4. Strafsenat | REWIS RS 2020, 4937
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Die sofortige Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, die durch das Vorbringen des Angeklagten nicht ausgeräumt werden, auf dessen Kosten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Zusatz:
Der Senat nimmt gleichfalls Bezug auf die zutreffenden Erwägungen in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft. Ohne weitere Anhaltspunkte (etwa konkrete Krankheitsverdachtsfälle im näheren Umfeld des ersten Pflichtverteidigers o.ä.) ergibt sich derzeit aus der Ansteckungsgefahr mit der Covid-19-Erkrankung kein Risiko, welches nennenswert über das allgemeine Risiko, dass Verfahrensbeteiligte krankheitsbedingt an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen können, hinausgeht. Die Zahl der Infektionen bzw. Neuinfektionen war und ist – bezogen auf die Gesamtbevölkerung – sehr gering. Zudem bestünde selbst im Falle einer Infektion angesichts des meist milden Krankheitsverlaufs und - nach derzeitigem Stand - nach dem Ablauf von zwei Wochen nach einer Infektion nicht mehr bestehender Ansteckungsgefahr eine erheblich überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Hauptverhandlung bei krankheitsbedingtem Ausfall einzelner Hauptverhandlungstage immer noch innerhalb der Fristen des § 229 StPO fortgesetzt werden kann.
Ergänzend bemerkt der Senat, dass das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 144 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 142 Abs. 7 StPO auch in den Fällen statthaft ist, in denen die erstmalige Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers (Sicherungsverteidigers) abgelehnt wurde. Zwar spricht die Einordnung der Regelung über die Geltung des § 142 Abs. 7 StPO als S. 2 von § 144 Abs. 2 StPO zunächst einmal dafür, dass sich der Verweis auch nur auf Rechtsmittel gegen Entscheidungen nach § 144 Abs. 2 S. 1 StPO (also die Aufhebung der Bestellung eines zusätzlichen Verteidigers) bezieht. Abgesehen davon, dass kein vernünftiger Grund erkennbar ist, warum die Bestellung oder Nichtbestellung eines (ersten) Pflichtverteidigers nach § 142 Abs. 7 StPO sowie die Aufhebung der Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers, nicht aber die Bestellung oder Ablehnung der Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde anfechtbar sein soll, geht der Gesetzgeber selbst von einer entsprechenden Anfechtbarkeit aller dieser Fälle aus (BT-Drs. 19/13829 S. 50; vgl. auch: Beck-OK-StPO-Krawczyk, 36. Ed., § 144 Rdn. 12).
Der Angeklagte hat auch ein Rechtsschutzinteresse bzgl. eines Rechtsmittels gegen die Nichtbestellung eines Sicherungsverteidigers. § 144 Abs. 1 StPO dient nicht nur dem öffentlichen Interesse der Verfahrenssicherung im Sinne einer effektiven Strafrechtspflege, sondern auch dem Interesse des Angeklagten an der Wahrung des Beschleunigungsgrundsatzes (vgl. BT-Drs. 19/13829 S. 49 f.).
Meta
05.05.2020
Oberlandesgericht Hamm 4. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: Ws
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 05.05.2020, Az. 4 Ws 94/20 (REWIS RS 2020, 4937)
Papierfundstellen: REWIS RS 2020, 4937
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