Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2005, Az. VIII ZB 54/05

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1930

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[X.] ZB 54/05
vom 7. September 2005

in dem Rechtsstreit

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 7. September 2005 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und die Richter Dr. Leimert, [X.], [X.] sowie die Richterin [X.]

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 19. April 2005 aufgehoben.

Der Klägerin wird gegen die Versäumung der Frist zur [X.] der Berufung gegen das Urteil des [X.] vom 3. Dezember 2004 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Der [X.] wird festgesetzt auf 1.663,40 •.

Gründe: [X.] Die Klägerin hat gegen das ihr am 6. Dezember 2004 zugestellte Urteil des Amtsgerichts fristgerecht Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 14. Fe-bruar 2005, eingegangen beim [X.] am 16. Februar 2005, hat die Klägerin ihr Rechtsmittel begründet. Nach einem Hinweis des Vorsitzenden der Zivilkammer darauf, dass die Berufungsbegründung erst nach Ablauf der bis zum 15. Februar 2005 verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegan-- 3 - gen sei, hat die Klägerin am 25. Februar 2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Die Berufungsbegründung sei noch am 14. Februar 2005 unterzeichnet und in die Ausgangspost der Kanzlei der Klägervertreter gegeben worden. M.

B. , Auszubildende in dieser Kanzlei, habe diese Post einkuvertiert, mit dem Freistempler frankiert und in einen Sammelumschlag gesteckt. Die Auszu-bildende handele an jedem Arbeitstag, damit auch am 14. Februar 2005, in [X.]. Sodann gebe sie jeweils die vorfrankierte Post vor 18.00 Uhr zur Hauptpost. Sollte ausnahmsweise einmal eine direkte Abgabe bei der [X.] nicht mehr möglich sein, werde die Post auf jeden Fall vor 18.00 Uhr in den direkt vor der Kanzlei befindlichen Briefkasten eingeworfen, der jeweils nach 18.00 Uhr geleert werde. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe nicht damit rechnen müssen, dass entgegen der üblichen Postlaufzeit von ei-nem Tag zwischen dem [X.] und dem [X.] erst am 16. Februar 2005 das [X.] erreichen [X.]. Zur Glaubhaftmachung hat die Klägerin eine eidesstattliche Versicherung der Auszubildenden M. B. vorgelegt. Das [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag durch Beschluss vom 19. April 2005 zurückgewiesen und gleichzeitig die Berufung der Klägerin we-gen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat das [X.] ausgeführt: Es sei nicht auszuschließen, dass den Prozessbevollmächtigten an der Nichteinhaltung der Frist ein Organisationsverschulden treffe, welches der Klä-gerin zuzurechnen sei. Denn der Prozessbevollmächtigte habe nicht vorgetra-gen und glaubhaft gemacht, dass sich die Auszubildende bisher als absolut zu-- 4 - verlässig erwiesen habe und durch geeignete Maßnahmen überwacht worden sei. Zudem sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Auszubildende die Begründungsschrift tatsächlich am 14. Februar 2005 vor 18.00 Uhr in den Briefkasten eingeworfen habe. In ihrer eidesstattlichen Versicherung schließe M. B. lediglich von der allgemeinen Üblichkeit auf den konkreten Ein-zelfall. I[X.] 1. Die gegen den vorgenannten Beschluss des [X.]s nach § 575 ZPO form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Klägerin ist ge-mäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig. Der angefochtene Beschluss verletzt die Klä-gerin in ihrem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Gewährung wir-kungsvollen Rechtsschutzes, weil er ihr gemäß den nachstehenden Ausführun-gen den Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten [X.] in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Oktober 2003 - [X.], [X.], 367 unter II 1 m.w.N.). 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch sachlich begründet. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht der Klägerin die beantragte [X.] in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbe-gründungsfrist versagt. Die Klägerin war ohne ihr Verschulden verhindert, die vorgenannte Frist einzuhalten (§ 233 ZPO). Entgegen der Ansicht des Beru-fungsgerichts trifft ihren Prozessbevollmächtigten kein Verschulden an der Fristversäumung, das sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen [X.] müsste. - 5 - a) Fehl geht die Annahme des Berufungsgerichts, ein Organisationsver-schulden des Anwalts der Klägerin könne nicht ausgeschlossen werden, weil er nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht habe, die Auszubildende arbeite stets zuverlässig und werde auch durch geeignete Maßnahmen entsprechend über-wacht. Das [X.] verkennt insoweit, dass ein etwaiges Organisationsver-schulden des Anwalts nur von Bedeutung sein kann, sofern nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt von einem Fehlverhalten der Kanzleimitarbeiterin aus-zugehen wäre. Ist das aber hier - wie unter b) ausgeführt - nicht der Fall, schei-det ein derartiges Organisationsverschulden schon mangels einer Kausalität für die Fristversäumung aus. b) Nach dem durch die eidesstattliche Versicherung der Auszubildenden M. B. vom 23. Februar 2005 glaubhaft gemachten Sachverhalt ist da-von auszugehen, dass sie die Postsendung rechtzeitig, d.h. am 14. Februar 2005 vor 18.00 Uhr, der [X.] übergeben hat. Der Prozessbevoll-mächtigte der Klägerin hat an Eides Statt versichert, der Schriftsatz sei am 14. Februar 2005 in die Ausgangspost gegeben worden. Nach dem Wortlaut der eidesstattlichen Versicherung der Auszubildenden hat sie die Postsendung der Kanzlei in der fraglichen [X.] zwischen 14. und 23. Februar 2005 an jedem Arbeitstag entweder vor 18.00 Uhr am Schalter in der Hauptpost abgegeben oder vor 18.00 Uhr in den Briefkasten vor der Kanzlei eingeworfen. Damit hat sich die Auszubildende in ihrer eidesstattlichen Versicherung eindeutig erklärt. Die gegenteilige Beurteilung durch das [X.], die Auszubildende habe lediglich von der allgemeinen Üblichkeit auf den konkreten Einzelfall gefolgert, ist mit diesem Wortlaut nicht zu vereinbaren. - 6 - II[X.] Nach alledem hat die Klägerin entgegen der Auffassung des Berufungs-gerichts die Frist zur Begründung der Berufung ohne ihr Verschulden versäumt. Da auch im Übrigen die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand gegeben sind (§§ 234, 236 ZPO), war der Klägerin die Wiederein-setzung antragsgemäß zu bewilligen (§ 233 ZPO).

[X.] Dr. Leimert [X.]
[X.] [X.]

Meta

VIII ZB 54/05

07.09.2005

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2005, Az. VIII ZB 54/05 (REWIS RS 2005, 1930)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1930

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