Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.10.2019, Az. IX R 10/18

9. Senat | REWIS RS 2019, 2117

FUSSBALL STEUERRECHT STEUERN BUNDESFINANZHOF (BFH) EINKOMMENSTEUER TICKETVERKAUF

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Gegenstand

Veräußerung von Tickets für das Finale der UEFA Champions League als privates Veräußerungsgeschäft


Leitsatz

1. Champions League-Tickets zählen zu den "anderen Wirtschaftsgütern", die Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG sein können .

2. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfasst auch Einkünfte aus der Veräußerung von Wertpapieren, soweit sie nicht zu § 20 EStG gehören .

3. Champions League-Tickets sind keine Gegenstände des täglichen Gebrauchs i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 02.03.2018 - 5 K 2508/17 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und [X.] (Kläger) haben in ihrer Einkommensteuererklärung für das [X.] (Streitjahr) bei den privaten Veräußerungsgeschäften die Anschaffung und Veräußerung von zwei Tickets für das Finale der [X.] in [X.] erklärt.

2

Diese hatten sie, nachdem sie sich für einen entsprechenden Erwerb registriert hatten, über die offizielle [X.] im April 2015 zugelost bekommen. Die Anschaffungskosten betrugen 330 €. Der Kläger hatte ursprünglich geplant, das Finale zusammen mit seinem [X.] zu besuchen. Später entschloss er sich zum Verkauf der Tickets. Der Verkauf erfolgte über die [X.] im Mai 2015. Der ausbezahlte Veräußerungserlös abzüglich Gebühren betrug 2.907 €.

3

Die Kläger gingen von der Steuerfreiheit des [X.] aus und erklärten in der eingereichten Einkommensteuererklärung ausdrücklich einen Gewinn in Höhe von 0 €.

4

Im Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 07.06.2016 erfasste der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) jedoch sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 2.577 €.

5

Die Erläuterungen zur Festsetzung enthielten folgende Ausführungen:

        

"Die Veräußerung der [X.] ist steuerpflichtig im Sinne des § 23 EStG. Die Steuerbefreiung nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 2 EStG greift nur für Gegenstände des täglichen Gebrauchs. Gegenstände des täglichen Gebrauchs sind Wirtschaftsgüter, die üblicherweise zur Nutzung angeschafft werden. Das Wirtschaftsgut darf keine Eignung zur Einkünfteerzielung besitzen. Besitzt ein Wirtschaftsgut eine Nutzungs- und eine Wertsteigerungskomponente muss man darauf abstellen, ob eine Eignung zur Wertsteigerung vorliegt, also ob derartige Gegenstände auch als Wertanlage angeschafft werden. Eine Eintrittskarte ist kein Gegenstand des täglichen Gebrauchs, sondern vielmehr nur zur einmaligen Nutzung an einem bestimmten Tag geeignet. Da die Nachfrage bei [X.] das Angebot extrem übersteigt, handelt es sich um Gegenstände, die von vielen als Spekulationsobjekt mit garantiertem Gewinn angeschafft werden. Der Schwarzmarkt ist diesbezüglich riesig. Somit ist eine Wertsteigerungskomponente gegeben."

6

Die Kläger beantragten mit Schreiben vom 04.07.2016 die schlichte Änderung des Einkommensteuerbescheids mit der Maßgabe, dass die sonstigen Einkünfte mit 0 € festgesetzt werden. Bei den Tickets handele es sich um Gegenstände des täglichen Gebrauchs, die von einer Besteuerung ausgenommen seien.

7

Das [X.] lehnte den Änderungsantrag mit einem ohne Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 15.07.2016 ab. Champions League-Tickets stellten keinen Gegenstand des täglichen Gebrauchs dar, da sie eine Wertsteigerungskomponente enthielten.

8

Die Kläger baten mit weiterem Schreiben vom 17.04.2017 um nochmalige Überprüfung des Standpunkts des [X.] auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Tickets Wertpapiere darstellten.

9

Das [X.] wies den erneuten Änderungsantrag unter Hinweis auf die Frist des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung ([X.]) mit Schreiben vom 20.04.2017, das mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, ab.

Die Kläger verwiesen mit Schreiben vom 27.04.2017 auf ihren am 04.07.2016 gestellten Änderungsantrag und baten um entsprechende Änderung des Einkommensteuerbescheids.

Das [X.] wies den Einspruch gegen die Ablehnung der schlichten Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2015 als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 25.08.2017).

Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2018, 1167 veröffentlichten Urteil statt.

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 i.V.m. § 22 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] vom 02.03.2018 - 5 K 2508/17 aufzuheben, die Klage abzuweisen sowie die Kosten des gesamten Verfahrens den Klägern aufzuerlegen.

Die Kläger haben keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung der angefochtenen Vorentscheidung zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 [X.]atz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Zwar hat das [X.] zu Recht angenommen, dass der Gewinn aus der Veräußerung der beiden [X.] nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.[X.]. des § 20 Abs. 2 [X.] in der im [X.]treitjahr geltenden Fassung gehört (dazu unter [X.]). Der Kläger hat aber --anders als das [X.] meint-- mit der Veräußerung der beiden Tickets einen Veräußerungsgewinn i.[X.]. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.] in der im [X.]treitjahr geltenden Fassung erzielt (dazu unter II.2.).

1. Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 [X.] liegen nicht vor. Bei einem [X.] handelt es sich, sollte bereits mit der Vorlage des Tickets das Recht auf den [X.] geltend gemacht werden können, um ein kleines Inhaberpapier i.[X.]. von §§ 807, 797 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ([X.]), sollte das Ticket personalisiert sein, um ein qualifiziertes Legitimationspapier i.[X.]. des § 808 [X.] (vgl. [X.]/[X.], [X.], 78. Aufl., Einf v § 793 Rz 3, 5, § 807 Rz 3, § 808 Rz 1 ff.; [X.]/ [X.], [X.], 15. Aufl., § 807 Rz 4 f., § 808 Rz 8; MünchKomm[X.]/[X.], 7. Aufl., § 807 Rz 5 f., 10, § 808 Rz 2 ff., 10; vgl. auch [X.], Neue Juristische Wochenschrift ---NJW-- 2005, 934, 935). Damit sind die Tickets nach zivilrechtlicher Betrachtungsweise zwar ein Wertpapier (vgl. z.B. [X.]/[X.], [X.], 17. Aufl., § 793 [X.], Rz 5 ff.; MünchKomm[X.]/[X.], a.a.[X.], § 807 Rz 14, § 808 Rz 3). Unabhängig davon, wie der Begriff des Wertpapiers im [X.]teuerrecht zu verstehen ist, erfüllen die [X.] aber nicht die Merkmale einer Kapitalanlage i.[X.]. des § 20 Abs. 1, Abs. 2 [X.]. [X.]ie sind insbesondere keine Kapitalforderungen i.[X.]. des § 20 Abs. 2 [X.]atz 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 1 Nr. 7 [X.], da sie in erster Linie auf die Ermöglichung des [X.]s gerichtet sind (vgl. [X.], NJW 2005, 934, 935). Unter den Begriff der Kapitalforderung i.[X.]. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 [X.] fallen alle auf eine Geldleistung gerichteten Forderungen, deren [X.]teuerbarkeit sich nicht bereits aus einem anderen Tatbestand i.[X.]. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 oder 8 bis 11 [X.] ergibt. Nicht darunter fallen indes Ansprüche auf die Lieferung anderer Wirtschaftsgüter, insbesondere auf eine [X.]achleistung gerichtete Forderungen (vgl. z.B. Urteil des [X.] --BFH-- vom 12.05.2015 - VIII R 35/14, [X.], 71, [X.], 834, Rz 12, m.w.N.) oder --wie hier-- Forderungen, die auf eine Werk- und Mietleistung (vgl. zur zivilrechtlichen Einordnung z.B. [X.]/[X.], a.a.[X.], Einf v § 631 Rz 31, m.w.N.; [X.], NJW 2005, 934, 935) gerichtet sind. Das ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

2. Der Kläger hat aber mit der Anschaffung und entgeltlichen Veräußerung der [X.] innerhalb der Jahresfrist eine Veräußerung i.[X.]. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.] verwirklicht (Veräußerungsgeschäft bei anderen Wirtschaftsgütern).

a) Ein privates Veräußerungsgeschäft (§ 22 Nr. 2 [X.]) ist gemäß § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.]atz 1 [X.] ein Veräußerungsgeschäft bei anderen Wirtschaftsgütern, bei dem der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Die Regelung betrifft alle Wirtschaftsgüter im Privatvermögen ([X.]surteil vom 22.04.2008 - IX R 29/06, [X.], 97, [X.], 296, unter [X.]b aa, Rz 14), mithin [X.]achen und Rechte i.[X.]. des [X.] sowie tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten, d.h. sämtliche vermögenswerten Vorteile, deren Erlangung sich der [X.]teuerpflichtige etwas kosten lässt (vgl. [X.]surteil vom 21.09.2004 - IX R 36/01, [X.], 543, [X.], 12, unter [X.]b bb, beginnend ab Rz 20, m.w.N., und [X.]/[X.], § 23 [X.] Rz 62, m.w.N.) und die einer selbständigen Bewertung zugänglich sind (vgl. z.B. [X.]surteil vom 29.06.2004 - IX R 26/03, [X.], 418, [X.], 995, unter [X.]a aa, Rz 28). Ausgenommen sind Veräußerungen von Gegenständen des täglichen Gebrauchs (vgl. § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.]atz 2 [X.]). Die Einkünfteerzielungsabsicht ist nicht zu prüfen (z.B. [X.]surteil vom 20.08.2013 - IX R 38/11, [X.], 386, [X.], 1021, Rz 30, m.w.N.).

b) Hiernach zählen auch die streitgegenständlichen [X.] zu den Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines privaten [X.] sein können.

aa) Die [X.] sind Wirtschaftsgüter i.[X.]. des § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.]atz 1 [X.].

Der Käufer eines [X.] erwirbt damit das verbriefte Recht auf Zutritt zum Fußballstadion und Besuch des Fußballspiels an dem auf dem Ticket angegebenen Tag (Werk- und Mietleistung, vgl. zur zivilrechtlichen Einordnung z.B. [X.]/[X.], a.a.[X.], Einf v § 631 Rz 31, m.w.N.; [X.], NJW 2005, 934, 935).

[X.]owohl der Kläger als auch der nachfolgende Erwerber haben sich die Erlangung des verbrieften Anspruchs auf den [X.] etwas kosten lassen, indem sie den Kaufpreis an den jeweiligen Veräußerer gezahlt haben.

Das verbriefte Recht auf [X.] ist zudem einer besonderen Bewertung zugänglich, da der Vorteil klar abgrenzbar und greifbar ist. Für die konkrete Möglichkeit des [X.]s, die im Ticket verbrieft wird, ist ein besonderes Entgelt anzusetzen. Dem einzelnen Ticket kommt ein eigener Wert zu; dieser stellt --wie schon anhand der zahlreichen [X.] für Ticket-(Weiter-)Verkäufe der vorliegenden Art offen zutage tritt-- vorliegend einen wirtschaftlich ausnutzbaren und realisierbaren Vermögenswert dar.

bb) Ob es sich bei den maßgeblichen Tickets um Wertpapiere im steuerrechtlichen [X.]inn handelt, bedarf insoweit keiner Entscheidung. [X.]elbst wenn dies der Fall sein sollte, erfasst § 23 [X.] --anders als das [X.] meint-- als Auffangnorm auch Einkünfte aus der Veräußerung von Wertpapieren, soweit diese --wie hier-- nicht zu Einkünften i.[X.]. des § 20 [X.] führen (vgl. § 23 Abs. 2 [X.]; s.a. [X.], in: [X.][X.], [X.], § 23 Rz B 58; Trossen in [X.] [X.], Kirchhof/Kulosa/[X.] 4. Edition [X.]tand: 01.07.2019, [X.] § 23 Rz 71, 199, und [X.], E[X.] 2018, 1169). Die Gegenansicht, wonach die Besteuerung von Wertpapieren seit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (Unt[X.]tRefG 2008) vom 14.08.2007 ([X.]l I 2007, 1912 ff.) abschließend in § 20 [X.] geregelt sei (vgl. [X.]/[X.], [X.], 38. Aufl., § 23 Rz 27; [X.] in Kirchhof, [X.], 18. Aufl., § 23 Rz 7; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 23 [X.] Rz 141; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 23 Rz 82), teilt der [X.] nicht.

(1) Bereits aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.]atz 1 [X.], der allgemein von "anderen Wirtschaftsgütern" spricht, folgt, dass von der Regelung (auch weiterhin) grundsätzlich alle Wirtschaftsgüter im Privatvermögen betroffen sind. Der [X.] hat bereits zur Vorgängerregelung entschieden, dass die dortige Hervorhebung von "Wertpapieren" den allgemeinen Begriff "Wirtschaftsgut" nicht einzuschränken vermochte (vgl. [X.]surteil in [X.], 97, [X.], 296, unter [X.]b aa, Rz 14). Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber nunmehr mit dem Unt[X.]tRefG 2008 die Hervorhebung "insbesondere bei Wertpapieren" aus § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.]atz 1 [X.] a.[X.] herausgenommen hat, ohne den Wortlaut im Übrigen zu ändern.

(2) Anhaltspunkte für eine generelle Herausnahme von Wertpapieren aus dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.]atz 1 [X.] finden sich auch nicht in den Gesetzesmaterialien zum Unt[X.]tRefG 2008. Zwar ist in der Begründung der Entwurfsfassung von § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.]atz 1 [X.] davon die Rede, dass die Regelung zu Wertpapieren im bisherigen [X.]atz 1 entfalle, da die Besteuerung der Veräußerung von Wertpapieren nunmehr in § 20 [X.] geregelt sei (vgl. BTDrucks 16/5377, [X.]. 7, BTDrucks 16/4841, [X.]. 58). Dies ist aber nach Auffassung des [X.]s nicht dahin zu verstehen, dass Wertpapiere generell aus dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.]atz 1 [X.] herausfallen sollten, da dies angesichts des allgemeinen Begriffs "Wirtschaftsguts" zumindest einer Klarstellung bedurft hätte. Auch in der Begründung zur Neufassung des § 20 [X.] finden sich keine Hinweise darauf, dass die Besteuerung von Wertpapieren dort nunmehr abschließend geregelt sein soll (vgl. BTDrucks 16/5377, [X.]. 7, BTDrucks 16/4841, [X.]. 54 ff.).

(3) Im Übrigen schließt auch der Zweck des § 23 [X.], innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen ([X.]surteil vom 01.10.2014 - IX R 55/13, [X.], 397, [X.], 265, Rz 17, m.w.N.), die vom Wortlaut der Norm grundsätzlich erfassten Wertpapiere nicht aus.

cc) Die Veräußerung der [X.] ist auch nicht nach § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.]atz 2 [X.] von der Besteuerung ausgenommen, da es sich bei den Tickets nicht um Gegenstände des täglichen Gebrauchs handelt.

(1) Der Begriff "Gegenstände des täglichen Gebrauchs" ist gesetzlich nicht definiert. Aus den Materialien zum Jahressteuergesetz 2010 ([X.] 2010) vom [X.] ([X.]l I 2010, 1768 ff.) folgt sinngemäß, dass die Regelung darauf abzielt, [X.] von meist vorrangig zur Nutzung angeschafften Gebrauchsgegenständen, die, wie z.B. Gebrauchtfahrzeuge, dem Wertverlust unterliegen, steuerrechtlich nicht wirksam werden zu lassen (vgl. BTDrucks 17/2249, [X.]. 54).

(2) Im [X.]chrifttum herrscht insoweit weitgehend Einigkeit, dass es sich bei den Gegenständen des täglichen Gebrauchs i.[X.]. des § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.]atz 2 [X.] bei objektiver Betrachtung um Gebrauchsgegenstände handeln müsse, die dem Wertverzehr unterlägen und/oder kein Wertsteigerungspotential aufwiesen (vgl. [X.]/[X.], § 23 [X.] Rz 67; Trossen in [X.] [X.], a.a.[X.], [X.] § 23 Rz 203; [X.], in: [X.][X.], [X.], § 23 Rz B 59; [X.]/[X.], § 23 [X.] Rz 159), wobei eine Nutzung an jedem Tag nicht erforderlich sei (Trossen in [X.] [X.], a.a.[X.], [X.] § 23 Rz 203; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 23 Rz 91; [X.], in [X.]/ [X.], [X.], [X.] 2018, § 23 Rz 52e). Dieser Auffassung schließt sich der [X.] an. Der Gesetzgeber reagierte mit der Regelung in § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.]atz 2 [X.] auf das [X.]surteil in [X.], 97, [X.], 296. In diesem Urteil hat der [X.] entschieden, dass § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.] a.[X.] nicht teleologisch insoweit zu reduzieren ist, als Wirtschaftsgüter des täglichen Gebrauchs mangels objektiven Wertsteigerungspotentials aus seinem Anwendungsbereich herauszunehmen sind (vgl. [X.]surteil in [X.], 97, [X.], 296, unter [X.]b bb, Rz 15). Nach der Begründung des Entwurfs zum [X.] 2010 sollte mit der Einfügung des § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.]atz 2 [X.] gesetzlich klargestellt werden, dass die Veräußerung von Gebrauchsgegenständen, die regelmäßig mit dem Ziel der Nutzung und nicht mit dem Ziel der zeitnahen gewinnbringenden Veräußerung angeschafft werden, nicht steuerbar ist (vgl. BTDrucks 17/2249, [X.]. 54). Die damalige Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. z.B. [X.] --OFD-- Hannover vom 12.03.2001 - [X.] 2256-57-[X.]tO 223, [X.] 2256-79-[X.]tH 215, [X.] 2001, 556; OFD München vom 19.07.2002 - [X.] 2256-21 [X.]t 41, Deutsches [X.]teuerrecht 2002, 1529) wird damit jedenfalls im Ergebnis wieder hergestellt.

(3) Hiernach sind die vom Kläger veräußerten [X.] keine Gegenstände des täglichen Gebrauchs, da sie --wie im [X.]treitfall ersichtlich-- ein Wertsteigerungspotential aufweisen und zudem nicht zum täglichen Gebrauch i.[X.]. einer regelmäßigen oder zumindest mehrmaligen Nutzung geeignet sind. Die veräußerten Tickets ermöglichten vielmehr nur den einmaligen Einlass zu dem auf der [X.] angegebenen Fußballspiel.

dd) Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch die vom [X.] in Ansatz gebrachte Höhe des Veräußerungsgewinns von 2.577 € (vgl. § 23 Abs. 3 [X.]). Auch unter Berücksichtigung etwaiger weiterer Werbungskosten in Höhe von 20 €, unterbleibt nach § 1 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 1 der Kleinbetragsverordnung eine Änderung der Festsetzung der Einkommensteuer, da die Abweichung von der bisherigen Festsetzung bei einer Änderung weniger als 10 € betragen würde (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 16.02.2011 - X R 21/10, [X.], 1, B[X.]tBl II 2011, 671, Rz 12 ff., und [X.] vom 03.06.2013 - V B 4/13, juris, Rz 7).

3. Gegen dieses Ergebnis bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Anders als das [X.] meint, ist § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.] nicht im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) wegen eines strukturellen [X.]s bei der Besteuerung des Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften der vorliegenden Art verfassungsrechtlich zu beanstanden. Das [X.] ([X.]) hat bereits entschieden, dass für Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.] bereits für den Veranlagungszeitraum 1999 ein dem Gesetzgeber zuzurechnendes strukturelles [X.] nicht mehr festzustellen ist, das zur Verfassungswidrigkeit der Norm führen könnte. Gegenüber dem Veranlagungszeitraum 1998, für den das [X.] ein strukturelles [X.] festgestellt hatte, folgt die geänderte verfassungsrechtliche Beurteilung aus der Änderung verschiedener tatsächlicher und rechtlicher Rahmenbedingungen ([X.], [X.] vom 07.05.2008 - 2 BvR 2392/07, juris, unter B.[X.]b, Rz 17, m.w.N., und vom 10.01.2008 - 2 BvR 294/06, [X.], Beilage 2, 161).

Es bestehen keine Anhaltspunkte, die die Annahme eines strukturellen [X.]s bei der Besteuerung von [X.] der vorliegenden Art nach § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.] nunmehr dennoch rechtfertigen könnten. [X.]oweit das [X.] ein solches [X.] mit der Erwägung begründet, die Veräußerung der Tickets anonymisiert sie insofern, als die von den Klägern gewählte Ticketbörse keine Informationen über Käufer und Verkäufer bekanntgebe, ist dieser Umstand schon unter lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten nicht unzweifelhaft (vgl. z.B. § 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, dazu jüngst [X.], Urteil vom 04.06.2019 - 33 O 6588/17, BeckR[X.] 2019, 10541, Rz 38 ff., nicht rechtskräftig; in diese Richtung wohl auch [X.], Urteil vom 16.07.2015 - 6 U 4681/14, Wettbewerb in Recht und Praxis 2015, 1522, Rz 53 ff.). Der Umstand einer etwaig anonymen Veräußerung zwischen den Vertragsparteien genügt aber nicht, um ein strukturelles, in der gesetzlichen Regelung selbst angelegtes [X.] zu begründen. Von Bedeutung ist insoweit vielmehr, dass --unabhängig von den Rahmenbedingungen der [X.] für Finanzbehörden regelmäßig unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit besteht, z.B. im Rahmen von [X.]ammelauskunftsersuchen, die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen [X.]achverhalts erforderlichen Auskünfte auch bei [X.] einzuholen (vgl. § 93 Abs. 1, Abs. 1a [X.], dazu z.B. BFH-Urteil vom 16.05.2013 - II R 15/12, [X.], 211, B[X.]tBl II 2014, 225). Die [X.]teuerbelastung bei privaten Veräußerungsgeschäften der vorliegenden Art beruht somit nicht nahezu allein auf der Erklärungsbereitschaft des [X.]teuerpflichtigen (vgl. dazu z.B. [X.]-Urteil vom 27.06.1991 - 2 BvR 1493/89, [X.]E 84, 239, B[X.]tBl II 1991, 654, unter [X.], beginnend ab Rz 113).

b) Der Umstand, dass natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, mit privaten Veräußerungsgeschäften i.[X.]. des § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.] regelmäßig nicht der beschränkten [X.]teuerpflicht unterliegen (vgl. § 1 Abs. 4, § 49 Abs. 1 Nr. 8 [X.]), begründet ebenfalls keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Auch insoweit hat das [X.] bereits entschieden, dass bei der Prüfung der Frage einer Ungleichbehandlung davon auszugehen ist, dass die gesetzgeberische Unterscheidung zwischen beschränkter (§ 1 Abs. 4, § 49 [X.]) und unbeschränkter (§ 1 Abs. 1 bis Abs. 3, § 2 [X.]) [X.]teuerpflicht als sachgerecht und die damit verbundene unterschiedliche Behandlung der entsprechenden Personengruppen im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG regelmäßig als gerechtfertigt anzusehen ist (vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 15.12.2015 - 2 BvL 1/12, [X.]E 141, 1, unter [X.], beginnend ab Rz 97, m.w.N., und vom [X.] - 1 BvR 519/87, Information über [X.]teuer und Wirtschaft 1990, 359).

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

IX R 10/18

29.10.2019

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 2. März 2018, Az: 5 K 2508/17, Urteil

§ 20 Abs 2 EStG 2009, § 22 Nr 2 EStG 2009, § 23 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009, § 23 Abs 3 EStG 2009, § 49 Abs 1 Nr 8 EStG 2009, § 1 Abs 1 Nr 1 KBV, § 632 BGB, § 797 BGB, § 807 BGB, § 808 BGB, Art 3 Abs 1 GG, EStG VZ 2015

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.10.2019, Az. IX R 10/18 (REWIS RS 2019, 2117)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2117

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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