Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.11.2013, Az. 2 B 86/13

2. Senat | REWIS RS 2013, 925

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Gegenstand

Bedeutung des Verwertungsverbots eines Strafurteils im beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren


Gründe

1

[X.]ie auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 66 Abs. 1 Thür[X.]G) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

2

[X.]er im Jahre 1972 geborene Beklagte ist Polizeihauptmeister (Besoldungsgruppe [X.]) in [X.]iensten des [X.]. Im Februar 2002 wurde gegen den Beklagten ein Ermittlungsverfahren wegen Verbreitens pornografischer Schriften eingeleitet. Im Folgemonat verurteilte ihn das [X.] wegen Verbreitens kinderpornografischer Schriften durch Strafbefehl zu einer Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen. [X.]er Beklagte unterrichtete seinen [X.]ienstherrn weder vom Ermittlungsverfahren noch vom Strafbefehl. [X.]er Kläger erhielt im Juli 2008 von dem Strafbefehl Kenntnis, leitete im März 2009 ein [X.]isziplinarverfahren gegen den Beklagten ein und erhob im September 2009 [X.]isziplinarklage.

3

[X.]as Oberverwaltungsgericht hat den Beklagten aus dem [X.]ienst entfernt. Es hat u.a. darauf abgestellt, dass dem Beklagten eine außerdienstliche Pflichtverletzung zur Last falle. Er habe Ende Januar/Anfang Februar 2002 von einem Bildschirm abfotografierte Bilder kinderpornografischen Inhalts zur Entwicklung in ein Fotogeschäft gegeben und dadurch gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen. [X.]as Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 [X.] stehe der disziplinarrechtlichen Ahndung dieses Verhaltens nicht entgegen. § 51 Abs. 1 [X.] hindere lediglich die Berücksichtigung getilgter oder tilgungsreifer Eintragungen im Rahmen der Bemessung der [X.]isziplinarmaßnahme wegen anderer Vergehen. Für die Frage dagegen, ab welchem Zeitpunkt nach Vollendung eines [X.]ienstvergehens, das auch und gerade in einer Straftat liegen könne, eine [X.]isziplinarmaßnahme nicht mehr verhängt werden dürfe, enthalte das [X.]isziplinarrecht eigenständige Regelungen.

4

[X.]er Beklagte hält die Frage für rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO,

ob § 51 Abs.1 [X.] die Verwertung eines strafrechtlich durch Verurteilung bereits abschließend gewürdigten Sachverhalts im [X.]isziplinarverfahren hindert, wenn die disziplinaren Ermittlungen erst nach eingetretener [X.] beziehungsweise Tilgung eingeleitet wurden.

5

Mit dieser Frage kann der Beklagte die Revisionszulassung nicht erreichen. Sie ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des [X.] zu beantworten, ohne dass es der [X.]urchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

6

[X.]as [X.] hat im Beschluss vom 1. März 2012 - BVerwG 2 B 120.11 - [X.] 2012, 127 <129> in einem Fall betreffend das [X.]isziplinargesetz des [X.] (im nachfolgenden Zitat: [X.]), ausgeführt:

"Für die Frage, ab welchem Zeitraum nach Vollendung eines [X.]ienstvergehens - das auch und gerade in einer Straftat liegen kann - eine [X.]isziplinarmaßnahme nicht mehr verhängt werden darf (sog. [X.]isziplinarmaßnahmeverbot), treffen die [X.] eine eigenständige, nach der Schwere der [X.]isziplinarmaßnahme abgestufte Regelung (vgl. § 15 [X.], § 15 [X.]). [X.]ie [X.] enthalten auch Regelungen zu Verwertungsverboten früherer [X.]isziplinarmaßnahmen nach Ablauf bestimmter Fristen (vgl. § 16 [X.], § 16 [X.]). [X.]as Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 Bundeszentralregistergesetz - [X.] -, wonach die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden ist oder zu tilgen ist, ist in [X.]isziplinarverfahren daneben lediglich insoweit von Bedeutung, als im Rahmen der Bemessung der [X.]isziplinarmaßnahme, bei der das Persönlichkeitsbild des Beamten angemessen zu berücksichtigen ist (vgl. § 13 Abs. 1 [X.]), nicht zu Lasten des Beamten auf von § 51 [X.] erfasste Verurteilungen wegen anderer - nicht den Gegenstand des [X.]isziplinarverfahrens bildender - Vergehen abgestellt werden darf."

7

[X.]iese Ausführungen gelten nicht nur für den Fall der während eines [X.]isziplinarverfahrens eintretenden [X.] nach § 51 Abs. 1 [X.], sondern gleichermaßen auch für die bereits vor Einleitung des [X.]isziplinarverfahrens eingetretene [X.] nach § 51 Abs. 1 [X.].

8

§ 12 [X.] (Thür[X.]G) enthält wie § 15 Bundesdisziplinargesetz ([X.]) ein abgestuftes System von disziplinarrechtlichen [X.] wegen Zeitablaufs. Bestimmte [X.]isziplinarmaßnahmen dürfen nach einer bestimmten Zeitspanne nach Beendigung des [X.]ienstvergehens nicht mehr verhängt werden. Je schwerer die [X.]isziplinarmaßnahme, desto länger ist der Zeitraum, in dem diese [X.]isziplinarmaßnahme verhängt werden darf. Für die [X.] der Entfernung aus dem [X.]ienst sieht § 12 Thür[X.]G (wie § 15 [X.]) kein Verhängungsverbot vor. [X.]aneben beschränkt § 13 Thür[X.]G ebenso wie § 14 [X.] den Katalog zulässiger [X.]isziplinarmaßnahmen nach Verurteilungen in Straf- und Bußgeldverfahren; auch hier ist bei der [X.] der Entfernung aus dem [X.]ienst eine Beschränkung nicht vorgesehen.

9

[X.]ie eigenständige Regelung des [X.] trägt dem besonderen Zweck des [X.] Rechnung. Zweck der [X.]isziplinarbefugnis ist nicht, begangenes Unrecht zu vergelten. Vielmehr geht es darum, die Integrität des Berufsbeamtentums und die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung aufrechtzuerhalten. [X.]aher ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, ob ein Beamter, der in vorwerfbarer Weise gegen [X.]ienstpflichten verstoßen hat, nach seiner Persönlichkeit noch im Beamtenverhältnis tragbar ist und, falls dies zu bejahen ist, durch welche [X.]isziplinarmaßnahme auf ihn eingewirkt werden muss, um weitere Pflichtenverstöße zu verhindern (Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 62.11 - NVwZ-RR 2013, 693 ff. Rn. 34 m.w.N.). [X.]emgegenüber ist Zweck des Verwertungsverbots des § 51 Abs. 1 [X.], den verurteilten Straftäter nach einer gewissen Zeit vom Makel der Bestrafung zu befreien, um seine Resozialisierung zu erleichtern (Urteil vom 3. [X.]ezember 1973 - BVerwG 1 [X.] 62.73 - BVerwGE 46, 205 <206>). Mit dem Zweck des [X.] wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Umstand, dass eine [X.]ienstpflichtverletzung zugleich auch eine Straftat darstellt und deshalb als solche geahndet wird, privilegierende Wirkung in der Weise hätte, dass sie eine disziplinarrechtliche Ahnung bei Eintritt der [X.] nach § 51 Abs. 1 [X.] ausschließen würde.

[X.]as Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 [X.], wonach die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden ist oder zu tilgen ist, hat deshalb in [X.]isziplinarverfahren nur die Bedeutung, dass im Rahmen der Bemessung der [X.]isziplinarmaßnahme, bei der das Persönlichkeitsbild des Beamten angemessen zu berücksichtigen ist (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Thür[X.]G, § 13 Abs. 1 Satz 3 [X.]), nicht zu Lasten des Beamten auf von § 51 [X.] erfasste Verurteilungen wegen anderer - nicht den Gegenstand des [X.]isziplinarverfahrens bildender - Vergehen abgestellt werden darf (vgl. Urteile vom 13. März 1969 - BVerwG 2 [X.] 2.69 - BVerwGE 33, 268 <269>, vom 28. August 1973 - BVerwG 1 W[X.] 10.73 - NJW 1974, 515, vom 25. November 1974 - BVerwG 2 [X.] 44.74 - BVerwGE 46, 335 <336>, vom 5. Februar 1991 - BVerwG 1 [X.] 29.90 - juris Rn. 13 und vom 25. Juli 2013 - BVerwG 2 C 63.11 - Rn. 22 ; Beschluss vom 1. März 2012 - BVerwG 2 B 120.11 - [X.] 2012, 127 <129>). Es hindert dagegen nicht die disziplinarrechtliche Ahndung eines [X.]ienstvergehens, das zugleich eine Straftat darstellt und auch als solche strafrechtlich geahndet worden ist. Ist der Eintritt der [X.] nach § 51 [X.] ohne Bedeutung für die disziplinarrechtliche Ahndung des [X.]ienstvergehens, ist es auch ohne Belang, ob die [X.] vor oder nach Einleitung des [X.]isziplinarverfahrens eintritt.

Von wem die späte Einleitung des [X.]isziplinarverfahrens zu verantworten ist, ist insoweit ebenfalls unerheblich und kann nur in den Fällen Bedeutung erlangen, in denen lediglich auf eine pflichtenmahnende [X.]isziplinarmaßnahme zu erkennen ist. Ergibt die Gesamtwürdigung hingegen, dass wegen eines schwerwiegenden [X.]ienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, so lässt sich allein aufgrund einer unangemessenen langen Verfahrensdauer nicht der Verbleib im Beamtenverhältnis rechtfertigen (vgl. Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 62.11 - NVwZ-RR 2013, 693 Rn. 59 ff. m.w.N.).

Meta

2 B 86/13

21.11.2013

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, 7. Mai 2013, Az: 8 DO 472/11, Urteil

§ 12 DG TH, § 11 Abs 1 S 2 Halbs 2 DG TH, § 15 BDG, § 13 Abs 1 S 3 BDG, § 51 Abs 1 BZRG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.11.2013, Az. 2 B 86/13 (REWIS RS 2013, 925)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 925

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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