Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.09.2022, Az. I ZR 180/21

1. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6326

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zulässigkeit einer Vollstreckungsabwehrklage bei Erhebung des Erfüllungseinwands


Leitsatz

Die Anhängigkeit eines Zwangsmittelverfahrens nach § 888 ZPO, in dem der Schuldner den Erfüllungseinwand mit Blick auf den gegen ihn titulierten Anspruch erheben kann und erhoben hat, hindert den Schuldner nicht an der Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) gegen den Gläubiger, die ebenfalls auf die Erhebung des Erfüllungseinwands zielt.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 33. Zivilsenats des [X.] vom 14. Dezember 2020 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind Geschwister. Der Kläger ist Alleinerbe des verstorbenen [X.] der Parteien. Die Beklagten erwirkten gegen den Kläger vor dem [X.] im Rahmen einer Pflichtteilsstufenklage ein rechtskräftiges Teilurteil vom 24. Februar 2017 auf Auskunftserteilung durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses.

2

Die Beklagten stellten am 5. März 2018 beim [X.] unter dem Aktenzeichen der Pflichtteilsstufenklage einen Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln zur Vollstreckung der [X.] des [X.]. Der Kläger legte in diesem Verfahren ein notarielles Nachlassverzeichnis vom 13. Mai 2019 vor. Er ist der Ansicht, damit habe er die gegen ihn titulierte [X.] vollständig erfüllt. Die Beklagten meinen, das notarielle Nachlassverzeichnis sei lückenhaft, und haben ihren [X.] aufrechterhalten. Das [X.] hat über den [X.] bislang noch nicht entschieden.

3

Der Kläger hat am 13. September 2019 die hier gegenständliche Vollstreckungsabwehrklage erhoben, mit der er begehrt, die Zwangsvollstreckung aus dem genannten Teilurteil für unzulässig zu erklären. Der Rechtsstreit ist einer anderen Kammer des [X.]s München II zugeteilt worden. Die Beklagten haben im Rechtsstreit folgende schriftsätzliche Erklärung abgegeben:

Für den Fall, dass im Ausgangsverfahren umgekehrten Rubrums, [X.].         des [X.]s München II, der Antrag der dortigen Kläger auf Festsetzung von Zwangsmitteln nach § 888 ZPO insgesamt rechtskräftig - ggf. nach Ausschöpfung zur Verfügung stehender Rechtsmittel - mit der Begründung zurückgewiesen werden sollte, dass die mit Urteil des [X.]s München II vom 24. Februar 2017 titulierte [X.] vollständig erfüllt sei, verpflichten sich die hiesigen Beklagten und dortigen Kläger, diese Entscheidung anzuerkennen. Sie werden in diesem Fall insbesondere keine Zwangsvollstreckungsversuche aus besagtem Urteil mehr unternehmen und die entwertete Urteilsausfertigung an den hiesigen Kläger und dortigen Beklagten herausgeben.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Im [X.] hat der Kläger sein notarielles Nachlassverzeichnis ergänzt. Das Berufungsgericht ([X.], [X.] 2021, 258) hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen.

5

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

6

I. Das Berufungsgericht hat die Vollstreckungsabwehrklage mangels [X.] für unzulässig gehalten.

7

Zur Begründung hat es ausgeführt, der vom Kläger vorgebrachte [X.] könne sowohl in den Vollstreckungsverfahren nach §§ 887, 888 ZPO als auch im Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend gemacht werden. Der [X.] spreche sich für eine Prüfung des [X.]s, gegebenenfalls auch in Form einer Beweiserhebung, in den Verfahren nach §§ 887, 888 ZPO durch das Prozessgericht als Vollstreckungsgericht aus, insbesondere weil dieses den Inhalt des Rechtsstreits kenne. Eine Beschränkung auf einfach gelagerte Fälle lasse sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht entnehmen und erscheine auch nicht praktikabel. Das von den Beklagten eingeleitete Verfahren nach § 888 ZPO sei für den Kläger weder unsicher noch minderwertig. Zwar liege immer noch ein Vollstreckungstitel gegen ihn vor, der grundsätzlich ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsabwehrklage auslösen könne. Dem Kläger drohe aber derzeit ernstlich keine weitere Zwangsvollstreckung bzw. es stehe keine konkrete Vollstreckungsmaßnahme bevor, da das Vollstreckungsverfahren seit Jahren nicht weiterbetrieben und offensichtlich von den Beklagten nicht offensiv vorangetrieben werde. Es sei auch nicht ersichtlich, welchen weitergehenden Rechtsschutz der Kläger mit der Vollstreckungsabwehrklage erlangen könne. Eine etwaige Titelherausgabe könne er zwar nur über den Weg des Verfahrens nach § 767 ZPO erwirken. Hier bestehe aber die Besonderheit, dass sich die Beklagten im Rahmen einer rechtsverbindlichen Prozesserklärung verpflichtet hätten, den Vollstreckungstitel an den Kläger herauszugeben, wenn ihr Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln wegen vollständiger Erfüllung des Auskunftsanspruchs rechtskräftig zurückgewiesen werden sollte.

8

Nur ergänzend sei als [X.] hinzuzufügen, dass sich zwei Gerichte zeit- und kostenintensiv parallel mit dem [X.] befassten, wenn man die Vollstreckungsabwehrklage für zulässig erachtete.

9

II. Die Revision des [X.] hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Vollstreckungsabwehrklage des [X.] zu Unrecht mangels [X.] als unzulässig abgewiesen.

1. Eine Klage ist als unzulässig abzuweisen, wenn für sie kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Das Erfordernis des [X.] soll verhindern, dass Rechtsstreitigkeiten in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, für die eine solche Prüfung nicht erforderlich ist. Grundsätzlich haben Rechtssuchende allerdings einen Anspruch darauf, dass die staatlichen Gerichte ihr Anliegen sachlich prüfen und darüber entscheiden. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt jedoch, wenn eine Klage oder ein Antrag objektiv schlechthin sinnlos ist, wenn also der Kläger oder Antragsteller unter keinen Umständen mit seinem prozessualen Begehren irgendeinen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann (vgl. [X.], Urteil vom 23. April 2020 - [X.]/19, [X.], 886 [juris Rn. 20] = WRP 2020, 1017 - Preisänderungsregelung; Beschluss vom 19. November 2020 - [X.], [X.], 478 [juris Rn. 18] = WRP 2021, 331 - Nichtangriffsabrede; Urteil vom 10. Dezember 2020 - I ZR 153/17, [X.], 470 [juris Rn. 11] = WRP 2021, 201 - [X.]; zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Rechtsschutzgarantie vgl. [X.], NJW 2022, 2677 [juris Rn. 38] mwN).

Für eine Vollstreckungsabwehrklage besteht grundsätzlich solange ein Rechtsschutzbedürfnis, wie der Gläubiger den Vollstreckungstitel noch in [X.] hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Gläubiger auf seine Rechte aus dem Titel verzichtet hat oder zwischen ihm und dem Schuldner Einigkeit darüber besteht, dass eine Zwangsvollstreckung nicht mehr in Betracht kommt. Gestützt wird dies auf die Überlegung, dass der Schuldner durch die Vorlage einer öffentlichen Urkunde oder einer vom Gläubiger ausgestellten Privaturkunde, aus der sich die zwischenzeitliche Erfüllung der Forderung ergibt, die Aufhebung von bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln nicht erreichen kann (§ 775 Nr. 4, § 776 ZPO) und ein Verzicht keine weitergehenden Wirkungen als die Erfüllung haben kann. Dieses Verständnis entspricht zudem der Rechtsnatur der Klage aus § 767 ZPO, die sich nicht gegen einzelne Vollstreckungsmaßnahmen richtet, sondern dazu dient, einem Vollstreckungstitel die Vollstreckungsfähigkeit schlechthin zu nehmen. Infolgedessen hängt ihre Zulässigkeit grundsätzlich nicht davon ab, dass Vollstreckungsmaßnahmen drohen. Vor einer überflüssigen Vollstreckungsabwehrklage kann sich der Gläubiger durch ein sofortiges Anerkenntnis schützen (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 1955 - [X.], NJW 1955, 1556; Urteil vom 8. Februar 1984 - [X.], NJW 1984, 2826 [juris Rn. 19]; Urteil vom 21. Oktober 2016 - [X.], [X.], 674 [juris Rn. 7]). Lediglich bei einem Titel auf wiederkehrende Unterhaltsleistungen, den der Gläubiger für erst künftig fällig werdende Leistungen noch benötigt, ist das Rechtsschutzinteresse für eine Klage nach § 767 ZPO bereits dann zu verneinen, wenn eine Zwangsvollstreckung für in der Vergangenheit liegende Zeitabschnitte unzweifelhaft nicht mehr droht (vgl. [X.], NJW 1984, 2826 [juris Rn. 20 f.]; [X.], 674 [juris Rn. 9 und 12]).

2. Nach diesen Grundsätzen kann dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis für seine Vollstreckungsabwehrklage nicht abgesprochen werden.

a) Das Berufungsgericht hat einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt, indem es darauf abgestellt hat, ob eine Zwangsvollstreckung gegen den Kläger ernstlich droht oder eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme gegen ihn bevorsteht. Hierauf kommt es nicht an, da der Titel der Beklagten nicht auf eine wiederkehrende Leistung, sondern auf eine im Grundsatz einmalige Auskunftserteilung gerichtet ist. Danach besteht im Ausgangspunkt ein Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungsabwehrklage des [X.], solange die Beklagten den Titel in den [X.] haben.

Unabhängig davon trägt die Begründung des Berufungsgerichts die Annahme nicht, dass dem Kläger derzeit ernstlich keine weitere Zwangsvollstreckung drohe oder keine konkrete Vollstreckungsmaßnahme bevorstehe. Die Beklagten haben gegen ihn ein [X.] eingeleitet. Soweit das Berufungsgericht ausgeführt hat, das Vollstreckungsverfahren werde seit Jahren nicht weiterbetrieben und offensichtlich auch von den Beklagten nicht offensiv vorangetrieben, hat es nicht konkret festgestellt, aus welchen Gründen das Verfahren ins Stocken geraten ist. Die Beklagten haben es bislang jedenfalls nicht förmlich beendet.

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts entfällt das Rechtsschutzbedürfnis des [X.] für seine Vollstreckungsabwehrklage auch nicht deshalb, weil er den [X.] im von den Beklagten gegen ihn eingeleiteten [X.] erheben kann und erhoben hat. Die Geltendmachung des [X.]s im [X.] nach § 888 ZPO stellt gegenüber der Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage keine gleichwertige Rechtschutzmöglichkeit dar.

aa) Eine Klage ist auch dann mangels [X.] unzulässig, wenn dem Kläger ein einfacherer und billigerer Weg zur Erreichung seines [X.] zur Verfügung steht. Auf einen verfahrensmäßig unsicheren Weg darf er allerdings nicht verwiesen werden (vgl. [X.], Urteil vom 18. April 2013 - [X.], [X.]Z 197, 147 [juris Rn. 10] mwN; Beschluss vom 24. September 2019 - [X.] 39/18, [X.]Z 223, 168 [juris Rn. 28]; Urteil vom 17. Dezember 2020 - I ZR 228/19, [X.], 714 [juris Rn. 18] = WRP 2021, 633 - [X.]). So hat das [X.] das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsabwehrklage bei eingelegter Berufung - unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge - verneint, weil die Vollstreckungsabwehrklage gegenüber der Berufung keine weitergehende Wirkung hat (vgl. [X.], [X.], 709 [juris Rn. 29] mwN; ähnlich [X.], [X.], 313 [juris Rn. 2]; [X.].ZPO/[X.]/[X.], 6. Aufl., § 767 Rn. 14 mwN).

bb) Nach der vom Berufungsgericht zutreffend wiedergegebenen Rechtsprechung des [X.]s ist der Schuldner nicht nur im Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO, sondern auch in den Zwangsvollstreckungsverfahren nach §§ 887, 888 ZPO mit seinem Einwand zu hören, der vollstreckbare Anspruch sei erfüllt (vgl. [X.], Beschluss vom 5. November 2004 - [X.], [X.]Z 162, 67 [juris Rn. 11]; Beschluss vom 6. Juni 2013 - [X.]/12, NJW-RR 2013, 1336 [juris Rn. 8 bis 10 und 18], jeweils mwN; [X.], [X.] 2020, 146 [juris Rn. 20 bis 24 und 26]; zum Verfahren nach § 767 ZPO vgl. auch [X.], NJW 1984, 2826 [juris Rn. 17]; [X.], Urteil vom 22. Juni 1995 - [X.], NJW 1995, 3189 [juris Rn. 7]). Ob ein anhängiges [X.] die Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage mit dem Ziel der Geltendmachung des [X.]s sperrt, ist demgegenüber bislang nicht höchstrichterlich entschieden. Dies ist nicht der Fall (vgl. auch [X.].ZPO/[X.]/[X.] aaO § 767 Rn. 11 und [X.]. 86; [X.].ZPO/[X.] aaO § 887 Rn. 19; Walker/[X.] in [X.]/Walker/Kessen/[X.], Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 7. Aufl., § 887 ZPO Rn. 39 und § 888 ZPO Rn. 21; [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 19. Aufl., § 887 Rn. 19; [X.]/[X.], ZPO, 33. Aufl., § 767 Rn. 12.9 [anders aber 34. Aufl., § 767 Rn. 12.9]; [X.], NJW 1988, 1957, 1958; [X.] in Festschrift Flege, 2008, [X.], 105 f.; [X.], NJW 2018, 235, 238; aA wohl [X.]/[X.], NJW 2005, 865, 867 f.).

(1) Gegen eine solche Sperrwirkung spricht bereits, dass die Frage, ob die Titelforderung erfüllt ist oder nicht, im [X.] nicht in materielle Rechtskraft erwächst und der Vollstreckungsabwehrklage ein anderer Streitgegenstand zugrunde liegt als dem [X.].

Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag (Rechtsfolge) und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 23. September 2012 - I ZR 230/11, [X.]Z 194, 314 [juris Rn. 18] - [X.]; Beschluss vom 16. Dezember 2021 - [X.], juris Rn. 7). Im Vollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO besteht der Streitgegenstand in der Festsetzung eines Zwangsmittels zur Erzwingung einer titulierten unvertretbaren Handlung (vgl. [X.], Urteil vom 13. Juli 2017 - [X.], [X.], 219 [juris Rn. 15] = WRP 2018, 217 - Rechtskraft des [X.]; [X.], NJW 2018, 238, 239). Das Bestehen der gegen die Titelforderung vorgebrachten Einwendungen erwächst in diesem Verfahren als bloßes Element der Entscheidungsbegründung nicht in materielle Rechtskraft (vgl. [X.], [X.], 219 [juris Rn. 15] - Rechtskraft des [X.]). Demgegenüber ist der Streitgegenstand der Vollstreckungsabwehrklage die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem Titel wegen bestimmter Einwendungen (vgl. [X.], Urteil vom 10. Dezember 2013 - [X.], NJW-RR 2014, 653 [juris Rn. 12]; [X.].ZPO/[X.]/[X.] aaO § 767 Rn. 41; [X.] in Musielak/[X.] aaO § 767 Rn. 16; [X.], [X.] 2021, 289; zur Reichweite der Rechtskraft in diesem Verfahren vgl. [X.], Urteil vom 23. Mai 1989 - [X.], NJW-RR 1990, 48 [juris Rn. 17] für den Fall der Stattgabe und [X.], Urteil vom 18. Oktober 2016 - [X.], [X.]Z 212, 286 [juris Rn. 44] für den Fall der Abweisung).

Danach steht ein rechtskräftiger Beschluss, mit dem ein Zwangsmittelantrag zurückgewiesen worden ist, zwar einem erneuten Zwangsmittelantrag des Gläubigers entgegen, den dieser mit demselben Sachverhalt begründet (vgl. RG, Urteil vom 10. Oktober 1941 - [X.], [X.], 328, 334 f.; [X.], [X.] 1996, 443; [X.], [X.], 59 [juris Rn. 8]; [X.].ZPO/[X.] aaO § 888 Rn. 33 mwN). Ein solcher Beschluss hindert den Schuldner jedoch nicht aus Gründen der materiellen Rechtskraft an der Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage gegen den Titel (vgl. Walker/[X.] in [X.]/Walker/Kessen/[X.] aaO § 887 ZPO Rn. 39 und § 888 ZPO Rn. 21). Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Revisionserwiderung angeführten Urteil des [X.]s vom 27. November 2020 ([X.]/19, [X.] 2021, 155); auch dieses bestimmt die Reichweite der Rechtskraft einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, mit der die Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung abgewiesen worden ist, ausgehend vom Streitgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. juris Rn. 20 f. mwN).

(2) Auch in praktischer Hinsicht ist die Rechtsverteidigung im [X.] gegenüber der Rechtsverfolgung im Wege der Vollstreckungsabwehrklage für den Schuldner nicht gleichwertig.

Das [X.] wird nach § 888 Abs. 1 ZPO auf Antrag des Gläubigers eingeleitet. Dieser kann den Antrag während des Verfahrens jederzeit zurücknehmen (vgl. BayObLG, NJW-RR 2022, 47 [juris Rn. 188]; [X.] in [X.]/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., § 888 ZPO Rn. 18; [X.], 45. Edition [Stand 1. Juli 2022], § 888 Rn. 14; [X.]/[X.] aaO § 888 Rn. 4; [X.] in [X.]/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 269 Rn. 3). Bereits deswegen ist es für den Schuldner, der den [X.] im [X.] erhebt, nicht gesichert, dass das Gericht über diesen entscheidet. Auch unabhängig von der Möglichkeit einer Antragsrücknahme kommt in Betracht, dass das Gericht den Zwangsmittelantrag - beispielsweise wegen Fehlens der allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen - zurückweist und der Gläubiger diesen nach Behebung des Mangels erneut stellt. Erst die rechtskräftige Zurückweisung des [X.] wegen Erfüllung der titulierten Verpflichtung steht - wie ausgeführt - im Grundsatz der erneuten Erhebung eines [X.] entgegen (vgl. Rn. 20).

Demgegenüber kann der Schuldner mit der Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage aktiv das Ziel verfolgen, laufenden oder zukünftigen [X.] den Boden zu entziehen (§ 775 Nr. 1, § 776 ZPO). Zwar erwächst die Entscheidung über das Bestehen der gegen den titulierten Anspruch erhobenen Einwendungen nicht in Rechtskraft (vgl. [X.], Urteil vom 24. November 1982 - [X.], [X.]Z 85, 367 [juris Rn. 11 bis 15]; Urteil vom 19. Juni 1984 - [X.], [X.], 878 [juris Rn. 13 bis 16]; [X.], NJW-RR 1990, 48 [juris Rn. 17]). Ein der Vollstreckungsabwehrklage rechtskräftig stattgebendes Urteil beseitigt jedoch die Vollstreckbarkeit des Titels insgesamt.

(3) Nichts anderes ergibt sich aus der vom Berufungsgericht als obiter dictum bezeichneten Überlegung, zwei Gerichte müssten sich parallel zeit- und kostenintensiv mit dem [X.] befassen, wenn die Vollstreckungsabwehrklage des [X.] für zulässig erachtet würde. Im Streitfall sind bereits nicht zwei Gerichte, sondern zwei Spruchkörper desselben Gerichts mit dem [X.] befasst. Sowohl für [X.] nach § 888 Abs. 1 ZPO als auch für Vollstreckungsabwehrklagen nach § 767 Abs. 1 ZPO ist das Prozessgericht des ersten Rechtszugs zuständig; es handelt sich gemäß § 802 ZPO um ausschließliche Zuständigkeiten. Ob die Verfahren innerhalb dieses Gerichts von demselben Spruchkörper oder zwei verschiedenen Spruchkörpern bearbeitet werden, richtet sich nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts, dem für die Beurteilung des Verhältnisses zwischen den beiden Verfahren keine Bedeutung zukommen kann. Unabhängig davon entfiele das Rechtsschutzbedürfnis des [X.] für seine Vollstreckungsabwehrklage - wie ausgeführt (Rn. 18 bis 23) - selbst dann nicht, wenn zwei verschiedene Gerichte mit den Verfahren befasst wären.

c) Die im Rechtsstreit von den Beklagten abgegebene Erklärung ist für das Rechtsschutzbedürfnis des [X.] irrelevant.

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.]s lässt selbst ein Verzicht des Gläubigers auf die Rechte aus dem Titel nicht das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage aus § 767 ZPO entfallen, solange der Gläubiger den Titel noch in den [X.] hat (vgl. [X.], NJW 1955, 1556; [X.], Urteil vom 24. Januar 1994 - [X.], NJW 1994, 1161 [juris Rn. 7]; [X.], [X.], 674 [juris Rn. 7]). Die Beklagten haben im Streitfall noch nicht einmal auf ihre Rechte aus dem Titel verzichtet. Sie haben dem Kläger mit ihrer Erklärung lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Herausgabe des Titels eingeräumt, den sie zudem unter die aufschiebende Bedingung einer rechtskräftigen Zurückweisung ihres [X.] wegen vollständiger Erfüllung des Anspruchs gestellt haben.

bb) Auf den vom Berufungsgericht ergänzend erörterten Aspekt, dass der Kläger das Rechtsschutzziel einer Titelherausgabe allein über den Weg der Vollstreckungsabwehrklage, nicht aber mit der Abwehr des [X.] erreichen könnte, kommt es vorliegend nicht an. Einen solchen Antrag hat der Kläger im Rechtsstreit nicht gestellt. Unabhängig davon ist der Kläger nach § 775 Nr. 1, § 776 ZPO durch ein der Vollstreckungsabwehrklage rechtskräftig stattgebendes Urteil zuverlässig vor weiterer erfolgreicher Zwangsvollstreckung durch die Beklagten geschützt (vgl. Rn. 23), während er einen Herausgabeanspruch gegebenenfalls mit einer Leistungsklage und anschließender Zwangsvollstreckung nach § 883 ZPO geltend machen müsste, um in den Besitz des Titels zu gelangen (zum Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Klage vgl. [X.], Urteil vom 22. September 1994 - [X.], [X.]Z 127, 146 [juris Rn. 8]; [X.].ZPO/[X.]/[X.] aaO § 767 Rn. 20 mwN).

III. Danach ist auf die Revision des [X.] das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

[X.]     

      

Löffler     

      

Schwonke

      

Schmaltz     

      

Odörfer     

      

Meta

I ZR 180/21

29.09.2022

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 14. Dezember 2020, Az: 33 U 3539/20, Urteil

§ 767 ZPO, § 888 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.09.2022, Az. I ZR 180/21 (REWIS RS 2022, 6326)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6326 WM 2022, 2284 REWIS RS 2022, 6326 MDR 2023, 150-152 REWIS RS 2022, 6326


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZR 180/21

Bundesgerichtshof, I ZR 180/21, 29.09.2022.


Az. 33 U 3539/20

OLG München, 33 U 3539/20, 14.12.2020.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

33 U 3539/20 (OLG München)

Berufung, Vollstreckungsgegenklage, Festsetzung, Ausgangsverfahren, Rechtsmittel, Verfahren, Zwangsvollstreckung, Nachlassverzeichnis, Berufungsverfahren, Nachlass, Auskunftserteilung, Teilurteil, Anlage, Vollstreckungsverfahren, berechtigtes …


I ZR 64/16 (Bundesgerichtshof)

Vollstreckungsabwehrklage und Feststellungswiderklage: Anwendbarkeit der für die Rechtskraft von Urteilen geltenden Bestimmungen auf Zwangsmittelbeschlüsse wegen …


I ZB 56/12 (Bundesgerichtshof)

Zwangsvollstreckung wegen nicht vertretbarer Handlung aus einem für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch: Berücksichtigung des Erfüllungseinwands


I ZR 64/16 (Bundesgerichtshof)


5 U 123/16 (Oberlandesgericht Hamm)


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.