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PDF anzeigenBUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSS2 StR 7/03vom14. März 2003in der Strafsachegegenwegenfalscher Verdächtigung u.a.- 2 -Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-desanwalts und des Beschwerdeführers am 14. März 2003 gemäß §§ 206 a,349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:1. Das Verfahren wird in den Fällen II. 1 bis 4 und 7 der Urteils-gründe eingestellt. Die Kosten des Verfahrens hat insoweit dieStaatskasse zu tragen. Es wird davon abgesehen, der Staats-kasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerle-gen.2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-richts Darmstadt vom 23. August 2002a) im Schuldspruch in den Fällen II. 5, 6, 8 und 10 der Urteils-gründeb) im gesamten Strafausspruchmit den Feststellungen aufgehoben.3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten desRechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Frankfurtam Main zurückverwiesen.4. Die weitergehende Revision wird verworfen.- 3 -Gründe:Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verleumdung in drei Fällen(Fälle II. 1, 3, 7 der Urteilsgründe), Beleidigung in drei Fällen (Fälle II. 2, 8, 10),übler Nachrede in Tateinheit mit Beleidigung (Fall II. 4), versuchter Nötigung(Fall II. 5), falscher Verdächtigung (Fall II. 6) und vorsätzlicher Körperverlet-zung (Fall II. 9) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Mo-naten verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision hat überwiegend Erfolg.1. Nach den Feststellungen des Landgerichts fühlte sich der Angeklagte,der im Jahr 2001 wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu Lastenseiner früheren Ehefrau rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vierJahren verurteilt worden war, insoweit zu Unrecht verurteilt und als Opfer einer"Verschwörung" zwischen seiner früheren Ehefrau, deren Lebensgefährten undmehrerer Bekannten sowie einer "Nötigung" zu einem unwahren Geständnisdurch das erkennende Gericht in jenem Verfahren. Teils aus Rache, teils umdie angebliche Verschwörung aufzudecken und seine Rehabilitierung zubetreiben, erstattete er aus der Strafhaft Strafanzeigen gegen mehrere in je-nem Verfahren als Zeugen vernommene Personen wegen angeblicher Falsch-aussagen; darüber hinaus richtete er eine Vielzahl von Schreiben teils wirren,überwiegend beleidigenden Inhalts an Verfahrensbeteiligte und Behörden. DerInhalt dieser Schreiben ist Gegenstand des angefochtenen Urteils.2. In den Fällen II. 1 bis 4 und 7 der Urteilsgründe war das Verfahrengemäß § 206 a StPO einzustellen, weil es, wie der Generalbundesanwalt zu-treffend ausgeführt hat, insoweit an Strafanträgen der durch die Schreiben desAngeklagten beleidigten Personen fehlt.- 4 -3. Die vom Angeklagten zu Protokoll der Geschäftsstelle erhobenenVerfahrensrügen sind unzulässig, da sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2Satz 2 StPO nicht genügen. Sie wären im übrigen auch offensichtlich unbe-gründet.4. Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II.5, 6, 8 und 10 der Urteilsgründe.a) Der Schuldspruch wegen versuchter Nötigung im Fall II. 5 hält rechtli-cher Überprüfung nicht stand. Der Angeklagte forderte hier die Freundin seinerfrüheren Ehefrau auf, gegen diese als "Spionin" für ihn tätig zu werden, um ihmBeweise zum Beleg seiner Verschwörungstheorie zu beschaffen; dies solle"auf notarieller Basis, mit gegenseitiger Friedenspflicht" vereinbart werden; an-dernfalls werde "ein totaler Krieg ... stattfinden." Das Landgericht hat hierin ei-ne versuchte Nötigung gesehen und eine Einzelstrafe von zehn Monaten ver-hängt.Die Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht. Es fehlt schon an ei-ner Darlegung, worin nach Auffassung des Tatrichters das vom Angeklagtenangedrohte empfindliche Übel bestanden hat. Die Formulierung "totaler Krieg"trägt die Bewertung als rechtswidrige Drohung nicht schon ohne weiteres, wiedas Landgericht offenbar meint, sondern bedarf der Auslegung; sie konnte sichnach der Sachlage auch auf solche Maßnahmen des Angeklagten beziehen,deren Androhung unter Umständen nicht als rechtswidrig anzusehen wäre. Nä-here Feststellungen hierzu fehlen.b) Im Fall II. 6 der Urteilsgründe hat die Verurteilung wegen falscherVerdächtigung keinen Bestand. Nach den Feststellungen schrieb der Ange-klagte an eine Polizeistation, der Lebensgefährte seiner früheren Ehefrau wer-- 5 -de "nach meiner persönlichen Meinung ... meine Ex-Frau ... in den nächstenTagen versuchen sie umzubringen". Er schloß hieran die Bitte an, "nachdemHerr M. meine Frau entsorgt hat, soll man doch bitte meine zwei Kinder ... zumeinen Eltern ... bringen", und bedankte sich "für die viele Mühe, die Sie sichwegen meiner Kinder machen, im Voraus". Die Polizei leitete nach den Fest-stellungen ein Ermittlungsverfahren - nicht mitgeteilten Inhalts - gegen M. ein,das wegen der Haltlosigkeit der Vorwürfe alsbald wieder eingestellt wurde. DasLandgericht hat insoweit eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt.Die Urteilsgründe lassen eine hinreichende Darlegung der tatbestandli-chen Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 StGB vermissen. Es bleibt schon of-fen, welcher begangenen rechtswidrigen Tat M. verdächtigt worden sein soll.Im übrigen hat sich das Landgericht nicht mit der nach dem Gesamtinhalt desSchreibens offenkundigen Haltlosigkeit des Vorwurfs auseinandergesetzt. Aufder Grundlage der vom Landgericht mitgeteilten Feststellungen war die Einlei-tung eines Ermittlungsverfahrens fernliegend; dem Schreiben könnte daherjegliche Eignung gefehlt haben, eine Strafverfolgung oder sonstige Maßnah-men gegen M. zu veranlassen (vgl. dazu Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 164Rdn. 5 m.w.N.). Ob die Voraussetzungen des § 145 d Abs. 1 Nr. 2 StGB, ins-besondere im Hinblick auf eine hinreichende Konkretisierung der angeblichbevorstehenden Tat, gegeben sind, hat das Landgericht nicht geprüft.c) Der Verurteilung wegen Beleidigung in den Fällen II. 8 und II. 10 liegtzugrunde, daß der Angeklagte bei einer Anhörung durch die Strafvollstre-ckungskammer sowie in einem Beschwerdeschreiben gegen die Einstellungder auf seine Anzeigen eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen Falschaus-sagen jeweils - neben zahlreichen weiteren Personen - eine Staatsanwältinbeleidigte, indem er sie u.a. als "geisteskrank" bezeichnete. Die Geschädigte- 6 -war Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft in der im Jahr 2001 gegen denAngeklagten geführten Hauptverhandlung. Sie war auch Sachbearbeiterin desdem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Ermittlungsverfahrens und inder Hauptverhandlung wiederum Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft;schließlich begründete sie die - später zurückgenommene - Revision derStaatsanwaltschaft. Es mangelt insoweit an der Feststellung der Verfahrens-voraussetzung wirksamer Strafanträge. Ein Strafantrag des Dienstvorgesetztengemäß § 194 Abs. 3 Satz 1 StGB ist nicht gestellt worden. Zwar könnte, wieder Generalbundesanwalt erwogen hat, im Einzelfall in der Einleitung einesstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch einen selbst durch die Tat ge-schädigten Staatsanwalt eine konkludente Antragstellung gesehen werden.Voraussetzung für eine solche - bedenkliche - Auslegung wäre aber jedenfalls,daß dem betreffenden Staatsanwalt nicht schon durch - landesrechtliche - ge-setzliche Regelung, Verwaltungsvorschrift oder Weisung die Führung einesErmittlungsverfahrens wegen einer ihn selbst betreffenden Tat untersagt ist.Hierzu verhält sich das angefochtene Urteil nicht; der Senat sieht hier keinenAnlaß, die Verfahrensfrage selbst aufzuklären.5. Der Schuldspruch wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Fall II. 9der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Der Senatentnimmt insoweit dem Zusammenhang der Urteilsgründe, daß die der Tat vo-rausgehende Provokation und Beleidigung durch den geschädigten Mitgefan-genen B. bereits abgeschlossen war und die diesem vom Angeklagten ver-setzte Ohrfeige daher nicht der Abwehr eines fortdauernden Angriffs, sondernder Rache diente.6. Die Einzelstrafe von drei Monaten kann auch im Fall II. 9 nicht beste-hen bleiben. Die breite Erörterung der materiellen Voraussetzungen für die von- 7 -der Staatsanwaltschaft beantragte, hier schon aus formellen Gründen offen-sichtlich nicht in Betracht kommende Anordnung der Sicherungsverwahrungbegründet ebenso wie einzelne Erwägungen im Rahmen der Strafzumessungdie Besorgnis, der Tatrichter habe sich angesichts der Persönlichkeit des An-geklagten von einer hinreichend abgewogenen Bewertung der Strafzumes-sungstatsachen entfernt. Schuldmindernde Gesichtspunkte, namentlich die derTat vorausgehenden Provokationen durch den Geschädigten sowie der Um-stand, daß die Tat schon von der Justizvollzugsanstalt mit einem Arrest vonzwei Wochen geahndet wurde, sind im Rahmen der Strafzumessungsgründenicht erwähnt.7. Der Senat hat von der Möglichkeit der Verweisung an ein Gericht ei-nes anderen Bezirks gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch gemacht.8. Hinsichtlich der gemäß § 206 a StPO eingestellten Taten bestandkein Anlaß, der Staatskasse auch die notwendigen Auslagen des Angeklagtenaufzuerlegen, da der hinreichende Tatverdacht vom Fehlen der Verfahrensvor-aussetzungen nicht berührt wird (§ 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO).Rissing-van Saan Detter Rothfuß Fischer RinBGH Roggenbuck ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert.Rissing-van Saan
Meta
14.03.2003
Bundesgerichtshof 2. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.03.2003, Az. 2 StR 7/03 (REWIS RS 2003, 3935)
Papierfundstellen: REWIS RS 2003, 3935
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
3 StR 459/04 (Bundesgerichtshof)
4 StR 556/09 (Bundesgerichtshof)
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3 StR 244/11 (Bundesgerichtshof)
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