Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.11.2017, Az. VII ZR 62/17

7. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 2621

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ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT FUSSBALL PROFISPORT VERBÄNDE BUNDESGERICHTSHOF (BGH) SPORT SCHADENSERSATZ

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Gegenstand

Haftung eines Zuschauers eines Fußballspiels wegen des Zündens eines Sprengkörpers: Höhe des Schadensersatzanspruchs für den finanziellen Schaden des Vereins durch einen gegen den Verein für diesen und weitere Vorfälle gemeinsam verhängte Verbandsstrafe


Leitsatz

Zur Höhe der Haftung eines Zuschauers eines Fußballspiels, der einen gezündeten Sprengkörper auf einen Teil der Tribüne geworfen hat, für den finanziellen Schaden des Vereins durch eine gegen den Verein für diesen und weitere Vorfälle gemeinsam verhängte Verbandsstrafe.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 9. März 2017 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt den Profifußballbereich des Sportvereins [X.] ([X.]). Sie verlangt von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von 30.000 €, weil er als Zuschauer eines Heimspiels ihrer Lizenzspielermannschaft am 9. Februar 2014 in der [X.] gegen den [X.] einen Knallkörper gezündet und auf den Unterrang der Tribüne geworfen hatte, wo dieser detonierte und sieben Zuschauer verletzte.

2

Wegen dieses Vorfalls und vier weiterer vorangegangener Vorfälle bei anderen Spielen der Lizenzspielermannschaft der Klägerin verhängte das Sportgericht des [X.] ([X.]) mit Urteil vom 19. März 2014 eine Verbandsstrafe gegen die Klägerin, bestehend aus einer Geldstrafe in Höhe von 50.000 € sowie einer zur Bewährung ausgesetzten Anordnung, zwei Heimspiele unter teilweisem Ausschluss der Öffentlichkeit auszutragen. Ferner erteilte es der Klägerin die Bewährungsauflage, insgesamt einen Geldbetrag von 30.000 € für Projekte und Maßnahmen zu verwenden, die der Gewaltprävention sowie der Ermittlung von konkreten Tätern bei den Fußballspielen der Klägerin dienen. Auf die Bewährungsauflage wurde ein Betrag angerechnet, den die Klägerin bereits zuvor für die Anschaffung eines Kamerasystems aufgewendet hatte, so dass insgesamt 60.000 € statt zunächst 80.000 € verblieben, die die Klägerin zahlte. Dem ursprünglichen Gesamtbetrag lagen vier Einzelgeldstrafen zugrunde, nämlich in Höhe von zweimal 20.000 €, einmal 38.000 € und einmal - betreffend den vom Beklagten verursachten Vorfall - 40.000 €. Der Gesamtbetrag wurde in analoger Anwendung von § 54 StGB durch die Erhöhung der höchsten verwirkten Einzelstrafe und unter Berücksichtigung des als Bewährungsauflage auferlegten Geldbetrages gebildet.

3

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Dessen Urteil hat der Senat auf die Revision der Klägerin mit Urteil vom 22. September 2016 ([X.], [X.], 375) aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses hat den Beklagten nunmehr verurteilt, an die Klägerin 20.340 € nebst Zinsen zu zahlen, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin weiterhin die Zahlung von insgesamt 30.000 € nebst Zinsen.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

I.

5

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in [X.] 2017, 158 sowie juris veröffentlicht ist, ist der Auffassung, die allein noch im Streit stehende Höhe des Schadensersatzanspruchs bemesse sich danach, in welchem Maße sich die Pflichtverletzung des [X.]n in der konkret verhängten und gezahlten [X.] niedergeschlagen habe. Insoweit sei das Verhältnis der [X.]n zur ursprünglichen Summe der [X.]n - und nicht zur ursprünglich verhängten Gesamtstrafe - maßgeblich. Auf dieser Grundlage ergebe sich ein Betrag von gerundet 20.340 € (40.000 € : 118.000 € x 60.000 €).

6

Dass die Gesamtstrafe in analoger Anwendung des § 54 StGB ausgehend von der höchsten [X.] gebildet worden sei, rechtfertige keine andere Beurteilung. Denn § 54 StGB regele allein die Art der Berechnung der Gesamtstrafe. Dass die höchste [X.] reine Berechnungsgrundlage sei, ergebe sich auch daraus, dass § 54 StGB gemäß § 55 StGB bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung ebenfalls anzuwenden sei. Es hinge vom Zufall ab, welches dann jeweils die höchste [X.] sei, auf deren Grundlage die Gesamtstrafe gebildet werde.

7

Das Verhältnis der [X.] zur Summe der [X.]n sei demgegenüber eine verlässliche Bemessungsgrundlage, bei der Änderungen der Gesamtstrafe stets verhältnismäßig weitergegeben werden könnten. Weil diese Berechnungsweise alle berücksichtigten [X.]n gleichermaßen betreffe, verbleibe auch kein Restbetrag, der nicht regressfähig sei.

II.

8

Das hält der rechtlichen Überprüfung stand, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerin entschieden hat.

9

1. Das Zünden und der Wurf des Knallkörpers durch den [X.]n sind ursächlich für die [X.] Verurteilung der Klägerin vom 19. März 2014 geworden. Damit war sein Handeln auch ursächlich für den gesamten der Klägerin aufgrund des Urteils entstandenen Vermögensschaden in Höhe von 60.000 €, da es ohne die Tat des [X.]n nicht zu dieser konkreten Verurteilung gekommen wäre. Hierbei handelt es sich um eine adäquat kausale Folge der Tat, weil es kein völlig ungewöhnliches Geschehen darstellt, dass mehrere, mit [X.]n zu ahndende Vorfälle in einer Entscheidung zusammengefasst und mit einer einzigen Gesamtstrafe sanktioniert werden.

Gleichwohl gehen das Berufungsgericht wie auch die Klägerin und die Revision zutreffend stillschweigend davon aus, dass eine Haftung des [X.]n nur für einen Teil des Schadens in Betracht kommt, dagegen für den gesamten Schaden in Höhe von 60.000 € ausscheidet. Denn zu der verbandsgerichtlichen Verurteilung und zu einem Vermögensschaden der Klägerin in dieser Höhe ist es auch aufgrund von weiteren Vorfällen gekommen. Damit besteht kein Zurechnungszusammenhang zwischen der Handlung des [X.]n und der gesamten [X.], weil diese nicht in der vollen Höhe in einem inneren Zusammenhang mit der durch den [X.]n geschaffenen Gefahrenlage steht. Vielmehr ist der Umstand, dass die Tat des [X.]n zusammen mit weiteren Vorfällen geahndet worden ist, lediglich ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang. Dieser genügt nicht, um dem [X.]n die Haftung auch hierfür aufzuerlegen (vgl. [X.], Versäumnisurteil vom 22. September 2016 - [X.], [X.]Z 211, 375 Rn. 14 m.w.N.).

2. Entscheidend ist daher, in welchem Umfang die verhängte Gesamtstrafe darauf beruht, dass hiermit weitere Vorfälle sanktioniert worden sind. Bei der Ermittlung dieses Anteils und damit zugleich des Anteils des [X.]n, für den dieser haftet, sind dem Berufungsgericht keine Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin unterlaufen.

a) Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, die Tat des [X.]n habe sich mit dem Anteil auf den der Klägerin entstandenen Schaden ausgewirkt, der dem Anteil der für den vom [X.]n verursachten Vorfall angemessenen [X.] an der Summe aller [X.]n entspricht. Da die den Schaden der Klägerin maßgeblich bestimmende Gesamtstrafe niedriger als die Summe der für angemessen erachteten [X.]n ist, folgt aus der Gesamtstrafenbildung, dass die tatsächliche Auswirkung jedes einzelnen Vorfalls auf den Vermögensschaden der Klägerin geringer ist, als sie gewesen wäre, wenn die Vorfälle einzeln abgeurteilt worden wären.

Dies entspricht dem Prinzip des § 54 StGB, den das Sportgericht bei der Bildung seiner Gesamtstrafe entsprechend angewandt hat. Danach darf die Gesamtstrafe die Summe der [X.] nicht erreichen (§ 54 Abs. 2 Satz 1 StGB). Umgekehrt ist regelmäßig die Gesamtstrafe höher als die höchste [X.] (§ 54 Abs. 1 Satz 2 StGB).

Zutreffend erkennt das Berufungsgericht, dass die Vorschrift des § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB, wonach die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten [X.] gebildet wird, lediglich die Art der Berechnung regelt und sicherstellt, dass die Gesamtstrafe niemals unter der höchsten verwirkten [X.] liegt. Eine weitere besondere Bedeutung kommt der höchsten [X.] nicht zu. Vielmehr wird die Gesamtstrafe insgesamt in den genannten Grenzen durch eine zusammenfassende Würdigung von der Person des [X.] und der einzelnen Straftaten gefunden (§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB); hierbei verbietet sich jede rechnerische Methode ([X.], Urteil vom 7. Februar 2001 - 2 StR 487/00, juris Rn. 7, [X.], 365, 366). Mangels anderer Anhaltspunkte ist deshalb das Verhältnis der Bemessung der einzelnen Strafen ein geeigneter Maßstab (§ 287 Abs. 1 ZPO) für den Anteil, mit dem die jeweiligen [X.]n die Gesamtstrafe beeinflussen und damit zurechenbar zu dem Vermögensschaden führen.

b) Die hiergegen erhobenen Einwände der Revision sind unbegründet.

Entgegen der Auffassung der Revision ist die vom [X.]n verursachte [X.] gerade nicht unverändert an die Klägerin "durchgereicht" worden. Dementsprechend lässt sich eine absolute Anspruchshöhe ohne eine Berechnung von [X.] nicht beziffern. Denn weder ist die [X.] in Höhe von 40.000 € ein ungeminderter Faktor der Gesamtstrafe gewesen, noch sind die weiteren [X.]n in der Gewichtung nur mit 50 % eingeflossen. Hierbei handelt es sich, wie dargestellt, lediglich um eine Art der Berechnung, die sicherstellt, dass die höchste [X.] überschritten und die Summe der [X.]n nicht erreicht wird. Sie ersetzt nicht die Gesamtwürdigung.

Bei dieser Betrachtung wird auch nicht die weitere Schadensentwicklung nach Ausspruch der [X.]n ausgeblendet. Vielmehr hat sich der Schaden erst durch die verhängte Gesamtstrafe entwickelt. Die Gesamtstrafe ihrerseits ist durch Gesamtwürdigung der verschiedenen Fälle entstanden.

Dementsprechend hat sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht der Anteil etwaiger anderer Schädiger, die möglicherweise auch haften, über den Betrag hinaus erhöht, in dem die [X.]n für die von ihnen verursachten Vorfälle tatsächlich Eingang in die Gesamtstrafe gefunden haben. Vielmehr sind auch die übrigen [X.]n im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Taten in die Gesamtstrafe eingeflossen, so dass auch sie sich im Verhältnis ihres Gewichts (ausgedrückt durch die [X.]n) dort widerspiegeln. Anders als die Revision meint, würde etwaigen weiteren [X.] auf diese Weise nicht etwa ein Haftungsanteil auferlegt, den diese weder kausal noch zurechenbar verursacht haben. Vielmehr gilt, dass alle zusammen abgeurteilten Fälle im Verhältnis ihrer Bedeutung zueinander anteilig die Gesamtstrafe und den daraus resultierenden Schaden der Klägerin zurechenbar verursacht haben. Dafür spielt im Übrigen keine Rolle, ob es hierfür haftende Dritte gibt oder nicht. Verurteilt worden sind nicht Dritte, sondern für jeden Vorfall die Klägerin.

Bei dieser Betrachtung profitiert der [X.] entgegen der Auffassung der Revision nicht in unbilliger Weise von dem hinzutretenden Fehlverhalten anderer. Der Gesichtspunkt, dass der [X.] bei der von der Klägerin angestellten Berechnung nicht in größerem Umfang haften würde, als wenn die von ihm verursachte [X.] isoliert gegen die Klägerin verhängt worden wäre, führt nicht weiter. Zu einem derartigen Schadensverlauf ist es nicht gekommen. Deshalb ist es auch keine ungerechtfertigte Begünstigung, wenn der [X.] keinen Schaden in dieser Höhe ersetzen muss. Das Schadensrecht dient keinen Strafzwecken.

Der Senat vermag schließlich nicht der Auffassung der Revision zu folgen, jeder Schädiger hafte über die vom Berufungsgericht ermittelten Anteile hinaus bis zur Höhe der auf seine Tat entfallenden [X.] als Gesamtschuldner mit weiteren [X.]. Eine derartige wertende (weitere) Zurechnung ist nicht geboten, weil es zu einem solchen Schaden in Höhe der [X.] gerade nicht gekommen ist. Die [X.]n stellen selbst noch keinen Vermögensschaden der Klägerin dar und sind damit auch kein Teil einer möglichen gesamtschuldnerischen Haftung.

c) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind für vier der fünf Vorfälle [X.] in Höhe von 20.000 €, 20.000 €, 38.000 € und - betreffend den vorliegenden Fall - 40.000 € für angemessen erachtet worden.

Bei seiner Berechnung hat das Berufungsgericht die für die Tat des [X.]n ausgewiesene Einzelgeldstrafe in Höhe von 40.000 € in das Verhältnis zu der Summe dieser vier [X.] gesetzt. Dieses Verhältnis hat es mit dem [X.] in Höhe von 60.000 € multipliziert (40.000 € : 118.000 € x 60.000 € ≈ 20.340 €).

Das Berufungsgericht hat zwar nicht beachtet, dass die Gesamtstrafe nicht nur für vier Fälle, sondern für insgesamt fünf Fälle verhängt worden ist. Das hat sich jedoch nicht zum Nachteil der Klägerin ausgewirkt. Der Haftungsanteil des [X.]n könnte sich allenfalls verringern, wenn - wofür einiges spricht - auch auf den fünften Vorfall ein eigener zurechenbarer Teil an der Gesamtstrafe und damit an dem insgesamt durch die Verurteilung der Klägerin entstandenen Vermögensschaden in Höhe von 60.000 € entfiele.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Halfmeier     

      

Jurgeleit

      

Graßnack     

      

Sacher     

      

Meta

VII ZR 62/17

09.11.2017

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 9. März 2017, Az: I-7 U 54/15, Urteil

§ 249 BGB, § 287 Abs 1 ZPO, § 54 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.11.2017, Az. VII ZR 62/17 (REWIS RS 2017, 2621)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 146 REWIS RS 2017, 2621


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VII ZR 62/17

Bundesgerichtshof, VII ZR 62/17, 09.11.2017.


Az. 7 U 54/15

Oberlandesgericht Köln, 7 U 54/15, 09.03.2017.

Oberlandesgericht Köln, 7 U 54/15, 17.12.2015.


Az. VII ZR 14/16

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