Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2000, Az. 4 StR 162/00

4. Strafsenat | REWIS RS 2000, 1893

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[X.] DES VOLKESUrteil4 StR 162/00vom20. Juni 2000in der Strafsachegegenwegen Verdachts des [X.] 2 -Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom20. Juni 2000, an der teilgenommen haben:Vorsitzender [X.] am [X.]. [X.],die [X.] am [X.],[X.],die [X.]in am [X.] am [X.]. [X.]als beisitzende [X.],[X.] in der Verhandlung,Staatsanwalt bei der Verkündung als Vertreter der [X.]schaft,Rechtsanwalt als Verteidiger,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil [X.] [X.] vom 4. November 1999 mit den [X.] Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Rechtsmittels, an eine als [X.] Strafkammer des [X.] zurückver-wiesen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat die Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung in Ta-teinheit mit fahrlässiger Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von drei [X.] sechs Monaten verurteilt. Mit ihrer Revision rügt die Staatsanwaltschaft dieVerletzung materiellen Rechts. Sie beanstandet insbesondere die Verneinungdes bedingten Tötungs- und Brandstiftungsvorsatzes. Das vom Generalbun-desanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.1. a) Nach den Feststellungen hatte die Angeklagte gegen 4.00 Uhr [X.] aufgesucht und den Rest der Nacht bei ihm verbracht.Nachdem sie gegen 10.00 Uhr in der nahegelegenen Tankstelle einen [X.] gekauft hatte, fesselte sie [X.] mit Stoffstreifen ansein Bett und schüttete "etwa drei Liter Benzin über den nackten und unbe-deckten Körper des [X.], insbesondere im Bereich der unteren zwei [X.], sowie auf den Teppichboden vor dem Bett". Die Angeklagte [X.]e [X.] möglicherweise mehrfach [X.] ein Feuerzeug. Sie "wußte, daß dasEntzünden des Feuerzeugs mit der Gefahr verbunden war, daß das verschüt-tete Benzin in Brand geriet, daß [X.] dadurch zu Tode kommen und [X.] Bestandteile des Wohnhauses ergreifen konnte.fl Das Benzin geriet [X.]; es entstand ein "Feuerball, der Temperaturen von mehreren 100 GradCelsius mit sich brachte. " [X.] verstarb" nach wenigen Atem-zügen infolge des [X.] heißer Gase an einem Hitzeschock." Die nur miteinem Büstenhalter und einem Slip bekleidete Angeklagte erlitt [X.] mehr als 20 % der [X.]) Die Angeklagte hat bei ihrer Exploration durch den psychiatrischenSachverständigen unter anderem folgende Angaben gemacht:Nach einem Streit mit ihrem Lebensgefährten, der sie geohrfeigt undvorübergehend ins Schlafzimmer eingeschlossen habe, habe sie [X.] aufgesucht, um bei ihm - wie schon bei früheren Gelegenheiten - "[X.]" zu suchen. Am Vormittag habe [X.] sie [X.] aufgefordert, ihn an sein Bett zu fesseln. Sie habe dies getan, jedoch sei-nen Wunsch abgelehnt, ihn mit dem Messer am nackten Rücken zu ritzen."Nach anfänglichem Widerstreben" sei sie seiner Aufforderung nachgekom-men, ihn mit Benzin zu übergießen. [X.] habe geäußert: "[X.] es [X.], der Geruch, die Kälte!" und sie dann aufgefordert, mit einemFeuerzeug zu spielen. Sie habe das Feuerzeug "in die Luft" über seinen Kör-per gehalten und es mehrfach gezündet ([X.]). Dabei sei sie sich der Gefahr,einen Brand zu verursachen "durchaus bewußt gewesen (...). Sie habe den[X.] nicht töten wollen; sie sei vielmehr seinem Ansinnen aus Naivität und- 5 -Leichtgläubigkeit nachgekommen. Sie sei froh gewesen, als bei den erstenZündungen nichts passiert sei, und habe angenommen, daß die Gefahr einesFeuers immer geringer werde" ([X.] 34).Nach Auffassung des [X.]s war diese Einlassung "nicht mit dernotwendigen Sicherheit" zu widerlegen. Insbesondere habe nicht ausgeschlos-sen werden können, daß die Angeklagte "lediglich dem [X.] zu dessen se-xueller Befriedigung einen Gefallen tun wollte." Daher habe sich nicht feststel-len lassen, daß die Angeklagte den Tod oder auch eine körperliche Verletzungdes [X.] sowie das Inbrandgeraten des Wohnhauses beabsichtigt oder auchnur billigend in Kauf genommen habe. Vielmehr sei nicht auszuschließen, daßsie "ernsthaft darauf vertraute, daß all dies nicht passierte."2. Die Erwägungen des [X.]s, mit denen es in Anwendung [X.] lediglich (bewußte) Fahrlässigkeit angenommen hat, haltenrechtlicher Nachprüfung nicht stand.Das [X.] hat es mit [X.] Erwägungen als erwiesenangesehen, daß die Angeklagte sich während des gesamten [X.] mit dem "Spielen" mit dem Feuerzeug verbundenen Gefahr bewußt war,daß sich das Benzin entzündete, [X.] dadurch zu [X.] konnte und daß Bestandteile des Hauses in Brand geraten konnten.Die Angeklagte war sich, was das [X.] allerdings erst bei den [X.] zur Strafzumessung ausgeführt hat, auch zum Zeitpunkt der [X.] des mit [X.] verbundenen "besonders großen Gefah-renpotentials" bewußt ([X.] 47).Bei dieser Sachlage kam es für die Frage, ob die Angeklagte [X.] oder lediglich bewußt fahrlässig gehandelt hat, darauf an, ob die- 6 -Angeklagte die für möglich gehaltene Tatbestandsverwirklichung billigend inKauf genommen hat oder ob sie damit nicht einverstanden war und ernsthaftdarauf vertraut hat, sie werde nicht eintreten (vgl. BGHSt 36, 1, 9/10; [X.] 1999, 507, 508). Auch das Willenselement dieser im Grenzbereich engbeieinander liegenden Schuldformen muß umfassend in einer Gesamtschaualler objektiven und subjektiven Tatumstände geprüft werden (vgl. BGHSt 36,1, 9 f.; BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 24, 41). Dies hat das[X.] zwar an sich nicht verkannt. Seine Annahme, es könne nicht aus-geschlossen werden, daß die Angeklagte ernsthaft darauf vertraut hat, der alsmöglich erkannte tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten, beruht aber [X.] rechtsfehlerhaften Wertung:Ihr stehen schon die Angaben der Angeklagten zur inneren Tatseite ent-gegen. Wenn nämlich die Angeklagte "froh" war, "als bei den ersten Zündun-gen nichts passierte", folgt daraus im Umkehrschluß, daß sie beim Entzündendes [X.] wegen des ihr bekannten "besonders großen Gefahrenpo-tentials" gerade nicht auf einen glücklichen Ausgang vertraut hat. Hält der [X.] aber den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges für möglich und setzt er [X.] dennoch fort, liegt es bei [X.] nahe, daß er [X.] des Erfolges billigend in Kauf nimmt (vgl. [X.], 584; 1999,507, 508; BGHR StGB § 212 Vorsatz, bedingter 38, 39).Der Angeklagten mag es, wie das [X.] meint, im Hinblick insbe-sondere auf die [X.] wie der Geschehensablauf belegt, allerdings gegenüber derGefährdung des [X.] wesentlich geringere - Eigengefährdung und [X.] eines einsichtigen Beweggrundes für eine so schwere Tat (vgl. [X.] § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 40, 42) unerwünscht gewesen sein, daßes zur Entzündung des Benzins und den damit verbundenen Folgen kam. [X.] -hindert aber die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes ebenso wenig(vgl. [X.], 584; BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 39,42) wie die nach Auffassung des [X.]s im Hinblick auf deren Vorge-hensweise "als nachvollziehbar und nicht völlig lebensfremd" erscheinende"Hoffnung" der Angeklagten, "es werde nichts passieren". Diese Erwägung [X.] läßt vielmehr trotz des Hinweises auf die nach der Rechtspre-chung des [X.] an die Annahme des bedingten Vorsatzes zustellenden Anforderungen (BGHSt 36, 1, 11 und 13) besorgen, daß es an [X.] zu hohe Anforderungen gestellt hat. Handelt der Täter inKenntnis der besonderen Gefährlichkeit seines Tuns und ist er sich [X.] wie hier [X.]des damit verbundenen "besonders großen [X.]" bewußt, liegtes nahe, daß er die weitere Entwicklung dem Zufall überläßt. Dann [X.] die "Hoffnung, es werde nichts passieren," nicht, eine Billigung des fürmöglich gehaltenen Erfolges zu verneinen (vgl. [X.], 507, 508).3. Die Frage, ob die Angeklagte mit bedingtem Tötungs- und Brandstif-tungsvorsatz gehandelt hat, bedarf daher der erneuten Prüfung. Der neueTatrichter wird aber zunächst wiederum zu prüfen haben, ob die Angeklagteden gefesselten und schlafenden [X.] mit Benzin übergossen und dieses [X.] hat, um ihn zu töten (direkter Vorsatz). Dabei wird er sich mit der schonin sich wenig plausiblen Einlassung der Angeklagten sowie mit deren Sponta-näußerung unmittelbar nach der Tat: "Nebenan schläft noch einer!" näher aus-einandersetzen müssen; er wird hierbei auch zu bedenken haben, daß [X.] Angaben des Sachverständigen ein Tiefschlaf des [X.] nach Ein-nahme des [X.] zwar unwahrscheinlich, mithin aber doch möglich war.In diesem Zusammenhang kann ferner von Bedeutung sein, daß die Ange-klagte nach den Feststellungen das Benzin zunächst nicht in die Wohnungbrachte und daß zwischen Beschaffen und Verwenden des Benzins etwa zwei- 8 -Stunden lagen, was ebenfalls gegen ein Handeln auf Verlangen des [X.]sprechen könnte. Wenn es dem Tatopfer [X.] wie das [X.] unterstellt [X.]bei den von der Angeklagten verlangten Handlungen um seine sexuelle Befrie-digung ging, erscheint es im Übrigen lebensfremd anzunehmen, daß es zuvorselbst ein Schlafmittel eingenommen hat.4. Die gemäß § 301 [X.] auf die Revision der Staatsanwaltschaft auchinsoweit gebotene Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler [X.] der Angeklagten ergeben. Insbesondere steht die nach den bisherigenFeststellungen angenommene Einwilligung des [X.] in das sein Lebengefährdende Tun der Angeklagten der Verurteilung wegen fahrlässiger Tötungnicht entgegen, da sie, wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, [X.] nicht zu beseitigen vermag (vgl. BGHSt 4, 88, 93; 7, 112,115; [X.], 277, 279; Lenckner in [X.]/[X.] StGB 25. Aufl.[X.]. §§ 32 ff. [X.]. 104).- 9 -5. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt.[X.] Gebrauch und verweist die Sache an das [X.] Essen zurück.[X.] Maatz [X.]

Meta

4 StR 162/00

20.06.2000

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2000, Az. 4 StR 162/00 (REWIS RS 2000, 1893)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1893

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