Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.09.2005, Az. V ZR 197/04

V. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1536

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 197/04 Verkündet am: 30. September 2005 K a n i k, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

- 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2005 durch [X.] Dr. [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.] und [X.] Czub und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das [X.]eil des 11. Zivilsenats des [X.] vom 25. August 2004 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das [X.]eil der 10. Zivilkammer des [X.] vom 19. September 2003 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen Tatbestand:

Die klagende Stadt war Eigentümerin eines mit einem sanierungsbedürf-tigen Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks. Mit notariell beurkun-deter Erklärung vom 11. September 1997 bot die Klägerin dem Beklagten das Grundstück für 374.400 [X.] zuzüglich 1.955 [X.] Gutachterkosten zum Kauf an. Nach dem Angebot hatte der Beklagte innerhalb von drei Jahren ab dessen - 3 - Annahme in das Gebäude mindestens 1.323.000 [X.] zu investieren. Für den Fall der Verletzung dieser Verpflichtung war die Klägerin berechtigt, die Rück-übertragung des Grundstücks auf sich zu verlangen. Die Gewährleistung der Klägerin für Sachmängel war ausgeschlossen. Der Beklagte sollte jedoch bis zum 30. März 1998 zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt sein, sofern das Ge-bäude mit echtem Hausschwamm befallen sei und die Sanierungskosten hier-durch um mehr als 10.000 [X.] erhöht würden.

Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 30. September 1997 nahm der Beklagte das Angebot der Klägerin an. Die Auflassung des Grundstücks [X.] am 15. Oktober 1997. Zur Sicherung des möglichen Rückübertragungsan-spruchs der Klägerin wurde eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom 17. März 1998 teilte der [X.] dem Beklagten den Eintritt der für die Fälligkeit des Kaufpreises vereinbarten Voraussetzungen mit. Der Beklagte leistete keine Zahlung. Im Einverständnis mit der Klägerin nahm er am 5. Mai 1998 das von dem [X.]beurkundete Angebot von [X.]und [X.]

an, das Grundstück für 550.000 [X.] zu erwerben. Die Sanierung des Gebäudes sollte nach diesem Angebot durch die [X.] Wohn- und Gewerbebau GmbH ([X.]) erfolgen, deren alleiniger Ge-sellschafter und Geschäftsführer der Beklagte ist. [X.]

und [X.]sollten hierfür 1.841.000 [X.] an die [X.] zahlen.

Mit Schreiben vom 5. und 29. Mai 1998 teilte der Beklagte der Klägerin mit, das Dachgebälk des Hauses sei teilweise von Schwamm befallen, bemän-gelte im Hinblick hierauf den zwischen den Parteien vereinbarten Preis und bat um einen Besprechungstermin. Die Klägerin mahnte den Beklagen am 20. Mai - 4 - 1998 zur Zahlung. Mit Schreiben vom 4. Juni 1998 erklärte ihr Bürgermeister unter anderem:
– "Zur Problematik des vermeintlich unangemessenen [X.] erwartet die Stadt [X.]den Nachweis der tatsächlich ge-tätigten Mehraufwendungen.

Auf der Grundlage dieser Kostenermittlung kann über eine even-tuelle Kaufpreisreduzierung verhandelt werden, soweit durch die Mehraufwendungen die Gesamtinvestition in Höhe von 1.323.000 [X.] überschritten wird.

Die Forderung zur Kaufpreiszahlung ([X.] Nr. 0022540) aus dem Kaufvertrag [X.]. 1. /97 betreffend ist die Stadt [X.]zu folgendem Entgegenkommen bereit:

Die Kaufpreiszahlung wird bis zum Abschluß der [X.]Modernisierung des Objektes auf 300.000 [X.] beschränkt. –
Ein Ausgleich zwischen dieser Forderung und dem endgültigen Kaufpreis erfolgt zwischen den Parteien auf der Grundlage der von Ihnen beauftragten Mehraufwandsermittlung bei Nachweis der tatsächlichen Gesamtinvestitionskosten, jedoch spätestens 3 Wochen nach dem 30.09.2000." –

Am 23. Juni 1998 überwies der Beklagte den Betrag von 300.000 [X.] an die Klägerin. Mit Schreiben vom 12. Oktober 1998 wandte sich der [X.] wegen der eingetragenen Rückauflassungsvormerkung an die Kläge-rin. In ihrer Antwort vom 4. November 1998 erklärte die Klägerin, "den [X.] vorbehaltlich des konkreten Nachweises der Mehrkosten auf 300.000 [X.]" herabzusetzen. Mit Schreiben vom 1. Dezember 1998 zeigte der Beklagte den Abschluss der Sanierung des Gebäudes und "das Ende der [X.] über die Beschränkung des Kaufpreises" an. In seiner Sitzung vom - 5 - 27. Januar 1999 lehnte der Stadtrat der Klägerin eine Herabsetzung des [X.]es ab.
Mit der Klage verlangt die Klägerin aus dem [X.] für das Grundstück 37.835,60 • zuzüglich Zinsen. Der Beklagte hat widerklagend Schadensersatz in Höhe von 51.133,37 • verlangt, die er über den mit der [X.] verlangten Betrag hinaus für die Schwammbeseitigung habe aufwenden müssen.
Das [X.] hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abge-wiesen. Der Beklagte hat die Abweisung der Widerklage hingenommen und sich mit der Berufung gegen seine Verurteilung gewandt. Das Oberlandesge-richt hat der Berufung stattgegeben und die Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung der Verurteilung des Beklagten zur Zahlung.

Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht verneint den geltend gemachten Anspruch. Es meint, der Beklagte habe das Schreiben der Klägerin vom 4. Juni 1998 zu Recht als Angebot verstanden, die Kosten der Schwammbeseitigung bis zu dem Betrag von 74.400 [X.] von dem Kaufpreis abziehen zu können. Dieses Angebot habe er schlüssig durch die Zahlung des Betrages von 300.000 [X.] angenommen. Die Auslegung der Erklärung der Klägerin als Angebot, den - 6 - Kaufpreis für das Grundstück herabzusetzen, werde durch das Schreiben der Klägerin an den [X.] vom 4. November 1998 bestätigt.

Tatsächlich sei das Gebäude schwammbefallen gewesen. Die Beseiti-gung des Schwamms habe die Kosten seiner Sanierung um mehr als 42.000 • erhöht. Der Mehraufwand sei zwar bei der [X.] angefallen. Im Sinne der Vereinbarung der Parteien, den Kaufpreis für das Grundstück herabzusetzen, sei der Aufwand der [X.] jedoch einem Aufwand des Beklagten gleichzuset-zen.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

I[X.]
Die Klägerin kann aus dem Kaufvertrag über das Grundstück den gel-tend gemachten Betrag von dem Beklagten als [X.] verlangen. Eine Einigung der Parteien, den Kaufpreis herabzusetzen, ist nicht zustande [X.]. Die Auslegung des Schreibens der Klägerin vom 4. Juni 1998 durch das Berufungsgericht als Angebot, den Kaufpreis für das Grundstück zu redu-zieren, ist rechtsfehlerhaft und bindet den Senat daher nicht.

1. Die Auslegung einer Willenserklärung kann im Revisionsverfahren nur beschränkt überprüft werden (st. Rspr., vgl. [X.], [X.]. v. 20. Mai 1976, [X.], [X.], 977; v. 3. April 2000, [X.], [X.], 2099 m.w.N.), nämlich dahin, ob der Tatrichter die gesetzlichen [X.]n, die anerkannten Auslegungsgrundsätze, die Denkgesetze und die [X.] 7 - sätze beachtet und die der Auslegung zugrunde liegenden Tatsachen ohne Verfahrensfehler festgestellt hat (st. Rspr., vgl. [X.]Z 135, 269, 273; [X.], [X.]. v. 29. März 2000, [X.], [X.], 2508, 2509). Daran fehlt es. Anerkannte [X.] ist es, dass bei der Auslegung einer [X.] von deren Wortlaut auszugehen ist (st. Rspr., vgl. [X.]Z 121, 13, 16; [X.], [X.]. v. 31. Januar 1995, [X.], NJW 1995, 1212, 1213; v. 27. November 1997, [X.], [X.], 900, 901; v. 28. Januar 2002, [X.], [X.] 2004, 170). Diese [X.] wird von dem [X.] insoweit verletzt, als es dem Passus, dass "über eine eventuelle Kaufpreisreduzierung verhandelt" werden könne, keine Bedeutung zumisst. Mit dieser Wendung ist eine Auslegung grundsätzlich nicht vereinbar, die Klägerin habe angeboten, den Kaufpreis für das Grundstück um die schwammbedingten Mehrkosten für die Sanierung des Gebäudes, höchstens jedoch um 74.400 [X.], zu mindern. Eine solche Auslegung missachtet den Wortlaut des Schreibens, nach dem die Klägerin Verhandlungen über eine "eventuelle [X.]reduzierung" angeboten hat.
Anerkannte [X.] ist weiter, dass an die Auslegung einer Willenserklärung, die zum Verlust einer Rechtsposition führt, als Verzicht auf diese Position strenge Anforderungen zu stellen sind und in der Regel eine insoweit eindeutige Willenserklärung erforderlich ist, weil ein Rechtsverzicht niemals zu vermuten ist (st. Rspr., vgl. [X.], [X.]. v. 20. Dezember 1983, [X.], NJW 1984, 1346, 1347; v. 16. November 1993, [X.], NJW 1994, 379, 380; v. 22. Juni 1995, [X.], [X.], 1677, 1678 f). Auch die-ser [X.] laufen die Ausführungen des Berufungsurteils zuwider. In dem Kaufvertrag zwischen den Parteien ist die Verpflichtung der Klägerin zur - 8 - Gewährleistung für Sachmängel des Grundstücks ausgeschlossen. Der Schwammbefall des Gebäudes bedeutete einen solchen Mangel. Das Recht des Beklagten, wegen des [X.] zurückzutreten, war mit Ablauf des 31. März 1998 erloschen. Die Klägerin war daher nicht gehalten, dem Beklagen wegen des Schwammbefalls entgegen zu kommen. Eine [X.] Erklärung der Klägerin, trotzdem auf den Kaufpreis teilweise zu verzichten, fehlt. Ein Grund für einen solchen Verzicht ist weder festgestellt noch erkenn-bar.
Anerkannter Auslegungsgrundsatz ist schließlich, dass Vergleichsver-handlungen unter Aufrechterhaltung der beiderseitigen Rechtsstandpunkte ge-führt werden und die dabei abgegebenen Erklärungen nach dem Scheitern der Verhandlungen keine Wirkungen mehr haben ([X.], [X.]. v. 23. Januar 1970, [X.], [X.], 548, 549; v. 8. Mai 2002, [X.], NJW-RR 2002, 1433, 1434). Gegen diesen Grundsatz verstößt die Auslegung des Schreibens der Klägerin durch das Berufungsgericht, in dem es feststellt, die Klägerin habe dem Beklagten durch ihr Schreiben "dem Grunde nach zugesagt", die Kosten der Schwammsanierung bis zur Höhe von 74.400 [X.] von dem vereinbarten Kaufpreis abziehen zu können. Die Klägerin hat dem Beklagten im Hinblick auf den behaupteten Schwammbefall des Gebäudes angeboten, zunächst nur 300.000 [X.] für den Kauf des Grundstücks zu bezahlen und wegen ihrer [X.] Forderung abhängig von der Höhe der Mehrkosten nach dem [X.] der Sanierung in Verhandlungen einzutreten. Damit kann die von der Klägerin erklärte Bereitschaft grundsätzlich nicht als "Zusage dem Grunde nach" ausgelegt werden.
- 9 - 2. Das Schreiben der Klägerin an den [X.]

vom 4. November 1998 führt nicht zu einer anderen Auslegung. Die Erklärung der Klägerin vom 4. Juni 1998 ist auf der Grundlage dessen auszulegen, was der Beklagte ihr im Juni 1998 entnehmen konnte und nicht anhand einer Äußerung, die die Kläge-rin fünf Monate später gegenüber einem [X.] gemacht hat.

3. Da weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen, ist der Senat zur Auslegung des Schreibens der Klägerin vom 4. Juni 1998 in der Lage. Die Klä-gerin hat dem Beklagten angeboten, bis zum Abschluss der Sanierung des Gebäudes den über 300.000 [X.] hinausgehenden Betrag entgegen ihrer [X.] vom 20. Mai 1998 nicht weiter zu verfolgen und nach dem Abschluss der Renovierung des Gebäudes im Hinblick auf etwaige Mehrkosten wegen des Schwammbefalls in Verhandlungen um eine Minderung des Kaufpreises [X.]. Ein Verzicht der Klägerin auf einen Teil der offenen Kaufpreisforderung ist nicht erfolgt. Die zugesagten Verhandlungen sind mit der entgegenstehen Entschließung des Stadtrats der Klägerin gescheitert. Ein Schaden, dessen Ersatz der Beklagte im Hinblick auf die Verhandlungszusage des Bürgermeis-ters, die die Willensbildung des Stadtrats übergangen hat, verlangen könnte, ist nicht ersichtlich.

[X.]

[X.] Stresemann

Czub

Roth

Meta

V ZR 197/04

30.09.2005

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.09.2005, Az. V ZR 197/04 (REWIS RS 2005, 1536)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1536

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