Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.03.2012, Az. VI R 31/11

6. Senat | REWIS RS 2012, 7665

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Berechnung nach § 33a EStG abziehbarer Unterhaltsleistungen bei Selbständigen)


Leitsatz

1. Die Berechnung der nach § 33a EStG abziehbaren Unterhaltsleistungen ist bei Selbständigen auf der Grundlage eines Dreijahreszeitraums vorzunehmen .

2. Steuerzahlungen sind von dem hiernach zugrunde zu legenden Einkommen grundsätzlich in dem Jahr abzuziehen, in dem sie gezahlt wurden .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr 2008 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. In seiner Einkommensteuererklärung machte er Unterhaltszahlungen an seine Mutter, mit der er nicht in einem Haushalt lebt, als außergewöhnliche Belastung geltend. Er hat eine am 6. Mai 2008 geborene Tochter. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte die insgesamt gezahlten Beträge in Höhe von 4.284 € lediglich mit 1.379 €.

2

Dem liegt folgende Berechnung zugrunde:

Einkünfte

18.892 €

Steuern

8.587 €

9.848 €, davon 14 % = 1.379 €

3

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage, die das [X.] ([X.]) aus den in Entscheidungen der [X.]e 2012, 328 veröffentlichten Gründen als unbegründet abwies.

4

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

5

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des [X.] Sachsen vom 20. April 2011  2 K 1565/10 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 7. Januar 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. August 2010 dahingehend abzuändern, dass Unterhaltsleistungen in Höhe von 4.284 € als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33a des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt werden.

6

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. 1. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. Die vom [X.] vorgenommene Berechnung der nach § 33a EStG abziehbaren Unterhaltsleistungen auf der Grundlage der vom Kläger im Streitjahr 2008 erzielten Einkünfte entspricht nicht den Vorgaben des § 33a EStG.

8

2. Erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 7.680 € im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG).

9

a) Die von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG vorausgesetzte gesetzliche Unterhaltsberechtigung richtet sich nach dem Zivilrecht. Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind damit diejenigen Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige unterhaltsverpflichtet ist. Hierunter fällt nach § 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auch die Mutter des [X.] als Verwandte in gerader Linie. Nach der sog. konkreten Betrachtungsweise setzt die Abziehbarkeit von Leistungen des Steuerpflichtigen an dem Grunde nach unterhaltsberechtigte Personen zudem voraus, dass die unterhaltene Person bedürftig ist (§ 1602 BGB; Urteil des [X.] --[X.]-- vom 5. Mai 2010 [X.], [X.], 12, [X.], 116). Darüber hinaus ist § 1603 BGB zu beachten. Nach dieser Vorschrift ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, den Unterhalt zu gewähren. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] können daher Unterhaltsaufwendungen im Allgemeinen nur dann als zwangsläufig und folglich als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch die angemessenen Mittel zur Bestreitung des Lebensbedarfs verbleiben ([X.]-Urteil vom 17. Dezember 2009 [X.], [X.]E 227, 491, [X.], 343). Die [X.] ist lediglich auf Ehegatten und minderjährige Kinder, mit denen der Steuerpflichtige alle ihm verfügbaren Mittel teilen muss, sowie bei einer bestehenden [X.] mit der unterhaltenen Person (sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft; [X.]-Urteil in [X.]E 227, 491, [X.], 343) nicht anzuwenden.

b) Die Berechnung des [X.] hält den Vorgaben des § 33a EStG insoweit nicht Stand, als hinsichtlich der Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens lediglich auf die im Streitjahr 2008 erzielten Einkünfte abgestellt wird.

Im Falle von Selbständigen, deren Einkünfte naturgemäß stärkeren Schwankungen unterliegen, ist der Berechnung der Unterhaltsleistungen nach zivilrechtlichen Grundsätzen regelmäßig ein längerer Zeitraum zugrunde zu legen (vgl. Urteil des [X.] --BGH-- vom 2. Juni 2004 [X.], Zeitschrift für das gesamte Familienrecht --FamRZ-- 2004, 1177). Die durch das [X.] vorgenommene Berechnung berücksichtigt dies nicht und legt die im streitigen Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfte zugrunde. Damit wird die zivilrechtliche Unterhaltsverpflichtung insoweit im Steuerrecht nicht nachvollzogen. Entsprechend kann es dazu kommen, dass in einem Veranlagungszeitraum, in dem ein geringer Anteil der in mehreren Jahren angefallenen Einkünfte erzielt wurde, gar kein oder nur ein relativ geringer Betrag von Unterhaltszahlungen nach § 33a EStG abziehbar wäre, obwohl zivilrechtlich aufgrund der mehrjährigen Verrechnung tatsächlich ein deutlich höherer Betrag zu zahlen war. Eine solche Vorgehensweise entspricht nicht dem Zweck des § 33a EStG, der die Berücksichtigung der konkreten Unterhaltsverpflichtung verlangt. Für den Streitfall bedeutet dies, dass die Berechnung auf der Grundlage der von 2006 bis 2008 erzielten Einkünfte vorzunehmen und dann auf das Kalenderjahr 2008 zu beziehen ist.

Der Notwendigkeit einer solchen Korrektur kann nicht entgegengehalten werden, dass sich die Berechnungsweise innerhalb eines Zeitraums von mehreren Jahren ausgleiche. Denn zu einem steuerlichen Ausgleich kann es beispielsweise dann nicht mehr kommen, wenn nur für ein Jahr eine Unterhaltsverpflichtung besteht, weil der Unterhaltsempfänger nur in diesem Jahr keine eigenen Einkünfte erzielt.

3. Der vom [X.] vorgenommene Abzug der auch andere Jahre als das Streitjahr betreffende Steuerzahlungen ist nicht zu beanstanden. Denn auch die zivilrechtlichen Vorgaben zum Abzug von Steuerzahlungen differenzieren grundsätzlich nicht hinsichtlich des Jahres, das eine Steuerzahlung betrifft (vgl. [X.] in [X.], 1177).

4. Die Vorentscheidung war aufzuheben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen. Die Feststellungen der Vorinstanz erlauben keine abschließende Entscheidung des Streitfalls. Im zweiten Rechtsgang wird das [X.] die nach § 33a EStG abziehbaren Beträge auf der Grundlage des maßgeblichen Zeitraums ermitteln.

Meta

VI R 31/11

28.03.2012

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 20. April 2011, Az: 2 K 1565/10, Urteil

§ 33a Abs 1 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.03.2012, Az. VI R 31/11 (REWIS RS 2012, 7665)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7665

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI R 45/20 (Bundesfinanzhof)

(Anrechnung eigener Einkünfte der unterhaltenen Person beim Abzug von Unterhaltsaufwendungen gemäß § 33a Abs. 1 …


VI R 21/15 (Bundesfinanzhof)

(Berechnung nach § 33a EStG abziehbarer Unterhaltsleistungen bei Selbständigen)


VI R 34/12 (Bundesfinanzhof)

Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrags beim Abzug von Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen


VI R 16/16 (Bundesfinanzhof)

Berechnung des Unterhaltshöchstbetrags bei gleichgestellten Personen


VI R 35/16 (Bundesfinanzhof)

Abzug von Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.