Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.02.2017, Az. 2 ARs 62/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 15323

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Gegenstand

Örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer: Entscheidung über die Erledigung des Maßregelvollzugs eines ins Ausland abgeschobenen Verurteilten; zwischenzeitliche Umwandlung der Entziehungsanstalt in eine unselbstständige Außenstelle eines anderen Krankenhauses


Tenor

Für die Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft [X.], die im Urteil des Landgerichts [X.] vom 22. Februar 2006 - 22 [X.] - angeordnete und mit Gesamtstrafenbeschluss des Landgerichts [X.] vom 1. August 2008 aufrecht erhaltene Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt für erledigt zu erklären, ist die Strafvollstreckungskammer des [X.] mit Sitz beim [X.] zuständig.

Gründe

I.

1

1. Der Verurteilte wurde mit Urteil des [X.] vom 22. Februar 2006 - 22 [X.], rechtskräftig seit dem Tage der Verkündung, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt; darüber hinaus wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie der [X.] von zwei Jahren und sechs Monaten der Freiheitsstrafe angeordnet. Mit Beschluss des [X.] vom 1. August 2008 wurde aus dieser Strafe und den Strafen aus zwei weiteren Verurteilungen nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten gebildet und die angeordnete Maßregel nach § 64 StGB aufrecht erhalten. Der Verurteilte verbüßte zunächst zwei Jahre und sechs Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe in der [X.] und wurde am 10. Juli 2008 zum Vollzug der Maßregel in das [X.] Landeskrankenhaus [X.] aufgenommen. Mit Beschlüssen vom 16. Januar 2009 und 22. Juli 2009 hat die seinerzeit zuständige Strafvollstreckungskammer des [X.] mit Sitz beim [X.] die Fortdauer der Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Am 13. Januar 2010 wurde der Verurteilte in sein Heimatland abgeschoben.

2

2. Am 14. Juli 2016 wurde der Verurteilte aufgrund Vollstreckungshaftbefehls der Staatsanwaltschaft [X.] vom 19. Januar 2010 festgenommen und zunächst in die [X.] eingeliefert. Ausweislich des Aufnahmeersuchens der Staatsanwaltschaft vom 14. Juli 2016 wurde die [X.] wegen fehlender Aufnahmemöglichkeiten im Maßregelvollzug umgestellt und der Strafrest in Bezug auf die Unterbringung als Organisationshaft vollstreckt. Am 21. Juli 2016 wurde der Verurteilte in die [X.] verlegt, die in die örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des [X.] fällt; er verbüßt dort die Restfreiheitsstrafe von 1032 Tagen aus dem Gesamtstrafenbeschluss des [X.] vom 1. August 2008.

3

3. a) Noch am 14. Juli 2016 beantragte die Staatsanwaltschaft [X.] bei der für die vormalige [X.]einrichtung des Verurteilten, das [X.] Landeskrankenhaus [X.], zuständigen Strafvollstreckungskammer des [X.] mit Sitz in [X.], die Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 67d Abs. 5 StGB für erledigt zu erklären; der weitere Vollzug sei nicht mehr erforderlich, nachdem seit der Abschiebung des Verurteilten sechs Jahre und sechs Monate vergangen seien.

4

b) Mit Verfügung vom 21. Juli 2016 leitete die Strafvollstreckungskammer des [X.] mit Sitz beim [X.] die Akten an die Staatsanwaltschaft mit dem Hinweis zurück, dass sie für eine Entscheidung „nicht zuständig sein dürfte“, weil der Verurteilte sich nicht in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt [X.] befinde und für Entscheidungen im Rahmen des [X.] (nunmehr) die Strafvollstreckungskammer des [X.] zuständig sei. In deren Bezirk liegt das durch Beschluss der [X.]n Landesregierung vom 9. November 2010 gebildete [X.]zentrum Niedersachsen mit Hauptsitz in [X.], zu dem nunmehr auch das vormals eigenständige und in den Zuständigkeitsbereich der Strafvollstreckungskammer [X.] fallende Landeskrankenhaus [X.] gehört.

5

c) Die Staatsanwaltschaft [X.] legte die Akten daraufhin der Strafvollstreckungskammer des [X.] vor und bat für den Fall, dass die dortige Strafvollstreckungskammer nicht zuständig sein sollte, darum, die Sache an die zuständige Strafvollstreckungskammer abzugeben. Mit Beschluss vom 20. September 2016 gab die Strafvollstreckungskammer [X.] die Sache an die Strafvollstreckungskammer des [X.] ab und wies darauf hin, dass der Verurteilte derzeit in der zum dortigen Bezirk gehörenden [X.] Strafhaft verbüße.

6

d) Mit Beschluss vom 23. September 2016 erklärte sich die Strafvollstreckungskammer des [X.] für örtlich unzuständig. Eine Entscheidung über die Frage der weiteren Vollziehung der Maßregel gemäß § 456a Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO in Verbindung mit § 67c Abs. 2 StGB sei bereits unmittelbar nach erneuter Festnahme des Verurteilten von Amts wegen zu treffen gewesen; der Verurteilte habe sich zu diesem [X.]punkt nicht im Bezirk der [X.] in Strafhaft befunden. Infolge der gemäß § 462a Abs. 1 Satz 2 StPO bestehenden Fortwirkungszuständigkeit sei die Strafvollstreckungskammer des [X.] zuständig, in deren Bezirk die [X.]einrichtung [X.] liege.

7

e) Nachdem die Stellungnahme der [X.] zur Frage einer bedingten Entlassung des Verurteilten bei der für diese Justizvollzugsanstalt zuständigen Strafvollstreckungskammer des [X.] eingegangen war, forderte diese mit Verfügung vom 9. Januar 2017 bei der Vollstreckungsbehörde die Vollstreckungsakten an und wies darauf hin, dass der Verurteilte in seine bedingte Entlassung eingewilligt habe und zwei Drittel der Gesamtfreiheitsstrafe am 1. Februar 2017 [richtig wohl: am 28. Januar 2017] vollstreckt seien. Die Staatsanwaltschaft leitete dieses Schreiben weiter an die Strafvollstreckungskammer des [X.] mit Sitz bei dem [X.] ([X.]), welche die Akten unter Hinweis auf die eigene Unzuständigkeit an die Strafvollstreckungskammer des [X.] weiter leitete und darauf hinwies, dass sich der Verurteilte weder derzeit noch zu einem anderen [X.]punkt im Maßregelvollzug im dortigen [X.]zentrum befunden habe.

8

f) Mit Beschluss vom 20. Januar 2017 legte die Strafvollstreckungskammer des [X.] die Sache dem [X.] zur Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 14 StPO vor.

II.

9

Der [X.] ist als gemeinschaftliches oberes Gericht gemäß § 14 StPO zur Entscheidung des Streits der [X.] der Landgerichte [X.], [X.] und [X.] über die örtliche Zuständigkeit berufen.

Zur Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft, die Maßregel der Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt für erledigt zu erklären, ist - aus den vom [X.] in seiner Zuschrift genannten Gründen - die Strafvollstreckungskammer des [X.] mit Sitz beim [X.] zuständig.

Insoweit hat der [X.] ausgeführt:

"Für die Beantwortung der - hier streitigen - Frage, welche Strafvollstreckungskammer für die Entscheidung über den Antrag, die Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt für erledigt zu erklären, örtlich zuständig ist, ist von dem Grundsatz auszugehen, dass für anstehende Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig ist, in deren Bezirk die Anstalt liegt, in der sich der Verurteilte befindet oder zuletzt befand (Senat, Beschluss vom 11. Juli 2012 - 2 [X.]/12 [richtig: 2 [X.]], [X.], 358). Die so begründete Zuständigkeit entfällt auch dann nicht, wenn - wie hier - nach § 456a StPO von der weiteren Vollstreckung abgesehen und der Verurteilte abgeschoben wird (Senat, Beschluss vom 8. Oktober 1999 - 2 [X.], [X.], 111). § 462a Absatz 1 Satz 1 StPO präzisiert diese Regelung dahingehend, dass insofern auf den [X.]punkt abzustellen ist, zu dem eine erstmalige Befassung mit der konkreten Angelegenheit gegeben war (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2006 - 2 [X.], [X.]; [X.]. § 462a Rn. 16). Eine mit der ersten Befassung in einer Sache begründete örtliche Zuständigkeit wird - soweit es diese konkrete Sache anbelangt - durch später eingetretene Umstände, etwa eine neuerliche Aufnahme eines Verurteilten in den Straf- oder Maßregelvollzug, nicht berührt (Senat, Beschluss vom 14. August 1981 - 2 [X.], [X.], 189; [X.] a.a.[X.] Rn. 21).

Nach diesen Grundsätzen ist von der örtlichen Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des [X.] auszugehen. Ihre Zuständigkeit wurde mit der Aufnahme des Verurteilten in das in ihrem Zuständigkeitsbereich liegende (damalige) [X.] Landeskrankenhaus [X.] am 10. Juli 2008 [X.] Bd. I Bl. 125) begründet und wirkte nach seiner Entlassung am 13. Januar 2010 ([X.]) bis zur Befassung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die Unterbringung für erledigt zu erklären ([X.]. 13-16), fort. Im Einzelnen:

1. Die Zuständigkeit ist nicht auf die Strafvollstreckungskammer des [X.] übergegangen. Das Landeskrankenhaus [X.] wurde zwar durch Beschluss der [X.] Landesregierung vom 9. November 2010 ([X.]/1-01472/18.3, [X.]. [X.]. 2010 Nr. 46, S. 1139) mit weiteren Krankenhäusern zu einem [X.]zentrum mit Hauptsitz in [X.] im Zuständigkeitsbereich des [X.] zusammengelegt, was die grundsätzliche Zuständigkeit der dortigen Strafvollstreckungskammer auch für die Einrichtung in [X.] zur Folge haben dürfte (vgl. Senat, Beschluss vom 8. September 1978 - 2 [X.], BGHSt 28, 135). Die Zusammenlegung erfolgte jedoch erst mit Wirkung zum 1. Januar 2011, wohingegen der Verurteilte bereits am 13. Januar 2010 entlassen und auch später nicht wieder in den Maßregelvollzug aufgenommen worden ist. Für die örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer ist der tatsächliche Aufenthalt des Verurteilten in einer Vollzugsanstalt entscheidend (Senat, Beschluss vom 21. Juli 1989 - 2 [X.] 381/89, BGHSt 36, 229), so dass auch eine Änderung der Zuständigkeit nur im Fall der Verlegung (Senat, Beschluss vom 13. Februar 1976 - 2 [X.] 395/75, BGHSt 26, 278) oder der erneuten Aufnahme in eine andere Anstalt (Senat, Beschluss vom 11. August 1999 - 2 [X.] 161/99, juris) eintreten kann. Daher konnte allein die Umwandlung des Krankenhauses [X.] von einer eigenständigen Anstalt in eine Außenstelle hinsichtlich des in sein Heimatland abgeschobenen Verurteilten keinen Wechsel der gerichtlichen Zuständigkeit herbeiführen. Im [X.]punkt der Eingliederung des Landeskrankenhauses [X.] in das [X.]zentrum mit Sitz in [X.] war er dort nicht „aufgenommen“ im Sinne von § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO. Auch aus der gesetzgeberischen Zielvorstellung, [X.] bei besonders sachkundigen und ortsnahen Spruchkörpern zu konzentrieren ([X.] a.a.[X.] Rn. 2), ergibt sich jedenfalls in der vorliegenden Konstellation kein Bedürfnis für eine Zuständigkeitsänderung.

2. [X.] in der [X.] in der [X.] vom 14. bis zum 21. Juli 2016 konnte als reine Organisationshaft keine Änderung der örtlichen Zuständigkeit bewirken (vgl. [X.]/[X.] StPO 59. Aufl. § 462a Rn. 5 m.w.N.). Im [X.]punkt der Aufnahme des Verurteilten in die im Zuständigkeitsbereich des [X.] liegende [X.] am 21. Juli 2017 war die Strafvollstreckungskammer des [X.] bereits mit dem dort am 18. Juli 2016 eingegangenen Antrag der Staatsanwaltschaft befasst (vgl. [X.]. 5 ff. 22 f., 30 f.)."

Diesen Ausführungen tritt der Senat bei.

[X.]   

        

RiBGH Dr. Eschelbach ist
wegen Urlaubs an der
Unterschrift gehindert.

        

RiBGH [X.] ist
wegen Krankheit
an der Unterschrift
gehindert.

        

        

[X.]

        

[X.]

        

Bartel   

        

   Grube   

        

Meta

2 ARs 62/17

21.02.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

§ 456a StPO, § 462a Abs 1 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.02.2017, Az. 2 ARs 62/17 (REWIS RS 2017, 15323)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15323

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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