Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 11.12.1998, Az. 16 Wx 180/98

16. Zivilsenat | REWIS RS 1998, 1127

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Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) werden die Beschlüsse der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 9.9.1998 - 4 T 521/98 - und des Amtsgerichts Euskirchen vom 10.7.1998 - 7 XVII 210/98 - dahingehend abgeändert, daß Herr Dr. K. K., G.straße 24, B. M. statt Frau C. L. zum Betreuer für den im Beschluß des Amtsgerichts Euskirchen festgelegten Aufgabenkreis bestellt wird.

Gründe

G r ü n d e

Die weitere Beschwerde ist zulässig ([ref=52e43fe5-a522-4e33-8a67-6a9715345fc6]§§ 27, 29 FGG[/ref]), insbesondere ist der Rechtsmittelführer beschwerdeberechtigt gem. § 69g Abs. 1 FGG, da es sich um eine erstmalige von Amts wegen erfolgte Betreuerbestellung handelt (vgl. beispielhaft BayObLG FamRZ 96,507 m.w.N.).

Das Rechtsmittel ist erfolgreich. Der angegriffene Beschluß ist nämlich nicht frei von Rechtsfehlern ([ref=3c6b1527-a07e-4c08-ad00-e0a3b93b1359]§ 27 Abs. 1 S. 2 FFG[/ref], § 550 ZPO). Die Vorinstanzen haben die in [ref=83dea39c-5e0b-4c35-b6de-bed7b2784771]§ 1897 Abs.1 BGB[/ref] geregelte Geeignetheit für die Betreuerstellung nicht rechtsfehlerfrei beurteilt und den in § 1897 Abs. 5 statuierten Vorrang der Angehörigen bei der Betreuerauswahl nicht hinreichend berücksichtigt. Die Bestellung der familienfremden Beteiligten zu 4) war deshalb aufzuheben und der Rechtsmittelführer zum Betreuer zu bestimmen.

Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, eine Betreuung durch die Beteiligte zu 4) entspräche dem Wohl und wohl auch dem mutmaßlichen Willen der Betroffenen. Diese habe ein gutes und sehr enges Verhältnis zu der Beteiligten zu 4) gehabt; hingegen sei bei einer Betreuung durch den Beteiligten zu 2) nicht gewährleistet, daß dieser immer zum Wohl der Betroffenen handle. Zwischen ihm und dem Beteiligten zu 3) bestünden erhebliche Differenzen, auch über die Frage der medizinischen Betreuung der Betroffenen, so daß bei deren Austragung die Interessen der eigentlich Beteiligten aus dem Blick geraten können.

Diese Ausführungen würdigen den Begriff der Geeignetheit in Bezug auf den Beteiligten zu 2) nicht zutreffend und führen damit zu einem fehlerhaften Auswahlermessen bei der Betreuerbestellung.

Die Beurteilung der Geeignetheit als unbestimmten Rechtsbegriff (vgl. MünchKomm/Schwab, BGB, 3. Aufl., § 1897 Rz. 25 iVm. § 1779 Rz.4 f; BayObLG FamRZ 96, 507 m.w.N.) kann vom Rechtsbeschwerdegericht allein darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff als solcher verkannt worden, relevante Umstände unvertretbar über- oder unterbewertet oder wesentliche Umstände unberücksichtigt geblieben sind (vgl. BayObLG aao; ferner FamRZ 94, 530).

Im vorliegenden Fall hat das Beschwerdegericht festgestellte Umstände überbewertet sowie relevante Umstände nicht in seiner Entscheidung berücksichtigt. Die von ihm herausgestellten Differenzen zwischen den Geschwistern werden als negatives Indiz nämlich deutlich überbewertet und tragen die daran anschließende Schlußfolgerung der Ungeeignetheit nicht. Denn allein aus Meinungsverschiedenheiten zwischen den Brüdern zur medizinischen Versorgung der Betroffenen - wobei im einzelnen ungeklärt geblieben ist, welche genauen Standpunkte die Beteiligten jeweils vertreten haben - kann nicht auf eine Ungeeignetheit des Beschwerdeführers zur Betreuung seiner Mutter geschlossen werden. Dies ließe sich allenfalls dann begründen, wenn der als Betreuer in Betracht kommende Verwandte hierzu Positionen vertreten würde, die dem Wohl der Betroffenen deutlich zuwider laufen oder mit allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen in Widerspruch stehen würden. Das ist hier ersichtlich nicht der Fall; im übrigen wird entsprechendes von den weiteren Beteiligten auch nicht behauptet. Die Stellungnahmen der Beteiligten lassen vielmehr erkennen, daß beide Brüder ernstzunehmende und vertretbare Gesichtspunkte zur medizinischen Versorgung ihrer Mutter vorbringen.

 

Ebensowenig reicht es zur Verneinung der Geeignetheit des Beteiligten zu 2) aus, allein wegen der sicherlich vorhandenen familiären Konflikte die Möglichkeit einer am Wohl der Betroffenen orientierten Betreuung ernsthaft zu bezweifeln. Hierbei stützt sich das Beschwerdegericht lediglich auf Vermutungen zu zukünftigen Abläufen, für die indes konkrete Indizien fehlen. Hingegen hat es in diesem Zusammenhang nicht gewürdigt, daß der Beteiligte zu 2), in dessen Haushalt die Betroffene von Hamburg umgezogen ist und dort ca. 2 Jahre gewohnt hat, in der Vergangenheit seine Mutter trotz bereits damals bestehender Differenzen mit seinem Bruder zuverlässig und ohne Beanstandungen versorgt hat. Es steht auch nicht zu besorgen, daß die Betroffene nunmehr unter etwaigen aus der Betreuung entstehenden Auseinandersetzungen zwischen den Geschwistern leiden könnte, da sie solche, sofern es dazu kommen sollte, aufgrund ihres derzeitigen Gesundheitszustandes kaum mehr wahrnehmen dürfte. Im übrigen ist es nicht Aufgabe des Vormundschaftsgerichts, durch die Bestellung eines "neutralen" Betreuers auf vorhandene familiäre Konflikte Einfluß zu nehmen, wenn gleichzeitig ein geeigneter Familienangehöriger als Betreuer zur Verfügung steht, der die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt.

 

Weitere Umstände, die Zweifel an einer am Wohl der Betroffenen orientierten Betreuung durch den Beteiligten zu 2) hervorrufen könnten, lassen die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht erkennen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Schließlich ist bei der Betreuerauswahl noch zu berücksichtigen, daß die Betroffene numehr in einem Pflegeheim lebt und dort ständig von ihrem Hausarzt betreut wird, so daß erforderliche Entscheidungen zur Gesundheitsvorsorge nicht ohne Rücksprache und Abstimmung mit dem Hausarzt getroffen werden können.

Da die Gründe der Erstbeschwerdeentscheidung mithin eine Ablehnung der Geeignetheit des Beteiligten zu 2) nicht tragen, darüber hinaus auch keine weiteren Umstände ersichtlich sind, wonach die beantragte Betreuerbestellung dem Wohl der Betroffenen zuwider laufen könnte, hat der Senat keine Bedenken, den Beteiligte zu 2 ) als geeignet zur Führung der Betreuung seiner Mutter anzusehen.

Da der Beteiligte zu 2) sich als einziger Verwandter zur Übernahme der Betreuung bereit erklärt hat - der zweite Sohn hat von Anfang an deutlich gemacht, zur Übernahme dieser Aufgabe aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage zu sein -, die weiter in Betracht kommende und zweifelsohne auch zur Betreuung geeignete Beteiligte zu 4) hingegen keinerlei familäre Bindungen zur Betroffenen hat, wird das in § 1897 Abs. 5 BGB geregelte Auswahlermessen dahin gebunden, daß ein geeigneter Verwandter vor anderen Personen bei der Betreuerauswahl vorrangig zu berücksichtigen ist (vgl. MünchKomm/Schwab, aaO., § 1779, Rz. 6 und § 1897 Rz. 26 m.w.N.; zur Betreuerauswahl auch Senat vom 6.10.1995,FamRZ 96, 506; v. 9.9.1998, 16 Wx 117/98). Der Beteiligte zu 2) kann sich deshalb mit Erfolg auf dieses Vorzugsrecht naher Verwandter berufen. Die Auswahlentscheidung steht auch in Einklang mit dem Wohl der Betroffenen. Abgesehen von den bereits im Rahmen der Geeignetheitsprüfung erwähnten Gesichtspunkten ist hier noch auf die früheren Entscheidungen der Betroffenen hinzuweisen, die nicht nur ihre Wohnung in Hamburg aufgegeben hat, um in den Haushalt des Beteiligten zu 2) zu ziehen, sondern zusätzlich diesem Sohn Vollmacht in ihren Vermögensangelegenheiten erteilt hat. Eine Gesamtschau des Verhaltens der Betroffenen läßt erkennen, daß diese den Beteiligten zu 2) als Person ihres Vertrauens angesehen hat. Dies hat auch die Beteiligte zu 4) in ihrer Anhörung bestätigt.

Dementsprechend sind die angegriffenen Vorentscheidungen zur Auswahl des Betreuers aufzuheben; da der Sachverhalt genügend aufgeklärt ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt, [ref=bda9dccd-020d-4615-a925-4fbde9b46994]§§ 131 Abs. 1 S.2, Abs. 3 KostO, 13 a Abs. 1 S. 1 FGG[/ref].

Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 5.000,- DM

Meta

16 Wx 180/98

11.12.1998

Oberlandesgericht Köln 16. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: Wx

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 11.12.1998, Az. 16 Wx 180/98 (REWIS RS 1998, 1127)

Papier­fundstellen: REWIS RS 1998, 1127

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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