Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.03.2010, Az. 7 AV 1/10

7. Senat | REWIS RS 2010, 8365

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Gegenstand

Bestimmung des zuständigen Gerichts; negativer Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige; Bindung an die Rechtswegverweisung


Gründe

I.

1

Die Klägerin reichte im November 2009, vertreten durch ihren [X.], beim [X.] Klage gegen das [X.] wegen Untätigkeit in einer Grundbuch- und Betreuungsangelegenheit ein.

2

Das Verwaltungsgericht kündigte den Beteiligten mit der Eingangsbestätigung die beabsichtigte Verweisung des Verfahrens an das [X.] an, der der Bevollmächtigte der Klägerin widersprach. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2009 erklärte das [X.] den Verwaltungsrechtsweg mangels öffentlich-rechtlicher Streitigkeit nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO für unzulässig und verwies das Verfahren an das [X.].

3

Das [X.] lehnte die Übernahme des Verfahrens mit Beschluss vom 21. Januar 2010 ab und legte das Verfahren dem [X.] zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor. Der Verweisungsbeschluss sei willkürlich und schlechthin abwegig. Mit Beschluss vom 27. Januar 2010 bestimmte das [X.] das [X.] gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO analog als zuständiges Gericht. Der Verweisungsbeschluss des [X.] vom 16. Dezember 2009 sei entgegen § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO nicht bindend, weil er auf objektiver Willkür beruhe. Die Streitigkeit sei öffentlich-rechtlich, denn die Klage ziele darauf ab, dass das Verwaltungsgericht in einer Grundbuchangelegenheit auf das Amtsgericht einwirken solle.

4

Das [X.] hat die Sache mit Beschluss vom 9. Februar 2010 dem [X.] zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

5

Das [X.] ist für die Entscheidung des negativen [X.]s zwischen dem [X.] und dem [X.] zuständig. Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO. Danach wird ein negativer [X.] zwischen Gerichten der [X.]barkeit von dem Gericht entschieden, das den beteiligten Gerichten übergeordnet ist. Auf den hier vorliegenden [X.] zwischen einem Amtsgericht und einem Verwaltungsgericht lässt sich diese Vorschrift zwar weder unmittelbar anwenden noch gibt es dafür eine sonstige gesetzliche Regelung. Die somit gegebene Regelungslücke ist - im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.], des [X.] und des [X.] - in der Weise zu schließen, dass dasjenige oberste [X.] den negativen [X.] zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige entscheidet, das einem der beteiligten Gerichte übergeordnet ist und zuerst angegangen wird (Beschlüsse vom 26. Februar 2009 - BVerwG 2 AV 1.09 - juris und vom 5. März 1993 - BVerwG 11 ER 400.93 - [X.] 310 § 53 VwGO Nr. 21; [X.], Beschluss vom 26. Juli 2001 - [X.]/01 - NJW 2001, 3631; BSG, Beschluss vom 16. September 2009 - [X.] SF 7/09 S - juris).

6

Der Beschluss des [X.] vom 27. Januar 2010 steht der Vorlage an das [X.] mangels sachlicher Zuständigkeit des [X.] des zuständigen Gerichts nicht entgegen. Zwar sieht § 36 Abs. 2 ZPO vor, dass die Zuständigkeitsbestimmung durch ein [X.] erfolgt, wenn das für die Bestimmung an sich zuständige zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der [X.]shof wäre. Diese Vorschrift ist aber auf [X.]e zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige weder unmittelbar noch analog anwendbar ([X.], Beschluss vom 26. Juli 2001 - [X.]/01 - a.a.O.).

7

Für die Klage ist das [X.] zuständig. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist durch den von den Beteiligten nicht mit der Beschwerde angefochtenen und inzwischen unanfechtbaren Verweisungsbeschluss des [X.] Lüneburg gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 [X.] bindend festgestellt. Die Bindungswirkung nach § 17a Abs. 2 Satz 3 [X.] tritt selbst bei einem fehlerhaften Verweisungsbeschluss, etwa bei gesetzwidriger Verweisung oder entgegen § 17a Abs. 4 Satz 2 [X.] fehlender Begründung, ein. Die die Bindungswirkung allgemein einschränkende Rechtsprechung zum Verweisungsbeschluss nach § 281 ZPO kann nicht übernommen werden ([X.]/[X.], [X.], 5. Aufl. 2008, § 17 Rn. 39). Eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung trotz des in § 17a Abs. 4 Satz 3 ff. [X.] vorgesehenen Instanzenzuges ist in Anbetracht der von § 17a [X.] selbst eröffneten [X.] allenfalls bei extremen Rechtsverstößen möglich, etwa wenn sich die Verweisungsentscheidung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist. Hiervon kann jedoch allenfalls dann ausgegangen werden, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist ([X.], Beschluss vom 8. Juli 2003 - [X.] 138/03 - NJW 2003, 2990 m.w.N.)

8

Ein solcher Sachverhalt liegt hier offensichtlich nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat die Eröffnung des [X.] zu Recht verneint. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch [X.] einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Die vorliegende Klage zielt erkennbar darauf, dass das [X.] in einer Grundbuch- und Betreuungsangelegenheit tätig werden möge. Diese Sachgebiete fallen offensichtlich in die Zuständigkeit der Zivilgerichte (vgl. § 13 [X.]). Darauf, dass die Klägerin - wie das Amtsgericht und das [X.] betonen - ein "hoheitliches" Einwirken des [X.] auf das [X.] begehrt, kommt es nicht an. Für die Rechtswegeröffnung ist allein die wirkliche Natur des behaupteten Rechtsverhältnisses und nicht die rechtliche Qualifizierung durch den Kläger maßgeblich.

9

Das bedeutet - entgegen der Befürchtung des [X.] - nicht, dass jeglicher "vor anderen Gerichten vorgebrachter querulatorischer und unverständlicher Sachvortrag in einem amtsgerichtlichen Verfahren zu bescheiden wäre". Eine Verweisung kommt nur in Betracht, wenn zumindest in groben Zügen das den Rechtsweg kennzeichnende Rechtsgebiet erkennbar ist. Es ist dann Sache des Gerichts dieses Rechtswegs, über die Zulässigkeit des Begehrens zu entscheiden.

Dem zuständigen Gericht bleibt es auch vorbehalten, mit Blick auf das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 5. März 2010 die Wirksamkeit der Klageerhebung bzw. der Klagerücknahme zu überprüfen.

Meta

7 AV 1/10

17.03.2010

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AV

§ 53 Abs 1 Nr 5 VwGO, § 36 Abs 2 ZPO, § 17a Abs 2 GVG, § 17a Abs 4 GVG, § 40 Abs 1 S 1 VwGO, § 281 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.03.2010, Az. 7 AV 1/10 (REWIS RS 2010, 8365)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8365

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Wird zitiert von

B 12 SF 7/11 S

1 SHa 13/10

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