Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.06.2019, Az. 7 B 19/18

7. Senat | REWIS RS 2019, 6593

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Gründe

I

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Leistungsbescheid, mit dem er zu den Kosten der Ersatzvornahme bodenschutzrechtlicher [X.] herangezogen wurde. Er erwarb zusammen mit einem Geschäftspartner in [X.] (GbR) ein zuvor langjährig gewerblich genutztes Gelände. [X.] wurden zwei der betreffenden Grundstücke in teilweiser Auseinandersetzung der [X.] zum alleinigen Eigentum übertragen; [X.] wurde dieser als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen. Im Rahmen eines [X.] stellte die zuständige [X.]ehörde einen Sanierungsbedarf fest. Nachdem zunächst die GbR zur Durchführung einer Sanierungsuntersuchung verpflichtet worden war, wurden dem Kläger mit Verfügung vom 6. September 2004 die [X.]eauftragung eines Gutachters und mit Verfügung vom 10. Mai 2005 Sanierungsmaßnahmen aufgegeben. Mit [X.]escheid vom 15. September 2010 zog die [X.]eklagte den Kläger zu den Kosten der im Wege der Ersatzvornahme durchgeführten Sanierungsmaßnahmen heran. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Auf die [X.]erufung des [X.] hat das Oberverwaltungsgericht den angefochtenen [X.]escheid aufgehoben: Der auf § 24 Abs. 1 Satz 1 [X.][X.]odSchG gestützte Leistungsbescheid sei rechtswidrig. Falls nach dieser Vorschrift - in gleicher Weise wie beim gegebenenfalls anwendbaren [X.] - nur der Adressat einer vorherigen behördlichen Anordnung zu den Kosten der Ersatzvornahme herangezogen werden könne, fehle es zum einen an einer an den Kläger gerichteten Grundverfügung. Denn die Sanierungsanordnung habe der Senat im Parallelverfahren (nachfolgend - [X.]VerwG 7 [X.] 18.18 -) aufgehoben. Zum anderen könne der Kläger auch nicht für eine fremde Verbindlichkeit der GbR in Anspruch genommen werden; denn der [X.] sei nicht an die GbR gerichtet gewesen. Der Leistungsbescheid habe auch dann keinen [X.]estand, wenn § 24 Abs. 1 Satz 1 [X.][X.]odSchG die Inanspruchnahme sämtlicher nach § 4 Abs. 3 und 6 [X.][X.]odSchG Sanierungsverantwortlicher ermögliche. Zu diesem Personenkreis gehöre der Kläger nicht. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen nicht vor, unter denen der Kläger für eine fremde Schuld einstehen müsse. Dabei könne offenbleiben, ob im Rahmen des § 24 Abs. 1 Satz 1 [X.][X.]odSchG ein Rückgriff auf den akzessorisch haftenden Gesellschafter von vornherein ausscheide. Auch sei zweifelhaft, ob eine Schuld der GbR fällig sei. Es fehle aber jedenfalls am Erlass eines Haftungsbescheids, mit dem eine akzessorische Haftungsschuld des [X.] bei Vorliegen einer Geldschuld (§ 4 Abs. 1 [X.]uchst. b, § 10 VwVG [X.]) geltend gemacht werden könne. Der angefochtene [X.]escheid könne weder im Wege der Auslegung noch über eine Umdeutung nach § 47 Abs. 1 VwVfG [X.] als ein solcher Haftungsbescheid verstanden werden.

2

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die [X.]eschwerde der [X.]eklagten.

II

3

Die allein auf den [X.] nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung, die die [X.]eschwerde ihr beimisst.

4

Die Frage,

"Kann der ehemalige Gesellschafter einer beendeten GbR, die Eigentümerin eines nach § 4 Abs. 3 Satz 1 [X.][X.]odSchG zu sanierenden Grundstücks war, im Wege der Nachhaftung für die Sanierungspflicht der GbR nach § 4 Abs. 6 Satz 1 [X.][X.]odSchG i.V.m. § 128 Satz 1, § 159 HG[X.] analog primär durch bodenschutzrechtliche Verfügung in Anspruch genommen werden, ohne dass es des Erlasses eines sogenannten Haftungsbescheids durch die [X.]ehörde bedarf?",

die vorliegend zur Feststellung des [X.] für eine Kostenpflicht gemäß § 24 Abs. 1 [X.][X.]odSchG aufgeworfen wird, ist nicht rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig. Sie kann vielmehr ohne Weiteres anhand der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung im Einklang mit dem Oberverwaltungsgericht im verneinenden Sinne beantwortet werden.

5

Zutreffend geht die [X.]eklagte davon aus, dass sich die Möglichkeit einer Inanspruchnahme des [X.] aus der Vorschrift des § 4 Abs. 3 und 6 [X.][X.]odSchG als solcher nicht ergibt. Sie wendet sich nicht gegen die Ausführungen des [X.] in der in [X.]ezug genommenen Parallelentscheidung, wonach als Eigentümerin der zu sanierenden Grundstücke die auch insoweit rechtsfähige GbR anzusehen war mit der Folge, dass der Kläger nicht als (ehemaliger) Eigentümer zur Sanierung verpflichtet war. Sie teilt auch die Ansicht des [X.], dass sich eine Einstandspflicht des [X.] als (ehemaliger) Gesellschafter nicht durch ein von der - für die juristische Praxis maßgeblichen - zivilrechtlichen [X.]egriffsbildung (siehe [X.], in: [X.] Kommentar zum [X.]G[X.], 7. Aufl. 2017, [X.]. vor § 705 Rn. 307 ff.) losgelöstes - erweitertes - Verständnis der "juristischen Person" nach § 4 Abs. 3 Satz 4 Var. 1 [X.][X.]odSchG begründen lässt. Vor diesem Hintergrund vertritt die [X.]eklagte die Rechtsauffassung, dass die zivilrechtliche Haftungsordnung der GbR, wie sie aus der Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit folge, nach dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung die personelle Reichweite des § 4 Abs. 3 und 6 [X.][X.]odSchG unmittelbar bestimme und erweitere. Dem ist nicht zu folgen.

6

Zwar trifft den Gesellschafter einer [X.] gemäß der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 128 HG[X.] - nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft nach Maßgabe von § 736 Abs. 2 [X.]G[X.], §§ 159 f. HG[X.] - die persönliche, primäre, unbeschränkte und gesamtschuldnerische Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (vgl. nur [X.]VerwG, Urteil vom 14. Oktober 2015 - 9 C 11.14 - [X.]VerwGE 153, 109 Rn. 12 und [X.]eschluss vom 8. Juni 2017 - 10 [X.] 11.16 - [X.]uchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 16 Rn. 6; [X.]GH, Urteil vom 8. Februar 2011 - [X.]/09 - [X.]GHZ 188, 233 Rn. 23). Daraus folgt jedoch kein Wahlrecht der [X.]ehörde, entweder die (fortbestehende) Gesellschaft oder einen (ehemaligen) Gesellschafter mit den Mitteln hoheitlichen Zwangs in Anspruch zu nehmen.

7

Die Durchsetzung der zivilrechtlich begründeten Haftung des Gesellschafters für eine fremde Schuld mittels eines Verwaltungsakts als Voraussetzung der Anwendung des Verwaltungszwangs setzt wegen der mit dieser Handlungsform verbundenen spezifischen Eingriffswirkungen nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes eine hierauf bezogene Ermächtigungsgrundlage voraus. Diese Verwaltungsaktbefugnis muss allerdings nicht ausdrücklich normiert sein; es reicht aus, wenn sie sich dem Gesetz im Wege der Auslegung entnehmen lässt ([X.]VerwG, Urteile vom 7. Dezember 2011 - 6 C 39.10 - [X.]VerwGE 141, 243 Rn. 14, vom 10. Dezember 2014 - 1 C 11.14 - [X.]VerwGE 151, 102 Rn. 13 und vom 12. April 2017 - 2 C 16.16 - [X.]VerwGE 158, 364 Rn. 15). Daran fehlt es hier.

8

Der Verweis des [X.] auf eine gesamtschuldnerische Haftung des Gesellschafters führt insoweit nicht weiter. Denn die Gesamtschuld bezieht sich nur auf das Verhältnis der Gesellschafter untereinander (§ 128 Satz 1 HG[X.]), nicht aber auf das Verhältnis zur Gesellschaft; in dieser Hinsicht ist aufgrund der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR eine akzessorische Haftung des Gesellschafters an die Stelle der Regelung nach §§ 422 ff. [X.]G[X.] getreten (vgl. [X.] a.a.O. § 714 Rn. 47). Ungeachtet des Umstands, dass der Gesellschafter primär haftet und demnach den Gläubiger nicht auf das Gesellschaftsvermögen verweisen (vgl. [X.], in: [X.] Kommentar zum HG[X.], 4. Aufl. 2016, § 128 Rn. 20) und er grundsätzlich auf Erfüllung in Anspruch genommen werden kann ([X.] a.a.O. § 714 Rn. 43 f.), ist die Rechtsstellung des Gesellschafters nicht identisch mit derjenigen der Gesellschaft und teilt nicht deren verfahrensrechtlichen Implikationen (siehe demgegenüber zum Schuldbeitritt [X.]VerwGE, Urteil vom 3. März 2011 - 3 C 19.10 - [X.]VerwGE 139, 121 Rn. 18 f., in Abgrenzung zur [X.]ürgschaft, Rn. 20).

9

§ 128 HG[X.] und den daran anknüpfenden Regelungen zur Nachhaftung ist eine Ermächtigungsgrundlage nicht zu entnehmen. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, Normen, die - wie hier - jedenfalls in erster Linie eine materiell-rechtliche Verpflichtung regeln, zugleich einen verfahrensrechtlichen Gehalt beizumessen. Dies kommt aber in der Regel nur dann in [X.]etracht, wenn eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung normiert wird, der als solcher bereits eine Nähe zum Verwaltungsakt als einer üblichen Handlungsform der Verwaltung innewohnt (siehe etwa [X.]VerwG, Urteil vom 7. Dezember 2011 - 6 C 39.10 - [X.]VerwGE 141, 243 Rn. 14). [X.]ei der in § 128 HG[X.] geregelten gesellschaftsrechtlichen Haftung fehlt es an diesem [X.]ezug. Sie taugt folglich als solche nicht zur [X.]egründung einer Verwaltungsaktbefugnis (vgl. [X.] a.a.O. § 714 Rn. 37; [X.], in: [X.], 2010, 413 <418 f.>; siehe auch [X.] a.a.O. § 129 Rn. 31).

Dies wird bestätigt durch die steuerverfahrensrechtlichen Regelungen in der Abgabenordnung. Erst mit dem Erlass eines Haftungsbescheids nach § [X.] für eine zunächst nur nach Zivilrecht bestehende Haftung des Dritten wird diese in das öffentlich-rechtliche Handlungsregime überführt, während der [X.] sie ansonsten nur nach den Vorschriften des Zivilrechts geltend machen könnte ([X.]VerwG, Urteil vom 7. Juli 1989 - 8 C 85.87 - [X.]uchholz 401.0 § [X.] Nr. 3 S. 3; [X.]FH, Urteile vom 23. Oktober 1985 - [X.]/82 - [X.]FHE 145, 13 <16 f.> und vom 27. Juni 1989 - [X.]/86 - [X.]FHE 158, 1 <4>). Auch hier wird folglich davon ausgegangen, dass es einer ausdrücklichen Transformationsnorm bedarf, weil § 128 HG[X.] allein eine zivilrechtliche Verbindlichkeit begründet ([X.] a.a.O. S. 415 f.).

Dieses Verständnis des Normbestands bedarf nicht deswegen einer Korrektur, weil damit, wie die [X.]eklagte meint, das gesellschaftsrechtliche Haftungsregime auf den Kopf gestellt werde. Es ist vielmehr eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers, in § 4 Abs. 3 Satz 4 Var. 1 [X.][X.]odSchG allein die richterrechtlich entwickelten Abweichungen von dem das Kapitalgesellschaftsrecht kennzeichnenden Trennungsprinzip (§ 13 Abs. 2 GmbHG, § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG) in Gestalt der Durchgriffshaftung ins [X.]odenschutzrecht zu übernehmen ([X.]T-Drs. 13/6701 [X.]), während es bei den Personengesellschaften mit der nicht auf Missbrauchsfälle beschränkten, sondern umfassenden zivilrechtlichen Haftung ersichtlich sein [X.]ewenden haben sollte. Diese gesetzgeberische Unterscheidung kann nicht wegen der erst nachfolgenden Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR als überholt angesehen werden; denn das Modell der akzessorischen Haftung nach § 128 Abs. 1 HG[X.] stand dem Gesetzgeber schon damals vor Augen.

Die Fragen,

"Ist § 24 Abs. 1 Satz 1 [X.][X.]odSchG dahingehend zu verstehen, dass die Kosten der Ersatzvornahme einer nach § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.][X.]odSchG angeordneten Maßnahme von demjenigen zu tragen ist, dem gegenüber zuvor die entsprechende Maßnahme angeordnet worden war?"

und

"Ermöglicht § 24 Abs. 1 Satz 1 [X.][X.]odSchG die Inanspruchnahme eines nach § 4 Abs. 3 und 6 [X.][X.]odSchG i.V.m. §§ 128, 159 f. HG[X.] analog haftenden Gesellschafters einer beendeten GbR unabhängig von seiner vorherigen ordnungsbehördlichen Verpflichtung und einer weiteren Inanspruchnahme mittels Haftungsbescheids?",

rechtfertigen ebenso wenig die Zulassung der Revision. Denn weder waren sie - wie geboten - für das angegriffene Urteil entscheidungserheblich (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 21. Dezember 2018 - 7 [X.] 3.18 - NVwZ-RR 2019, 384 Rn. 11 m.w.N.), noch käme es auf sie, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, im angestrebten Revisionsverfahren an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Meta

7 B 19/18

05.06.2019

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 13. März 2018, Az: 16 A 259/15, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.06.2019, Az. 7 B 19/18 (REWIS RS 2019, 6593)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6593

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