nichts her. - 6 - 3. Die mit der Klage neben dem Anfechtungsgrund des § 10 Abs. 1 Nr. 4 [X.] gleichfalls geltend gemachte Absichtsanfechtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 [X.] greift nach unstreitigem Sachvortrag durch, so daß es keiner tat-richterlichen Feststellungen zu den streitigen Behauptungen mehr bedarf, ob die Schuldnerin am 3. August 1997 bereits zahlungsunfähig war und dem [X.] diese Tatsache nach den Umständen hätte bekannt sein müssen.

a) Durch den Verkauf des [X.]s an den [X.]n am 3. August 1997 haben die anderen Gläubiger der Schuldnerin einen Nachteil erlitten. [X.] für die Gläubiger verwertbaren [X.] gegen den [X.]n hat die Schuldnerin zum Ausgleich für den [X.] nicht erlangt, weil der [X.] mit seinen unbeglichenen Forderungen gegen die Kaufpreis-schuld aufrechnen konnte. Hierdurch entgeht der Gesamtvollstreckungsmasse der Unterschied zwischen dem Nennwert der Kaufpreisschuld des [X.]n einerseits sowie der bloßen Quote auf dessen Gegenforderungen andererseits (vgl. [X.] 147, 233, 238 a.E.). Weitere Gläubiger der Schuldnerin waren, wie auch der [X.] wußte, zumindest mit den beschäftigten Arbeitnehmern und ihrer gesetzlichen Krankenkasse vorhanden.

Der Vortrag des [X.]n, daß er nach Sicherung durch die [X.] am 3. August 1997 Arbeiten auf Baustellen der Schuldnerin fortgeführt habe (Schriftsatz vom 19. April 1999, [X.] bis 5), ändert an der Gläubigerbenachteiligung durch den Verkauf vom 3. August 1997 nichts (vgl. [X.] 154, 190, 196; [X.], [X.]. v. 25. September 1952 - [X.], [X.] § 30 Nr. 1).
- 7 - b) Die Schuldnerin hat bei dem Verkauf des [X.]s an den [X.] am 3. August 1997 in der nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 [X.] vorausgesetz-ten Absicht gehandelt, ihre anderen Gläubiger zu benachteiligen. Dafür genügt der bedingte Vorsatz ([X.] 131, 189, 195 m.w.[X.]).

[X.]) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] liegt in der [X.] einer Deckung ein starkes Beweisanzeichen für den Vorsatz des Schuldners, durch die Rechtshandlung seine anderen Gläubiger zu benachtei-ligen ([X.] 123, 320, 326; 138, 291, 308; [X.], [X.]. v. 17. Juli 2003 - [X.] ZR 202/02, [X.], 1799; v. 18. Dezember 2003 - [X.] ZR 199/02, [X.], 299, 301 f).

Der [X.] hat durch den Ankauf des Baggers von der [X.] am 3. August 1997 eine inkongruente Deckung seiner offenen Forderun-gen erhalten. Denn er hatte auf die [X.] keinen Anspruch, weil die Schuldnerin ihm gegenüber zum Abschluß des Kaufvertrages nicht ver-pflichtet war (vgl. [X.] 147, 233, 240 unter IV. 2.).

Das Beweisanzeichen der inkongruenten Deckung für den bedingten Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin ist hier nach dem [X.] nicht durch besondere Umstände ausgeräumt. Die Schuldnerin wußte, daß sie dem [X.]n auf sein Drängen am 3. August 1997 eine bevorzugte Be-friedigungsmöglichkeit für seine Forderungen verschafft hat. Von einem an-fechtungsrechtlich unbedenklichen Willen war sie dabei auch dann nicht gelei-tet, wenn der Verkauf des Baggers hauptsächlich bezweckte, den [X.]n als ihren Subunternehmer zur Weiterarbeit zu bewegen. Die Schuldnerin wußte auch, daß sie mit Herstellung der inkongruenten [X.] ihre sonsti-- 8 - gen Gläubiger objektiv benachteiligte, wenn sie sich nicht aus anderen Grün-den sicher war, diese in absehbarer [X.] sämtlich befriedigen zu können (vgl. [X.] 138, 291, 308 m.w.[X.]). Daß auf seiten der Schuldnerin diese Sicherheit am 3. August 1997 noch bestand, behauptet selbst der [X.] nicht. [X.] dafür, daß der [X.] in einer weiteren Tatsacheninstanz seinen Vortrag hierzu noch ergänzen könnte, sind nicht ersichtlich.

bb) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin setzt die Absichtsanfechtung nicht voraus. Es genügt das ernsthafte Risiko bevorstehender Zahlungsstörun-gen oder -stockungen, weil sich damit die Gefährdung der anderen Gläubiger aufdrängt ([X.], [X.]. v. 21. Januar 1999 - [X.] ZR 329/97, [X.], 406, 407; v. 18. Dezember 2003 - [X.] ZR 199/02, [X.], 299, 301 f, z.[X.]. in [X.]).

c) Die Kenntnis der Schuldnerin und des [X.]n von der [X.] der [X.] bestand bereits, weil ihnen die Tatsachen bekannt [X.], die hier den Rechtsbegriff der [X.] ausfüllen. Die Kenntnis von der inkongruenten [X.] ist ferner ein wesentliches Beweisanzeichen dafür, daß der [X.] die Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Schuldnerin gekannt hat (vgl. [X.], [X.]. v. 21. Januar 1999 - [X.] ZR 329/97, [X.]O; v. 2. Dezember 1999 - [X.] ZR 412/98, [X.], 82, 83 m.w.[X.]; v. 17. Juli 2003 - [X.] ZR 272/02, [X.], 1799, 1801; v. 18. Dezember 2003 - [X.] ZR 199/02, [X.]O).

Die Schuldnerin hatte schon vor dem Verkauf des Baggers objektiv [X.], an ihrer Liquidität zu zweifeln. Denn der [X.] hat nicht bestritten, daß die Schuldnerin im Frühjahr 1997 den vereinbarten [X.] zur Tilgung der ihm gegenüber aufgelaufenen Rückstände nicht eingehalten hat. Infolgedessen - 9 - war auch dem [X.]n trotz der noch erhaltenen Zahlungen bekannt, daß sich eine mögliche Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin abzeichnete.

Das wird dadurch bestätigt, daß der [X.] sich zu der unter Beweis gestellten Behauptung der Berufungsbegründung (S. 2 oben), ihm sei vor dem 3. August 1997 von dem Geschäftsführer und Mitarbeitern der Schuldnerin wiederholt erklärt worden, bei dieser sei es "sehr eng", entgegen § 138 Abs. 2 ZPO nicht eindeutig erklärt, sondern nur die Bedeutung einer solchen Äuße-rung im Hinblick auf eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit in Ab-rede gestellt hat (Seite 2 des Schriftsatzes vom 25. Februar 2000). Andere [X.], mit denen die Vermutung der Kenntnis der [X.] entkräftet werden könnte, sind aus dem vorgetragenen Sachver-halt nicht ersichtlich. Auch insoweit besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß der [X.] noch ihm günstige Tatsachen vortragen könnte.

II[X.]

Die vom [X.]n angezeigte Umwandlung seines Einzelunternehmens durch Aufnahme von Kommanditisten berührt den Rechtsstreit nicht. Die Haf-tung der [X.] gemäß § 28 Abs. 1 HGB ist nicht Streitgegenstand.

[X.]Ganter [X.]

[X.]

[X.]

Meta

IX ZR 370/00

22.04.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.04.2004, Az. IX ZR 370/00 (REWIS RS 2004, 3542)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3542

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.