Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.03.2013, Az. B 6 KA 6/12 C

6. Senat | REWIS RS 2013, 7634

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Anhörungsrüge - Gewährung rechtlichen Gehörs


Tenor

Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 17. Oktober 2012 - [X.] [X.]/11 R - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

1

I. Die Klägerin wendet [X.]ich gegen die Genehmigung zur Durchführung von [X.] für den Beigeladenen zu 3. Wider[X.]pruch, Klage und Berufung [X.]ind erfolglo[X.] geblieben. Der [X.] hat die Revi[X.]ion der Klägerin mit Urteil vom 17.10.2012 zurückgewie[X.]en, weil der Wider[X.]pruch der Klägerin nicht fri[X.]tgerecht eingelegt worden war. Gegen die[X.]e[X.] Urteil richtet [X.]ich die am 30.10.2012 erhobene Anhörung[X.]rüge.

2

II. Die Anhörung[X.]rüge der Klägerin, über die der [X.] ohne mündliche Verhandlung und dement[X.]prechend ohne Mitwirkung [X.] ent[X.]cheiden kann (§ 12 Ab[X.] 1 Satz 2 iVm § 124 Ab[X.] 3 [X.]; [X.] dazu BSG SozR 4-1500 § 178a [X.] Rd[X.] 16 f; [X.]-1500 § 178a [X.] Rd[X.] 7 f), hat keinen Erfolg, denn [X.]ie i[X.]t - ihre Zulä[X.][X.]igkeit unter[X.]tellt - jedenfall[X.] unbegründet.

3

Für die Zulä[X.][X.]igkeit einer Anhörung[X.]rüge i[X.]t erforderlich, da[X.][X.] ein Recht[X.]mittel oder ein anderer Recht[X.]behelf gegen die angegriffene Ent[X.]cheidung nicht gegeben i[X.]t (§ 178a Ab[X.] 1 Satz 1 [X.] 1 [X.]), da[X.][X.] die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntni[X.] einer Verletzung de[X.] rechtlichen Gehör[X.] erhoben (§ 178a Ab[X.] 2 Satz 1 [X.]) und da[X.][X.] eine ent[X.]cheidung[X.]erhebliche Gehör[X.]verletzung dargelegt wird (§ 178a Ab[X.] 2 Satz 5 [X.]). Die er[X.]ten beiden Vorau[X.][X.]etzungen [X.]ind erfüllt. Die Klägerin konnte in[X.]be[X.]ondere bereit[X.] nach Verkündung de[X.] Urteil[X.] zulä[X.][X.]ig eine Anhörung[X.]rüge erheben. Ander[X.] verhält e[X.] [X.]ich mit der dritten Vorau[X.][X.]etzung. E[X.] i[X.]t bereit[X.] zweifelhaft, ob die Klägerin mit ihrem Vorbringen die Möglichkeit einer Verletzung ihre[X.] An[X.]pruch[X.] auf rechtliche[X.] Gehör (Art 103 Ab[X.] 1 GG, § 62 [X.]) durch da[X.] Urteil de[X.] [X.][X.] vom 17.10.2012 [X.]chlü[X.][X.]ig dargetan hat. Die Rüge i[X.]t jedenfall[X.] unbegründet.

4

Zur Gewährung rechtlichen Gehör[X.] (Art 103 Ab[X.] 1 GG, § 62 [X.]) gehört grund[X.]ätzlich auch da[X.] Recht der Beteiligten darauf, da[X.][X.] [X.]ie Gelegenheit erhalten, [X.]ich zu dem einer gerichtlichen Ent[X.]cheidung zugrunde liegenden Sachverhalt [X.]owie zu der relevanten Recht[X.]lage zu äußern (vgl zB [X.] 86, 133, 144). Dabei hat da[X.] Gericht zwar nicht die Pflicht, [X.]eine Auffa[X.][X.]ung zur Sach- und Recht[X.]lage vor der Ent[X.]cheidung zu erkennen zu geben. Jedoch darf ein Urteil nicht auf tat[X.]ächliche oder rechtliche Ge[X.]icht[X.]punkte ge[X.]tützt werden, mit denen die Beteiligten nicht haben rechnen mü[X.][X.]en. Darau[X.] können [X.]ich Hinwei[X.]pflichten de[X.] Gericht[X.] ergeben (vgl dazu [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 62 Rd[X.] 8a ff mwN). In der mündlichen Verhandlung dient auch die Dar[X.]tellung de[X.] Sachverhalt[X.] (§ 112 Ab[X.] 1 Satz 2 [X.]), die Anhörung der Beteiligten (§ 112 Ab[X.] 2 Satz 1 [X.]) und die Erörterung de[X.] Sach- und Streitverhältni[X.][X.]e[X.] mit den Beteiligten (§ 112 Ab[X.] 2 Satz 2 [X.]) der Gewährung rechtlichen Gehör[X.]. Der An[X.]pruch auf rechtliche[X.] Gehör [X.]oll verhindern, da[X.][X.] die Beteiligten durch eine Ent[X.]cheidung überra[X.]cht werden, die auf Recht[X.]auffa[X.][X.]ungen, Tat[X.]achen oder Bewei[X.]ergebni[X.][X.]en beruht, zu denen [X.]ie [X.]ich nicht äußern konnten ([X.] § 128 Ab[X.] 2 [X.]; vgl BSG [X.]-1500 § 62 [X.] 12; [X.]-1500 § 153 [X.] 1 mwN; [X.] 84, 188, 190). Darüber hinau[X.] [X.]oll die[X.]e[X.] Verfahren[X.]grundrecht [X.]icher[X.]tellen, da[X.][X.] da[X.] Vorbringen der Beteiligten vom Gericht in [X.]eine Erwägungen einbezogen wird (vgl [X.] 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). Au[X.] ihm ergibt [X.]ich zwar keine Pflicht de[X.] [X.], die Beteiligten vor einer Ent[X.]cheidung auf eine in Au[X.][X.]icht genommene Bewei[X.]würdigung hinzuwei[X.]en oder die für die richterliche Überzeugung[X.]bildung möglicherwei[X.]e leitenden Ge[X.]icht[X.]punkte zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Die Beteiligten mü[X.][X.]en aber au[X.]reichend Gelegenheit zur Abgabe [X.]achgemäßer Erklärungen innerhalb angeme[X.][X.]ener [X.] haben. Ein Ver[X.]toß gegen die Pflicht zur Berück[X.]ichtigung von Vorbringen i[X.]t dann anzunehmen, wenn [X.]ich die[X.] au[X.] den be[X.]onderen Um[X.]tänden de[X.] Falle[X.] ergibt (vgl [X.] aaO), zB wenn ein Gericht - ohne ent[X.]prechende Bewei[X.]aufnahme - da[X.] Gegenteil de[X.] [X.] annimmt, den Vortrag eine[X.] Beteiligten al[X.] nicht exi[X.]tent behandelt (vgl [X.] 22, 267, 274) oder wenn e[X.] auf [X.] de[X.] [X.] zu einer Frage, die für da[X.] Verfahren von zentraler Bedeutung i[X.]t, nicht eingeht, e[X.] [X.]ei denn, der Tat[X.]achenvortrag i[X.]t nach der materiellen Recht[X.]auffa[X.][X.]ung de[X.] Gericht[X.] unerheblich ([X.] 86, 133, 146). Art 103 Ab[X.] 1 GG [X.]chützt inde[X.] nicht davor, da[X.][X.] ein Gericht die Recht[X.]an[X.]icht eine[X.] Beteiligten nicht teilt (vgl [X.] Be[X.]chlu[X.][X.] vom 4.9.2008 - 2 BvR 2162/07, 2 BvR 2271/07 - [X.]K 14, 238 = [X.], 2084 f, unter Hinwei[X.] auf [X.] 64, 1, 12 und [X.] 87, 1, 33 = [X.]-5761 Allg [X.] 1 S 4).

5

Soweit die Klägerin rügt, der [X.] habe den An[X.]pruch auf rechtliche[X.] Gehör dadurch verletzt, da[X.][X.] er völlig überra[X.]chend eine generelle Au[X.][X.]chlu[X.][X.]fri[X.]t von nur einem Jahr ab Zu[X.]icherung/Erteilung de[X.] [X.] be[X.]timmt habe, trifft die[X.] bereit[X.] nach ihrem eigenen Vortrag nicht zu. Die Klägerin räumt [X.]elb[X.]t ein, da[X.][X.] die Frage der Verfri[X.]tung im Verwaltung[X.]verfahren und im ge[X.]amten gerichtlichen Verfahren themati[X.]iert worden i[X.]t. Sie i[X.]t auch in der mündlichen Verhandlung am 17.10.2012 au[X.]führlich be[X.]prochen worden, wa[X.] die Klägerin ebenfall[X.] nicht in Abrede [X.]tellt. Zutreffend wei[X.]t die Klägerin auch darauf hin, da[X.][X.] ein Hinwei[X.] auf die Recht[X.]prechung de[X.] [X.] in baurechtlichen Nachbar[X.]chaft[X.][X.]treitigkeiten erfolgt i[X.]t. Auch darau[X.] ergab [X.]ich ohne Weitere[X.] die nähere Erörterung einer Jahre[X.]fri[X.]t und der Folgen einer Fri[X.]tver[X.]äumni[X.]. In die[X.]em Zu[X.]ammenhang hat die Klägerin vorgetragen, von der Erteilung der Sonderbedarf[X.]zula[X.][X.]ung und der Zu[X.]icherung und Erteilung de[X.] [X.] keine Kenntni[X.] gehabt zu haben. Die rechtlich maßgeblichen Ge[X.]icht[X.]punkte waren damit Gegen[X.]tand der mündlichen Verhandlung. Abge[X.]ehen davon, da[X.][X.] der [X.] weder verpflichtet noch berechtigt war, in der mündlichen Verhandlung die rechtliche Qualifizierung der Jahre[X.]fri[X.]t ab[X.]chließend zu beurteilen, war nach dem Gang der Verhandlung für die recht[X.]kundigen Vertreter der Beteiligten deutlich, da[X.][X.] die Jahre[X.]fri[X.]t und ihre Einhaltung vorau[X.][X.]ichtlich von ent[X.]cheidender Bedeutung [X.]ein würden. Da[X.][X.] hierzu keine Gelegenheit zur Stellungnahme be[X.]tand, behauptet die Klägerin zu Recht nicht. Soweit [X.]ie meint, ihr die[X.]bezüglicher Vortrag [X.]ei nicht zur Kenntni[X.] genommen worden, fehlt e[X.] dafür an Anhalt[X.]punkten. Sie verkennt zum einen, da[X.][X.] die Gerichte nicht verpflichtet [X.]ind, jede[X.] Vorbringen eine[X.] Beteiligten au[X.]drücklich zu be[X.]cheiden; e[X.] mu[X.][X.] nur da[X.] We[X.]entliche der Recht[X.]verfolgung oder Rechtverteidigung dienende Vorbringen in den Ent[X.]cheidung[X.]gründen verarbeitet werden ([X.]tR[X.]pr de[X.] [X.], [X.] zB [X.] Be[X.]chlu[X.][X.] vom 20.2.2008 - 1 BvR 2722/06 - [X.]K 13, 303 = Juri[X.] Rd[X.] 9 ff mwN; Be[X.]chlu[X.][X.] vom 31.3.2006 - 1 BvR 2444/04 - [X.]K 7, 485, 488). Zum anderen zeigt [X.]chon der Um[X.]tand, da[X.][X.] der [X.] für den Beginn der Jahre[X.]fri[X.]t auf die tat[X.]ächliche Aufnahme der vertrag[X.]ärztlichen Tätigkeit ab[X.]tellt, die Berück[X.]ichtigung möglicher prakti[X.]cher Hinderni[X.][X.]e für eine Kenntni[X.]nahme. Da[X.] Recht[X.][X.]chutzintere[X.][X.]e der Klägerin hat der [X.] abgewogen gegen die Intere[X.][X.]en de[X.] Beigeladenen zu 3. Auf die konkrete Kenntni[X.] der Klägerin kam e[X.] danach nicht mehr an. Da[X.][X.] der [X.] in[X.]ofern der Auffa[X.][X.]ung der Klägerin nicht gefolgt i[X.]t, begründet keinen Gehör[X.]ver[X.]toß.

6

Die Au[X.]führungen der Klägerin zur Begründung einer Gehör[X.]verletzung zielen letztlich darauf ab, die Richtigkeit der angegriffenen Ent[X.]cheidung zu bean[X.]tanden. Sie hält die Au[X.][X.]chlu[X.][X.]fri[X.]t für recht[X.]widrig und unpraktikabel und begründet erneut, warum [X.]ie keine Kenntni[X.] von der Zula[X.][X.]ung de[X.] Beigeladenen zu 3. und der Erteilung eine[X.] [X.] haben konnte. Auch ihr Vortrag, e[X.] hätte Vertrauen[X.][X.]chutz gewährt werden mü[X.][X.]en, betrifft allein die [X.]achliche Ent[X.]cheidung de[X.] [X.][X.] und nicht den An[X.]pruch auf rechtliche[X.] Gehör. Gleiche[X.] gilt für da[X.] Vorbringen, der [X.] [X.]chütze überra[X.]chend und ein[X.]eitig den neu zugela[X.][X.]enen Dialy[X.]earzt. Damit i[X.]t nicht dargetan, da[X.][X.] die Klägerin keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu ent[X.]cheidung[X.]erheblichen Ge[X.]icht[X.]punkten gehabt hätte. Eine Gewähr dafür, da[X.][X.] Anträgen und Auffa[X.][X.]ungen eine[X.] Beteiligten gefolgt wird, bietet der An[X.]pruch auf rechtliche[X.] Gehör aber nicht (vgl [X.]-1500 § 178a [X.] 10 Rd[X.] 13).

7

Die Ko[X.]tenent[X.]cheidung beruht auf § 197a Ab[X.] 1 Satz 1 Teil[X.]atz 3 [X.] iVm §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Klägerin die Ko[X.]ten de[X.] von ihr erfolglo[X.] eingelegten Recht[X.]mittel[X.] (§ 154 Ab[X.] 2 VwGO). Die Fe[X.]t[X.]etzung eine[X.] ge[X.]onderten Streitwert[X.] für da[X.] Anhörung[X.]verfahren i[X.]t entbehrlich, da al[X.] Gericht[X.]gebühr ein fe[X.]ter Betrag anfällt, der nicht nach dem Streitwert beme[X.][X.]en wird ([X.] 7400 de[X.] Ko[X.]tenverzeichni[X.][X.]e[X.] - Anlage 1 - zum GKG).

Meta

B 6 KA 6/12 C

06.03.2013

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend Sozialgericht für das Saarland, 18. April 2007, Az: S 2 KA 37/07, Urteil

§ 62 SGG, § 178a Abs 1 S 1 Nr 1 SGG, § 178a Abs 2 S 1 SGG, § 178a Abs 2 S 5 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.03.2013, Az. B 6 KA 6/12 C (REWIS RS 2013, 7634)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7634

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 6 KA 5/11 C (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Anhörungsrüge - Wahrung der Zweiwochenfrist für Einlegung und Begründung - Recht auf …


B 10 ÜG 21/17 C (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs - Beendigung des Ablehnungsverfahrens - Mitwirkung des betroffenen Richters …


B 6 KA 1/13 C (Bundessozialgericht)

Vertragsärztliche Versorgung - Honorarverteilungsvertrag - Härtefall - Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz - Bestehen eines spezifischen …


B 10 ÜG 23/17 C (Bundessozialgericht)


B 10 ÜG 22/17 C (Bundessozialgericht)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.