Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.07.2020, Az. 25 W (pat) 568/18

25. Senat | REWIS RS 2020, 132

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "ProInspect" – fehlende Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2018 014 241.5

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] am 9. Juli 2020 unter Mitwirkung der Richterin [X.], des Richters Dr. [X.] und des Richters Schödel

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

2

[X.]

3

ist am 11. Juni 2018 zur Eintragung als Wortmarke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für die Waren der [X.] "Computerprogramme in Form von [X.]" angemeldet worden.

4

Mit Beschluss vom 10. August 2018 hat die Markenstelle für [X.] des [X.]s durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes die unter dem Aktenzeichen 30 2018 014 241.5 geführte Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung ist aufgeführt, dass die angemeldete Wortkombination "[X.]" sprachüblich gebildet sei und in der [X.] so viel wie "professionelles Prüfen bzw. Kontrollieren" bedeute. Die beanspruchten Waren der [X.] könnten dem professionellen Prüfen bzw. Kontrollieren dienen bzw. hierfür bestimmt sein. Zwar könne die Verbindung von schutzunfähigen Einzelbestandteilen im Einzelfall einem [X.] die Schutzfähigkeit vermitteln. Vorliegend beschränke sich aber die angemeldete Wortkombination auf die bloße Summe ihrer beschreibenden Teile.

5

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Zur Begründung führt sie aus, dass das [X.] die Feststellungslast für das Vorliegen absoluter Eintragungshindernisse trage. Vorliegend habe die Markenstelle jedoch bloße Mutmaßungen geäußert, die für eine Zurückweisung der Anmeldung nicht genügten. Um zu dem von der Markenstelle angenommenen Bedeutungsgehalt der angemeldeten Bezeichnung zu gelangen, sei es erforderlich, diese in ihre Bestandteile zu zerlegen, um sie in einem nächsten Schritt einzeln zu analysieren. Hierfür seien eine Reihe von gedanklichen Zwischenschritten und Schlussfolgerungen erforderlich. Eine analysierende Betrachtungsweise sei jedoch im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens unzulässig. Das angemeldete Zeichen bestehe aus zwei einzelnen Wörtern, die atypisch zusammengesetzt seien, nämlich ohne Trennung und mit Binnengroßschreibung. Schon dieser Umstand müsse für sich genommen zur Bejahung der Unterscheidungskraft führen. Die [X.] "Pro" und "Inspect" würden vom angesprochenen Verkehr nicht ohne Weiteres verstanden und seien deswegen zur Beschreibung der beanspruchten Waren nicht geeignet. Dem inländischen Durchschnittsverbraucher könne grundsätzlich nicht unterstellt werden, der [X.] derart mächtig zu sein, dass er die angemeldete Bezeichnung verstehen werde. Der Verkehr werde die angemeldete Bezeichnung als fantasievolles Kunstwort auffassen. Selbst wenn der Verkehr die Bedeutung der einzelnen [X.] jeweils für sich genommen erfasse, sei die angemeldete Bezeichnung in ihrer Gesamtheit ungenau und erfordere zu ihrem Verständnis einen gewissen Interpretationsaufwand. Im Übrigen reiche ein Minimum an Unterscheidungskraft aus, um die Eintragungsfähigkeit eines Zeichens zu bejahen.

6

Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

7

den Beschluss der Markenstelle für [X.] des [X.]s vom 10. August 2018 aufzuheben.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, den schriftlichen Hinweis des Senats vom 5. März 2020 nebst Anlagen, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

9

Die nach § 64 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] statthafte und auch ansonsten zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung "[X.]" als Marke steht für die beanspruchten Waren der [X.] das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. [X.], [X.], 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], 731 Rn. 11 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]; [X.], 270 Rn. 8 – Link economy; [X.], 1100 Rn. 10 – [X.]!; [X.], 825 Rn. 13 – [X.]; [X.], 850, 854 Rn. 18 – [X.]; GRUR 2018, 301 Rn. 11 – [X.]). Auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. [X.], [X.], 604 Rn. 60 – [X.]; [X.], [X.], 565 Rn. 17 – [X.]). Bei der Beurteilung von [X.] ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. [X.], [X.], 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944 Rn. 24 – [X.] 2; [X.], 428 Rn. 30 f. – [X.]; [X.], [X.], 850 – [X.]) zum Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. [X.], [X.], 1143, 1144 Rn. 15 – [X.] werden Fakten; [X.], 872 Rn. 10 – [X.]; [X.], 482 Rn. 22 – test; [X.], [X.] 2010, 439 Rn. 41 - 57 – Flugbörse). Hiervon ausgehend besitzen Bezeichnungen keine Unterscheidungskraft, denen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.], 850 Rn. 19 – [X.]; [X.] [X.], 674 Rn. 86 – Postkantoor). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist ferner dann auszugehen, wenn die Wortfolge für sich genommen oder im Zusammenhang mit produktbeschreibenden Angaben lediglich Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art enthält ([X.] [X.], 522 Rn. 9 – [X.] schönste Seiten). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird ([X.] a. a. O. – [X.]; [X.], 1100 Rn. 23 – [X.]!).

Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei der angemeldeten Bezeichnung "[X.]" im maßgeblichen Zusammenhang mit den beanspruchten Waren der [X.] "Computerprogramme in Form von [X.]" um eine beschreibende Angabe in Form einer Bestimmungsangabe, nämlich wofür bzw. für welchen Anwendungsbereich die beanspruchten [X.] bestimmt sind.

Die angemeldete Bezeichnung besteht aus den durch die Binnengroßschreibung ohne weiteres erkennbaren Wörtern "Pro", mit der Bedeutung "jeweils, je, für", und "Inspect", das als [X.] Verb ("to inspect") die Bedeutung "untersuchen" hat.

Dabei hat das Wort "Pro" viele unterschiedliche Bedeutungen. Als [X.] Wort bedeutet "Pro" u.a. als Kurzwort "Profi" und als Adverb "dafür". In der [X.] kann "Pro" u.a. als Präposition "je" (z.B. pro Person gibt es eine Flasche Wasser), "für, dafür" ("er engagiert sich pro 35-Stunden-Arbeitswoche"; Gegensatz "pro und contra") bedeuten. Entsprechend wird "pro" als aus der [X.] abgeleitetes adjektivisches und substantivisches Präfix neben den Bedeutungen von "vor, vorher, zuvor, vorwärts, hervor" und "im Verhältnis zu" auch im Sinne von "für, dafür" verwendet, um in Wortkombinationen eine positive Einstellung bezogen auf das nachfolgende Basiswort zum Ausdruck zu bringen (proeuropäisch = europafreundlich, prokommunistisch, prokapitalistisch usw.). Zudem gibt es im bildungsbürgerlichen Sprachgebrauch und bei der entsprechenden medizinischen Fachsprache mit [X.] Begriffen auch einige Ausdrücke bei denen das Wort "pro" mit der Bedeutung "für" verwendet wird, wie z.B. "pro domo" ("für das [X.]. "in eigener Sache"), "pro patria" ("für das Vaterland"), "pro tempore" ("für die [X.]. vorläufig) oder pharmazeutisch-medizinische Angaben wie "pro [X.]" ("für Kinder"), "pro infusione" ("für eine Infusion") und "pro injectione" ("für eine Injektion"). Schließlich wird die Präposition "Pro" häufig von Organisationen, Vereinigungen oder Initiativen (gesellschafts-)politischer Art verwendet, die damit bereits im Namen dokumentieren, in welche Richtung sie sich engagieren bzw. wofür sie arbeiten (z.B. "profamilia", "[X.]", "Pro Tierschutz", "[X.]"), wobei diese Bezeichnungen nach Art eines Unternehmenskennzeichens i.S.v. § 5 Abs. 2 [X.] auch kennzeichnenden Charakter haben. Auf die Recherchebelege des Senats zur Bedeutung des [X.]s "Pro", die der Anmelderin mit dem schriftlichen Hinweis vom 5. März 2020 übersandt worden sind, wird Bezug genommen. Der [X.] Begriff "Inspect" wird angesichts der auch in der [X.] verwendeten Begriffe "Inspektion" bzw. "inspizieren" auch von breiten Verkehrskreisen sofort und ohne weiteres verstanden.

Ausgehend von den vorstehend ermittelten Bedeutungen der Wortbestandteile hält es der Senat entgegen der Auffassung der Markenstelle im angefochtenen Beschluss vom 10. August 2018 zwar nicht für wahrscheinlich, dass der Verkehr die angemeldete Bezeichnung in [X.] Umfang im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren im Sinne von "professionelles, fachgerechtes, gekonntes, kompetentes und qualifiziertes Kontrollieren bzw. Prüfen" versteht, zumal es insoweit gedanklicher Zwischenschritte bedarf, um einen Zusammenhang zu den beanspruchten Waren herzustellen. Der Verkehr wird nach Auffassung des Senats die angemeldete Wortkombination im Zusammenhang mit Computerprogrammen in Form von [X.] jedoch naheliegend dahingehend sachbeschreibend verstehen, dass die [X.] (in irgendeiner Form) für irgendwelche Inspektionen oder Kontrollen bestimmt sind. Entsprechende [X.] werden auf dem Markt bereits angeboten. Diese je nach Anwendungsbereich produktbeschreibende Bedeutung steht nach Auffassung des Senats im jeweils möglichen und deshalb bei der Beurteilung und Entscheidung zu berücksichtigenden Produktzusammenhang im Vordergrund und steht deshalb einem betriebskennzeichnenden Verständnis entgegen.

Der Senat verkennt nicht, dass die angemeldete Wortkombination nicht ganz sprachregelgerecht gebildet ist. Bei dem sachbeschreibenden Verständnis der angemeldeten Wortkombination im Sinne einer Bestimmungsangabe mit der Bedeutung Computerprogramme in Form von [X.] "für die Durchführung von Kontroll- bzw. Prüfvorgängen" muss der Verkehr den Wortbestandteil "pro" im Sinne von "für" bzw. "bestimmt für" und den weiteren Wortbestandteil "Inspect" im Sinne von "Prüfen" bzw. "Kontrollieren" verstehen. Gleichwohl liegt ein solches Verständnis nach Auffassung des Senats in einem entsprechenden Produktzusammenhang überaus nahe, wobei angesichts des beanspruchten weiten Oberbegriffs "Computerprogramme in Form von [X.]" solche "Kontroll- bzw. Prüf-[X.]" umfasst sind, auf die dann auch maßgeblich abzustellen ist. Es handelt sich bei der angemeldeten Bezeichnung auch nicht um eine derart ungewöhnliche Wortverbindung, dass deren Bedeutung in einem entsprechenden Sachzusammenhang nicht sofort sachbeschreibend erfasst würde. Die [X.] darf nicht zu gering veranschlagt werden (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 8 Rn. 188), zumal auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist, der daran gewöhnt ist, in der Werbung ständig mit neuen und nicht immer grammatikalisch korrekten Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm lediglich sachbezogene Informationen in einprägsamer Form übermittelt werden sollen.

Meta

25 W (pat) 568/18

09.07.2020

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.07.2020, Az. 25 W (pat) 568/18 (REWIS RS 2020, 132)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 132

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